Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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9C_304/2017
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Urteil vom 27. September 2017
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
Bundesrichterin Glanzmann, Bundesrichter Parrino,
Gerichtsschreiberin Dormann.
Verfahrensbeteiligte
1. A.________,
2. B.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich, Rechtsabteilung, Stampfenbachstrasse 30, Postfach, 8090 Zürich,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Krankenversicherung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 15. März 2017 (KV.2016.00104).
Sachverhalt:
A.
A.________ wohnt seit dem 1. Januar 2007, seine Ehefrau B.________ seit dem 10. Oktober 2008 in der Schweiz. 2011 wurde die gemeinsame Tochter geboren. Alle drei sind bei der deutschen Krankenversicherung C.________ versichert, wobei der Versicherungsschutz auch in der Schweiz gilt. Im November 2015 ersuchte A.________ für sich und seine Familie um Befreiung von der Versicherungspflicht nach KVG. Die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich wies das Gesuch mit Verfügung vom 20. Juni 2016 ab; gleichzeitig verpflichtete sie A.________ und B.________, sich und die gemeinsame Tochter bis spätestens am 30. September 2016 bei einer anerkannten Schweizer Krankenversicherung zu versichern. Mit Einspracheentscheid vom 31. Oktober 2016 hob sie die Verfügung betreffend A.________ auf und befreite ihn von der Versicherungspflicht. Hingegen hielt sie bezüglich B.________ und der Tochter mit einem weiteren Einspracheentscheid vom 31. Oktober 2016 an der Verfügung vom 20. Juni 2016 fest.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 15. März 2017 ab.
C.
A.________ und B.________ beantragen mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten die Aufhebung des Entscheids vom 15. März 2017 und die Befreiung von der Versicherungspflicht für B.________ und die Tochter, eventualiter die Rückweisung der Sache zur neuen Beurteilung an das kantonale Gericht.
Die Gesundheitsdirektion schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen:
1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Unter Beachtung der Begründungspflicht in Beschwerdeverfahren ( Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ) prüft es indessen nur geltend gemachte Rügen, sofern allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind.
Die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem Verfassungsrecht (Art. 95 lit. c BGG) prüft das Bundesgericht nicht von Amtes wegen, sondern nur insoweit, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und substanziiert begründet worden ist. Dabei ist klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen, inwiefern die angerufenen Rechte verletzt worden sein sollen (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 136 I 49 E. 1.4.1 S. 53; 135 III 232 E. 1.2 S. 234; 134 II 244 E. 2.2 S. 246; 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254; je mit Hinweisen).
2.
Grundsätzlich muss sich jede Person mit Wohnsitz in der Schweiz innert drei Monaten nach der Wohnsitznahme in der Schweiz für Krankenpflege versichern lassen (Art. 3 Abs. 1 KVG). Der Bundesrat kann indessen Ausnahmen von der Versicherungspflicht vorsehen (Art. 3 Abs. 2 KVG). Art. 2 Abs. 1 lit. g KVV (SR 832.102) sieht eine Ausnahme von der Versicherungspflicht vor für Personen, die als Familienangehörige einer Person in deren ausländischen Krankenversicherung mitversichert sind und Anspruch auf Leistungsaushilfe haben. Sodann sind nach Art. 2 Abs. 8 KVV Personen, für welche eine Unterstellung unter die schweizerische Versicherung eine klare Verschlechterung des bisherigen Versicherungsschutzes oder der bisherigen Kostendeckung zur Folge hätte und die sich auf Grund ihres Alters und/oder ihres Gesundheitszustandes nicht oder nur zu kaum tragbaren Bedingungen im bisherigen Umfang zusatzversichern könnten, auf Gesuch hin von der Versicherungspflicht ausgenommen. Dem Gesuch ist eine schriftliche Bestätigung der zuständigen ausländischen Stelle mit allen erforderlichen Angaben beizulegen.
3.
Die Vorinstanz hat eine Ausnahme von der Versicherungspflicht im Sinne von Art. 2 Abs. 1 lit. g KVV verneint. Sie ist der Auffassung, dass das System der Leistungsaushilfe und damit die Ausnahmebestimmung nur für im Ausland gesetzlich versicherte, nicht aber für privat versicherte Personen - wie die Beschwerdeführerin und ihre Tochter - zum Tragen komme. Weiter hat sie eine Befreiung nach Art. 2 Abs. 8 KVV verworfen, zumal weder das Alter noch der Gesundheitszustand der Betroffenen eine Zusatzversicherung zum schweizerischen Obligatorium verunmöglichten. Mangels eines anderen Ausnahme- oder Befreiungsgrundes im Sinne von Art. 2 KVV hat sie die Versicherungspflicht nach KVG bestätigt.
4.
4.1.
4.1.1. Die Beschwerdeführer stellen nicht in Abrede, dass ein gleichwertiger Versicherungsschutz in der Schweiz möglich wäre. Sie machen lediglich geltend, dass er rund Fr. 1'300.- koste, was im Vergleich zu den derzeitigen Kosten von rund EUR 820.- eine offensichtliche Verschlechterung der Versicherungssituation sei.
4.1.2. Mit Blick auf die gesetzgeberisch gewollte Solidarität zwischen Gesunden und Kranken sind die Ausnahmen von der Versicherungspflicht generell eng zu halten, und es ist der Befürchtung des Gesetzgebers Rechnung zu tragen, dass sich das schweizerische Obligatorium unterlaufen liesse, wenn beispielsweise der Nachweis einer ausländischen freiwilligen privaten Versicherung allgemein als Befreiungsgrund akzeptiert würde (BGE 132 V 310 E. 8.5.6 S. 317). Für die Anwendung von Art. 2 Abs. 8 KVV sind daher strenge Massstäbe zu setzen. Insbesondere darf diese Bestimmung nicht dazu dienen, blosse Nachteile zu verhindern, die eine Person dadurch erleidet, dass das schweizerische System den Versicherungsschutz, den sie bisher unter dem ausländischen System genoss, überhaupt nicht oder nicht zu gleich günstigen Bedingungen vorsieht (SVR 2009 KV Nr. 10 S. 35, 9C_921/2008 E. 4.3; Urteil 9C_858/2016 vom 20. Juni 2017 E. 2.2.1). Mehrkosten können denn auch nicht mit einer Verschlechterung des Versicherungsschutzes gleichgesetzt werden. Abgesehen davon ist eine solche im Rahmen von Art. 2 Abs. 8 KVV nur relevant, wenn sie aufgrund des Alters und/oder Gesundheitszustandes nicht (oder nur zu kaum tragbaren Bedingungen) kompensiert werden kann (BGE 132 V 310 E. 8.5.6 S. 318; SVR 2012 KV Nr. 6 S. 18, 9C_510/2011 E. 2.2; Urteil 9C_858/2016 vom 20. Juni 2017 E. 2.2.1). Inwiefern in dieser Regelung eine unzulässige Diskriminierung aufgrund des Alters (vgl. Art. 8 Abs. 2 BV) liegen soll, ist nicht ersichtlich und wird auch nicht substanziiert dargelegt (vgl. E. 1).
4.1.3. Weder mit den höheren Kosten noch mit dem Umstand, dass eine "Rückkehr nach Deutschland (...) nicht auszuschliessen" ist und bei der Kündigung des bisherigen Versicherungsverhältnisses gewisse Vorteile ("Verbilligungen, Boni und sonstige Wertschätzungen") nicht erhalten werden können (vgl. Urteil 9C_858/2016 vom 20. Juni 2017 E. 6.4), lässt sich in concreto eine Ausnahme vom Versicherungsobligatorium nach Art. 2 Abs. 8 KVV rechtfertigen.
4.2. Dass der vorinstanzliche Entscheid Art. 2 Abs. 1 lit. g KVV verletzen soll, wird nicht geltend gemacht. Vielmehr erblicken die Beschwerdeführer in der Bestimmung selber Willkür (Art. 9 BV) und einen Verstoss gegen die Rechtsgleichheit (Art. 8 Abs. 1 BV), weil differenziert werde, ob eine Person im Ausland privat oder gesetzlich versichert sei. Sie legen indessen nicht dar, dass sich diese Unterscheidung nicht sachlich begründen lassen soll, und befassen sich insbesondere nicht näher mit der vorinstanzlichen Erwägung, wonach Behandlungskosten von privat Versicherten nicht über die Gemeinsame Einrichtung KVG (vgl. Art. 18 KVG) abgerechnet werden können. Darauf ist mangels Substanziierung (E. 1) nicht weiter einzugehen.
4.3. Weiter berufen sich die Beschwerdeführer auf Art. 27 BV. Sie rügen Wettbewerbsverzerrung und einen Verstoss gegen die Vertrags- und Partnerwahlfreiheit, weil sie sich gemäss Art. 3 und 6 KVG bei einer Schweizer Krankenkasse versichern lassen müssen. Ob diesbezüglich ein Grundrechtseingriff vorliegt, kann offenbleiben. Neben der Massgeblichkeit von Bundesgesetzen (Art. 190 BV) verkennen die Beschwerdeführer, dass das angerufene Grundrecht im Rahmen von Art. 36 BV eingeschränkt werden darf, und dass die Beschwerde auch diesbezüglich substanziierter Ausführungen bedarf (vgl. E. 1). Solche fehlen hier.
4.4. Auch wenn die Beschwerdeführer erst nach Jahren zum Abschluss einer Krankenversicherung nach KVG aufgefordert wurden, zielt die Anrufung des Vertrauensgrundsatzes (Art. 9 BV; vgl. BGE 143 V 95 E. 3.6.2 S. 103) ins Leere: Sie legen insbesondere nicht substanziiert dar, dass es eine konkrete Zusicherung der zuständigen Behörde oder eine andere qualifizierte Vertrauensgrundlage gegeben habe, und dass sie im Vertrauen darauf nicht ohne Nachteil rückgängig zu machende Dispositionen getroffen haben sollen.
4.5. Schliesslich kann von einer Diskriminierung im Sinne von Art. 2 oder Art. 8 lit. a FZA (SR 0.142.112.681) keine Rede sein: Die Unterstellung unter die schweizerische Krankenversicherung nach KVG dient im Gegenteil der Gleichbehandlung von ausländischen und schweizerischen Staatsangehörigen. Dass die Freizügigkeit möglicherweise an Attraktivität verliert, weil die Versicherung bei einem ausländischen Anbieter weniger kostet als bei einem schweizerischen Krankenversicherer, stellt keinen "Eingriff in das FZA" dar. Die Beschwerde ist auch in diesem Punkt unbegründet.
5.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend haben die Beschwerdeführer unter solidarischer Haftung die Kosten zu tragen ( Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftung auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 27. September 2017
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Pfiffner
Die Gerichtsschreiberin: Dormann