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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
4A_176/2020  
 
 
Urteil vom 27. Mai 2020  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin, 
Gerichtsschreiber Widmer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.A.________________, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
1. C.________ A.G., 
2. D.________ Stiftung, 
beide vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Heinrich Hempel und Dr. Michael Hochstrasser, Beschwerdegegnerinnen. 
 
Gegenstand 
Befehl, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 10. März 2020 (HG190174-O). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Am 7. Oktober 2019 reichten die C.________ A.G. und die D.________ Stiftung (Klägerinnen 1 und 2) beim Handelsgericht des Kantons Zürich Klage gegen die E.________ AB, B.A.________ und A.A.________________ (Beklagte 1-3) ein (Verfahren HG 190174-O), mit der sie die im handelsgerichtlichen Verfahren HE-190171-O mit Urteil vom 5. Juli 2019 angeordneten vorsorglichen Massnahmen prosequierten. Sie stellten folgende Rechtsbegehren: 
 
"1. Das Handelsregisteramt des Kantons Zürich sei anzuweisen, bei der Klägerin 1 (CHE-100.727.597) 
 
a) keine Mutationen, die auf Generalversammlungsbeschlüssen beruhen, an denen die Beklagte 1 als Aktionärin mitgewirkt hat, und 
b) keine von der Beklagten 2 oder 3 angemeldeten Mutationen 
 
im Handelsregister einzutragen; 
 
2. der Beklagten 1 sei unter Androhung der Bestrafung der Organe wegen Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen i.S.v. Art. 292 StGB (Sanktion: Busse) im Widerhandlungsfall zu untersagen, bei der Klägerin 1 Aktionärsrechte auszuüben, insbesondere Generalversammlungen der Klägerin 1 durchzuführen oder an der Fassung von Beschlüssen mitzuwirken. 
 
3. den Beklagten 2 und 3 sei unter Androhung der Bestrafung wegen Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen i.S.v. Art. 292 StGB (Sanktion: Busse) im Widerhandlungsfall zu untersagen, 
 
a) Generalversammlungen der Klägerin 1 durchzuführen; 
b) ohne Zustimmung der Klägerin 2 an Generalversammlungen der Klägerin 1 mitzuwirken; 
c)einem Mitglied des Verwaltungsrats vorbehaltene Handlungen für die Klägerin 1 vorzunehmen; oder 
d)einem Mitglied des Verwaltungsrats vorbehaltene Erklärungen für die Klägerin 1 abzugeben; 
 
alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beklagten." 
 
Zur Begründung ihrer Klage machten die Klägerinnen zusammengefasst geltend, die Klägerin 2 sei Alleinaktionärin der Klägerin 1. Dennoch habe die Beklagte 1, vertreten durch die Beklagte 3, am 8. April 2019 eine ("Fake") Generalversammlung der Klägerin 1 durchgeführt und an Stelle der bisherigen Verwaltungsräte den Beklagten 2 eingesetzt. Dieser habe die entsprechende Mutation im Handelsregister vornehmen lassen. Die Klägerin 2 habe am 9. Mai 2019 eine Universalversammlung der Klägerin 1 durchgeführt und es seien die vorherigen Verwaltungsräte wieder eingesetzt worden. Um zu verhindern, dass die Beklagten erneut den Verwaltungsrat auswechseln würden, hätten die Klägerinnen beim Handelsgericht um vorsorgliche Massnahmen ersucht, die sie nun prosequierten. Durch ihr Verhalten hätten sich die Beklagten zu Unrecht Mitgliedschaftsrechte und Organfunktionen bei der Klägerin 1 angemasst. 
Mit Eingabe vom 9. Januar 2020 stellte die Beklagte 3 folgende Begehren: 
 
"1. Die Frist zur Klageantwort sei abzunehmen und der Prozess sei nur auf Zuständigkeit des Gerichts zu begrenzen. 
 
2. Auf die Klage sei nicht einzutreten oder abzuweisen und vorsorglichen massnahmen aufzuheben. 
 
3. Der Streitwert sei auf CHF 1 '670'000.- zu erhöhen und die Klägerschaft sei zu verpflichten, Sicherheit und Parteientschädigung bis zur Höhe von CHF 60'000.- zu leisten. 
 
Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten der Klägerschaft." 
 
Das Handelsgericht wies diese Begehren mit Beschluss vom 10. März 2020 ab und setzte der Beklagten 3 eine einmalige Frist von 10 Tagen ab Zustellung des Beschlusses, um ihre Klageantwort einzureichen. Ferner setzte es der Klägerin 2 eine Frist bis 21. April 2020 an, um sich im Sinne seiner Erwägungen zur Vertretungsberechtigung von Dr. F.________ und Dr. G.________ zu äussern. 
A.A.________ (nachfolgend: Beschwerdeführerin) erhob gegen diesen Beschluss mit elektronischer Eingabe vom 21. April 2020 beim Bundesgericht Beschwerde. Sie beantragt, es sei (1) festzustellen, dass das Handelsgericht für die Klage nicht zuständig sei und (2) dass die D.________ Stiftung (fortan: Beschwerdegegnerin 2) handlungsunfähig sei, (3) die erlassenen vorsorglichen Massnahmen seien aufzuheben, (4) die Frist zur Klageantwort sei abzunehmen und (5) die Beschwerdegegner seien zu verpflichten, Fr. 8'000.-- "Sicherheit und Parteientschädigung" zu leisten. 
Auf die Einholung von Vernehmlassungen zur Beschwerde wurde verzichtet. 
 
2.   
 
2.1. Beschwerden an das Bundesgericht sind hinreichend zu begründen, ansonsten darauf nicht eingetreten werden kann (BGE 140 III 115 E. 2 S. 116; 134 II 244 E. 2.1). Dafür muss in der Beschwerdeschrift unter Bezugnahme auf die Erwägungen des angefochtenen Entscheids dargelegt werden, inwiefern dieser Recht verletzt (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 140 III 115 E. 2 S. 116, 86 E. 2 S. 89). Eine Verletzung von Grundrechten wird vom Bundesgericht nicht von Amtes wegen geprüft, sondern nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).  
 
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Dazu gehören sowohl die Feststellungen über den streitgegenständlichen Lebenssachverhalt als auch jene über den Ablauf des vor- und erstinstanzlichen Verfahrens, also die Feststellungen über den Prozesssachverhalt (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Das Bundesgericht kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig, mithin willkürlich, ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).  
Die Partei, welche die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz anfechten will, muss klar und substanziiert aufzeigen, inwiefern diese Voraussetzungen erfüllt sein sollen (Sachverhaltsrüge im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 140 III 16 E. 1.3.1 S. 18 mit Hinweisen). Wenn sie den Sachverhalt ergänzen will, hat sie zudem mit präzisen Aktenhinweisen darzulegen, dass sie entsprechende rechtsrelevante Tatsachen und taugliche Beweismittel bereits bei den Vorinstanzen prozesskonform eingebracht hat (BGE 140 III 86 E. 2 S. 90). Genügt die Kritik diesen Anforderungen nicht, können Vorbringen mit Bezug auf einen Sachverhalt, der vom angefochtenen Entscheid abweicht, nicht berücksichtigt werden (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 S. 18). 
 
2.3. Die vorliegende Beschwerde vermag diesen Anforderungen an die Begründung offensichtlich nicht zu genügen, wie nachfolgend aufzuzeigen ist.  
 
3.   
Das Handelsgericht erwog, die Argumente der Beschwerdeführerin zur Bestreitung der Zuständigkeit seien nicht stichhaltig. Namentlich betreffe die Frage der Aktionärsstellung nicht die Zuständigkeit, sondern sei gegebenenfalls im Rahmen der Aktivlegitimation zu prüfen, und lege die Beschwerdeführerin nicht schlüssig dar, wie die schwedische Geldwäschereigesetzgebung einen Einfluss auf die Zuständigkeit des Handelsgerichts haben soll. Das Handelsgericht prüfte die Zuständigkeitsfrage aber von Amtes wegen und kam zum Schluss, dass seine örtliche Zuständigkeit als Gericht am Ort der unerlaubten Handlung nach Art. 5 Ziff. 3 LugÜ zu bejahen sei. Der Begriff der unerlaubten Handlung, der autonom auszulegen sei, beziehe sich auf alle Ansprüche, die eine Haftung des angeblichen Schädigers begründeten, die nicht an einen Vertrag anknüpften. Er umfasse die Verletzung absolut geschützter Rechtsgüter, aber auch Eingriffe in subjektive Rechte, geschützte Interessensphären oder Vermögenspositionen. Der Gerichtsstand am Ort der unerlaubten Handlung nach Art. 5 Ziff. 3 LugÜ stehe auch im Rahmen einer vorbeugenden Unterlassungsklage zur Verfügung. Die Beschwerdegegnerinnen würden der Beschwerdeführerin einen Verstoss gegen gesellschaftsrechtliche Bestimmungen sowie die Verletzung von Persönlichkeits- bzw. Eigentumsrechten vorwerfen bzw. verlangten ein entsprechendes Verbot. Da diese Ansprüche nicht an einen Vertrag anknüpften, fielen sie in den Anwendungsbereich von Art. 5 Ziff. 3 LugÜ
Die Beschwerdeführerin geht nicht hinreichend auf diese Begründung ein und legt nicht rechtsgenügend dar, welche Rechte die Vorinstanz damit inwiefern verletzt haben soll. Sie beharrt, soweit ihre langen Ausführungen überhaupt verständlich sind, im Wesentlichen bloss auf ihrer bereits im vorinstanzlichen Verfahren vertretenen Auffassung, dass die Aktionärsstellung der Beklagten 1 bereits im Rahmen der Zuständigkeitsfrage zu klären wäre (wofür sie sich auf die Bestimmung von Art. 59 Abs. 2 lit. c ZPO beruft, die indessen nicht einschlägig ist) und dass die Beklagte 1 Aktionärin der Beschwerdegegnerin 1 sei, weshalb die Gerichte am Sitz bzw. Wohnsitz der Beklagten zuständig seien; ferner würden die Beschwerdegegnerinnen mit Umtrieben rund um angeblich gestohlene Schuldbriefe Geldwäscherei betreiben, was die Zuständigkeit der Gerichte am Sitz der Beklagten begründe. Dabei weicht sie nach Belieben von den vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen ab, ohne dazu Sachverhaltsrügen zu substanziieren. Damit genügt sie den dargestellten Begründungsanforderungen offensichtlich nicht. 
 
4.  
Die Vorinstanz verneinte, dass die Beschwerdegegnerin 2 als Familienstiftung nicht parteifähig sei, weil sie nicht im Handelsregister eingetragen sei. Die Beschwerdegegnerin 2 habe nach dem seit 1. Januar 2016 geltenden Recht bis Ende 2020 Zeit, sich im Handelsregister eintragen zu lassen, wobei ihre Rechtspersönlichkeit auch ohne einen solchen Eintrag erhalten bliebe. 
Die Beschwerdeführerin legt nicht mit nachvollziehbaren Vorbringen dar, welche Rechte die Vorinstanz damit verletzt haben soll. Auf ihre diesbezüglichen Ausführungen, die auf der blossen unzulässigen Behauptung basieren, die Beschwerdegegnerin 2 sei entgegen der Darstellung der Vorinstanz bereits im Handelsregister eingetragen, kann ebensowenig eingetreten werden, wie auf ihre auf freier Ergänzung der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen aufbauenden Bestreitung, dass es sich bei der Beschwerdegegnerin 2 um eine Familienstiftung handle. 
 
5.  
Die Vorinstanz verwarf die von der Beschwerdeführerin erhobene Einrede, die Beschwerdegegnerin 2 sei prozessunfähig. Der Stiftungsrat der Beschwerdegegnerin 2 sei unbestrittenermassen mit zwei Personen besetzt. Nach den mit einem Auszug aus einem Stiftungsratssitzungsprotokoll untermauerten Ausführungen der Beschwerdegegnerinnen sei er sogar mit den testamentarisch vorgeschriebenen drei Personen besetzt, bei denen es sich um natürliche, handlungsfähige Personen handle. Es sei aktuell von der Handlungs- und Prozessfähigkeit der Beschwerdegegnerin 2 auszugehen. 
Die Beschwerdeführerin stellt der vorinstanzlichen Feststellung, der Stiftungsrat der Beschwerdegegnerin 2 sei mit den testamentarisch vorgeschriebenen drei Personen besetzt, bloss in freien Ausführungen ihre eigene Sachverhaltsdarstellung gegenüber, ohne dazu hinreichend begründete Sachverhaltsrügen zu erheben. Darauf kann nicht eingetreten werden. Ebensowenig begründet die Beschwerdeführerin rechtsgenügend, inwiefern die vorinstanzliche Ansicht, die Kontrollstelle sei für die Handlungsfähigkeit der Beschwerdegegnerin 2 entbehrlich, falsch sein soll, indem sie u.a. vorbringt, in der letztwilligen Verfügung von D.________ seien Aufgaben der Kontrollstelle "nach den Pflichten des Aktienrechts" bestimmt worden. 
 
6.  
Die Vorinstanz setzte den Streitwert des Klageverfahrens auf Fr. 100'000.-- fest. Soweit die Beschwerdeführerin einen Streitwert von Fr. 1'670'000.-- behaupte und dies mit dem Wert der Beschwerdegegnerin 1 begründe, sei zu bemerken, dass es in der vorliegenden Klage nicht um eine Übertragung der Beschwerdegegnerin 1 oder ihrer Aktien gehe, sondern vielmehr um ein Verbot für die Beklagten, Handlungen für die Beschwerdeführerin 1 vorzunehmen. Eine Sicherstellungspflicht für eine allfällige Parteientschädigung auf der Basis des von der Beschwerdeführerin behaupteten Streitwerts bestehe schon deshalb nicht, weil die Beschwerdeführerin mit ihren pauschalen Ausführungen keine Zahlungsunfähigkeit der Beschwerdegegnerinnen glaubhaft zu machen vermöge. Namentlich bestünden keine Anhaltspunkte, dass gegen die Beschwerdegegnerin 2 ein Nachlassverfahren im Gange wäre und könne aus der Verwertung eines Drittpfandes der Beschwerdegegnerin 1 nicht automatisch auf deren Zahlungsunfähigkeit geschlossen werden. Zudem sei nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin berufsmässig vertreten sei und überhaupt Anspruch auf eine Parteientschädigung habe. 
Die Beschwerdeführerin rügt "diese Ansichten" als "nicht richtig". Ihre Begründung dazu ist indessen kaum nachvollziehbar und enthält beliebige Ergänzungen des von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalts, ohne dass dazu Sachverhaltsrügen im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG erhoben würden. Auch insoweit fehlt der Beschwerde eine rechtsgenügende Begründung. 
 
7.  
Auf die Beschwerde ist somit nicht einzutreten, da sie den vorstehend (Erwägung 2) dargestellten Begründungsanforderungen offensichtlich nicht genügt. 
Da die Beschwerde von vornherein als aussichtslos erschien, kann dem Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren nicht entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Die Gerichtskosten sind somit der unterliegenden Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdegegnerinnen haben keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung, da ihnen aus dem bundesgerichtlichen Verfahren kein Aufwand entstanden ist (Art. 68 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt die Präsidentin:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Handelsgericht des Kantons Zürich, der E.________ AB, U.________, und B.A.________, U.________, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 27. Mai 2020 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Kiss 
 
Der Gerichtsschreiber: Widmer