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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_314/2021  
 
 
Urteil vom 27. Juli 2021  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Chaix, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterin Jametti, Bundesrichter Müller, 
Gerichtsschreiber König. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, 
Abteilung Wirtschaftsdelikte, 
Binningerstrasse 21, Postfach 1348, 4001 Basel, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
Beschwerdegegner, 
vertreten durch Advokat Gabriel Giess, 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Entsiegelung, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung 
des Zwangsmassnahmengerichts 
des Kantons Basel-Stadt, Einzelgericht, 
vom 7. Mai 2021 (ZM.2020.150). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________, B.________ und C.________ waren spätestens ab 2014 Verwaltungsratsmitglieder der D.________ AG. Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt wirft ihnen vor, mittels Abschlusses eines für diese Gesellschaft nachteiligen Vertrages mit der E.________ SA am 25. März 2019 eine ungetreue Geschäftsbesorgung nach Art. 158 StGB begangen zu haben. 
Am 6. August 2020 wurden bei A.________, der F.________ AG, der E.________ SA und der G.________ AG Hausdurchsuchungen durchgeführt. Dabei wurden verschiedene Unterlagen, Datenträger und elektronisch von Datenträgern gespiegelte Daten sichergestellt und versiegelt. Ferner wurden die auf dem Mailaccount "..." befindlichen Daten gesichert und versiegelt. 
 
B.  
In der Folge beantragte die Staatsanwaltschaft dem Zwangsmassnahmengericht des Kantons Basel-Stadt die Entsiegelung der erwähnten Unterlagen, Datenträger und Daten. 
Das Zwangsmassnahmengericht verfügte am 7. Mai 2021, ein Teil der im Entsiegelungsgesuch genannten Unterlagen sowie Datenträger werde entsiegelt und nach Eintritt der Rechtskraft der Verfügung der Staatsanwaltschaft ausgehändigt. Dem Entsiegelungsgesuch wurde dabei hinsichtlich des USB-Sticks "Mailaccount "..."" und des Datensatzes "Aufbereitung ZM.2020.150-1" uneingeschränkt entsprochen; ferner gab das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft in Bezug auf die Unterlagen "Pos. B1", "Pos. H1-H4" und "F1-F8" überwiegend statt. Im Übrigen wies es das Entsiegelungsgesuch ab, und zwar insbesondere hinsichtlich der auf einen USB-Stick gespiegelten Daten des Mobiltelefons von A.________. Es verfügte zugleich, dieser USB-Stick bleibe endgültig versiegelt. 
 
C.  
Die Staatsanwaltschaft führt beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, die Anordnung des Zwangsmassnahmengerichts vom 7. Mai 2021 betreffend die auf einen USB-Stick gespiegelten Daten des Mobiltelefons von A.________ aufzuheben. Ferner beantragt sie, das Zwangsmassnahmengericht zu verpflichten, diese Daten zu entsiegeln. Eventualiter sei dieses Gericht anzuweisen, gestützt auf eine Sichtung des Inhalts des USB-Sticks die nicht geheimnisgeschützten Daten aus dem Mobiltelefon A.________s zu entsiegeln und der Staatsanwaltschaft herauszugeben. 
 
D.  
Das Zwangsmassnahmengericht beantragt die Abweisung der Beschwerde. A.________ beantragt, auf eine Kostenauflage sei auch im Fall seines Unterliegens zu verzichten. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Gegen den angefochtenen Entscheid ist gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG die Beschwerde in Strafsachen gegeben. Ein kantonales Rechtsmittel steht nicht zur Verfügung. Die Vorinstanz hat nach Art. 248 Abs. 3 lit. a i.V.m. Art. 380 StPO als einzige kantonale Instanz entschieden. Die Beschwerde ist somit gemäss Art. 80 Abs. 1 BGG zulässig. Die Beschwerdeführerin verfolgt sämtliche Straftaten im gesamten Kanton. Sie ist daher nach Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 3 BGG zur Beschwerde berechtigt (vgl. BGE 142 IV 196 E. 1.5.2 mit Hinweisen; Urteil 1B_298/2020 vom 17. März 2021 E. 1.1; Urteil 1B_438/2020 vom 27. November 2020 E. 1 mit Hinweisen, nicht publ. in BGE 147 IV 123).  
 
