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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_170/2019  
 
 
Urteil vom 27. Mai 2019  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Rüedi, 
Bundesrichterin Jametti, 
Gerichtsschreiber Matt. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Xavier Dobler, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
A.________, 
Beschwerdegegner 
 
Gegenstand 
Einstellung (Veruntreuung), 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts 
des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 18. Dezember 2018 (UE180163-O/U/TSA). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Auf Anzeige von X.________ hin eröffnete die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland ein Strafverfahren wegen Veruntreuung gegen A._________. Dieser soll ein ihm vom Anzeigesteller anvertrautes Fahrzeug veräussert sowie Fr. 2'500.-- für dessen Reparatur vereinbarungswidrig verwendet haben. Nach diversen Einvernahmen stellte die Staatsanwaltschaft den Parteien die Verfahrenseinstellung in Aussicht, wobei sie darauf hinwies, dass danach keine Konstituierung als Privatkläger mehr möglich sei. Hierauf reichte X.________ Unterlagen zum Nachweis seiner Eigentümerschaft am Fahrzeug ein und beantragte dessen Beschlagnahme. Am 16. Mai 2018 verfügte die Staatsanwaltschaft die Einstellung des Verfahrens. Das Obergericht des Kantons Zürich trat am 18. Dezember 2018 auf die dagegen erhobene Beschwerde von X.________ nicht ein. 
 
B.   
Mit Beschwerde in Strafsachen macht X.________ geltend, das Obergericht sei auf seine Beschwerde zu Unrecht nicht eingetreten. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege. 
 
C.   
Das Obergericht und die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich verzichten auf eine Stellungnahme. A._________ lässt sich nicht vernehmen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Zur Beschwerde in Strafsachen ist berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (Art. 81 Abs. 1 BGG). Der Privatklägerschaft wird ein rechtlich geschütztes Interesse zuerkannt, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). Ungeachtet der Legitimation in der Sache kann die Privatklägerschaft eine Verletzung ihrer Parteirechte rügen, die ihr nach dem Verfahrensrecht, der Bundesverfassung oder der EMRK zustehen und deren Missachtung auf eine formelle Rechtsverweigerung hinausläuft. Sie kann etwa geltend machen, auf ein Rechtsmittel sei zu Unrecht nicht eingetreten worden, sie sei nicht angehört worden, sie habe keine Gelegenheit zur Stellung von Beweisanträgen erhalten oder sie habe keine Einsicht in die Akten nehmen können. Das erforderliche rechtlich geschützte Interesse ergibt sich diesfalls aus der Berechtigung, am Verfahren teilzunehmen (sog. "Star-Praxis"; BGE 141 IV 1 E. 1.1). Auf die Beschwerde ist einzutreten. 
 
2.  
 
2.1. Gemäss Art. 382 Abs. 1 StPO kann jede Partei, die ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung eines Entscheids hat, ein Rechtsmittel ergreifen. Partei im Verfahren ist namentlich die Privatklägerschaft (Art. 104 Abs. 1 lit. b StPO). Als solche gilt die geschädigte Person, die gegenüber einer Strafverfolgungsbehörde spätestens bis zum Abschluss des Vorverfahrens ausdrücklich erklärt, sich am Strafverfahren als Straf- oder Zivilklägerin zu beteiligen (Art. 118 Abs. 1 und 3 StPO). Geschädigte Person ist, wer durch eine Straftat in ihren Rechten unmittelbar verletzt worden ist (Art. 115 Abs. 1 StPO). Unmittelbar verletzt und damit in eigenen Rechten betroffen ist, wer Träger des durch die verletzte Strafnorm geschützten oder zumindest mitgeschützten Rechtsgutes ist (BGE 141 IV 454 E. 2.3.1; 380 E. 2.3.1; 140 IV 155 E. 3.2; je mit Hinweisen). Strafkläger ist, wer die Verfolgung und Bestrafung der für die Straftat verantwortlichen Person verlangt (Art. 119 Abs. 2 lit. a StPO), Zivilkläger, wer adhäsionsweise privatrechtliche Ansprüche geltend macht, die aus der Straftat abgeleitet werden (Art. 119 Abs. 2 lit. b StPO). Geschädigte, die sich nicht als Privatkläger konstituiert haben, können eine Nichtanhandnahme- oder Einstellungsverfügung mangels Parteistellung grundsätzlich nicht anfechten (vgl. BGE 141 IV 380 E. 2.2; Urteil 6B_722/2018 vom 20. November 2018 E. 4.3; je mit Hinweis).  
 
2.2. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er nicht ausdrücklich erklärte, sich als Privatkläger zu konstituieren. Er macht aber geltend, dies sei angesichts der adhäsionsweisen Geltendmachung von Zivilforderungen nicht nötig gewesen. Der Einwand ist begründet. Der Beschwerdeführer reichte am 12. Mai 2017 im Nachgang zur Mitteilung der Staatsanwaltschaft, womit sie die Verfahrenseinstellung ankündigte und den Parteien Gelegenheit zur Konstituierung als Privatkläger gab, diverse Unterlagen ein und stellte Beweisanträge. So gab er Unterlagen zum Nachweis seiner Eigentümerschaft am Fahrzeug zu den Akten und ersuchte darum, dieses an dessen Standort in Basel zu beschlagnahmen. Ausserdem seien verschiedene Personen als Zeugen zu befragen. Hinsichtlich der geltend gemachten Geldforderung zeigte der Beschwerdeführer der Staatsanwaltschaft an, dass der Beschwerdegegner sie anerkannt habe, ein Betreibungsverfahren aber fruchtlos verlaufen sei. Schliesslich habe er sich - offensichtlich zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit - von Dritten ein Taxi mieten müssen. Aus dem erwähnten Schreiben erhellt somit klar, dass der Beschwerdeführer ausdrücklich zivilrechtliche Ansprüche gegen den Beschwerdegegner geltend machen will und dass er die Fortsetzung des Verfahrens, namentlich Zeugenbefragungen, wünscht.  
Entgegen der Auffassung der Vorinstanz muss dies als ausdrückliche Konstituierung, jedenfalls als Zivilkläger, selbst dann genügen, wenn der Beschwerdeführer damals bereits anwaltlich beraten (nicht vertreten) war und eine zweifelsfreie Willensäusserung wünschenswert gewesen wäre. Enthalten - wie hier - die Strafanzeige oder eine spätere Eingabe des Verletzten an die Untersuchungsbehörden Elemente, die nach den besonderen Umständen als Willenserklärung zu einer Privatklage verstanden werden können, für sich allein aber nicht völlig eindeutig sind, so kommt es überspitztem Formalismus und damit einer Verletzung von Art. 9 BV (resp. aArt. 4 BV) gleich, die Privatklägereigenschaft ohne Anhörung des Anzeigestellers zu verneinen. Damit könnte dem Verletzten die Verfolgung seiner Ansprüche im Strafprozess entgegen seinem wirklichen Willen erschwert oder gar verunmöglicht werden. Die kantonale Behörden kann daher nach Treu und Glauben eine eigentliche Verpflichtung treffen, Anzeiger auf die Gefahr eines Rechtsverlusts hinzuweisen bzw. sich zu versichern, ob sie tatsächlich keine Parteirechte als Geschädigte ausüben wollen. Ein solches Vorgehen wäre unter den gegebenen Umständen nach Treu und Glauben geboten gewesen (BGE 119 Ia 4 E. 3b S. 10). Daran ändert nichts, dass die Staatsanwaltschaft auf die - letzte - Möglichkeit zur Konstituierung als Privatkläger hingewiesen hatte, blieb doch der Beschwerdeführer im Nachgang hierzu nicht passiv, sondern stellte im Gegenteil ausdrücklich Verfahrensanträge und reichte Beweismittel ein. Ein Rechtsmissbrauch ist weder ersichtlich noch macht die Vorinstanz solches geltend. Sie verletzt Bundesrecht, indem sie auf die Beschwerde mangels Legitimation nicht eintritt. Die Beschwerde ist gutzuheissen und die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
3.   
Ausgangsgemäss sind keine Kosten zu erheben und hat der Kanton Zürich dem Beschwerdeführer eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 66 Abs. 1 und 4, 68 Abs. 1 und 2 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist als gegenstandslos abzuschreiben. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 18. Dezember 2018 wird aufgehoben und die Sache zu neuem Entscheid an das Obergericht zurückgewiesen. 
 
2.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.   
Der Kanton Zürich bezahlt dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.--. 
 
4.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird als gegenstandslos abgeschrieben. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 27. Mai 2019 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Matt