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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_1108/2021  
 
 
Urteil vom 27. April 2023  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichter Denys, 
Bundesrichterin van de Graaf, 
Bundesrichterin Koch, 
Bundesrichter Hurni, 
Gerichtsschreiberin Lustenberger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Patrik Salzmann, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Güterstrasse 33, Postfach, 8010 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unrechtmässiger Bezug von Leistungen einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe; leichter Fall, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 6. Juli 2021 (SB190346-O/U/hb). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Das Bezirksgericht Zürich verurteilte A.________ am 13. Mai 2019 wegen unrechtmässigen Bezugs von Leistungen einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu Fr. 30.-- und verwies ihn für fünf Jahre des Landes. Die Verurteilung gründete auf einer Strafanzeige der Sozialen Dienste der Stadt Zürich vom 26. Januar 2018. 
 
B.  
Auf Berufung von A.________ und Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft hin bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich das erstinstanzliche Urteil am 6. Juli 2021 im Schuldpunkt sowie bezüglich Landesverweisung. Die Geldstrafe reduzierte es auf 150 Tagessätze. 
 
C.  
A.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, er sei des unrechtmässigen Bezugs von Leistungen einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe im Sinne von Art. 148a Abs. 1 StGB freizusprechen und wegen eines leichten Falls dieses Tatbestands im Sinne von Art. 148a Abs. 2 StGB zu verurteilen. Von einer Landesverweisung sei abzusehen. Eventualiter sei die Sache zur erneuten Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. In prozessualer Hinsicht ersucht er für das bundesgerichtliche Verfahren um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung. 
Während das Obergericht des Kantons Zürich auf eine Vernehmlassung verzichtet, beantragt die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich die kostenfällige Abweisung der Beschwerde. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Am 2. Februar 2017 liess sich der damals schon seit mehr als zehn Jahren von der Sozialhilfe unterstützte Beschwerdeführer sein Freizügigkeitsguthaben in der Höhe von Fr. 18'393.15 auszahlen, ohne die zuständigen Sozialen Dienste darüber zu informieren. Diese wurden erst am 14. August 2017 durch das Amt für Zusatzleistungen zur AHV/IV der Stadt Zürich über den Bezug der Freizügigkeitsleistung in Kenntnis gesetzt. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden dem Beschwerdeführer irrtümlich insgesamt Fr. 13'735.30 zu viel Sozialhilfe ausbezahlt. Auf entsprechende Aufforderung hin legte der Beschwerdeführer den Sozialen Diensten im Rahmen der Einkommens- und Vermögensdeklaration am 8. September 2017 Belege zur Auszahlung der Freizügigkeitsleistung vor.  
 
1.2. Streitig ist, ob ein leichter Fall des unrechtmässigen Bezugs von Leistungen einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe vorliegt. Mit Verweis auf verschiedene Lehrmeinungen vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, dass der Deliktsbetrag gerade noch geringfügig und im Bereich eines leichten Falls anzusiedeln sei. Die Vorinstanz nehme ausserdem eine unzutreffende Gewichtung der Deliktsdauer vor respektive habe diese in den Hintergrund zu treten, denn es habe sich um eine einzelne Zahlung gehandelt, die er auf erste Aufforderung hin offengelegt habe. Der Deliktserfolg sei gering. Als weiteres verschuldensminderndes Element hätte die Vorinstanz berücksichtigen müssen, dass er den Tatbestand durch passives Verhalten erfüllt und eine geringe kriminelle Energie offenbart habe. Die Sozialen Dienste hätten zudem Kenntnis vom streitigen Freizügigkeitsguthaben gehabt und dieses aufmerksam kontrolliert, weshalb absehbar gewesen sei, dass sie die Auszahlung bemerken würden. Hinzu komme, dass die Auszahlung zwingend der Steuerbehörde mitgeteilt werde, er dieser Mitteilung zugestimmt und die entsprechende Steuer bezahlt habe. Damit habe er selber dazu beigetragen, dass die Auszahlung entdeckt werde. Mit der Auszahlung des Guthabens, das er durch eigene Erwerbstätigkeit angespart habe, habe er seine eigene Altersvorsorge gemindert. Auch dies habe die Vorinstanz zu Unrecht nicht berücksichtigt. Schliesslich habe er entgegen der Vorinstanz aus nachvollziehbaren und nicht aus egoistischen Beweggründen gehandelt, indem er einen Teil der Freizügigkeitsleistung für eine Reise nach Peru verwendet habe, um seine hochbetagte und invalide Mutter zu besuchen und darüber hinaus Schulden getilgt sowie Lebensmittel gekauft habe. Er habe sich in einer emotionalen Notlage befunden.  
 
1.3. Des unrechtmässigen Bezugs von Leistungen einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe nach Art. 148a Abs. 1 StGB macht sich schuldig, wer jemanden durch unwahre oder unvollständige Angaben, durch Verschweigen von Tatsachen oder in anderer Weise irreführt oder in einem Irrtum bestärkt, sodass er oder ein anderer Leistungen einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe bezieht, die ihm oder dem andern nicht zustehen. In leichten Fällen ist die Strafe Busse (Art. 148a Abs. 2 StGB). Diesfalls stellt der Tatbestand somit eine Übertretung dar (Art. 103 StGB).  
 
1.4. Wann ein leichter Fall des unrechtmässigen Bezugs von Leistungen einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe gegeben ist, definiert das Gesetz nicht. Die bisherige Rechtsprechung greift die Vorgaben der Botschaft vom 26. Juni 2013 zur Änderung des Strafgesetzbuchs und des Militärstrafgesetzes (BBl 2013 6039) auf und hält entsprechend fest, dass nebst dem Betrag der unrechtmässig bezogenen Sozialleistung, das heisst dem Ausmass des verschuldeten Erfolgs, weitere Elemente zu beachten sind, die das Verschulden des Täters oder der Täterin herabsetzen können. Dieser (unpublizierten) Rechtsprechung zufolge bildet der Deliktsbetrag zwar ein zentrales Kriterium für die Beurteilung eines leichten Falls nach Art. 148a Abs. 2 StGB. Bis anhin hat das Bundesgericht jedoch keine entsprechenden konkreten Schwellenwerte festgelegt. Stattdessen erachtete es den Deliktsbetrag stets als Abgrenzungskriterium, das nur im Sinne einer "Erheblichkeitsschwelle" ("seuil de gravité") bedeutsam sein könne (Urteile 6B_104/2022 vom 8. Februar 2023 E. 2.1.4; 6B_1400/2021 vom 20. Dezember 2022 E. 4.2; 6B_773/2021 vom 5. Oktober 2022 E. 2.2; 6B_797/2021 vom 20. Juli 2022 E. 2.2; 6B_1246/2020 vom 16. Juli 2021 E. 4.3; je mit Hinweisen). In Anwendung dieser Grundsätze nahm das Bundesgericht bei Deliktsbeträgen von Fr. 26'190.-- (Urteil 6B_104/2022 vom 8. Februar 2023 E. 2.4), von Fr. 22'198.65 bzw. Fr. 23'000.-- (Urteile 6B_773/2021 vom 5. Oktober 2022 E. 2.3; 6B_1030/2020 vom 30. November 2020 E. 1.2), von rund Fr. 14'000.-- (Urteil 6B_797/2021 vom 20. Juli 2022 E. 2.3) und von Fr. 4'343.-- respektive Fr. 4'364.25 oder Fr. 4'542.-- (Urteile 6B_1400/2021 vom 20. Dezember 2022 E. 4.1 und 4.3; 6B_1161/2019 vom 13. Oktober 2020 E. 1.2) keinen leichten Fall mehr an. Dagegen bejahte es bei einem Deliktsbetrag von Fr. 3'303.73 das Vorliegen eines leichten Falls (Urteil 6B_1246/2020 vom 16. Juli 2021 E. 2.1 und 4.4).  
 
1.5. Im Folgenden wird der leichte Fall des unrechtmässigen Bezugs von Leistungen einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe nach Art. 148a Abs. 2 StGB, anknüpfend an den Deliktsbetrag, in seiner Anwendung näher präzisiert und eingegrenzt.  
 
1.5.1. Ausgangspunkt hierfür bildet die Botschaft. Gemäss dieser werde, gerade mit Blick auf das geschützte Rechtsgut des Vermögens, ein leichter Fall vor allem da gegeben sein, wo sich die Tat auf eine Sozialleistung von einem geringen Betrag beziehe. Hierin bestehe eine Übereinstimmung mit Art. 172ter StGB, der geringfügige Vermögensdelikte zu Antragsdelikten erkläre und ebenfalls lediglich Busse androhe (BBl 2013 6039). Von der Rechtsprechung wird ein Betrag von maximal Fr. 300.-- als geringer Vermögenswert im Sinne von Art. 172ter StGB angesehen (BGE 142 IV 129 E. 3.1; 123 IV 113 E. 3d mit Hinweis).  
 
1.5.2. Als Schwelle für die Abgrenzung eines leichten Falls zum Grundtatbestand von Art. 148a StGB liegt dieser Wert von Fr. 300.-- nach einhelligem Meinungsstand in der Lehre klar zu tief. So sieht DONATSCH zwar eine Parallele zu Art. 172ter StGB, ist aber der Ansicht, dass der Höchstbetrag für einen leichten Fall nach Art. 148a Abs. 2 StGB "um ein Vielfaches höher" sein müsse (ANDREAS DONATSCH, Strafrecht III, 11. Aufl. 2018, S. 272). Andere Autoren orientieren sich an den Empfehlungen der Schweizerischen Staatsanwälte-Konferenz (SSK) betreffend die Ausschaffung verurteilter Ausländerinnen und Ausländer vom 24. November 2016. Demnach ist von einem leichten Fall auszugehen, wenn die von einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe deliktisch erwirkten Leistungen oder Gegenleistungen den Betrag von Fr. 3'000.-- nicht übersteigen. SCHLEGEL erachtet diese Wertgrenze als "das absolute Minimum", wenn, so sein Argument, die Vorschrift betreffend den leichten Fall nicht vollkommen leerlaufen solle. Er erinnert dabei daran, dass schon der Grundtatbestand von Abs. 1 keine hohe Strafe vorsehe, in typischen Fällen in der Praxis aber relativ schnell grössere Summen an Sozialhilfe- oder Sozialversicherungsbeiträgen ausbezahlt würden (STEPHAN SCHLEGEL, in: Schweizerisches Strafgesetzbuch, Handkommentar, 4. Aufl. 2020, N. 7 zu Art. 148a StGB). Diese Begründung findet sich auch andernorts in der Lehre, so etwa bei ADRIAN BERGER, Umsetzungsgesetzgebung zur Ausschaffungsinitiative, in: Jusletter vom 7. August 2017, Rz. 63 und FIOLKA/VETTERLI, Die Landesverweisung nach Art. 66a StGB als strafrechtliche Sanktion, plädoyer 5/2016 S. 94. Letztere sind der Meinung, dass ein Betrag von Fr. 10'000.-- bis Fr. 15'000.-- noch gering im Sinne von Art. 148a Abs. 2 StGB sein könne. Sie führen konkretisierend aus, oft würden Leistungen in dieser Höhe innerhalb von ca. drei Monaten ausgerichtet, weshalb eine verspätete Meldung nach drei Monaten noch als leichter Fall gelten müsse. Insbesondere sei zu beachten, dass die Voraussetzungen an die Strafbarkeit gering seien, bereits ein Verschweigen als Tathandlung ausreiche und bei nicht privilegierten Fällen eine automatische Landesverweisung drohe. Auch nach ZURBRÜGG/HRUSCHKA könne bei einer Schadenssumme von Fr. 10'000.-- bis Fr. 15'000.-- - wobei diese mit Blick auf die konkreten Umstände im Einzelfall durchaus auch höher anzusetzen sei - grundsätzlich ein leichter Fall angenommen werden (ZURBRÜGG/HRUSCHKA, in: Basler Kommentar, Strafrecht, 4. Aufl. 2019, N. 20 zu Art. 66a StGB). In ähnlicher Weise spricht sich VISCHER, vor allem bezugnehmend auf die zürcherische Gerichtspraxis, für einen Schwellenwert von Fr. 10'000.-- aus (MORITZ VISCHER, Art. 148a StGB [Unrechtmässiger Bezug von Leistungen einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe] - Eine Analyse der ersten Urteile, forumpoenale 3/2022 S. 217). GARBARSKI/BORSODI legen sich zwar nicht auf eine Betragsgrenze fest, verlangen mit Verweis auf die mangelnde Präzision des Gesetzestexts und seiner Funktion als "Gegengewicht" zur Strenge der automatischen Landesverweisung jedoch eine weite Auslegung von Art. 148a Abs. 2 StGB (GARBARSKI/BORSODI, in: Commentaire Romand, Code pénal II, 2017, N. 31 zu Art. 148a StGB).  
 
1.5.3. Besondere Beachtung verdient die Lehrmeinung von JENAL. Zunächst argumentiert er ebenfalls damit, dass die ausgerichteten Sozialleistungen selbst bei Delikten mit geringer krimineller Energie oft hoch sein dürften. Nach seiner Ansicht könnten daher auch Fälle mit einem Deliktsbetrag von Fr. 30'000.-- noch geringfügig sein. Er plädiert sodann dafür, dem Kriterium des Deliktsbetrags im Vergleich zu den übrigen Kriterien erhöhtes Gewicht beizumessen und dieses als Ausgangspunkt für die Beurteilung eines leichten Falls zu verwenden. Dies begründet er namentlich damit, dass geschütztes Rechtsgut von Art. 148a StGB (einzig) das Vermögen sei. Konkret schlägt er eine abgestufte Erheblichkeitsschwelle nach dem Vorbild der unfallversicherungsrechtlichen Klassifizierung von Unfällen bei der Adäquanzprüfung von psychischen Beeinträchtigungen (BGE 115 V 133 E. 6) vor. Dies erläutert er wie folgt: "Unterhalb eines tief anzusetzenden Deliktsbetrags (z.B. CHF 3'000.--) wäre grundsätzlich von einem «leichten Fall» auszugehen; oberhalb eines hohen Deliktsbetrages (z.B. CHF 30'000.--) wäre grundsätzlich nicht mehr von einem «leichten Fall» auszugehen resp. es müssten ausserordentliche Umstände angeführt werden können, welche den erheblichen Deliktsbetrag zu relativieren vermöchten. Im dazwischenliegenden mittleren Bereich wiederum wäre nebst dem Deliktsbetrag anhand weiterer Kriterien zu prüfen, ob ein «leichter Fall» vorliegt" (MATTHIAS JENAL, in: Basler Kommentar, Strafrecht, 4. Aufl. 2019, N. 21 mit Aktualisierung vom 31. Oktober 2022 zu Art. 148a StGB).  
 
1.5.4. Der Vorschlag von JENAL überzeugt. Allgemein ist es im Interesse der Rechtssicherheit und damit der Rechtsanwender und Rechtsanwenderinnen grundsätzlich sinnvoll, gewisse zahlenmässige Grenzen für die Anwendung von Art. 148a Abs. 2 StGB festzulegen. Gleichzeitig gilt es, den Vorgaben der Botschaft gerecht zu werden und damit weitere verschuldensrelevante Umstände in die Beurteilung miteinzubeziehen. Es wäre daher verfehlt, starre Betragsgrenzen zu definieren. Mit der Definition von abgestuften Erheblichkeitsschwellen dagegen wird ein klarer Rahmen für die Anwendung von Art. 148a Abs. 2 StGB geschaffen, der gleichzeitig den nötigen Spielraum für die Berücksichtigung weiterer Tatumstände und anderer Komponenten des Verschuldens belässt.  
 
1.5.5. In einem ersten Schritt ist eine untere Mindestgrenze zu bestimmen, deren Unterschreitung von vornherein die Annahme eines leichten Falls bewirkt. Bagatellfälle werden so prinzipiell von der Anwendung des Grundtatbestands ausgeklammert und können als Übertretungen geahndet werden. Damit ist namentlich die Anordnung einer Landesverweisung - für die Betroffenen nicht selten die einschneidendste Konsequenz ihres strafbaren Verhaltens - ausgeschlossen (Art. 105 Abs. 1 StGB sowie Art. 66a Abs. 1 lit. e und Art. 66a bis StGB e contrario; für weitere Unterschiede zwischen Übertretungen und Vergehen siehe BGE 147 IV 471 E. 5.2.1 ff.). Dies scheint sachgerecht, denn von Verfassungs wegen ist die Landesverweisung nur für relativ schwere Straftaten vorgesehen (Art. 121 Abs. 3 lit. a BV nennt als Anlasstaten - teils in Abweichungen von den Begrifflichkeiten des schweizerischen Strafrechts - vorsätzliche Tötungsdelikte, Vergewaltigung oder andere schwere Sexualdelikte, andere Gewaltdelikte wie Raub, Menschenhandel, Drogenhandel oder Einbruchsdelikte). Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall auch eine Bagatelle eine Landesverweisung zur Folge haben kann. Dennoch enthält der gestützt auf Art. 121 Abs. 4 BV erarbeitete Deliktskatalog von Art. 66a Abs. 1 StGB im Grundsatz schwere Straftaten (vgl. BGE 145 IV 404 E. 1.5.3; Urteil 6B_1424/2019 vom 15. September 2020 E. 2.4.2; je mit Hinweis). Die Definition einer Erheblichkeitsschwelle, die eine klare Grenze zwischen Übertretung und Vergehen zieht, dient somit dem Verhältnismässigkeitsprinzip. Gleichzeitig hat sie die praktische Konsequenz, dass diese, allein aufgrund ihres Deliktsbetrags als geringfügig einzuordnenden Fälle unrechtmässigen Bezugs von Leistungen einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe mittels Strafbefehl erledigt werden können. Es muss folglich nicht aufgrund der drohenden Landesverweisung Anklage erhoben werden (Art. 352 Abs. 2 StPO e contrario), sondern die Verfehlung kann, sofern keine Einsprache erhoben wird, in einem vereinfachten Verfahren durch die Staatsanwaltschaft effizient erledigt werden.  
Zur Klärung der Frage, wie hoch der untere Schwellenwert sein soll, liefert die Schweizerische Lohnstrukturerhebung 2020 gewisse Anhaltspunkte. Demgemäss belief sich der Medianlohn einer Vollzeitstelle in der Schweizer Gesamtwirtschaft im Jahr 2020 auf Fr. 6'665.-- brutto (Medienmitteilung des Bundesamts für Statistik vom 28. März 2022). Bei den Männern waren monatliche Nettolöhne von Fr. 5'001.-- bis Fr. 6'000.-- am häufigsten (19,8 % der Befragten), bei den Frauen monatliche Nettolöhne von Fr. 4'001.-- bis Fr. 5'000.-- (17,4 % der Befragten; vgl. Häufigkeitsverteilung der Arbeitnehmenden nach Lohnhöhenklassen, <https://www.bfs.admin.ch>, unter Statistiken finden/Arbeit und Erwerb/Löhne, Erwerbseinkommen und Arbeitskosten/Lohnniveau Schweiz/Verteilung der Nettolöhne, besucht am 6. März 2023). Der von der SSK vorgeschlagene und in der Literatur wiederholt aufgegriffene Betrag von Fr. 3'000.-- beträgt somit mehr als die Hälfte dessen, was der höchste Prozentsatz der Arbeitnehmenden in der Schweiz monatlich (netto) verdient. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die bisherige Rechtsprechung (siehe E. 1.4 oben) ist eine untere Erheblichkeitsschwelle von Fr. 3'000.-- angemessen. Liegt der Deliktsbetrag unterhalb dieser Grenze, ist immer von einem leichten Fall auszugehen. 
 
1.5.6. In einem weiteren Schritt ist eine Obergrenze zu bestimmen, deren Überschreitung einen leichten Fall grundsätzlich ausschliesst. Die Anwendung von Art. 148a Abs. 2 StGB ist mit anderen Worten nach unten abzugrenzen. Auf diese Weise wird insbesondere dem Umstand Rechnung getragen, dass der Verfassungs- (Art. 121 Abs. 3 lit. b BV) und der Gesetzgeber den Sozialhilfe- respektive Sozialversicherungsbetrug im Hinblick auf die Bedeutung der entsprechenden Einrichtungen für das wirtschaftliche und soziale Leben in der Schweiz als besonders verwerflich werten (Urteile 2C_658/2021 vom 3. März 2022 E. 4.2.2 mit Hinweisen; 2C_822/2016 vom 31. Januar 2017 E. 3.3.1). Wiederum ausgehend vom Medianlohn von Fr. 6'665.-- brutto (siehe E. 1.5.5 oben) scheint es angemessen, die obere Schwelle bei Fr. 36'000.-- anzusetzen, was in etwa sechs Monatslöhnen einer vollzeitig erwerbstätigen Person entspricht. Diese Obergrenze schafft dahingehend eine Abgrenzung, als bei einer Deliktssumme über diesem Betrag im Regelfall kein leichter Fall mehr gegeben ist. Um einen solchen bei Überschreiten des Schwellenwerts dennoch anzunehmen, bedarf es offenkundiger, ausserordentlicher und gewichtiger Umstände, die das Verschulden massiv mindern. Die Bejahung eines leichten Falls stellt diesfalls eindeutig eine Ausnahme dar, die nur in Betracht kommt, wenn die Anwendung des Grundtatbestands dem Gerechtigkeitsempfinden in eklatanter Weise entgegensteht. Zu denken ist beispielsweise an eine beschuldigte Person, welche die Tat in einem Zustand sehr stark verminderter Schuldfähigkeit begangen hat.  
 
1.5.7. Im Bereich dazwischen, das heisst bei Deliktsbeträgen von Fr. 3'000.-- bis Fr. 35'999.99, ist eine vertieftere Prüfung erforderlich. Die Beurteilung, ob ein leichter Fall im Sinne von Art. 148a Abs. 2 StGB vorliegt, erfolgt dabei ähnlich wie beim Überschreiten des oberen Schwellenwerts entsprechend dem Verschulden des Täters oder der Täterin. Sie hat jedoch differenzierter auszufallen, sodass der Grundgedanke der Botschaft und die bisherige Rechtsprechung (vgl. E. 1.4 oben) zur Umsetzung gelangen. Demgemäss kann das Verschulden etwa dann leichter ausfallen, wenn die Dauer des unrechtmässigen Leistungsbezugs kurz war, das Verhalten der Täterschaft nur eine geringe kriminelle Energie offenbart oder ihre Beweggründe und Ziele nachvollziehbar sind. Nach Art. 47 Abs. 1 und 2 StGB sind die gesamten Tatumstände (sog. Tatkomponenten) zu berücksichtigen, namentlich die Art und Weise der Herbeiführung des verschuldeten Erfolgs und die Verwerflichkeit des Handelns (Urteile 6B_104/2022 vom 8. Februar 2023 E. 2.1.4; 6B_1400/2021 vom 20. Dezember 2022 E. 4.2; 6B_773/2021 vom 5. Oktober 2022 E. 2.2; 6B_797/2021 vom 20. Juli 2022 E. 2.2; je mit Hinweisen). Insbesondere kann auch eine Tatbegehung durch reines Verschweigen verbesserter wirtschaftlicher Verhältnisse und somit durch Unterlassen für einen leichten Fall sprechen (vgl. Urteil 6B_1246/2020 vom 16. Juli 2021 E. 4.4; FIOLKA/ VETTERLI, a.a.O., S. 94). Nicht in die Beurteilung miteinzubeziehen sind dagegen die Täterkomponenten (Urteil 6B_773/2021 vom 5. Oktober 2022 E. 2.3; VISCHER, a.a.O., S. 216). Demnach ist bei einem Deliktsbetrag aus dem Mittelbereich anhand sämtlicher für das Tatverschulden massgeblicher Kriterien zu beurteilen, ob sich das Verschulden relativiert. Liegen nennenswerte verschuldensmindernde Umstände vor, ist ein leichter Fall gegeben.  
 
1.5.8. Anzumerken bleibt, dass der Tatbestand des unrechtmässigen Bezugs von Leistungen einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe als Auffangtatbestand zum Betrug (Art. 146 StGB) ausgestaltet ist. Art. 148a StGB wird im Bereich des unrechtmässigen Bezugs von Sozialleistungen anwendbar, wenn das Betrugsmerkmal der Arglist nicht gegeben ist (Urteile 6B_104/2022 vom 8. Februar 2023 E. 2.1.2; 6B_797/2021 vom 20. Juli 2022 E. 2.1.1; 6B_1246/2020 vom 16. Juli 2021 E. 3.4; je mit Hinweisen). Handelte der Täter oder die Täterin arglistig, sind demzufolge in jedem Fall, unabhängig vom Deliktsbetrag, der Tatbestand des Betrugs und, sofern dieser tatsächlich erfüllt ist, die Voraussetzungen der Landesverweisung (vgl. Art. 66a Abs. 1 lit. e StGB) zu prüfen.  
 
1.5.9. In der Kürze lässt sich das Gesagte wie folgt zusammenfassen: Bei Deliktsbeträgen unter Fr. 3'000.-- ist stets von einem leichten Fall des unrechtmässigen Bezugs von Leistungen einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe auszugehen. Im mittleren Bereich von Fr. 3'000.-- bis Fr. 35'999.99 ist anhand der gesamten Tatumstände zu prüfen, ob das Verschulden der Täterschaft soweit vermindert ist, dass sich die Annahme eines leichten Falls nach Art. 148a Abs. 2 StGB rechtfertigt. Bei Deliktsbeträgen ab Fr. 36'000.-- scheidet die Bejahung eines leichten Falls grundsätzlich aus, ausser es liegen im Sinne einer Ausnahme ausserordentliche, besonders gewichtige Umstände vor, die eine massive Verminderung des Verschuldens bewirken.  
 
1.6. Der vorliegende Deliktsbetrag in der Höhe von Fr. 13'735.30 ist nach dem Gesagten im unteren Mittelbereich einzuordnen und es ist zu eruieren, ob das Verschulden in einem Mass herabgesetzt ist, dass die Anwendung des privilegierten Falls von Art. 148a Abs. 2 StGB gerechtfertigt scheint.  
Dies ist zu bejahen. Der Beschwerdeführer erfüllte den Tatbestand nicht durch aktives Handeln, sondern durch Unterlassen der Meldung verbesserter wirtschaftlicher Verhältnisse, konkret der Auszahlung seines Freizügigkeitsguthabens in der Höhe von Fr. 18'393.15. Die Dauer des Verschweigens und damit des unrechtmässigen Sozialhilfebezugs beläuft sich auf sieben Monate. Sie weist somit zwar eine gewisse Erheblichkeit auf (vgl. für einen Deliktszeitraum von acht Monaten Urteil 6B_1030/2020 vom 30. November 2020 E. 1.2). Es gilt jedoch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer nur einen einmaligen Zahlungseingang verschwieg und nebst dem keine weiteren Verschleierungshandlungen vornahm. Vielmehr war den Sozialen Diensten das Freizügigkeitsguthaben gemäss den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz bekannt; sie hatten ein besonderes Augenmerk darauf und wussten, dass er dieses ab seinem 60. Lebensjahr grundsätzlich beziehen kann. Der Beschwerdeführer weist deshalb zu Recht darauf hin, dass er damit rechnen musste, dass das Guthaben respektive die Auszahlung bei der jährlichen Überprüfung des Leistungsanspruchs entdeckt und thematisiert werden würde. Erstellt ist zudem, dass er die entsprechenden Belege anlässlich dieser Überprüfung auf entsprechende Nachfrage hin freiwillig offenlegte. Zu Gunsten des Beschwerdeführers fällt ferner ins Gewicht, dass er gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen nicht direkt- sondern lediglich eventualvorsätzlich gehandelt hat. Insgesamt ist die von ihm aufgewendete kriminelle Energie somit als verhältnismässig gering einzustufen. Auch die Vorinstanz siedelt im Rahmen der Strafzumessung das Tatverschulden insgesamt im unteren Bereich an. Da die Deliktssumme wie bereits erwähnt im unteren Mittelfeld zu verorten ist, liegt im Ergebnis ein leichter Fall im Sinne von Art. 148a Abs. 2 StGB vor. 
Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Prüfung der Voraussetzungen einer Landesverweisung (Art. 105 Abs. 1 und Art. 66a Abs. 1 lit. e StGB e contrario). 
 
2.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Diese hat den Beschwerdeführer wegen unrechtmässigen Bezugs von Leistungen einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe in einem leichten Fall nach Art. 148a Abs. 2 StGB schuldig zu sprechen und hierfür angemessen zu bestrafen. 
Bei diesem Verfahrensausgang werden keine Gerichtskosten erhoben. Der Kanton Zürich hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren im Sinne von Art. 68 Abs. 2 BGG zu entschädigen, wobei die Entschädigung praxisgemäss an dessen Rechtsvertreter auszurichten ist. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird entsprechend gegenstandslos. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutheissen. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 6. Juli 2021 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.  
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Zürich hat Rechtsanwalt Patrik Salzmann für das bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 3'000.-- zu bezahlen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 27. April 2023 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Die Gerichtsschreiberin: Lustenberger