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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
6B_447/2013  
   
   
 
 
 
Urteil vom 27. August 2013  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Mathys, Präsident, 
Bundesrichter Denys, Oberholzer, 
Gerichtsschreiber Faga. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.X.________, 
2. B.X.________, 
beide vertreten durch Advokat Dr. Christian von Wartburg, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1.  Staatsanwaltschaft des Kantons Nidwalden, Kreuzstrasse 2, 6371 Stans,  
2. Z.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt André Britschgi, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Einstellung der Untersuchung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts 
des Kantons Nidwalden, Beschwerdeabteilung in Strafsachen, vom 23. Oktober 2012. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die beiden in E.________/F wohnhaft gewesenen Brüder +C.X.________, geb. 01.März 1988, und +D.X.________, geb. 21. März 1990, verunglückten am 28. März 2010 bei einem Tauchunfall in F.________ tödlich. 
 
Die Staatsanwaltschaft Nidwalden eröffnete in der Folge eine Strafuntersuchung gegen den Tauchlehrer Z.________ wegen des Verdachts auf fahrlässige Tötung. Sie gelangte am 3. Februar 2011 an die zuständigen Behörden in Frankreich und ersuchte um Übernahme der Strafverfolgung gegen den in G.________/F wohnhaften Z.________. Der Staatsanwalt am Berufungsgericht Colmar/F bestätigte am 23. September 2011 die Übernahme des Strafverfahrens. Gestützt darauf verfügte die Staatsanwaltschaft Nidwalden am 30. März 2012 die Einstellung des Verfahrens. 
 
B.  
Das Obergericht des Kantons Nidwalden wies die von A.X.________ und B.X.________, den Eltern der beiden Verunglückten, erhobene Beschwerde am 23. Oktober 2012 ab, soweit es darauf eintrat. 
 
C.  
A.X.________ und B.X.________ führen Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragen, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Vorinstanz sei die Weisung zu erteilen, die Staatsanwaltschaft Nidwalden anzuweisen, das Strafverfahren bis zum Abschluss des französischen Strafverfahrens zu sistieren. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Unabhängig von der Legitimation in der Sache kann der Beschwerdeführer vor Bundesgericht die Verletzung von Rechten geltend machen, die ihm als am Verfahren beteiligte Partei nach dem massgebenden Prozessrecht oder unmittelbar aufgrund der BV oder der EMRK zustehen (BGE 136 IV 29 E. 1.9 mit Hinweisen).  
 
1.2. Die Vorinstanz ist auf die Beschwerde von B.X.________ mit der Begründung nicht eingetreten, sie habe sich im Vorverfahren nicht als Privatklägerschaft konstituiert. Die erst im Beschwerdeverfahren eingereichte Erklärung sei verspätet.  
 
Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer wendet ein, er habe bereits am 1. Juni 2010 dem damaligen Verhöramt Nidwalden mitgeteilt, er gehe davon aus, dass die beiden Beschwerdeführer als Straf- und Zivilkläger erfasst worden seien. Von der Staatsanwaltschaft sei er nie darauf hingewiesen worden, dass die damalige Erklärung nicht genügen könnte, und auch vor Erlass der Einstellungsverfügung sei ihm das rechtliche Gehör nicht gewährt worden. 
 
1.3. Bei den Akten befinden sich zwei Formulare, mit denen Strafklage gegen den Beschwerdegegner wegen fahrlässiger Tötung gestellt und eine Zivilforderung "im Betrag von 0" geltend gemacht wird (Untersuchungsakten A/164 und 165). Beide Formulare sind zwar nur vom Beschwerdeführer 1 unterzeichnet. Sie sind aber mit einem von beiden Beschwerdeführern unterzeichneten Begleitschreiben dem damaligen Verhöramt Nidwalden am 11. Mai 2010 zugestellt worden (Untersuchungsakten A/166). Das Verhöramt Nidwalden bestätigte in der Folge in einem an beide Beschwerdeführer adressierten Schreiben vom 21. Mai 2010, dass es den Beschwerdeführer 1 als Straf- und Zivilkläger erfasst habe (Untersuchungsakten A/167). Der von den Beschwerdeführern gemeinsam beigezogene Rechtsvertreter teilte dem Verhöramt am 1. Juni 2010 mit, dass seine Mandanten das Formular "Strafklage" bereits zugestellt hätten. Auch hätten sie ihm ein Schreiben vorgelegt, wonach sie bereits als Straf- und Zivilkläger erfasst worden seien. Zum heutigen Zeitpunkt stehe noch nicht fest, ob seine Mandanten im Strafverfahren gegen den Beschwerdegegner Zivilforderungen erheben werden. Im Vordergrund stehe einstweilen, für die Eltern der beiden Opfer möglichst Klarheit über den Unfallhergang zu erhalten (Untersuchungsakten A/179). Eine Richtigstellung oder eine Nachfrage von Seiten des Verhöramtes erfolgte nicht, und auch vor dem Erlass der Einstellungsverfügung wurde den Beschwerdeführern keine Gelegenheit eingeräumt, ein allfälliges Missverständnis über ihre Rechtsstellung im Verfahren zu klären.  
 
Die Nichtzulassung der Beschwerdeführerin 2 als Privatklägerin erweist sich unter diesen Umständen als überspitzt formalistisch und widerspricht dem Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 3 Abs. 2 lit. a StPO). Auf die Beschwerde ist indessen trotzdem nicht einzutreten, weil die Beschwerdeführerin 2 kein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG). Die Vorinstanz hat zu den in den Eingaben ihres gemeinsam beigezogenen Rechtsvertreters vorgebrachten Einwendungen Stellung genommen. Mit der Zulassung der Beschwerdeführerin im vorinstanzlichen Verfahren würde sich somit am Ergebnis nichts ändern. 
 
1.4. Soweit der Beschwerdeführer beiläufig rügt, die Vorinstanz habe ihm nicht die Rechtsstellung eines Angehörigen des Opfers (Art. 117 Abs. 3 StPO) zuerkannt, sondern ihn lediglich als Rechtsnachfolger des Opfers (Art. 121 Abs. 1 StPO) betrachtet (Beschwerde, S. 7), setzt er sich mit den Erwägungen der Vorinstanz nicht auseinander. In diesem Punkt genügt die Beschwerde den Begründungsanforderungen von Art. 42 Abs. 2 BGG offensichtlich nicht.  
 
2.  
 
2.1. Die Beschwerdelegitimation im Verfahren vor Bundesgericht richtet sich nicht nach der Strafprozessordnung, sondern nach dem Bundesgerichtsgesetz. Nach Art. 81 Abs. 1 BGG ist zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat, sofern er ein aktuelles rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat. Bei der Privatklägerschaft wird in Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG zusätzlich verlangt, dass der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann. Dies verlangt grundsätzlich vom Privatkläger, dass er bereits adhäsionsweise Zivilforderungen geltend gemacht hat. Ausnahmsweise, bei Nichtanhandnahme oder Einstellung des Strafverfahrens, ist auf dieses Erfordernis zu verzichten, zumal von der Privatklägerschaft in diesen Fällen nicht verlangt werden kann, dass sie bereits adhäsionsweise Zivilforderungen geltend gemacht hat. Immerhin ist jedoch erforderlich, dass im Verfahren vor Bundesgericht dargelegt wird, aus welchen Gründen sich der angefochtene Entscheid inwiefern auf welche Zivilforderungen auswirken kann (BGE 137 IV 246 E. 1.3.1 S. 247 f.; 131 IV 195 E. 1.2.2 S. 199; 122 IV 139 E. 1 S. 141).  
 
2.2. Die Beschwerdeführer haben im vorinstanzlichen Verfahren keine Zivilansprüche geltend gemacht. In ihrer Eingabe an das damalige Verhöramt Nidwalden vom 1. Juni 2010 liessen sie die Frage ausdrücklich offen und führten aus, es stehe zum heutigen Zeitpunkt noch nicht fest, ob sie im Strafverfahren gegen den Beschwerdegegner Zivilforderungen erheben werden oder nicht. Im Vordergrund stehe einstweilen, möglichst Klarheit über den Unfallhergang zu erhalten (Untersuchungsakten A/179).  
 
Die Beschwerdeführer legen auch in ihrer Beschwerde an das Bundesgericht nicht dar, aus welchen Gründen sich der angefochtene Entscheid inwiefern auf welche Zivilforderungen auswirken kann. Ihre Beschwerdelegitimation leiten sie allein aus ihrer Eigenschaft als "Adressat (en) des angefochtenen Entscheids" her (Beschwerde, S. 3). Dies genügt nach der zitierten Rechtsprechung nicht für die Berechtigung zur Beschwerde in Strafsachen (vgl. BGE 137 IV 246 E.1.3.1). 
 
3.  
 
3.1. Unbesehen um die fehlende Legitimation als Privatkläger fehlt es den Beschwerdeführern aber auch an einem rechtlich geschützten Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids. Die Beschwerdeführer wenden sich nicht gegen die der angefochtenen Einstellung zu Grunde liegende Verfahrensabtretung an die französischen Behörden, sondern erachten den Zeitpunkt für die Einstellung des schweizerischen Verfahrens als verfrüht. Sie machen geltend, dass eine Einstellung nur erfolgen könne, sofern nicht überwiegende Interessen der Privatklägerschaft entgegenstehen. Sie hätten aber ein erhebliches Interesse an einem Schuldspruch des Beschwerdegegners und an einer gerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit seines Verhaltens. Ergebe sich zu einem späteren Zeitpunkt, dass die französischen Strafbehörden nicht in der Lage seien, das Strafverfahren zu Ende zu führen, wären sie auf den ungewissen Weg der Wiederaufnahme verwiesen.  
 
3.2. Das Interesse der Beschwerdeführer an einer strafrechtlichen Beurteilung des dem Beschwerdegegner zur Last gelegten Sachverhalts wird durch die Einstellung nicht beeinträchtigt. Mit der Übernahme des Strafverfahrens durch die französischen Behörden besteht einerseits Gewähr, dass die Beschwerdeführer ihre Parteirechte im Rahmen jenes Verfahrens umfassend ausüben können. Andererseits ist es den schweizerischen Behörden nach Abtretung des Verfahrens verwehrt, wegen derselben Tat weitere Massnahmen zu ergreifen, solange der ersuchte Staat nicht mitgeteilt hat, dass er nicht in der Lage sei, das Strafverfahren zu Ende zu führen (vgl. Art. 89 Abs. 1 IRSG). Sollte dieser Umstand, für den keine Anhaltspunkte vorliegen, eintreten, hätte die Staatsanwaltschaft des Kantons Nidwalden gestützt auf Art. 323 Abs. 1 StPO die Wiederaufnahme des eingestellten (schweizerischen) Verfahrens zu verfügen, sodass auch in diesem Fall kein Rechtsnachteil für die Beschwerdeführer entstehen kann.  
 
4.  
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten den Beschwerdeführern aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Ihr Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ist abzuweisen, da die Beschwerde von vornherein aussichtslos erschien. Ihrer finanziellen Lage ist mit herabgesetzten Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Nidwalden, Beschwerdeabteilung in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 27. August 2013 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Mathys 
 
Der Gerichtsschreiber: Faga