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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_886/2023  
 
 
Urteil vom 27. August 2024  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichter Kölz, Hofmann, 
Gerichtsschreiber Stadler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Marcel Baeriswyl, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Nordring 8, Postfach, 3001 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Entfernung von Beweismitteln aus den Verfahrensakten, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 5. Oktober 2023 (BK 23 217). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Die Regionale Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland führt ein Strafverfahren gegen A.________ wegen unter anderem des Verdachts auf vorsätzliche Tötung und Drohung. Sie wirft ihm insbesondere vor, am 25. Dezember 2020 seine Partnerin erschossen zu haben.  
 
A.b. Mit forensisch-psychiatrischem Gutachten vom 2. August 2021 diagnostizierte der Gutachter med. pract. B.________ bei A.________ eine Störung durch multiplen Substanzgebrauch und Konsum psychotroper Substanzen, ein Abhängigkeitssyndrom (Alkohol, Cannabis, Kokain, Benzodiazepine und Nikotin), gegenwärtig teilweise abstinent (Alkohol, Cannabis, Kokain) in geschützter Umgebung, sowie eine dissoziale Persönlichkeitsstörung mit psychopathischen Anteilen. Weiter attestierte der Gutachter eine ungünstige Rückfallprognose und empfahl eine (allenfalls strafbegleitende) Massnahme. Das Gutachten wurde am 1. November 2021 ergänzt.  
 
B.  
Mit Eingabe vom 2. Mai 2023 beantragte A.________ bei der Staatsanwaltschaft, dass das Gutachten von med. pract. B.________ vom 2. August 2021 und die gutachterlichen Ergänzungen vom 1. November 2021 aus den Akten zu entfernen seien. Am 5. Mai 2023 wies die Staatsanwaltschaft diesen Antrag ab. Dagegen erhob A.________ Beschwerde, welche das Obergericht des Kantons Bern mit Beschluss vom 5. Oktober 2023 abwies. 
 
C.  
A.________ gelangt mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht und beantragt, es sei der Beschluss des Obergerichts vom 5. Oktober 2023 aufzuheben und das Gutachten von med. pract. B.________ vom 2. August 2021 bzw. 1. November 2021 aus den Akten zu entfernen. Eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ausserdem ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung für das bundesgerichtliche Verfahren. 
Es wurden die kantonalen Akten beigezogen, aber keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. In der vorliegenden Angelegenheit steht gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG grundsätzlich die Beschwerde in Strafsachen offen. Die Vorinstanz hat als letzte kantonale Instanz entschieden, weshalb die Beschwerde nach Art. 80 BGG prinzipiell zulässig ist. Der Beschwerdeführer ist zudem als beschuldigte Person nach Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 1 BGG zur Beschwerde befugt.  
 
1.2. Der angefochtene Entscheid schliesst das Strafverfahren nicht ab; es handelt sich um einen selbstständig eröffneten Zwischenentscheid, der weder die Zuständigkeit noch den Ausstand betrifft. Gemäss Art. 93 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde gegen solche selbstständig eröffneten Zwischenentscheide nur zulässig, wenn diese einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (lit. a) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b). Die zweite Variante kommt vorliegend nicht in Betracht (vgl. BGE 144 IV 127 E. 1.3 mit Hinweis).  
Nach der Rechtsprechung muss es sich beim nicht wieder gutzumachenden Nachteil gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG um einen solchen rechtlicher Natur handeln. Dies bedeutet, dass er auch durch einen für die beschwerdeführende Partei günstigen späteren Entscheid nicht mehr behoben werden kann (BGE 144 IV 127 E. 1.3.1). Ein lediglich tatsächlicher Nachteil wie die Verteuerung oder Verlängerung des Verfahrens genügt nicht (BGE 142 III 798 E. 2.2). Das Bundesgericht soll sich wenn möglich nur einmal mit einer Sache befassen (BGE 148 IV 155 E. 1.1; 147 III 159 E. 4.1; 137 IV 237 E. 1.1). Die beschwerdeführende Partei muss, wenn das nicht offensichtlich ist, im Einzelnen darlegen, inwiefern ihr ein nicht wieder gutzumachender Nachteil rechtlicher Natur drohen soll. Andernfalls kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden (BGE 142 III 798 E. 2.2; 137 III 324 E. 1.1; je mit Hinweisen). 
 
1.3. Gemäss der Rechtsprechung stellt der blosse Umstand, dass ein Beweismittel, dessen Gültigkeit bestritten ist, bei den Akten bleibt, keinen nicht wiedergutzumachenden Nachteil dar, da es möglich ist, diese Rüge bis zum endgültigen Abschluss des Verfahrens zu erneuern. Insbesondere kann die Frage der Rechtmässigkeit von Beweismitteln dem Sachgericht vorgelegt werden (Art. 339 Abs. 2 lit. d StPO), welches in der Lage ist, zwischen rechtmässigen und unrechtmässigen Beweismitteln zu unterscheiden und sich bei der Würdigung ausschliesslich auf Erstere zu stützen. Das erstinstanzliche Urteil kann im Rahmen einer Berufung angefochten werden (vgl. Art. 398 StPO), und als letztes Mittel kann die beschuldigte Person dieses Urteil beim Bundesgericht anfechten (BGE 144 IV 90 E. 1.1.3; 143 IV 387 E. 4.4; 141 IV 284 E. 2.2; teils mit weiteren Hinweisen).  
Von dieser Regel bestehen jedoch Ausnahmen. Eine solche liegt insbesondere vor, wenn das Gesetz ausdrücklich die sofortige Rückgabe oder Entfernung aus den Akten bzw. Vernichtung rechtswidrig erlangter Beweise vorsieht (vgl. z.B. Art. 248 Abs. 2, Art. 271 Abs. 3, Art. 277 und Art. 289 Abs. 6 StPO). Ebenso verhält es sich, wenn aufgrund des Gesetzes oder der Umstände des Einzelfalles die Rechtswidrigkeit des Beweismittels ohne Weiteres feststeht und die betroffene Person ein besonders gewichtiges rechtlich geschütztes Interesse an der unverzüglichen Feststellung der Unverwertbarkeit des Beweises geltend macht (BGE 144 IV 127 E. 1.3.1; 143 IV 387 E. 4.4; 141 IV 284 E. 2.3; je mit Hinweisen). 
 
1.4. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 148 V 366 E. 3.3; 148 IV 409 E. 2.2; 147 IV 73 E. 4.1.2; je mit Hinweisen). Eine qualifizierte Begründungspflicht besteht, soweit die Verletzung von Grundrechten einschliesslich Willkür behauptet wird (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 148 IV 39 E. 2.3.5). Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 114 E. 2.1; je mit Hinweisen).  
 
1.5. Der Beschwerdeführer bringt vor, er werde durch die Weigerung der Staatsanwaltschaft, das Gutachten aus den Akten zu entfernen, "unmittelbar tangiert". Er sehe sich als Beschuldigter in der Strafuntersuchung mit einem Beweismittel konfrontiert, das nicht rechtskonform erhoben worden sei. Da dieses Beweismittel gegen ihn verwendet worden sei und auch künftig noch verwendet werde, habe es einen direkten Einfluss auf seine Rechtsstellung im Strafverfahren. Insofern bestehe für ihn "ein rechtlich geschütztes Interesse" daran, dass ein "nicht neutrales, fehlerhaftes, nicht nachvollziehbares" psychiatrisches Gutachten aus den Untersuchungsakten zu entfernen sei. Ansonsten würde ihm weiterhin ein nicht wieder gutzumachender Rechtsnachteil im Strafverfahren drohen, auch wenn ihm kein Beweisverlust bevorstehe.  
Damit tut der Beschwerdeführer keine Ausnahme im Sinne der hiervor erwähnten Rechtsprechung zu Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG dar, bei der das Bundesgericht bereits im Vorverfahren über ein allfälliges Beweisverwertungsverbot abschliessend zu entscheiden hätte. Der Beschwerdeführer geht fehl, wenn er das Erfordernis des nicht wieder gutzumachenden Nachteils im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG mit dem rechtlich geschützten Interesse nach Art. 382 Abs. 1 StPO gleichzusetzen scheint (vgl. BGE 143 IV 475 E. 2.9, auf den sich der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang beruft). 
 
1.6. Die Verwertung des Gutachtens erscheint auch nicht von vorneherein offensichtlich unzulässig:  
Die Vorinstanz geht davon aus, dass dem Gutachten vom 2. August 2021 weder der Beizug von der Hilfsperson C.________ noch deren Beitrag entnommen werden könne. Entsprechend seien die Transparenzvorschriften gemäss Art. 187 Abs. 1 StPO verletzt, was vorliegend lediglich eine Verletzung einer Ordnungsvorschrift darstelle, welche die Verwertbarkeit des Gutachtens nicht in Frage stelle (Art. 141 Abs. 3 StPO). Ohnehin sei zu erwarten, dass die Transparenz auch nachträglich noch hergestellt werden könne (vgl. Art. 189 lit. a StPO). Im Weiteren - so die Vorinstanz - habe im kantonalen Beschwerdeverfahren keine abschliessende Beurteilung über die Schlüssigkeit des Gutachtens zu erfolgen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers weise das Gutachten jedenfalls keinen offensichtlichen oder schweren Mangel auf. Somit würden keine besonderen Umstände vorliegen, derentwegen das Gutachten aus den Akten zu entfernen wäre. 
Der Beschwerdeführer dringt nicht durch, wenn er ohne nähere Auseinandersetzung mit den vorinstanzlichen Erwägungen behauptet, C.________ sei "bei der Ausarbeitung des Gutachtens" nicht als Hilfsperson tätig gewesen, sondern als delegierte Sachverständige. Gleiches gilt, soweit er vorbringt, die Vorinstanz hätte das Gutachten inhaltlich "eingehend" prüfen müssen (vgl. BGE 142 IV 49 E. 2.1.3; 141 IV 369 E. 6.1). Ob der vorinstanzliche Schluss, die gegenständliche Nichteinhaltung der Transparenzvorschriften gemäss Art. 187 Abs. 1 (Satz 2) StPO verletze bloss eine Ordnungsvorschrift, zutrifft, wird das Sachgericht zu prüfen haben. Der Beschwerdeführer legt nicht hinreichend dar und es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern eine Verletzung der genannten Bestimmung die absolute Unverwertbarkeit eines Gutachtens im Sinne von Art. 141 Abs. 1 StPO nach sich ziehen sollte. Auch eine angebliche Verletzung einer (einfachen) Gültigkeitsvorschrift im Sinne von Art. 141 Abs. 2 StPO wird in der Beschwerde nicht überzeugend begründet, geschweige denn, dass eine allfällige Interessenabwägung gegen eine Verwertung des Gutachtens sprechen würde. 
 
1.7. Nach dem Gesagten ist der nicht wieder gutzumachende Rechtsnachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG zu verneinen. Es wird Sache des für den Endentscheid zuständigen Sachgerichts sein, gegebenenfalls über die vom Beschwerdeführer akzessorisch aufgeworfenen Beweisverwertungsfragen zu befinden (vgl. Art. 141 Abs. 2 bzw. Abs. 3 in Verbindung mit Art. 339 Abs. 2 lit. d StPO).  
 
2.  
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist abzuweisen, da die Beschwerde von vornherein aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1 BGG). Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seiner finanziellen Situation ist bei der Bemessung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 27. August 2024 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Der Gerichtsschreiber: Stadler