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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9C_804/2017  
 
 
Urteil vom 27. Juni 2018  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichterin Glanzmann, Bundesrichter Parrino, 
Gerichtsschreiber Williner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt David Husmann, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Aargau, 
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau 
vom 2. Oktober 2017 (VBE.2016.662). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1963 geborene A.________ meldete sich im August 1999 wegen eines Foltertraumas sowie Problemen mit Gehör und Beinen bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Aargau sprach ihm mit Verfügung vom 18. Mai 2000 rückwirkend ab dem 1. Dezember 1999 eine ganze Invalidenrente zu. Dieser Rentenanspruch wurde im Rahmen zweier Revisionsverfahren überprüft und jeweils bestätigt (Mitteilungen vom 24. März 2006 und 11. April 2012). 
 
Aufgrund eines anonymen Hinweises, wonach A.________ nicht wirklich krank sei, beauftragte die IV-Stelle die B.________ AG mit einer Internetrecherche (Bericht vom 8. März 2013), liess ihn durch die C.________ AG observieren (Ermittlungsbericht vom 9. September 2013) und veranlasste eine Begutachtung bei Dr. med. D.________, FMH Psychiatrie und Psychotherapie (Expertise vom 30. Dezember 2015). Gestützt darauf hob die Verwaltung die Rente nach entsprechendem Vorbescheid rückwirkend per 1. Dezember 1999 auf (Verfügung vom 27. September 2016). 
 
B.   
Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau hiess die dagegen erhobene Beschwerde teilweise gut. Es änderte die Verfügung vom 27. September 2016 dahingehend ab, dass es die ganze Rente rückwirkend ab dem 4. Oktober 2009 aufhob (Entscheid vom 2. Oktober 2017). 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, es seien die Verfügung vom 27. September 2016 sowie der Entscheid vom 2. Oktober 2017 aufzuheben, ihm die gesetzlichen Leistungen - namentlich die bisherige ganze Rente - weiterhin zu gewähren und auf die rückwirkende Rentenaufhebung zu verzichten. Eventuell sei die Sache zur erneuten medizinischen Abklärung an die Vorinstanz, subeventualiter an die Verwaltung zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Die Beschwerde hat unter anderem die Begehren und deren Begründung zu enthalten, wobei in der Begründung in gedrängter Form darzulegen ist, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
2.   
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz die mittels prozessualer Revision verfügte rückwirkende Rentenaufhebung zu Recht teilweise mit der substituierten Begründung der Wiedererwägung geschützt hat. Das kantonale Gericht legte die diesbezüglich massgebenden Rechtsgrundlagen zutreffend dar. Darauf wird verwiesen. 
 
3.  
 
3.1. Der Beschwerdeführer stellt die Voraussetzungen für eine Wiedererwägung (vgl. BGE 140 V 77 E. 3.1 S. 79 mit Hinweisen) in Abrede, weil die der Rentenzusprache zu Grunde gelegenen medizinischen Einschätzungen nach damaliger Sach- und Rechtslage vertretbar gewesen und damit nicht zweifellos unrichtig seien. Damit lässt er ausser Acht, dass bei einer allenfalls invalidisierenden, psychisch bedingten Arbeitsunfähigkeit bereits damals grundsätzlich eine psychiatrische Beurteilung erforderlich war (Urteil 9C_548/2016 vom 26. Oktober 2016 mit Hinweis auf I 538/99 vom 5. April 2000 E. 4b). Die Rentenzusprache stützte sich einzig auf den hausärztlichen Bericht des Dr. med. E.________ vom 14. Oktober 1999. Indem die IV-Stelle trotz der darin diagnostizierten ausgeprägten, komplexen posttraumatischen Belastungsstörung aufgrund sequentieller Folterungen auf weitere, insbesondere psychiatrische Abklärungen verzichtete, verletzte sie den Untersuchungsgrundsatz. Die Verfügung vom 18. Mai 2000 ist offensichtlich unrichtig, woran weder die RAD-Stellungnahmen vom 12. November 1999 und vom 1. März 2000 noch der Schlussbericht Berufsberatung vom 3. Januar 2000 etwas ändern. Diese befassten sich mit der Notwendigkeit beruflicher Abklärungen sowie mit Auflagen betreffend die Durchführung einer Psychotherapie. Sie vermögen eine fachärztliche Beurteilung nicht zu ersetzen. Die Erheblichkeit der Berichtigung der ursprünglich erfolgten Leistungszusprache blieb zu Recht unbestritten, womit ein Wiedererwägungsgrund vorliegt.  
 
3.2. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, Observation und Gutachten beruhten auf einer ungenügenden gesetzlichen Beweisgrundlage, kann er allein daraus nichts zu seinen Gunsten ableiten. Das kantonale Gericht selbst hat auf die Rechtsprechung gemäss BGE 143 I 377 E. 4 S. 384 hingewiesen, woraus sich die Unzulässigkeit der Überwachung und damit die Verletzung von Art. 8 EMRK und Art. 13 BV ohne Weiteres ergibt. Mit den vorinstanzlichen Folgeerwägungen betreffend die Verwertbarkeit des im Rahmen der Observation gewonnenen Materials setzt sich der Beschwerdeführer indessen nicht auseinander (zur Begründungspflicht vgl. E. 1 hievor). Es betrifft dies insbesondere den Schluss in E. 5.4 des angefochtenen Entscheids, wonach die tangierten öffentlichen Interessen die privaten überwiegten, weshalb Überwachung und Expertise in die Beweiswürdigung miteinbezogen werden könnten. Auf diese eingehende und überzeugende Begründung wird verwiesen.  
 
3.3. Der Beschwerdeführer stützt seine Einwände gegen den Beweiswert der Expertise vom 30. Dezember 2015 zum Teil mit Verweisen auf nicht näher bezeichnete Literatur sowie Vorbringen aus dem vorinstanzlichen Verfahren, was nicht genügt (vgl. BGE 141 V 416 E. 4 S. 421 mit Hinweisen). Ein mangelhafter Beweiswert ergibt sich auch nicht aus den übrigen Vorbringen. Diese beschränken sich auf Hinweise, was der Gutachter nach dem Dafürhalten des Beschwerdeführers als medizinischer Laie hätte explorieren, welche Schlüsse er daraus hätte ziehen und welchen diagnostischen Ansatz er hätte verfolgen sollen. Auf derlei appellatorische Kritik geht das Bundesgericht nicht ein, woran das angerufene Prinzip der prozessualen Waffengleichheit nichts ändert.  
 
3.4. Der Beschwerdeführer wehrt sich gegen die rückwirkende Rentenaufhebung, weil die Vorinstanz in Bezug auf die angenommene Meldepflichtverletzung die Frage ausgeblendet habe, ob diese kausal für die Leistungsausrichtung gewesen sei. Er verkennt, dass eine solche Voraussetzung mit der Änderung von Art. 88bis Abs. 2 lit. b IVV am 1. Januar 2015 dahingefallen ist (vgl. Urteil 8C_813/2016 vom 10. März 2017 E. 5). Dass die vorinstanzliche Feststellung, der Beschwerdeführer habe seine effektiven funktionellen Möglichkeiten verheimlicht, offensichtlich unrichtig wäre, ist weder ersichtlich noch substanziiert dargetan. Das Bundesgericht bleibt daran gebunden (vgl. E. 1 hievor).  
 
3.5. Der Beschwerdeführer rügt, ihm seien trotz über 15-jährigem Rentenbezug keine Eingliederungsmassnahmen zugesprochen worden. Diesbezüglich kann auf die unbestritten gebliebenen vorinstanzlichen Ausführungen verwiesen werden, wonach die langjährige Absenz vom Arbeitsmarkt nicht invaliditätsbedingt war (vgl. dazu Urteil 9C_191/2017 vom 15. Februar 2018 E. 8.2.3 mit Hinweis). Damit erübrigen sich auch Weiterungen zu der in diesem Zusammenhang gerügten Gehörsverletzung. Eine allfällige solche hat mit dem kantonalen Gericht als geheilt zu gelten.  
 
4.   
Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet, weshalb sie im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG ohne Durchführung eines Schriftenwechsels, mit summarischer Begründung und unter Hinweis auf den kantonalen Gerichtsentscheid (Art. 109 Abs. 3 BGG) erledigt wird. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 27. Juni 2018 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Der Gerichtsschreiber: Williner