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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Prozess {T 7} 
I 901/05 
 
Urteil vom 27. Dezember 2006 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Bundesrichter Meyer, Lustenberger und Seiler; Gerichtsschreiberin Schüpfer 
 
Parteien 
F.________, 1960, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Thurgau, St. Gallerstrasse 13, 8500 Frauenfeld, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau, Weinfelden 
 
(Entscheid vom 7. November 2005) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der 1960 geborene F.________ arbeitete nach seiner Einreise in die Schweiz im Jahre 1985 an verschiedenen Stellen, so im Servicebereich in einem Pflegeheim und als Hilfspfleger. Von Oktober 2000 bis Juni 2004 war er als Hilfsarbeiter im Bereich Lager/Papierschneiden in der Firma H.________angestellt. Im August 2004 meldete sich F.________ unter Hinweis auf Beschwerden an beiden Knien, dem Rücken und der Hüfte bei der Invalidenversicherung zur Berufsberatung und Umschulung auf eine neue Tätigkeit an. Gestützt auf verschiedene Arztberichte und insbesondere auf ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten der Klinik für Orthopädie und Traumatologie am Spital X.________ vom 4. Februar 2005 verneinte die IV-Stelle des Kantons Thurgau mit je einer Verfügung vom 29. März 2005 sowohl einen Anspruch auf Berufsberatung als auch einen solchen auf Umschulung. Daran hielt sie auf Einsprache hin mit der Begründung fest, weil das Gutachten vom 4. Februar 2005, welches dem Versicherten bei einer die Knie nicht belastenden Tätigkeit eine volle Arbeitsfähigkeit attestiere, überzeugend sei, überdies der Einschätzung des Hausarztes entspreche und eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes nicht geltend gemacht werde, erübrige sich eine weitere Begutachtung. Da keine Invalidität bestehe, sei auch kein Anspruch auf eine Rente gegeben (Entscheid vom 11. April 2005). 
B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies die AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau mit dem Hinweis ab, einzig der Anspruch auf Berufsberatung und Umschulung bilde Gegenstand des Verfahrens. Da der Beschwerdeführer auf Grund der medizinischen Akten in einer seinem Leiden angepassten Tätigkeit voll arbeitsfähig sei, könne er auch ohne Umschulungsmassnahmen grundsätzlich mit dem gleichen Einkommensniveau rechnen (Entscheid vom 7. November 2005). 
C. 
F.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem sinngemässen Rechtsbegehren, in Aufhebung von Einsprache- und kantonalem Entscheid sei eine neue medizinische Abklärung durchzuführen. 
Die IV-Stelle beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Der angefochtene Entscheid betrifft Leistungen der Invalidenversicherung. Nach Art. 132 Abs. 1 OG in der Fassung gemäss Ziff. III des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Änderung des IVG (in Kraft seit 1. Juli 2006) kann das Eidgenössische Versicherungsgericht in Verfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen in Abweichung von den Art. 104 und 105 OG auch die Unangemessenheit der angefochtenen Verfügung beurteilen und ist an die vorinstanzliche Feststellung des Sachverhalts nicht gebunden. Gemäss Art. 132 Abs. 2 OG gelten diese Abweichungen nicht, wenn der angefochtene Entscheid Leistungen der Invalidenversicherung betrifft. Nach Ziff. II lit. c des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 ist indessen bisheriges Recht auf die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung beim Eidgenössischen Versicherungsgericht hängigen Beschwerden anwendbar. Da die hier zu beurteilende Beschwerde am 1. Juli 2006 beim Eidgenössischen Versicherungsgericht hängig war, richtet sich dessen Kognition noch nach der bis Ende Juni 2006 gültigen Fassung von Art. 132 OG, die dem neuen Abs. 1 entspricht. 
2. 
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf berufliche Massnahmen der Invalidenversicherung, wobei konkret Umschulung auf eine neue Tätigkeit und Berufsberatung geltend gemacht werden. 
