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[AZA 0/2] 
5P.340/2000/bmt 
 
II. Z I V I L A B T E I L U N G ******************************** 
 
 
27. November 2000 
 
Es wirken mit: Bundesrichter Reeb, Präsident der II. Zivilabteilung, 
Bundesrichter Merkli, Bundesrichter Meyer sowie 
Gerichtsschreiber Zbinden. 
 
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In Sachen 
S.M.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Monika Brenner, Paradiesstrasse 4, 9030 Abtwil, 
 
gegen 
A.M.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Arnold Weber, Waisenhausstrasse 14, 9000 St. Gallen, Obergericht des Kantons Thurgau, 
 
betreffend 
Art. 9 BV 
(vorsorgliche Massnahmen im Ehescheidungsverfahren), 
 
wird festgestellt und in Erwägung gezogen: 
 
1.-Auf Gesuch von S.M.________ erliess der Vize-Präsident des Bezirksgerichts Arbon mit Verfügung vom 17. Januar 2000 vorsorgliche Massnahmen für die Dauer des Scheidungsverfahrens; er wies die eheliche Liegenschaft der Gesuchstellerin zur alleinigen Nutzung zu, stellte die gemeinsamen Kinder der Eheleute, G.________ (geb. 10. Juli 1993) und C.________ (geb. am 20. Januar 1996) unter ihre Obhut und räumte dem Gesuchsgegner, A.M.________, ein Besuchsrecht ein. Überdies wurde eine Beistandschaft nach Art. 308 Abs. 1 und 2 ZGB angeordnet. Ferner verpflichtete der Massnahmerichter den Gesuchsgegner, an den Unterhalt der Kinder ab 
1. Dezember 1999 monatlich und zum voraus mit je Fr. 650.-- beizutragen und an den Unterhalt der Gesuchstellerin bis zum 31. März 2000 einen vorauszahlbaren monatlichen Beitrag von Fr. 750.-- zu leisten. Mit Beschluss vom 14. März 2000 hiess das Obergericht des Kantons Thurgau die gegen die erstinstanzliche Verfügung erhobenen Rekurse teilweise gut, setzte den Beitrag des Gesuchsgegners an den Unterhalt der Gesuchstellerin auf Fr. 100.-- pro Monat, zahlbar ab dem 1. Dezember 1999 fest, verzichtete dabei aber auf jegliche zeitliche Beschränkung dieses Beitrages. 
 
 
Gegen diesen Beschluss führt die Gesuchstellerin staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die letzte kantonale Instanz zurückzuweisen. Das Obergericht beantragt Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde; der Gesuchsgegner schliesst dahin, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne. 
2.-a) Zulässig, aber überflüssig ist der Antrag auf Rückweisung der Sache zu neuer Entscheidung, zumal die kantonale Instanz auch ohne ihn den Weisungen des bundesgerichtlichen Entscheids gemäss neu über die Sache zu befinden hätte (BGE 112 Ia 353 E. 3c/bb; Messmer/Imboden, Die eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen, Zürich 1992, S. 226 Fn. 10). 
 
b) Die Beschwerdeführerin wirft dem Obergericht Willkür vor und beruft sich dabei auf Art. 4 BV. In der am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen Bundesverfassung (AS 1999 S. 2555) regelt indessen Art. 9 das Willkürverbot. 
 
3.-a) Das Obergericht hat das Einkommen des Beschwerdegegners auf Fr. 8'550.--, jenes der Beschwerdeführerin auf Fr. 2'800.-- veranschlagt. Alsdann wurden die Existenzminima der beiden Haushalte mit Fr. 7'174. 90 (Haushalt der Beschwerdeführerin: Fr. 2'070. 15; Haushalt des Beschwerdegegners Fr. 5'104. 75) berücksichtigt und auf diese Weise ein Überschuss von Fr. 4'175. 10 ermittelt. Im Weiteren hielt das Obergericht dafür, die Beschwerdeführerin decke mit ihrem Einkommen das Existenzminimum des Haushaltes, habe für den massgebenden Teil ihres Erwerbs keiner auswärtigen Erwerbstätigkeit nachzugehen und müsse für den verbleibenden Teil des Einkommens, abgesehen von einem bescheidenen Verwaltungsaufwand, keine Arbeitszeit aufwenden. Auf der anderen Seite gelte es zu berücksichtigen, dass der Beschwerdegegner für den Unterhalt der ehelichen Liegenschaft allein aufkomme, in der die Beschwerdeführerin und die Kinder wohnten. 
Beide Parteien trügen somit in etwa zu gleichen Teilen an den Unterhalt der Familie bei, so dass es sich rechtfertige, den Überschuss von Fr. 4'175. 10 beiden Parteien zur Hälfte gutzuschreiben; damit belaufe sich der Anspruch der Beschwerdeführerin einschliesslich der Kinderunterhaltsbeiträge unter Berücksichtigung ihres eigenen Einkommens von Fr. 2'800.-- auf Fr. 1'357. 70. Da der Beschwerdegegner mit je Fr. 650.-- an den Unterhalt der Kinder beitrage, stehe der Beschwerdeführerin ein persönlicher Unterhaltsbeitrag von Fr. 57.70 zu; in diesem Fall rechtfertige es sich, den Unterhaltsbeitrag auf Fr. 100.-- pro Monat festzusetzen. 
 
Die Beschwerdeführerin wirft dem Obergericht Willkür vor, weil es dem Haushalt, der aus ihr und den beiden ehelichen Kinder bestehe, lediglich die Hälfte des Überschusses zugebilligt, und damit die klare Rechtsprechung des Bundesgerichts missachtet habe, die einem aus dem Ehegatten und Kindern bestehenden Mehrpersonenhaushalt einen die Hälfte übersteigenden Anteil am Überschuss zugestehe (BGE 126 III 8). Die Kosten der ehelichen Liegenschaft würden beim Existenzminimum des Beschwerdegegners berücksichtigt und somit nicht zusätzlich aus dessen Überschussanteil bezahlt. 
Sodann werde ausdrücklich bestritten, dass beide Ehegatten an die Kosten der Familie zu gleichen Teilen beitragen. 
Gesetzt den Fall, dass dem jedoch tatsächlich so wäre, so müsse die Aufteilung des Freibetrages nicht über die Beschaffenseite, sondern über die Verwendungsseite erfolgen. 
 
b) Bereits die erste Instanz hat nicht vorab den Unterhaltsbeitrag für die Kinder nach den Kriterien von Art. 285 ZGB festgesetzt, sondern wie in BGE 126 III 8 beschrieben das Gesamteinkommen der Eheleute ermittelt, davon die Existenzminima beider Haushalte abgezogen und den Überschuss je zur Hälfte beiden Haushalten gutgeschrieben. 
Das Obergericht ist grundsätzlich nicht anders verfahren als die erste Instanz. Die Begründung, weshalb von der Regel des BGE 126 III 8 abzuweichen sei, kann denn auch nicht überzeugen. 
Die Beschwerdeführerin weist zu Recht darauf hin, dass die Kosten der ehelichen Liegenschaft zwar vom Beschwerdegegner bezahlt, jedoch nicht aus dessen Überschussanteil bestritten worden sind. Sodann wurden diese Auslagen im Existenzminimum des Beschwerdegegners nebst den Kosten für die eigene Wohnung eingesetzt, während beim Existenzminimum des Haushalts der Beschwerdeführerin und der Kinder keine Mietkosten aufgeführt wurden. Für die Berechnung des Freibetrages verhält es sich folglich nicht anders, als wenn - wie sonst üblich - die Kosten der ehelichen Liegenschaft im Existenzminimum der Beschwerdeführerin, nicht in jenem des Beschwerdegegners berücksichtigt worden wären. Inwiefern es sich unter diesen Umständen rechtfertigen könnte, von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, wie der Beschwerdegegner meint, ist nicht ersichtlich. Sodann beachten Obergericht und Gesuchsgegner zu wenig, dass die Beschwerdeführerin trotz der minderjährigen Kinder, die sie allein betreut, einer vollen Erwerbstätigkeit nachgeht und sich das daraus erzielte Einkommen voll anrechnen lassen muss. Das Obergericht zeigt denn auch nicht auf, inwiefern beide Parteien unter den gegebenen Umständen zu gleichen Teilen an den Unterhalt der Familie beitragen. Die Lösung des Obergerichts hält somit vor Art. 9 BV nicht stand. 
 
c) Nun ist freilich nicht zu übersehen, dass das Obergericht im Ergebnis nicht eine hälftige Aufteilung des Freibetrages vorgenommen hat, zumal der Anspruch des Haushalts der Beschwerdeführerin und der Kinder bei einer streng nach Hälften vorgenommenen Aufteilung des Freibetrages unter voller Berücksichtigung des Einkommens der Beschwerdeführerin rein rechnerisch Fr. 1'357.-- betragen würde (Fr. 8'550.-- + Fr. 2'800.-- - Fr. 5'104. 75 - Fr. 2'070. 15 = Fr. 4'175. 10 : 2 = Fr. 2'087. 55; Unterhaltsanspruch für den Haushalt der Beschwerdeführerin: 
2'070. 15 + 2'087. 55 - Fr. 2'800.-- = Fr. 1'357. 70), während der Beschwerdeführerin und den Kindern nunmehr effektiv Fr. 1'400.-- zugesprochen worden sind (2 x Fr. 650.-- + Fr. 100.--). Damit wurde aber den Grundsätzen der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht nachgelebt. Daran ändert nichts, dass der Beschwerdeführerin sogar Fr. 93.-- über den hälftigen Anteil hinaus gutgeschrieben worden sind, zumal die Miete des Beschwerdegegners effektiv mit Fr. 800.-- statt wie vor erster Instanz mit Fr. 700.-- berücksichtigt werden soll (hälftige Aufteilung des Überschusses: 
Fr. 8'550.-- + Fr. 2'800.-- - Fr. 5'204. 75 - Fr. 2'070. 15 = Fr. 4'075. 10 : 2 = Fr. 2'037. 55; Unterhaltsanspruch für den Haushalt der Beschwerdeführerin: 
Fr. 2'070. 15 + Fr. 2'037. 55 - Fr. 2'800.-- = Fr. 1'307. 70). 
Das Obergericht hat seinerseits bei der Miete der Wohnung des Beschwerdegegners entgegen seinen Ausführungen in der Berechnung des Existenzminimums nur einen Betrag von Fr. 700.-- eingerechnet. 
 
Das Obergericht hält in seiner Vernehmlassung dafür, die Beschwerdeführerin wäre im Ergebnis nicht besser gestellt, wenn ihr 2/3 des Überschusses zugesprochen, jedoch nur die üblichen Wohnungskosten von Fr. 1'200.-- bis Fr. 1'500.-- berücksichtigt würden. Diese Argumentation scheitert jedoch an den tatsächlichen Gegebenheiten. Die Parteien verfügen über eine eheliche Liegenschaft, deren Kosten nun einmal anfallen und folglich auch beglichen werden müssen. Im Übrigen ist der Aufwand für diese Liegenschaft den finanziellen Verhältnissen der Parteien unbestrittenermassen angemessen, so dass sich eine Aufgabe der ehelichen Wohnung nicht rechtfertigt (vgl. BGE 114 II 396 E. 6b S. 401); dabei liesse sich ein Verkauf erst noch nicht ohne Weiteres verwirklichen. 
 
d) Zusammenfassend ergibt sich somit, dass das Obergericht ohne triftigen Grund den Grundsätzen zur Aufteilung des Freibetrages gemäss BGE 126 III 8 nicht Rechnung getragen und damit sein Ermessen klar überschritten hat (vgl. BGE 109 Ia 107 E. 2c mit Hinweisen). Sein Urteil erweist sich daher als willkürlich, weshalb der angefochtene Entscheid aufzuheben ist. Das Obergericht hat dem Haushalt der Beschwerdeführerin und der Kinder einen die Hälfte angemessen übersteigenden Anteil am Überschuss zuzusprechen. 
4.-Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird der Beschwerdegegner kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1.-Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen und der Beschluss des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 14. März 2000 aufgehoben. 
 
 
2.-Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdegegner auferlegt. 
 
3.-Der Beschwerdegegner hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen. 
 
4.-Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt. 
 
_____________ 
Lausanne, 27. November 2000 
 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: