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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6S.52/2006 /Rom 
 
Urteil vom 27. Mai 2006 
Kassationshof 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Wiprächtiger, Zünd 
Gerichtsschreiber Thommen. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Markus Koch, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Zentralstrasse 28, 6002 Luzern. 
 
Gegenstand 
Strafzumessung; bedingter Strafvollzug, 
 
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern, II. Kammer, vom 27. Oktober 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der damals 21-jährige X.________ beging zusammen mit mehreren damals minderjährigen Personen vom 24. März bis 20. Mai 2001 insgesamt acht Raubüberfälle, wobei es in zwei Fällen beim Versuch blieb. Dabei konfrontierten die Täter ihre Opfer auf der Strasse, kreisten sie ein oder versperrten ihnen den Weg und verlangten unter Gewaltandrohung und Tätlichkeiten Geld und Gras. Die Beute und der Sachschaden belaufen sich zusammen auf rund Fr. 2'330.--. 
B. 
Das Obergericht des Kantons Luzern verurteilte X.________ am 11. Mai 2004 auf Berufung hin wegen mehrfachen bandenmässigen Raubs (Art. 140 Ziff. 3 Abs. 2 StGB) zu einer Zuchthausstrafe von 2 ¼ Jahren als Zusatzstrafe zu den Strafverfügungen der Amtsstatthalterämter Hochdorf vom 4. Juni 2003 (4 Wochen Gefängnis wegen Gehilfenschaft zu Hehlerei) und Luzern-Stadt vom 13. Januar 2004 (14 Tage Gefängnis wegen Diebstahls und eines Strassenverkehrsdelikts). Kurz vor dem obergerichtlichen Urteil büsste das Amtsstatthalteramt Luzern X.________ für eine Trunkenheitsfahrt und eine Geschwindigkeitsübertretung mit Fr. 2'200.-- (Strafverfügung vom 21. April 2004). 
 
Eine gegen dieses obergerichtliche Urteil gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde hat das Bundesgericht am 24. März 2005 teilweise gutgeheissen (Urteil 6P.104/2004) mit der Begründung, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt nicht auf bandenmässiges Vorgehen schliessen lasse. Mit neuerlichem Urteil vom 27. Oktober 2005 sprach das Luzerner Obergericht X.________ des mehrfachen Raubes im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 StGB und des Diebstahls nach Art. 139 Ziff. 1 StGB schuldig; vom Vorwurf der bandenmässigen Begehung sprach es ihn frei. X.________ wurde mit 21 Monaten Zuchthaus bestraft als Zusatzstrafe zu den beiden Strafverfügungen vom 4. Juni 2003 und 13. Januar 2004 sowie zu einer zwischenzeitlich noch ergangenen Strafverfügung des Amtsstatthalteramts Luzern-Land vom 10. November 2004 (10 Tage Gefängnis wegen Führens eines Fahrzeugs in angetrunkenem Zustand). 
C. 
Mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde wendet sich X.________ gegen die Strafzumessung. Er verlangt die Aufhebung der Dispositivziffer 2 des obergerichtlichen Urteilsspruchs und die Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz. Ausserdem beantragt er die unentgeltliche Rechtspflege und die aufschiebende Wirkung. Letztere wurde vom Bundesgericht mit Verfügung vom 14. Februar 2006 erteilt. 
 
In seinen Gegenbemerkungen vom 7. Februar 2006 beantragt das Obergericht des Kantons Luzern die Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern liess sich am 13. Februar 2006 im gleichen Sinne vernehmen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Der Beschwerdeführer wendet sich in verschiedener Hinsicht gegen die ausgesprochene Strafe. Er beanstandet das Vorgehen bei der Ausfällung der Zusatzstrafe, die Strafhöhe, insbesondere auch im Vergleich zu seinen Komplizen, die Gewichtung und Nichtberücksichtigung einzelner Strafzumessungsfaktoren sowie die Verweigerung des bedingten Vollzugs. Im angefochtenen Urteil seien die seit dem ersten obergerichtlichen Urteil vom 11. Mai 2004 zwischenzeitlich begangenen Strassenverkehrsdelikte zusätzlich übermässig straferhöhend berücksichtigt worden. Die Delikte stünden in keinem direkten Zusammenhang mit den Raubtaten und seien auf sein inzwischen unter Kontrolle gebrachtes Alkoholproblem zurückzuführen. Abgesehen davon werde mit der Zusatzstrafe zur Strafverfügung vom 10. November 2004 ein Teil davon (10 Tage) kompensiert. 
1.1 Gemäss den Ausführungen der Vorinstanz ist zugunsten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen, dass die festzusetzende Strafe als Zusatzstrafe zu den drei Strafverfügungen auszufällen ist, was sich allerdings bloss geringfügig strafmindernd auswirke. Andererseits habe er während des laufenden Strafverfahrens zweimal in angetrunkenem Zustand ein Fahrzeug geführt, was erheblich straferhöhend ins Gewicht falle, nachdem er sich bereits im Mai 2003 der Widerhandlungen gegen das Strassenverkehrsgesetz, eines Diebstahls und der Beihilfe zu Hehlerei schuldig gemacht habe. Im Rahmen der Ausführungen zum bedingten Strafvollzug führt sie sodann aus, dieser sei bereits aus objektiven Gründen ausgeschlossen. Eine Strafe, die den bedingten Vollzug zuliesse, läge angesichts der vorliegend auszufällenden Zusatzstrafe im Bereich von 16 Monaten und würde dem erheblichen Verschulden des Beschwerdeführers nicht mehr gerecht (angefochtenes Urteil Ziff 3.5). 
1.2 Hat der Richter eine mit Freiheitsstrafe bedrohte Tat zu beurteilen, die der Täter begangen hat, bevor er wegen einer andern Tat zu Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, so bestimmt er die Strafe so, dass der Täter nicht schwerer bestraft wird, als wenn die mehreren strafbaren Handlungen gleichzeitig beurteilt worden wären (Art. 68 Ziff. 2 StGB). Der Beschwerdeführer hat die Raubüberfälle im Jahre 2001 begangen und damit vor den drei auf Freiheitsstrafe erkennenden Strafverfügungen vom 4. Juni 2003, 13. Januar 2004 und 10. November 2005. Die Vorinstanz geht deshalb zu Recht davon aus, dass in Anwendung von Art. 68 Ziff. 2 StGB eine Zusatzstrafe auszufällen ist. Liegt wie hier ein Anwendungsfall von Art. 68 Ziff. 2 StGB vor, hat der Richter die Strafe auszufällen, die ausgesprochen worden wäre, wenn sämtliche strafbaren Handlungen gleichzeitig zur Beurteilung gestanden hätten. Die neu zu beurteilenden Straftaten sind also mit den bereits beurteilten als ein Ganzes zu betrachten. Der Richter hat nach seinem Ermessen und unter Berücksichtigung sämtlicher strafschärfenden, -mildernden, -erhöhenden und -mindernden Faktoren für alle zu beurteilenden Strafen eine Gesamtstrafe festzulegen und deren Höhe explizit zu beziffern (vgl. BGE 118 IV 119, s.a. Hans Wiprächtiger, Basler Kommentar StGB I, Art. 63 N. 147). Davon hat er die Dauer der in den rechtskräftigen Entscheiden ausgefällten Strafen in Abzug zu bringen. Die Differenz ist die Zusatzstrafe (BGE 129 IV 113 E. 1.1; 109 IV 90 E. 2d; Bundesgerichtsentscheide 6S.62/2006 vom 28. März 2006, E. 4 f.; und 6S.442/2000 vom 23. Februar 2001, E. 2a). 
1.3 Dem vorinstanzlichen Urteil lässt sich eine Gesamtstrafe nicht entnehmen. Das Fehlen einer explizit ausgeschiedenen Gesamtstrafe wäre noch hinzunehmen, wenn sie sich aus dem Urteil zumindest implizit ergäbe (BGE 118 IV 119 E. 2b). Dies ist jedoch nicht der Fall, vielmehr ist das Urteil in dieser Hinsicht zweideutig. Einerseits kommt die Vorinstanz zum Schluss, dass in Würdigung der belastenden und entlastenden Umstände (zu letzteren wird insbesondere auch die auszufällende Zusatzstrafe gerechnet) vorliegend eine Strafe von 21 Monaten dem erheblichen Verschulden angemessen erscheine (Urteil Ziff. 3.4), was dahingehend zu deuten ist, dass es sich bei den ausgefällten 21 Monaten um die Gesamtstrafe handelt. Andererseits geht aus Ziffer 2 des Urteilsdispositivs sowie aus der Stellungnahme des Obergerichts hervor, dass es sich bei den 21 Monaten um die Zusatzstrafe handelt. Unter diesen Umständen ist es nicht möglich, die für die Strafzumessung notwendigen Gesichtspunkte sowie ihre Gewichtung nachzuvollziehen. Die vorinstanzliche Begründung erweist sich somit in Bezug auf das Vorgehen bei der Ausfällung der Zusatzstrafe als mangelhaft. 
 
Die nicht bundesrechtskonforme Anwendung von Art. 68 Ziff. 2 StGB kommt auch in der zitierten vorinstanzlichen Begründung zum Ausdruck, wonach eine Strafe, die den bedingten Vollzug zuliesse, angesichts der auszufällenden Zusatzstrafe im Bereich von 16 Monaten läge, was dem erheblichen Verschulden nicht mehr gerecht würde (Urteil Ziff. 3.5). Es ist im Rahmen der Gesamtstrafenbildung unzulässig, zunächst die bereits ausgefällten Freiheitsstrafen in Abzug zu bringen, um sodann zu beurteilen, ob die verbleibende Strafe für das zu beurteilende Delikt schuldangemessen ist. Dies führt gerade zur Schlechterstellung, die Art. 68 Ziff. 2 StGB verhindern will. Weil Art. 68 Ziff. 1 StGB das für den Täter günstige Asperationsprinzip zugrunde liegt, wirkt sich jede zusätzliche Straftat bei gleichzeitiger Beurteilung nur unterproportional erschwerend aus. Deshalb ist es besonders wichtig, dass bei der Gesamtstrafenbildung nach Art. 68 Ziff. 2 StGB alle Delikte unter der Fiktion gleichzeitiger Beurteilung gewichtet werden (BGE 129 IV 113 E. 1.1; 124 II 39 E. 3 c; s.a. Jürg-Beat Ackermann, Basler Kommentar StGB I, Art. 68 N.57). Richtigerweise muss deshalb zunächst für alle zu beurteilenden Strafen eine Gesamtstrafe bestimmt und beziffert werden. Erst in einem zweiten Schritt können die rechtskräftig ausgefällten Strafen davon abgezogen werden. Indem die Vorinstanz die Raubtaten bei der Bemessung der Strafe isoliert betrachtete, hat sie Art. 68 Ziff. 2 StGB unrichtig angewendet. Die Kritik des Beschwerdeführers, wonach die zwischenzeitlich begangenen Delikte übermässig gewichtet worden seien, ist somit im Ergebnis berechtigt und die Beschwerde insoweit gutzuheissen. 
1.4 Weil sich die genaue Strafhöhe dem angefochtenen Urteil mangels klarer Ausscheidung bei der Zusatzstrafenbildung nicht eindeutig entnehmen lässt, ist es nicht möglich, die übrigen gegen die Strafzumessung und insbesondere die Strafhöhe vorgebrachten Rügen zu überprüfen, auch wenn diese teilweise berechtigt erscheinen. Bei der erneuten Befassung wird die Vorinstanz unter Berücksichtigung sämtlicher Strafzumessungsfaktoren für alle zu beurteilenden Strafen eine Gesamtstrafe festzulegen, deren Höhe explizit zu beziffern und davon die bereits ausgefällten Strafen in Abzug zu bringen haben. Die Differenz bildet die Zusatzstrafe. Dabei wird sie die Kritik des Beschwerdeführers zu berücksichtigen und insbesondere dem Wegfall der Bandenmässigkeit gebührend Rechnung zu tragen haben. Weiter werden die von der Vorinstanz als positiv bewerteten persönlichen Verhältnisse sowie die inzwischen deutlich erhöhte Strafempfindlichkeit angemessen mitzuberücksichtigen sein. Vor dem Hintergrund der als günstig eingestuften persönlichen Entwicklung des Beschwerdeführers wird sie sich auch zur Gewährung des bedingten Strafvollzugs äussern müssen. 
2. 
Infolge der Gutheissung der Beschwerde sind keine Kosten zu erheben und dem Beschwerdeführer ist eine angemessene Entschädigung auszurichten (Art. 278 Abs. 2 und 3 BStP). Damit wird das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos und ist abzuschreiben; die Entschädigung ist jedoch dem Vertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt, Dr. Markus Koch, zuzusprechen. 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern, II. Kammer, vom 27. Oktober 2005 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
2. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
3. 
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird für das bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 3'000.-- aus der Bundesgerichtskasse ausgerichtet. 
4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern und dem Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 27. Mai 2006 
Im Namen des Kassationshofes 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: