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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_489/2022  
 
 
Urteil vom 27. April 2023  
 
III. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, 
Bundesrichterin Scherrer Reber, 
Gerichtsschreiber Traub. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
handelnd durch ihre Beiständin B.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Tanja Strauch-Frei, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Ausgleichskasse des Kantons Bern, Abteilung Ergänzungsleistungen, 
Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Ergänzungsleistung zur AHV/IV (örtliche Zuständigkeit; negativer Kompetenzkonflikt), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 28. Juni 2022 (200 21 855 EL) und gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 13. September 2022 (EL 2022/20). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Für die 2012 geborene A.________ besteht Anspruch auf eine Kinderrente zur Invalidenrente ihrer Mutter. Diese wohnt im Kanton Bern. Beiden (gerichtlich getrennt lebenden) Elternteilen ist die Obhut entzogen. A.________ wird durch eine Berufsbeiständin der Sozialen Dienste C.________, U.________ (SG), in persönlichen und administrativen Angelegenheiten vertreten und betreut (Ernennungsurkunde der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde D.________ vom 10. Juli 2020). Sie wohnt seit August 2018 im Heim E.________, V.________ (SG), und wird durch die Gemeinde W.________ (GR), dem letzten gemeinsamen Wohnsitz der Familie, unterstützt. 
Im April 2021 meldete die Beiständin A.________ bei der Ausgleichskasse des Kantons Bern zum Bezug von Ergänzungsleistungen (zur IV-Kinderrente ihrer Mutter) an. Die Ausgleichskasse erliess am 17. September 2021 eine Verfügung, mit der sie feststellte, angesichts der Unterhaltspflicht ihres Vaters bestehe für A.________ ab April 2021 bis auf Weiteres kein Anspruch auf Ergänzungsleistung. Die Gemeinde W.________ erhob Einsprache. Die bernische Ausgleichskasse trat in einem (den Sozialen Diensten C.________ eröffneten) Entscheid vom 19. November 2021 nicht auf das Rechtsmittel ein; die Einsprache sei verspätet. 
 
B.  
Vertreten durch die Sozialen Dienste C.________ erhob A.________ am 9. Dezember 2021 Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern. Dieses stellte nach einem informellen Meinungsaustausch mit dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen fest, es sei örtlich unzuständig, und überwies die Beschwerde an das sanktgallische Versicherungsgericht (Entscheid vom 28. Juni 2022). Letzteres trat seinerseits mangels örtlicher Zuständigkeit nicht auf die Beschwerde ein (Entscheid vom 13. September 2022). 
 
C.  
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, die Frage der örtlichen Zuständigkeit sei bundesgerichtlich zu entscheiden und die Sache zur Beurteilung an die zuständige Instanz zu überweisen. Ausserdem ersucht sie um unentgeltliche Rechtspflege (Prozessführung und Rechtsverbeiständung). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Es besteht ein interkantonaler negativer Kompetenzkonflikt über die Behandlung einer Beschwerde gegen den Einspracheentscheid der Ausgleichskasse des Kantons Bern vom 19. November 2021 in Sachen Ergänzungsleistung. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern ist nicht auf die Sache eingetreten und hat festgestellt, es sei örtlich unzuständig; die Sache sei von Amtes wegen an das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen zu überweisen (Art. 58 Abs. 3 ATSG). Beim Nichteintretensentscheid des sanktgallischen Versicherungsgerichts handelt es sich um einen verfahrensabschliessenden Entscheid nach Art. 90 BGG. Gegen einen solchen Endentscheid ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig (BGE 143 V 363 E. 1). 
Mit der Beschwerde gegen den Nichteintretensentscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 13. September 2022 gilt auch der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 28. Juni 2022 als angefochten (vgl. Art. 100 Abs. 5 BGG; BGE 148 I 104 E. 1.1). Das Bundesgericht prüft die Zuständigkeit der infrage kommenden Instanzen frei (BGE 142 V 67 E. 2.1). 
 
2.  
 
2.1. Nach Art. 58 Abs. 1 ATSG (in Verbindung mit Art. 1 ELG) liegt die Zuständigkeit zur Behandlung von Beschwerden beim Versicherungsgericht desjenigen Kantons, in dem die versicherte Person oder der Beschwerde führende Dritte zur Zeit der Beschwerdeerhebung Wohnsitz hat.  
 
2.2. Im Rahmen eines informellen Meinungsaustauschs zwischen dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern hat Letzteres mit Schreiben vom 25. Mai 2022 unter Hinweis auf die Lehre (DANIEL STAEHELIN, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 6. Aufl. 2018, N 5 und 9 zu Art. 25 ZGB; vgl. BGE 148 V 21 E. 6.3) den Standpunkt vertreten, angesichts des Umstandes, dass keinem Elternteil die Obhut zustehe, gelte der Aufenthalt des Kindes (in einem Heim im Kanton St. Gallen) als dessen Wohnsitz im Sinn von Art. 25 Abs. 1 ZGB ("übriger Fall") und Art. 58 Abs. 1 ATSG. Deshalb sei das sanktgallische Versicherungsgericht zuständig für die Behandlung der Beschwerde vom 9. Dezember 2021.  
Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen nahm mit Schreiben vom 20. Juni 2022 den Standpunkt ein, Art. 58 Abs. 1 ATSG sei im Bereich der Ergänzungsleistung nicht anwendbar. Der Gerichtsstand könne nicht so geregelt sein, dass die Beschwerdeinstanz des einen Kantons das (ergänzende) EL-Recht eines anderen Kantons anwenden müsse. Insofern bestehe eine Gesetzeslücke, die in dem Sinn zu schliessen sei, dass die örtliche Zuständigkeit der Beschwerdeinstanz (nach dem Vorbild von Art. 69 Abs. 1 lit. a IVG) derjenigen der kantonalen EL-Durchführungsstelle folge. Trotz des zivilrechtlichen Wohnsitzes der Beschwerdeführerin im Kanton St. Gallen könne das sanktgallische Versicherungsgericht auf das Rechtsmittel nicht eintreten, weil der angefochtene Einspracheentscheid von der EL-Durchführungsstelle eines anderen Kantons stamme. 
 
2.3. Nachdem der Meinungsaustausch ergebnislos geblieben ist, stellt das bernische Verwaltungsgericht in seinem Entscheid vom 28. Juni 2022 fest, massgeblich sei der Aufenthaltsort der Beschwerdeführerin im Kanton St. Gallen zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung. Demnach erkennt es auf seine örtliche Unzuständigkeit. Die Auffassung des sanktgallischen Versicherungsgerichts, Art. 58 ATSG sei im Bereich der Ergänzungsleistung nicht anwendbar, habe das Bundesgericht wiederholt verworfen.  
Mit Entscheid vom 13. September 2022 tritt das sanktgallische Versicherungsgericht seinerseits auf die Beschwerde nicht ein, allerdings aus anderen Gründen als zuvor im Meinungsaustausch formuliert. Es erwägt, ein Kind, für das Anspruch auf eine Kinderrente (Art. 35 Abs. 1 IVG) zur Invalidenrente des Vaters oder der Mutter bestehe, habe keinen eigenen (originären) Anspruch auf Ergänzungsleistung. Es gelte deshalb auch dann nicht als versicherte Person (und Bezüger im Sinn von Art. 21 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2006 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung [ELG; SR 831.30]), wenn die Ergänzungsleistung gestützt auf Art. 7 Abs. 1 lit. c der Verordnung vom 15. Januar 1971 über die Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELV; SR 831.301) gesondert berechnet werde. Ebensowenig sei die Beschwerdeführerin beschwerdeführender Dritter im Sinn von Art. 58 Abs. 1 ATSG, da sie am streitigen EL-Rechtsverhältnis teilnehme. Ohnehin sei der Wohnsitz eines Dritten nur von Belang, wenn keiner der versicherten Person bestehe. Die örtliche Zuständigkeit der Beschwerdeinstanz werde durch den Wohnsitz der Mutter der Beschwerdeführerin in ihrer Eigenschaft als IV-Rentenbezügerin und EL-Anspruchsberechtigte bestimmt. Dieser Wohnsitz liege im Kanton Bern. 
 
3.  
Zur Diskussion stehen somit drei verschiedene Ansätze, wie die örtliche Zuständigkeit der Beschwerdeinstanz nach Art. 56 ff. ATSG zu bestimmen sei: Zum einen nach dem Kanton, dessen EL-Durchführungsstelle den Einspracheentscheid erlassen hat (dazu nachfolgend E. 3.1); zum andern - unter dem Titel von Art. 58 Abs. 1 ATSG - entweder nach dem Wohnsitz des Kindes, das Anspruch auf eine IV-Kinderrente und dadurch auf Ergänzungsleistungen begründet, oder nach dem Wohnsitz der Mutter als Bezügerin der zugrundeliegenden IV-Rente (E. 3.2). 
 
3.1. Im Rahmen des Meinungsaustauschs vertrat das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen die Auffassung, aus der Zuständigkeit der bernischen Ausgleichskasse für die Festlegung der Ergänzungsleistung folge unmittelbar die Zuständigkeit der Beschwerdeinstanz des Kantons Bern; dies vor allem mit Blick darauf, dass die (bundesrechtliche) Ergänzungsleistung zu einem erheblichen Teil kantonal geregelt sei.  
Das Bundesgericht hat in mehreren Entscheiden festgehalten, dass Art. 58 Abs. 1 ATSG die örtliche Zuständigkeit der kantonalen Versicherungsgerichte auch im Bereich der Ergänzungsleistung abschliessend regelt und keine (unechte) Gesetzeslücke (vgl. BGE 141 V 481 E. 3) gegeben ist (dazu die Urteile 9C_456/2021 vom 22. Dezember 2021 E. 4.2, 9C_441/2018 vom 10. April 2019 E. 3.1, 9C_260/2018 vom 18. Dezember 2018 E. 3.2; vgl. BGE 139 V 170 E. 5.3; kritisch: JEAN MÉTRAL, in: Commentaire romand, Loi sur la partie générale des assurances sociales, 2018, N. 17 zu Art. 58 ATSG). Eine örtliche Zuständigkeit von Durchführungsstelle und Beschwerdeinstanz im selben Kanton ist insofern vorgegeben, als im EL-Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Beschwerdeverfahren das gleiche Kriterium gilt: Während Art. 58 Abs. 1 ATSG die Zuständigkeit der Beschwerdeinstanz in erster Linie am Wohnsitz der versicherten Person festmacht, war schon für die Berechnung der Ergänzungsleistung der Kanton zuständig, in dem die Bezügerin oder der Bezüger Wohnsitz hat (Art. 21 Abs. 1 ELG; UELI KIESER, Kommentar zum ATSG, 4. Aufl. 2020, N. 54 zu Art. 58 ATSG; vgl. BGE 143 V 363 E. 3). Indem Art. 58 Abs. 1 ATSG den Wohnsitz zur Zeit der Beschwerdeerhebung für massgeblich erklärt, durchbricht diese Norm die vom Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen postulierte einheitliche örtliche Zuständigkeit freilich dann, wenn die versicherte Person ihren Wohnsitz während des Verfahrens vom einen Kanton in einen anderen verlegt; so verhielt es sich in den erwähnten Präjudizien. In der vorliegenden Konstellation (IV-rentenberechtigte Mutter mit Wohnsitz im Kanton Bern; zu einer Kinderrente und Ergänzungsleistung berechtigendes Kind mit Wohnsitz im Kanton St. Gallen) geht es derweil allein um die persönliche Anknüpfung: Hier würde die kantonale Zuständigkeit nur dann auseinanderfallen, wenn die EL-Bezügerin nach Art. 21 ELG nicht mit der versicherten Person nach Art. 58 ATSG identisch wäre. Wie sich im Folgenden zeigen wird, trifft dies aber nicht zu. 
 
3.2.  
 
3.2.1. Die in Art. 58 Abs. 1 ATSG verwendeten Begriffe der versicherten Person und des beschwerdeführenden Dritten sind unter Berücksichtigung der Umstände jeweils nach ihrer rechtlichen Bedeutung auszulegen, die sie im infrage stehenden Leistungsbereich haben (BGE 143 V 363 E. 3).  
Die Mutter der minderjährigen Beschwerdeführerin bezieht eine Invalidenrente. Für ihre Tochter hat sie Anspruch auf eine Kinderrente (Art. 35 Abs. 1 IVG). Lebt das Kind - wie die Beschwerdeführerin - nicht bei den Eltern, so ist die Ergänzungsleistung gesondert zu berechnen (Art. 7 Abs. 1 lit. c ELV). Bei einer Rechtsstreitigkeit über die Festlegung der Ergänzungsleistung für das Kind hängt die örtliche Zuständigkeit der Beschwerdeinstanz auf kantonaler Ebene davon ab, ob das (hier aufgrund des Heimaufenthalts im Kanton St. Gallen wohnhafte) Kind oder aber der rentenbeziehende Elternteil (hier die im Kanton Bern ansässige Mutter) als versicherte Person oder allenfalls als beschwerdeführender Dritter im Sinn von Art. 58 Abs. 1 ATSG gilt. 
 
3.2.2. Zur Frage, wer als versicherte Person gilt, ist Folgendes zu beachten: Kinderrenten hängen von der Stammrente ab (BGE 143 V 241 E. 5.2). Sie erleichtern die Unterhaltspflicht des invalid gewordenen oder im AHV-Alter stehenden Unterhaltsschuldners. Der Anspruch auf die Kinderrente steht also dem Rentenempfänger zu, nicht direkt dem Kind (BGE 134 V 15 E. 2.3.3). Anrecht auf Ergänzungsleistungen haben wiederum nur Personen, die einen selbständigen (originären) Anspruch auf eine Rente haben (BGE 138 V 292 E. 3.2; vgl. Art. 4 Abs. 1 und 2 ELG). Kinder, für die ein Anspruch auf eine Kinderrente nach Art. 35 Abs. 1 IVG besteht, können keinen eigenen Anspruch auf Ergänzungsleistungen begründen (BGE 139 V 170 E. 5.2).  
Im Prozess um eine vom Anspruch auf eine IV-Kinderrente abgeleitete Ergänzungsleistung kommt dem Kind demzufolge nicht die Eigenschaft einer versicherten Person nach Art. 58 ATSG zu. Dies gilt unabhängig davon, ob das Kind in die Rechnung des EL-Bezügers einbezogen wird oder ob die Ergänzungsleistung für das nicht bei den Eltern lebende Kind nach Art. 7 Abs. 1 lit. c ELV gesondert berechnet wird (IVO SCHWEGLER, in: Basler Kommentar zum ATSG, 2020, N. 13 zu Art. 58 ATSG). Angesichts des Umstands, dass nur Personen mit selbständigem Rentenanspruch Anrecht auf Ergänzungsleistung haben können, spielt auch keine Rolle, ob die Auszahlung der Ergänzungsleistung an den originär Berechtigten (d.h. hier an die IV-rentenberechtigte Mutter) oder allenfalls an das Kind - resp. an einen Dritten in Vertretung des Kindes - erfolgt (vgl. BGE 138 V 292 E. 4.2.1 f.). 
 
3.2.3. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hält im Übrigen zu Recht dafür, dass das Kind auch nicht als beschwerdeführender Dritter im Sinn von Art. 58 Abs. 1 ATSG anzusehen ist. Das Kind wäre zwar "pro Adressat" der leistungsansprechenden Person beschwerdeberechtigt (BGE 139 V 170 E. 5.2), weil es zur Anmeldung seines Elternteils befugt ist (Art. 20 Abs. 1 ELV in Verbindung mit Art. 67 Abs. 1 AHVV; BGE 138 V 292 E. 4). Ferner kann es im Rahmen eines allfälligen Anspruchs auf Auszahlung der Kinderrente (vgl. Art. 35 Abs. 4 IVG) jedenfalls bezüglich der Auszahlungsmodalitäten Beschwerde führen (BGE 138 V 292 E. 4.2.2; vgl. Urteil I 245/01 vom 7. August 2001 E. 4b). Dennoch besteht von vornherein keine Zuständigkeit am Wohnsitz des Kindes, weil Art. 58 Abs. 1 ATSG keine alternativen Gerichtsstände vorsieht. Vielmehr richtet sich die örtliche Zuständigkeit bei Leistungsstreitigkeiten grundsätzlich allein nach dem Wohnsitz der versicherten Person. Der Wohnsitz eines beschwerdeführenden Dritten ist subsidiär, d.h. nur dann von Belang, wenn kein solcher der versicherten Person besteht resp. eine versicherte Person fehlt (BGE 143 V 363 E. 3; 139 V 170 E. 5.3; SCHWEGLER, a.a.O., N. 14 f. zu Art. 58 ATSG; MÉTRAL, a.a.O., N. 4 zu Art. 58 ATSG; KIESER, a.a.O., N. 19 ff. zu Art. 58 ATSG). Massgebend bleibt also allein der Wohnsitz der Mutter der Beschwerdeführerin im Kanton Bern.  
 
3.3. Zusammengefasst ist das Kind, für das Ergänzungsleistungen zu einer Invaliden-Kinderrente ausgerichtet werden, im diesbezüglichen Prozess weder versicherte Person noch beschwerdeführender Dritter im Sinn von Art. 58 Abs. 1 ATSG. Bei einer die Ergänzungsleistung für das Kind betreffenden Streitsache ist das Versicherungsgericht des Kantons örtlich zuständig, in dem der Bezüger der Stammrente Wohnsitz hat.  
 
 
4.  
Die Beschwerdeführerin hat formal den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen angefochten. Aufgrund des negativen Kompetenzkonflikts gehört auch der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern zum Anfechtungsobjekt (oben E. 1). Der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen wird bestätigt, der Entscheid des bernischen Verwaltungsgerichts aufgehoben. 
Bei diesem Ergebnis unterliegt der Kanton Bern. Er entschädigt die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren (Art. 68 Abs. 2 BGG). Mit Blick auf das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege geht die Entschädigung praxisgemäss direkt an die Rechtsvertreterin. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 28. Juni 2022 wird aufgehoben. Die Sache wird an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern überwiesen, damit es über die Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 19. November 2021 befinde. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Bern entschädigt Rechtsanwältin Tanja Strauch-Frei mit Fr. 1'000.-. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 27. April 2023 
 
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Der Gerichtsschreiber: Traub