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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_854/2017  
 
 
Urteil vom 27. Juni 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Heine, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione, 
Gerichtsschreiberin Berger Götz. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Luca Barmettler, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 28. September 2017 (IV.2017.00453). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1971 geborene A.________ war zuletzt ab 1. November 2006 als Produktionsmitarbeiterin für die B.________ AG tätig. Am 9. Februar 2012 meldete sie sich zum Bezug von Leistungen bei der Invalidenversicherung an. Nach medizinischen und erwerblichen Abklärungen lehnte die IV-Stelle des Kantons Zürich einen Rentenanspruch mit Verfügung vom 15. Mai 2013 ab. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hob diesen Verwaltungsakt auf Beschwerde hin auf und wies die Sache zu ergänzenden Abklärungen und neuer Entscheidung über den Rentenanspruch an die IV-Stelle zurück (Entscheid vom 19. März 2014). 
Nach Einholung eines Gutachtens der Medizinischen Abklärungsstelle Bern ZVMB GmbH (nachfolgend: MEDAS) vom 10. August 2015 und einer ergänzenden Stellungnahme der MEDAS vom 10. November 2016 verneinte die IV-Stelle einen Rentenanspruch mit Verfügung vom 10. März 2017 erneut. 
 
B.   
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die gegen die Verfügung vom 10. März 2017 erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 28. September 2017 ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei ihr mit Wirkung ab September 2012 eine ganze Invalidenrente, ab Oktober 2013 eine halbe Invalidenrente und ab Oktober 2015 fortdauernd eine Dreiviertelsrente auszurichten. 
Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.   
Streitig ist, ob das kantonale Gericht die von der IV-Stelle am 10. März 2017 verfügte Ablehnung eines Rentenanspruchs zu Recht bestätigt hat. Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob die Vorinstanz gestützt auf das MEDAS-Gutachten vom 10. August 2015 bundesrechtskonform einen invalidisierenden Gesundheitsschaden ausgeschlossen hat. 
 
3.  
 
3.1. Das kantonale Gericht hat die rechtlichen Grundlagen zur Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG), zur Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG; Art. 4 Abs. 1 IVG), zu den Voraussetzungen des Anspruchs auf Invalidenrente (Art. 28 Abs. 1, Art. 29 Abs. 1 IVG) und berufliche Massnahmen (Art. 8 Abs. 1 und 3 IVG) sowie die mit BGE 141 V 281 geänderte Rechtsprechung zu den somatoformen Schmerzstörungen und vergleichbaren psychosomatischen Leiden richtig dargelegt. Gleiches gilt bezüglich des Beweiswerts von Arztberichten und Gutachten (BGE 142 V 58 E. 5.1 S. 64; 135 V 465; 125 V 351 E. 3a S. 532). Darauf wird verwiesen.  
 
3.2. Nach dem angefochtenen Gerichtsentscheid ergangen und hier der Vollständigkeit halber zu erwähnen sind sodann BGE 143 V 409 und 418. Damit hat das Bundesgericht seine Rechtsprechung geändert und festgestellt, dass die Therapierbarkeit einer psychischen Störung keine abschliessende evidente Aussage über das Gesamtmass der Beeinträchtigung und ihre Relevanz im invalidenversicherungsrechtlichen Kontext zu liefern vermag. Bezogen auf deren Abklärung hat es weiter erkannt, dass grundsätzlich sämtliche psychischen Erkrankungen, namentlich auch depressive Störungen leicht- bis mittelgradiger Natur, einem strukturierten Beweisverfahren nach BGE 141 V 281 zu unterziehen sind.  
 
4.  
 
4.1. Laut angefochtenem Entscheid, welcher noch vor der Praxisänderung gemäss BGE 143 V 409 und 418 erging, liegt kein invalidisierender Gesundheitsschaden vor. Nach vorinstanzlicher Sachverhaltsfeststellung ist hinsichtlich des Gesundheitszustandes von den Diagnosen des MEDAS-Gutachtens auszugehen. Diesem komme volle Beweiskraft zu. Aufgrund ihrer Untersuchungsbefunde hätten die Experten als einzigen Befund mit Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit eine leichte somatoforme Schmerzstörung und nicht näher bezeichnete Verhaltensauffälligkeiten in Verbindung mit körperlichen Störungen festgestellt. Die angestammte Tätigkeit sei in einem Vollzeitpensum zumutbar, wobei die Leistungsfähigkeit um 10 % reduziert sei. Ein Invaliditätsgrad in leistungsbegründender Höhe lasse sich folglich nicht ermitteln.  
 
4.2. Was die Beschwerdeführerin im Wesentlichen in Wiederholung der vorinstanzlichen Beschwerde vorbringt, dringt nicht durch. Es trifft zwar zu, dass das MEDAS-Gutachten vor Bekanntwerden des BGE 141 V 281 eingeholt wurde. Das kantonalgerichtliche Ergebnis ist jedoch auch unter dem Blickwinkel von BGE 141 V 281 nicht zu beanstanden. Aus BGE 143 V 409 und 418 (vgl. E. 3.2 hiervor) ergibt sich für den vorliegenden Fall, in dem die somatoforme Schmerzstörung im Vordergrund steht, ebenfalls nichts anderes. Ein strukturiertes Beweisverfahren nach BGE 141 V 281 bleibt entbehrlich, wenn im Rahmen beweiswertiger fachärztlicher Berichte (vgl. BGE 125 V 351) eine invalidenversicherungsrechtlich relevante Arbeitsunfähigkeit in nachvollziehbar begründeter Weise verneint wird und allfälligen gegenteiligen Einschätzungen mangels fachärztlicher Qualifikation oder aus anderen Gründen kein Beweiswert beigemessen werden kann (BGE 143 V 409 E. 4.5 S. 415 f.). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Zusammenhang ohne Weiteres zu bejahen. Denn aus dem beweiskräftigen MEDAS-Gutachten ergibt sich fraglos, dass die Beschwerdeführerin in einem Vollzeitpensum in der angestammten Tätigkeit aus somatischen Gründen überhaupt nicht und wegen der geringen Beeinträchtigungen aufgrund der psychiatrischen Befunde höchstens zu 10 % in der Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist.  
Kommt dem MEDAS-Gutachten also Beweiswert zu und waren die IV-Stelle und die Vorinstanz in der Lage, den Leistungsanspruch der Versicherten auf dieser Grundlage zu beurteilen, konnten sie ohne Rechtsverletzung von weiteren Sachverhaltsabklärungen absehen. Ein derartiger Verzicht auf die Abnahme beantragter Beweismittel ist zulässig, wenn der rechtserhebliche Sachverhalt - wie hier der Fall - umfassend abgeklärt worden ist und von zusätzlichen Beweismassnahmen keine neuen Erkenntnisse erwartet werden können. Die antizipierte Beweiswürdigung verstösst weder gegen den Untersuchungsgrundsatz noch gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör bzw. auf Beweisabnahme (Art. 29 Abs. 2 BV; Art. 42 ATSG) und stellt auch keine Verletzung des Gebots der Verfahrensfairness nach Art. 9 BV dar (vgl. Urteil 8C_590/2015 vom 24. November 2015 E. 6, nicht publ. in: BGE 141 V 585, aber in: SVR 2016 IV Nr. 33 S. 102). Die in der Beschwerde diesbezüglich erhobenen Rügen sind allesamt unbegründet. 
 
5.   
Entsprechend dem Prozessausgang werden die Gerichtskosten der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 27. Juni 2018 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Heine 
 
Die Gerichtsschreiberin: Berger Götz