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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
2P.135/2006 /bie 
 
Urteil vom 27. November 2006 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Hungerbühler, Müller, 
Gerichtsschreiber Häberli. 
 
Parteien 
Z.________, Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Eric Vultier, 
 
gegen 
 
Kanton Aargau, vertreten durch den Regierungsrat, Regierungsgebäude, 5001 Aarau, 
Personalrekursgericht des Kantons Aargau, Laurenzenvorstadt 9, 5000 Aarau. 
 
Gegenstand 
Lohnnachforderung (Pikettdienst), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil 
des Personalrekursgerichts des Kantons Aargau 
vom 25. Januar 2006. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Dr. Z.________ war seit dem 1. August 1999 als Oberarzt am Kantonsspital Aarau tätig und leistete bis Ende Mai 2003 insgesamt 5'023,9 Stunden Pikettdienst. Dabei musste er zwar nicht im Spital verweilen, sondern konnte sich zuhause aufhalten. Er war aber verpflichtet, innert kürzester Zeit (offenbar innert zehn Minuten) einsatzbereit in der Klinik zu sein. Nach Auffassung des Kantonsspitals stellte dieser Pikettdienst nur insoweit zu entlöhnende Arbeitszeit dar, als sich Z.________ an seinen Arbeitsplatz begeben musste oder telefonisch konsultiert wurde. 
B. 
Demgegenüber betrachtete Z.________ den gesamten geleisteten Pikettdienst als entschädigungspflichtige Arbeitszeit, fand aber mit seiner entsprechenden Lohnforderung in der Höhe von 281'092.70 Franken kein Gehör beim Kantonsspital. Obschon die verwaltungsinterne Schlichtungskommission für Personalfragen, an welche Z.________ in der Folge gelangte, eine finanzielle Abgeltung des Pikettdienstes vorschlug (Empfehlung vom 1. Juli 2004), beurteilte das Gesundheitsdepartement des Kantons Aargau das Begehren von Z.________ in der Folge abschlägig (Schreiben des Vorstehers vom 8. November 2004). Am 9. Februar 2005 reichte Letzterer Klage beim Personalrekursgericht des Kantons Aargau ein; er beantragte, den Kanton zu verpflichten, ihm für die Zeit von August 1999 bis zum Mai 2003 Lohn in der Höhe von (brutto) 281'092.70 Franken nachzuzahlen. Mit Urteil vom 25. Januar 2006 wies das Personalrekursgericht die Klage ab. 
C. 
Am 19. Mai 2006 hat Z.________ beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde eingereicht mit dem Antrag, den angefochtenen Entscheid aufzuheben. Er rügt eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV) und des Rechtsgleichheitsgebots (Art. 8 BV). 
Der Regierungsrat und das Personalrekursgericht des Kantons Aargau schliessen je auf Abweisung der Beschwerde. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid, der sich ausschliesslich auf kantonales Recht stützt und gegen den auf Bundesebene nur die staatsrechtliche Beschwerde offen steht (Art. 86 Abs. 1 und Art. 87 in Verbindung mit Art. 84 Abs. 2 OG). Der Beschwerdeführer, dessen Forderungsklage abgewiesen wurde, ist zu diesem Rechtsmittel legitimiert (Art. 88 OG). 
1.2 Die staatsrechtliche Beschwerde muss die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze inwiefern durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). Das Bundesgericht untersucht nicht von Amtes wegen, ob ein kantonaler Hoheitsakt verfassungsmässig ist, sondern prüft nur rechtsgenügend vorgebrachte, klar erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen (BGE 110 Ia 1 E. 2 S. 3 f.; 119 Ia 197 E. 1d S. 201, mit Hinweisen). Wird eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV) geltend gemacht, genügt es nicht, wenn der Beschwerdeführer bloss den angefochtenen Entscheid kritisiert, wie er dies in einem appellatorischen Verfahren tun könnte, bei dem die Rechtsmittelinstanz die Rechtsanwendung frei überprüfen kann. Er muss deutlich dartun, welche Vorschriften oder allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze die kantonalen Behörden in einer gegen Art. 9 BV verstossenden Weise verletzt haben sollen (BGE 117 Ia 10 E. 4b S. 12, mit Hinweis). Soweit die ausufernde Beschwerdeschrift diesen Anforderungen nicht genügt und sich in appellatorischer Kritik erschöpft, ist auf sie nicht einzugehen. 
2. 
Streitig ist vorliegend, ob der vom Beschwerdeführer als Oberarzt am Kantonsspital Aarau geleistete Pikettdienst als entschädigungspflichtige Arbeitszeit zu betrachten ist. 
2.1 Diese Frage war unter Geltung des bis zum 31. März 2001 in Kraft stehenden Dekrets vom 24. November 1971 über das Dienstverhältnis und die Besoldung der Staatsbeamten (Besoldungsdekret; BD) nicht explizit geregelt. Zwar hatte der Regierungsrat gestützt auf § 33 Abs. 2 BD in Verbindung mit § 20 der Verordnung vom 12. Januar 1972 über die Besoldung der Angestellten (aAngV) eine Regelung über die Vergütung von Überzeit und Inkonvenienzen erlassen. Die betreffende Verordnung vom 26. Oktober 1981 über die Abgeltung von Nacht-, Samstags- und Sonntagsdienst sowie von Pikett- und Bereitschaftsdienst in staatlichen Anstalten galt jedoch ausdrücklich nicht für die Ober- und Assistenzärzte (vgl. § 1). Deren Präsenz- und "Einsatzzeit" wurde lediglich im Rahmen einer Verwaltungsverordnung auf 65 bzw. 55 Wochenstunden beschränkt (vgl. den Regierungsratsbeschluss Nr. 1920 vom 14. August 1989), welche - obwohl darin nur von Assistenzärzten die Rede ist - faktisch auch für die Oberärzte Anwendung fand. Weil sich die tatsächliche Situation trotz dieser Regelung unbefriedigend präsentierte, führte das Gesundheitsdepartement mit der Ärzteschaft und den kantonalen Spitälern Verhandlungen, aus denen im März 1999 eine "Konsenslösung" hervorging. Gemäss dieser war die Arbeitszeit - einschliesslich Pausen - auf 55 Stunden "intra muros" pro Woche beschränkt; geleistete Überzeit konnte durch den Bezug von Freizeit gänzlich kompensiert werden (vgl. den Bericht des Gesundheitsdepartements vom 22. März 1999 sowie den zustimmenden Regierungsratsbeschluss Nr. 607 vom 31. März 1999). Diese "Konsenslösung" blieb, obschon sie ursprünglich nur als Übergangsregelung gedacht war, bis zum Inkrafttreten des neuen Personalrechts am 1. April 2001 gültig und ist - wie sich zeigen wird - auch heute noch massgebend. 
2.2 Das neue Gesetz vom 16. Mai 2000 über die Grundzüge des Personalrechts (PersG) belässt die Zuständigkeit zur Regelung der Arbeitszeit, der Ferien sowie der Ruhe- und Freizeit dem Regierungsrat (§ 25 PersG). Dieser hat die Personal- und Lohnverordnung (PLV) erlassen, gemäss welcher die öffentlichen Bediensteten ab der Lohnstufe 16 keinen Anspruch auf Entschädigung der Überzeit mehr haben (§ 27 Abs. 4 PLV). Unter diese Bestimmung würde an sich auch ein grosser Teil der Oberärzte fallen, zumal diese mindestens auf Stufe 14 und maximal auf Stufe 19 eingereiht sind (vgl. § 1 Ziff. 6 der Verordnung zum Einreihungsplan). Der Regierungsrat hat deshalb beschlossen, die Regelung gemäss "Konsenslösung" bzw. der dieser zustimmende Regierungsratsbeschluss Nr. 607 vom 31. März 1999 gehe § 27 Abs. 4 PLV als "lex specialis" vor (Beschluss Nr. 114 vom 24. Januar 2001). Dementsprechend sind die Ober- und Assistenzärzte vom Geltungsbereich der Verordnung vom 27. Februar 2002 über die Vergütung von Inkonvenienzen ausgenommen, welche die Entschädigung der öffentlichen Bediensteten für Nacht-, Wochenend- und Feiertagsdienst, für Pikett- und Bereitschaftsdienst sowie für Arbeiten mit besonderen oder aussergewöhnlichen Belastungen regelt (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2). 
3. 
3.1 Der Beschwerdeführer anerkennt ausdrücklich, dass die dargestellte "Konsenslösung" für die Beurteilung der vorliegenden Streitigkeit massgebend ist. Er gesteht weiter zu, dass gemäss dieser Regelung an sich nur die Präsenzzeit im Spital als Arbeitszeit gilt und der ausserhalb des Spitals geleistete Pikettdienst nicht zur Arbeitszeit gerechnet wird. Er ist betont jedoch, er sei während des Pikettdienstes in der Art und Weise, in welcher er die Zeit habe nutzen können, stark eingeschränkt gewesen, weil er innert weniger Minuten habe einsatzbereit sein müssen. Insbesondere habe er die Wohnung nicht verlassen können und während der Nacht in den Kleidern schlafen müssen, um im Notfall rechtzeitig vor Ort sein zu können. Bei diesen Gegebenheiten habe zwischen dem von ihm zuhause verrichteten Pikettdienst und jenem, den Oberärzte anderer Abteilungen in zugewiesenen Räumlichkeiten auf dem Spitalgelände geleistet hätten und der als Dienst "intra muros" abgegolten worden sei, qualitativ kein Unterschied bestanden. Angesichts der äusserst kurzen Zeitspanne, welche ihm für das Erstellen der Einsatzbereitschaft zugestanden worden sei, müsse der zuhause geleistete Pikettdienst ebenfalls als Dienst "intra muros" im Sinne der "Konsenslösung" betrachtet und entsprechend bezahlt werden; weil das Personalrekursgericht im angefochtenen Entscheid zu einem anderen Schluss gekommen sei, verstosse dieser gegen das Gleichbehandlungsgebot (Art. 8 BV; vgl. BGE 123 I 1 E. 6a S. 7) und das Willkürverbot (Art. 9 BV; vgl. BGE 127 I 60 E. 5a S. 70). 
3.2 Dem Beschwerdeführer ist insoweit Recht zu geben, als die Einschränkungen, welche sich aus der Verpflichtung ergeben, während des Pikettdienstes innert zehn Minuten (oder zumindest in sehr kurzer Zeit) einsatzbereit am Arbeitsplatz zu sein, nicht unbeträchtlich sind. Es wäre deshalb sachgerechter, auch den zuhause geleisteten Pikettdienst zumindest teilweise als Arbeitszeit zu betrachten und entsprechend zu entschädigen. Es ist jedoch nicht geradezu unhaltbar, Pikettdienst nur dann zur Arbeitszeit zu zählen, wenn er mit Präsenzzeit am Arbeitsplatz verbunden ist. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers macht es einen nicht unwesentlichen Unterschied aus, ob der Pikettdienst zuhause oder im Spital verrichtet werden muss: Im ersten Fall ist der Betroffene zwar gezwungen, sich mehr oder weniger ausschliesslich in seiner Wohnung aufzuhalten. Wie das Personalrekursgericht korrekt erwogen hat, kann er die dort verbrachte Zeit jedoch frei gestalten: Er kann die Zeit mit seiner Familie verbringen oder Freunde sehen, persönliche Arbeiten erledigen und nahezu allen übrigen Freizeitbeschäftigungen nachgehen, die er sonst zuhause pflegt. Auch wenn angesichts der Einsatzbereitschaft, die er aufrecht erhalten muss, der Erholungswert der zuhause verbrachten Zeit geringer sein dürfte, als wenn es sich dabei um wirkliche Freizeit handeln würde, präsentieren sich die Dinge doch wesentlich anders als bei jemandem, der nicht einmal seinen Arbeitsplatz verlassen darf. In aller Regel verfügt der Betroffene dort bloss über einige wenige persönliche Effekten, vermag kaum Freunde oder Familienangehörige zu empfangen und ist überhaupt bezüglich der Art und Weise, in welcher er den Pikettdienst gestaltet, wesentlich stärker eingeschränkt, als er es unter den gleichen Umständen zuhause wäre. Wie der Beschwerdeführer implizit selber zugesteht, kommen als Beschäftigungen zur Entspannung letztlich bloss Lesen oder Fernsehen in Frage. Nicht zu unterschätzen ist schliesslich auch der Unterschied, der sich für das allgemeine Wohlbefinden schon allein aus dem Umstand ergibt, dass sich der Betroffene nicht in seine Privaträumlichkeiten begeben kann, sondern am Arbeitsplatz verharren muss. 
3.3 Mithin bestehen evidente sachliche Unterschiede zwischen dem Pikettdienst zuhause und jenem am Arbeitsort, weshalb es nicht gegen das Rechtsgleichheitsgebot verstösst, die beiden lohnmässig unterschiedlich zu behandeln. Aus den gleichen Gründen hält es vor dem Willkürverbot stand, den zuhause verrichteten Pikettdienst nicht als Arbeitsleistung "intra muros" im Sinne der "Konsenslösung" zu betrachten. Ferner hat der Beschwerdeführer weder behauptet noch dargetan, dass er im Rahmen des Pikettdienstes derart häufig zu effektiven Arbeitseinsätzen herangezogen worden wäre, dass der Pikettdienst schon deswegen gesamthaft als Arbeitszeit gelten müsse. 
4. 
Nach dem Gesagten erweist sich die staatsrechtliche Beschwerde als unbegründet, soweit auf sie einzutreten ist. 
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens werden die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer auferlegt (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153 und Art. 153a OG). Parteientschädigung ist keine auszurichten (vgl. Art. 159 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 7'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie dem Regierungsrat und dem Personalrekursgericht des Kantons Aargau schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 27. November 2006 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: