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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_80/2023  
 
 
Urteil vom 27. März 2023  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Müller, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Chaix, Kölz, 
Gerichtsschreiber Schurtenberger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Advokatin Angela Agostino-Passerini, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg, Riburgerstrasse 4, Postfach, 4310 Rheinfelden. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Nichtherausgabe von Mobiltelefonen, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 19. Dezember 2022 (SBK.2022.385). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg führt ein Strafverfahren gegen A.________ wegen des Verdachts auf qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz gemäss Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG. Im Rahmen dieses Strafverfahrens stellte sie zwei Mobiltelefone von A.________ sicher, deren Siegelung in der Folge beantragt wurde. Mit Schreiben vom 26. Oktober 2022 stellte die Staatsanwaltschaft fristgerecht einen Antrag um Entsiegelung dieser Geräte. 
 
B.  
Mit Schreiben vom 7. November 2022 beantragte A.________ bei der Staatsanwaltschaft die Herausgabe der sichergestellten Mobiltelefone, was mit Verfügung vom 10. November 2022 abgelehnt wurde. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, mit Entscheid vom 19. Dezember 2022 ab. 
 
C.  
A.________ erhob mit Eingabe vom 23. Januar 2023 beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, den Entscheid der Vorinstanz vom 19. Dezember 2022 aufzuheben und ihm die sichergestellten Mobiltelefone herauszugeben, eventualiter die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Weiter beantragt er die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Rechtsverbeiständung für das bundesgerichtliche Beschwerdeverfahren. Die Staatsanwaltschaft und die Vorinstanz haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über die Rückgabe von Aufzeichnungen, die im Rahmen eines Strafverfahrens sichergestellt und gesiegelt wurden (siehe Art. 248 Abs. 2 StPO). Dagegen steht die Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht nach Art. 78 ff. BGG grundsätzlich offen.  
 
1.2. Der angefochtene Entscheid schliesst weder das Straf- noch das Entsiegelungsverfahren ab. Er kann nur unter den Voraussetzungen von Art. 92 und 93 BGG angefochten werden. Danach ist die Beschwerde insbesondere zulässig, wenn der angefochtene selbständig eröffnete Zwischenentscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG). Der Beschwerdeführer macht unter Berufung auf BGE 141 IV 289 geltend, das Gesetz sehe für den Fall, dass nicht fristgerecht ein Entsiegelungsgesuch gestellt werde, ausdrücklich die sofortige Rückgabe der sichergestellten Aufzeichnungen vor, womit die Eintretensvoraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG erfüllt und auf seine Beschwerde einzutreten sei.  
 
1.3. Inwiefern dieser Auffassung zutreffend ist, kann vorliegend dahingestellt bleiben, da die Beschwerde offensichtlich unbegründet und damit ohnehin abzuweisen ist.  
 
2.  
Der Beschwerdeführer rügt zunächst eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör. 
 
2.1. Der Beschwerdeführer beantragte im vorinstanzlichen Verfahren, die Akten des Strafverfahrens seien von Amtes wegen beizuziehen und ihm anschliessend zur Einsichtnahme zuzustellen. Die Vorinstanz hielt diesbezüglich fest, die Vorakten könnten einzig insoweit beigezogen werden, als sie seinen Antrag auf Herausgabe der Mobiltelefone beträfen. Sie würden im Wesentlichen das Schreiben der amtlichen Verteidigerin vom 7. November 2022 an die Staatsanwaltschaft sowie den Entsiegelungsantrag der Staatsanwaltschaft vom 25. Oktober 2022 umfassen und damit Dokumente, die dem Beschwerdeführer bereits bekannt seien. Ein Akteneinsichtsgesuch hinsichtlich der Akten des Strafverfahrens sei entweder bei der Staatsanwaltschaft oder aber beim Zwangsmassnahmengericht zu stellen, wo sich die Akten befinden müssten.  
 
2.2. Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, vermag nicht zu überzeugen. Die von der Vorinstanz gewählte Formulierung, die beigezogenen Akten würden "im Wesentlichen" die vorgenannten Aktenstücke umfassen, ist zwar insoweit etwas unglücklich gewählt, als tatsächlich der Eindruck entstehen könnte, sie habe noch weitere, dem Beschwerdeführer nicht bekannte, von ihr aber als nicht wesentlich erachtete Akten beigezogen. Dies ist jedoch nicht der Fall: Die Vorakten bestehen einzig aus der im vorinstanzlichen Verfahren angefochtenen Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 10. November 2022 (inkl. Angaben zur Sendungsverfolgung), der diesbezüglichen Beschwerde vom 21. November 2022, dem ursprünglichen Antrag auf Herausgabe der Mobiltelefone vom 7. November 2022 sowie dem Antrag auf Entsiegelung der Staatsanwaltschaft vom 25. Oktober 2022. Bei diesen Aktenstücken handelt es sich ausschliesslich um Eingaben des Beschwerdeführers selbst sowie um Eingaben der Staatsanwaltschaft, die ihm bereits zugestellt worden waren und auf die er sich in seiner Beschwerdeschrift an die Vorinstanz ausdrücklich berufen hat.  
Vor der Vorinstanz war einzig die Frage streitig, ob dem Beschwerdeführer die sichergestellten Gegenstände in Anwendung von Art. 248 Abs. 2 StPO mangels Vorliegens eines gültigen Entsiegelungsantrags der Staatsanwaltschaft auszuhändigen seien. Inwiefern hierfür ein Beizug der vollständigen Akten des Strafverfahrens notwendig wäre, wird vom Beschwerdeführer nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich. Seine diesbezügliche Rüge ist unbegründet. 
 
3.  
Der Beschwerdeführer rügt sodann eine Verletzung von Art. 248 Abs. 2 StPO
 
3.1. Er verlangt die sofortige Herausgabe der sichergestellten Datenträger, da kein gültiges Entsiegelungsgesuch im Sinne von Art. 248 Abs. 2 StPO gestellt worden sei. Sowohl er persönlich als auch seine Verteidigerin hätten je unabhängig voneinander die Siegelung der sichergestellten Datenträger beantragt, die Staatsanwaltschaft aber nur ein einziges Entsiegelungsgesuch und nicht, wie erforderlich, zwei eigenständige Gesuche gestellt. Damit seien die Voraussetzungen von Art. 248 Abs. 2 StPO nicht erfüllt und ihm die sichergestellten Gegenstände unverzüglich herauszugeben.  
 
3.2. Diese Vorbringen sind offensichtlich unzutreffend. Die Siegelung bewirkt einerseits in rechtlicher Hinsicht ein einstweiliges Durchsuchungs- und Verwertungsverbot (DAMIAN K. GRAF, Praxishandbuch zur Siegelung, 2022, Rz. 208; ANDREAS J. KELLER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], 3. Aufl. 2020, N. 3 zu Art. 248 StPO; vgl. auch MARTIN REIMANN, Die strafprozessuale Siegelung, 2022, Rz. 27 ff., der von einem "Verwendungsverbot" spricht). Sie ist andererseits zugleich ein physischer Vorgang, bei welchem die Strafverfolgungsbehörden die sichergestellten Unterlagen oder Datenträger in einer Art und Weise zu verpacken haben, die den Zugriff auf diese Aufzeichnungen ohne Brechen des Siegels verunmöglicht (siehe Urteil 1B_412/2021 vom 29. November 2021 E. 3.3.3). Das Stellen mehrerer Siegelungsgesuche hat jedoch weder in rechtlicher Hinsicht ein "mehrfaches Durchsuchungs- und Verwertungsverbot" noch in physischer Hinsicht das Anbringen mehrerer Siegel, die jeweils einzeln zu entfernen wären, zur Folge.  
Der Vorinstanz ist darin beizupflichten, dass die Frage, ob die Staatsanwaltschaft in ihrem Gesuch um Entsiegelung der sichergestellten Datenträger auf sämtliche der geltend gemachten Siegelungsgründe hinreichend eingegangen ist, nicht im Rahmen der Prüfung der Fristwahrung nach Art. 248 Abs. 2 StPO, sondern anlässlich der inhaltlichen Prüfung des Entsiegelungsgesuchs vom Zwangsmassnahmengericht zu beurteilen sein wird (vgl. Urteil 1B_424/2013 vom 22. Juli 2014 E. 2.3, nicht publ. in BGE 140 IV 108). Nichts anderes gilt hinsichtlich der Frage, wem im Entsiegelungsverfahren alles Parteistellung zu gewähren ist (vgl. Urteil 1B_487/2018 vom 6. Februar 2019 E. 2.3 f.; siehe auch DAMIAN K. GRAF, a.a.O., Rz. 270 ff.). Anzufügen bleibt, dass der Beschwerdeführer ohnehin nicht über die Legitimation verfügt, eine Verletzung der Parteirechte seiner Verteidigerin im Entsiegelungsverfahren im eigenen Namen geltend zu machen (Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG). 
 
3.3. Es ist unbestritten, dass die Staatsanwaltschaft innert der Frist von Art. 248 Abs. 2 StPO die Entsiegelung der sichergestellten Datenträger beantragt hat. Demnach hat die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt, wenn sie deren Herausgabe an den Beschwerdeführer aufgrund des noch hängigen Entsiegelungsverfahrens verweigert hat.  
 
4.  
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen und keine Parteientschädigungen zuzusprechen (Art. 66 und 68 BGG). 
Indessen stellt der Beschwerdeführer ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung für das Verfahren vor Bundesgericht. Deren Gewährung setzt jedoch insbesondere voraus, dass die gestellten Rechtsbegehren nicht aussichtlos erscheinen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Die Beschwerde war offensichtlich unbegründet, weshalb das Gesuch abzuweisen ist. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung für das bundesgerichtliche Verfahren wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg und dem Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 27. März 2023 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Müller 
 
Der Gerichtsschreiber: Schurtenberger