1.2. Der angefochtene Entscheid schliesst das Strafverfahren nicht ab. Er stellt einen Zwischenentscheid dar. Dieser betrifft weder die Zuständigkeit noch den Ausstand. Es handelt sich somit um einen "anderen Zwischenentscheid" nach Art. 93 BGG. Dagegen ist gemäss Art. 93 Abs. 1 BGG die Beschwerde zulässig, wenn der Zwischenentscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (lit. a) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b).  
Die Variante nach Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG fällt hier ausser Betracht. 
Nach der Rechtsprechung muss es sich im Strafrecht beim nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG um einen solchen rechtlicher Natur handeln. Ein derartiger Nachteil liegt vor, wenn er auch durch einen für die beschwerdeführende Partei günstigen späteren Entscheid nicht mehr behoben werden kann (BGE 144 IV 127 E. 1.3.1). Ein lediglich tatsächlicher Nachteil wie die Verlängerung oder Verteuerung des Verfahrens genügt nicht. Das Erfordernis des nicht wieder gutzumachenden Nachteils rechtlicher Natur soll sicherstellen, dass sich das Bundesgericht soweit möglich nicht mehrmals mit einer Angelegenheit befassen muss. Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist restriktiv zu handhaben (BGE 144 III 475 E. 1.2 mit Hinweisen). 
Im Beweisrecht droht der Staatsanwaltschaft nach der Rechtsprechung ein nicht wieder gutzumachender Nachteil rechtlicher Natur, wenn ohne das in Frage stehende Beweismittel die Weiterführung des Strafverfahrens verunmöglicht oder zumindest stark erschwert wird. Dies trifft nicht zu, wenn der Staatsanwaltschaft andere Untersuchungsmassnahmen zur Weiterführung des Strafverfahrens und gegebenenfalls Anklageerhebung zur Verfügung stehen. In jedem Fall ist es Sache der Staatsanwaltschaft, die Voraussetzung von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG darzutun, damit auf ihre Beschwerde eingetreten werden kann (BGE 141 IV 284 E. 2.4 mit Hinweis). Diese Rechtsprechung gilt auch bei der Entsiegelung (Urteile 1B_298/2020 vom 17. März 2021 E. 1.2; 1B_108/2020 vom 25. November 2020 E. 5.2; 1B_526/2017 vom 4. Mai 2018 E. 1.3.1; je mit Hinweisen). 
 
1.3. Die Beschwerdeführerin erklärt, das fragliche Mobiltelefon des Beschwerdegegners enthalte vermutlich potentiell beweiserhebliche Daten. Diese Daten könnten den Beschwerdegegner und die beiden anderen Beschuldigten hinsichtlich der ihnen im Strafverfahren gemachten Vorwürfe be- oder entlasten. Auch behauptet die Beschwerdeführerin, ohne Entsiegelung dieser Daten könne sie ihren Untersuchungs- und Beweisführungspflichten nicht nachkommen. Sinngemäss macht sie ferner geltend, auf dem Mobiltelefon (bzw. unter den fraglichen Daten) befänden sich fallrelevante Informationen, welche über die entsiegelten Daten hinausgehen würden.  
 
1.4. Aufgrund des angefochtenen Entscheids verfügt die Beschwerdeführerin schon über umfangreiche Daten, welche als Beweismittel im Strafverfahren gegen den Beschwerdegegner und die Mitbeschuldigten herangezogen werden können. In der Beschwerde wird nicht substantiiert dargelegt, inwiefern unter diesen Umständen der fehlende Zugriff auf die Daten aus dem Mobiltelefon die Weiterführung des Strafverfahrens zumindest stark erschweren soll. Insbesondere zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf, weshalb davon auszugehen ist, dass sich diese Daten inhaltlich von den ihr bereits zur Verfügung stehenden Informationen unterscheiden und zu weiterführenden, wesentlichen Erkenntnissen für das Strafverfahren führen sollen. Zu berücksichtigen ist in diesem Kontext nicht zuletzt, dass der Staatsanwaltschaft die gesamte Korrespondenz über den Mailaccount "..." des Beschwerdegegners zur Verfügung steht. Es hätte unter diesen Umständen der Staatsanwaltschaft oblegen, Anhaltspunkte für Informationen aus dem Mobiltelefon darzutun, welche den entsiegelten Unterlagen, Datenträgern sowie Daten nicht zu entnehmen sind und ohne die eine starke Erschwerung des Strafverfahrens eintritt.  
Die im Mobiltelefon des Beschwerdegegners enthaltenen Daten wurden sodann - wie erwähnt - vollständig gespiegelt. Selbst eine Rückgabe des Mobiltelefons an den Beschwerdegegner hätte deshalb keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur für die Beschwerdeführerin zur Folge (vgl. Urteil 1B_298/2020 vom 17. März 2021 E. 1.3.4). 
 
1.5. Ist demnach ein derartiger Nachteil weder dargetan noch ersichtlich, kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.  
 
1.6. Klarzustellen bleibt Folgendes: Ist die Beschwerde nach Art. 93 Abs. 1 BGG nicht zulässig, so ist der betreffende Zwischenentscheid gemäss Art. 93 Abs. 3 BGG durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit er sich auf dessen Inhalt auswirkt. Die Beschwerdeführerin kann somit den vorinstanzlichen Entscheid gegebenenfalls mit Beschwerde gegen den Endentscheid anfechten. Die Vorinstanz darf deshalb die gespiegelten Daten des Mobiltelefons des Beschwerdegegners noch nicht löschen, sondern muss sie bis zum Abschluss des Strafverfahrens aufbewahren (vgl. zum Ganzen Urteil 1B_298/2020 vom 17. März 2021 E. 1.5).  
 
2.  
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Basel-Stadt hat dem Beschwerdegegner eine (infolge des geringen Aufwandes) reduzierte Entschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Basel-Stadt hat dem Beschwerdegegner eine Entschädigung von Fr. 500.-- zu bezahlen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Zwangsmassnahmengericht des Kantons Basel-Stadt, Einzelgericht, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 27. Juli 2021 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Chaix 
 
Der Gerichtsschreiber: König