Die Vorinstanz hat die gesetzlichen Bestimmungen und von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, namentlich diejenigen über die Ansprüche auf Berufsberatung (Art. 15 IVG) und Umschulung (Art. 17 IVG) im Wesentlichen zutreffend dargelegt. Es wird darauf verwiesen. 
3. 
Zu prüfen ist vorerst, ob der Beschwerdeführer in relevantem Ausmass invalide ist, was Verwaltung und Vorinstanz verneint haben. 
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die medizinische Sachverhaltsdarstellung im angefochtenen Entscheid. Er rügt, die zumutbare Arbeitsfähigkeit sei ungenügend abgeklärt worden und die getätigten Abklärungen trügen seinen verschiedenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen insgesamt nicht hinreichend Rechnung. Obwohl einzelne Ärzte während der Untersuchung am Spitals X.________ von einer höheren Arbeitsunfähigkeit, allein auf Grund seiner Behinderungen an den Knien ausgegangen seien, habe man ihn schliesslich in der bisherigen Tätigkeit als zu 75-80 % arbeitsfähig erachtet, obwohl damals Röntgenbilder des Rückens und der Handgelenke fehlten. lV-Stelle und kantonale Rekurskommission hätten ihre Entscheide zu Unrecht auf das Gutachten des Spitals X.________ vom 4. Februar 2005 abgestellt. Schliesslich bezweifelt der Beschwerdeführer, dass es Stellen für leichte, wechselbelastende Arbeit gebe. 
3.1 Der Hausarzt Dr. med. G.________ bescheinigt dem Beschwerdeführer am 17. Juni 2004 eine volle Arbeitsfähigkeit für alle Arbeiten, welche die Knie und den Rücken nicht zu stark belasten. Der Expertise vom 4. Februar 2005 über eine Begutachtung vom 27. Januar 2005 am Spitals X.________ ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer an einem femoropatellären Schmerzsyndrom beidseits linksbetont bei Chondromalazie retropatellär (links seit 1989, rechts seit 1997), einer Inguinalhernie rechts (Schmerzen seit 2003) und einem leichten chronischen Lumbovertebralsyndrom bei Haltungsinsuffizienz und diskreter Chondrose L5/S1 (seit ca. 1996) leidet. Die Gutachter stützen sich für ihre Diagnosen neben ihren klinischen Untersuchungen, bei welchen die verschiedenen Gangarten, die Rückenmuskulatur und -beweglichkeit, die Funktionen der Knie und die dabei auftretenden Schmerzen sowie die Hüftbeweglichkeit geprüft wurden, auf eigene, am 27. Januar 2005 angefertigte Röntenbilder beider Knie und der LWS sowie auf ein MRI des linken Knies vom 17. Juni 2004. Die Befunde wirken sich demnach insofern aus, als der Beschwerdeführer für alle Aktivitäten mit Belastungen für den Rücken, die rechte Leiste und die Knie sowie für langes Sitzen in seiner Arbeitsfähigkeit eingeschränkt sei. Er könne nicht während acht Stunden in der selben Postion arbeiten. In Tätigkeiten mit weniger körperlicher Belastung, insbesondere in wechselnden Positionen, sei er zu 100 % arbeitsfähig; die bisherige Beschäftigung sei ihm noch im zeitlichen Rahmen von 75-80 % und einer reduzierten Leistung von 70 % zumutbar. 
3.2 Entgegen der Darstellung in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde besteht kein Anlass, an der Zuverlässigkeit der medizinischen Abklärungen zu zweifeln. Insbesondere kommt es bei der Einschätzung der Arbeitsfähigkeit jeweils nicht auf die - vorläufigen - Meinungsäusserungen einzelner Ärzte im Verlaufe der Untersuchungen an. Vielmehr ist das Ergebnis, welches aus der Schlussbesprechung mit gegenseitiger Konsensfindung resultiert, massgebend. Es gibt keinen Anhaltspunkt, dass die begutachtenden Ärzte erforderliche Untersuchungen unterliessen oder dass einzelne Röntgenbefunde im massgeblichen Zeitpunkt nicht verfügbar waren, werden diese im Gutachten doch erörtert. 
3.3 Die medizinischen Akten zeigen, dass der Beschwerdeführer in einer mittelschweren, wechselbelastenden Arbeit eine volle Leistung erbringen kann. Das stellt er auch selber nicht in Abrede, führt er doch in seiner Verwaltungsgerichtsbeschwerde unter anderem an, auch die Ärzte der Klinik Y.________, in welcher er während drei Wochen stationär untersucht worden sei, hätten ihm - wie sein Hausarzt - eine 100%ige Arbeitsfähigkeit attestiert, dies für eine mittelschwere Arbeit mit Wechselbelastung und in nicht vorgeneigter Stellung. Unverständlich ist für ihn, dass man die bisherige Tätigkeit, die auch mit Schwerarbeit verbunden war, weiterhin in einem leicht eingeschränkten Ausmass für zumutbar erachtet. 
 
Ob dem Beschwerdeführer seine bisherige Tätigkeit weiterhin zumutbar ist, ist für die Beurteilung nicht entscheidend. Für die Invaliditätsbemessung sind die Einkommensverhältnisse auf dem gesamten für den Versicherten in Betracht fallenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Der Begriff der ausgeglichenen Arbeitsmarktlage umschliesst dabei einerseits ein bestimmtes Gleichgewicht zwischen dem Angebot von und der Nachfrage nach Stellen, und bezeichnet anderseits einen Arbeitsmarkt, der von seiner Struktur her einen Fächer verschiedenartiger Stellen offen hält (BGE 110 V 276 Erw. 4b; ZAK 1991 S. 320 Erw. 3b). Der Beschwerdeführer irrt auch, wenn er andeutet, er wäre hinsichtlich des für ihn Zumutbaren günstiger behandelt worden, wenn er während seines Arbeitsverhältnisses bei der Firma H.________ seinen Schmerzen nachgegeben hätte und es so zu Arbeitsausfällen gekommen wäre. Vielmehr zeigt sein durchaus positiv zu würdigendes Verhalten auf, dass chronische Schmerzen als solche keine funktionellen Ausfälle nach sich ziehen. Daher geht auch die Rechtsprechung von der Vermutung aus, dass eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung oder ein sonstiger vergleichbarer pathogenetisch (ätiologisch) unklarer syndromaler Zustand mit zumutbarer Willensanstrengung überwindbar ist und keine invalidisierenden Folgen hat (BGE 132 V 70 f. Erw. 4.2.1, 131 V 50 Erw. 1.2, 130 V 354 und 396; Urteil B. vom 28. September 2006 Erw. 3.2 [I 618/06]). Anhaltspunkte dafür, dass es sich im Falle des Beschwerdeführers anders verhalten sollte, bestehen nicht. 
4. 
4.1 Da für die Invaliditätsbemessung von einer vollen Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit auszugehen ist (Erwägung 3), erleidet der Beschwerdeführer keine erwerbliche Einbusse, welche Anspruch auf Berufsberatung (Art. 15 IVG) oder Umschulung (Art. 17 IVG) zu begründen vermöchte. Es kann hinsichtlich der Ermittlung des Invaliditätsgrades auf die Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden. 
4.2 Die Rekurskommission stellte abschliessend fest, der Beschwerdeführer habe zwischenzeitlich Arbeitsvermittlung beantragt, weshalb sie die Sache zur Prüfung dieses Anspruchs an die Beschwerdegegnerin "weitergeleitet" hat. Daher erübrigen sich Ausführungen in diesem Verfharen dazu. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau, der Ausgleichskasse des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 27. Dezember 2006 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Der Vorsitzende der III. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: