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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
2D_63/2008/ble 
 
Urteil vom 27. Juni 2008 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Müller, Karlen, 
Gerichtsschreiber Wyssmann. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Steueramt der Stadt Zürich. 
 
Gegenstand 
Steuererlass, 
 
Verfassungsbeschwerde gegen die Verfügung der Finanzdirektion des Kantons Zürich vom 13. Mai 2008. 
 
Sachverhalt: 
Mit Verfügung vom 6. März 2008 wies das Steueramt der Stadt Zürich das Gesuch von X.________ und Y.________ (Ehefrau) um Erlass der noch offenen Staats- und Gemeindesteuern 2006 im Betrag von Fr. 1'130.70 ab. Einen Rekurs, mit dem die Steuerschuldner auf ihre schwierige finanzielle Situation aufmerksam machten, wies die Finanzdirektion des Kantons Zürich ab (Verfügung vom 13. Mai 2008). Kosten wurden nicht erhoben. Der Entscheid ist nach § 185 Abs. 3 des Steuergesetzes des Kantons Zürich vom 8. Juni 1997 (StG ZH) endgültig, kann also an kein kantonales Gericht weitergezogen werden. 
Mit Beschwerde vom 14. Juni 2008 beantragt X.________ dem Bundesgericht, die Verfügung der Finanzdirektion des Kantons Zürich sei aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er macht geltend, Ergänzungsleistungen zur AHV dürften bei der Bezahlung von Steuern jeglicher Art nicht berücksichtigt werden; die Verfügung der Finanzdirektion sei rechts- und verfassungswidrig. Zudem beantragt der Beschwerdeführer die unentgeltliche Rechtspflege. 
Auf die Einholung von Vernehmlassungen wurde verzichtet. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Gegen Entscheide in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts steht grundsätzlich die Beschwerde nach Art. 82 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG, SR 173.110) offen. Gemäss dem Ausnahmekatalog des Art. 83 BGG ist die Beschwerde jedoch ausgeschlossen gegen Entscheide über die Stundung oder den Erlass von Abgaben (Art. 83 lit. m BGG). In Betracht fällt vorliegend einzig die subsidiäre Verfassungsbeschwerde gemäss Art. 113 ff. BGG. Dieses Rechtsmittel steht gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen offen, wenn die ordentliche Beschwerde nach Art. 72-89 BGG nicht zulässig ist (Art. 113 BGG). Die Vorschriften über die kantonalen Vorinstanzen bei der ordentlichen Beschwerde gelten sinngemäss (Art. 114 BGG). Erforderlich ist daher ein "oberes" kantonales Gericht, gegen dessen Entscheid beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden kann (Art. 86 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 114 BGG). Diese Voraussetzung erfüllt die kantonale Finanzdirektion nicht. Deren Entscheid kann auch an kein kantonales Gericht weitergezogen werden (§ 185 Abs. 3 StG ZH). Der Bundesgesetzgeber hat jedoch den Kantonen für die Anpassung ihrer Gerichtsorganisation an die neuen Bestimmungen der Bundesrechtspflege eine zweijährige Übergangsfrist eingeräumt (Art. 130 Abs. 3 BGG). Während der Dauer dieser Frist sind kantonale Regelungen, welche - wie hier § 185 Abs. 3 StG ZH - die gerichtliche Überprüfung eines Verwaltungsakts ausschliessen, als gesetzliche Ausnahmen von der Rechtsweggarantie des Artikels 29a BV zu verstehen (Urteil 2C_64/2007 vom 29. März 2007, E. 3.2, in Pra 2007 Nr. 134 S. 920; vgl. auch BBl 2006 3075 ff.). 
Unter diesem Gesichtswinkel stünde dem Eintreten auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde nichts entgegen. Auf diese kann aber aus einem anderen Grund nicht eingetreten werden. 
 
1.2 Zur subsidiären Verfassungsbeschwerde ist gemäss Art. 115 lit. b BGG nur berechtigt, wer ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheides hat; ein bloss tatsächliches Interesse genügt nicht. Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde dient zudem einzig der Geltendmachung der Verletzung verfassungsmässiger Rechte, hier namentlich des Rechts auf Schutz vor Willkür (Art. 9 BV). Das Willkürverbot für sich allein verschafft indes noch kein rechtlich geschütztes Interesse. Zur Willkürrüge ist daher nur berechtigt, wer sich auf eine gesetzliche Norm berufen kann, die ihm im Bereich seiner betroffenen und angeblich verletzten Interessen einen Rechtsanspruch einräumt oder die seinen Schutz bezweckt (BGE 133 I 185). Diese Voraussetzung ist bei Entscheiden der Finanzdirektion des Kantons Zürich über Gesuche um Steuererlass nicht erfüllt, weil § 183 StG ZH dem Steuerschuldner keinen Rechtsanspruch auf Steuererlass bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen einräumt. § 183 StG ZH ist als Kann-Vorschrift ausgestaltet und umschreibt die Erlassgründe zu wenig bestimmt, als dass sich daraus ein justiziabler Anspruch auf Steuererlass ableiten liesse. Es steht damit im pflichtgemässen Ermessen der Behörde, ob sie die Steuer erlassen will. Dass § 185 StG ZH eine Rekursmöglichkeit an die Finanzdirektion vorsieht, genügt nicht, um einen Rechtsanspruch annehmen zu können, da es auch im Rechtsmittelverfahren vorab um Ermessens- und nicht um Rechtsfragen geht (BGE 122 I 373 E. 1c). § 183 StG ZH umschreibt die Erlassgründe im Wesentlichen gleich wie bereits das Gesetz vom 8. Juli 1951 über die direkten Steuern des Kantons Zürich (aStG ZH), für welches das Bundesgericht in ständiger Rechtsprechung einen rechtlich geschützten Anspruch auf Steuererlass verneint hat (vgl. § 123 aStG ZH und dazu BGE 122 I 373 E. 1c). 
 
1.3 Der Beschwerdeführer beruft sich auch auf den Anspruch auf Beurteilung durch ein Gericht. Diese Rüge ist zulässig, weil Art. 29a BV unmittelbar einen solchen Anspruch verschafft. Sie ist jedoch unbegründet, weil, wie gesehen, Art. 130 Abs. 3 BGG während der Übergangsfrist die Kantone von der Erfüllung dieser Pflicht dispensiert. Diese gesetzliche Ordnung ist für das Bundesgericht verbindlich, d.h. nicht auf deren Verfassungsmässigkeit zu untersuchen (Art. 190 BV). 
Soweit sich der Beschwerdeführer auf Art. 6 EMRK beruft, ist darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts und der europäischen Organe auf Steuerverfahren keine Anwendung findet. Bei Entscheiden über Bestand, Höhe und Fälligkeit von Steuerforderungen geht es nicht um zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK, sondern um öffentlichrechtliche Verpflichtungen (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Nichteintretensentscheid vom 3. Juni 2003 i.S. Morel gegen Frankreich, Recueil Cour EDH 2003-IX S. 297, und Urteil vom 12. Juli 2001 i.S. Ferrazzini gegen Italien, Recueil CourEDH 2001-VII S. 327 § 25 ff.; Bundesgericht, Urteil 2P.41/2003 vom 10. Juni 2003, in: Pra 2004 Nr. 2 S. 9 E. 5.1, mit weiteren Hinweisen). Eine öffentlichrechtliche Schuld wird auch nicht deshalb zu einer "zivilrechtlichen Verpflichtung" (im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK), weil sie vollstreckt bzw. nicht erlassen wird (s. auch Mark E. Villiger, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention, 2. Aufl. 1999, Rz. 390, für zivilrechtliche Ansprüche). Aus Art. 14 UNO-Pakt II ergibt sich in dieser Hinsicht nichts anderes. 
 
2. 
Die Beschwerde ist unbegründet, soweit darauf einzutreten ist. Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 65 und 66 Abs. 1 BGG). Die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege setzt nach Art. 64 Abs. 1 BGG Bedürftigkeit voraus. Wie aus der Berechnung der Finanzdirektion im angefochtenen Entscheid hervorgeht, verfügen der Beschwerdeführer und seine Ehefrau über genügend freie Mittel, um auch die Gerichtskosten zu bezahlen. Diese Berechnung wurde nicht bestritten. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist daher unbegründet. Der eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers ist aber bei der Bemessung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 5 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 250.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und der Finanzdirektion des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 27. Juni 2008 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Merkli Wyssmann