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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_284/2023  
 
 
Urteil vom 28. Februar 2024  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichterinnen Heine, Viscione, 
Gerichtsschreiber Walther. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. André Largier, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Thurgau, Rechts- und Einsprachedienst, 
St. Gallerstrasse 11, 8500 Frauenfeld, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau 
vom 5. April 2023 (VV.2022.187/E). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________, geboren 1965, war zuletzt seit dem 15. August 2011 als selbstständiger Zahnarzt in U.________ tätig. Am 29. August 2018 meldete er sich wegen einer Rotatorenmanschettenruptur an der linken Schulter, die er bei einem Unfall am 16. September 2016 erlitten hatte, bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Mit Verfügung vom 4. Februar 2020 sprach ihm die IV-Stelle des Kantons Zürich für die Zeit vom 1. Februar bis 30. April 2019 eine Viertelsrente basierend auf einem Invaliditätsgrad von 40 % sowie ab Mai 2019 eine halbe Invalidenrente gestützt auf einen Invaliditätsgrad von 55 % zu. 
Am 18. Oktober 2020 erlitt A.________ einen weiteren Unfall, bei dem er sich eine Rotatorenmanschettenruptur an der rechten Schulter zuzog. Am 13. Januar 2021 ersuchte er die IV-Stelle des Kantons Zürich wegen des neuen Unfalls um Erhöhung der Invalidenrente. Die infolge des Umzugs des Versicherten neu zuständige IV-Stelle des Kantons Thurgau (fortan: IV-Stelle oder Beschwerdegegnerin) tätigte medizinische und berufliche Abklärungen. Mit Verfügung vom 19. Juli 2022 setzte sie die bisherige halbe Rente des Versicherten auf eine Viertelsrente herab, dies basierend auf einem neu ermittelten Invaliditätsgrad von gerundet 49 %. 
 
B.  
Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau wies die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 5. April 2023). 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ beantragen, unter Aufhebung des kantonalen Entscheids sei ihm mit Wirkung ab 1. Januar 2021 eine ganze Rente und ab 1. Oktober 2021 zumindest eine Dreiviertelsrente zuzusprechen. 
Die Vorinstanz und die IV-Stelle schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 148 V 209 E. 2.2 mit Hinweis).  
 
1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG).  
Eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich unrichtig, wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig unzutreffend ist. Es liegt noch keine offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere Lösung ebenfalls in Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erscheint. Diese Grundsätze gelten auch in Bezug auf die konkrete Beweiswürdigung; in diese greift das Bundesgericht auf Beschwerde hin nur bei Willkür ein, insbesondere wenn die Vorinstanz offensichtlich unhaltbare Schlüsse zieht, erhebliche Beweise übersieht oder solche grundlos ausser Acht lässt (BGE 144 V 50 E. 4.2 mit Hinweisen). 
 
2.  
Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie die bisherige halbe Rente des Beschwerdeführers in Bestätigung der Verfügung vom 19. Juli 2022 auf eine Viertelsrente herabsetzte. 
 
3.  
 
3.1. Am 1. Januar 2022 trat das revidierte Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) in Kraft (Weiterentwicklung der IV [WEIV]; Änderung vom 19. Juni 2020, AS 2021 705, BBl 2017 2535). Entsprechend den allgemeinen intertemporalrechtlichen Grundsätzen (vgl. BGE 144 V 210 E. 4.3.1) ist nach der bis zum 31. Dezember 2021 geltenden Rechtslage zu beurteilen, ob bis zu jenem Zeitpunkt eine rentenrelevante Änderung eingetreten ist. Entsprechend sieht auch Rz. 9102 des Kreisschreibens des BSV über Invalidität und Rente in der Invalidenversicherung (KSIR) für erstmalig abgestufte bzw. befristete Rentenzusprachen und Revisionsfälle nach Art. 17 ATSG (analog) Folgendes vor: Liegt die massgebende Änderung vor dem 1. Januar 2022, finden die Bestimmungen des IVG und diejenigen der IVV in der Fassung gültig bis 31. Dezember 2021 Anwendung. Liegt die massgebende Änderung nach diesem Zeitpunkt, finden die Bestimmungen des IVG und diejenigen der IVV in der Fassung gültig ab 1. Januar 2022 Anwendung. Der Zeitpunkt der massgebenden Änderung bestimmt sich nach Art. 88a IVV (Urteil 8C_658/2022 vom 30. Juni 2023 E. 3.2).  
Zwar erging die dem hier angefochtenen Urteil zugrunde liegende Verfügung erst nach dem 1. Januar 2022. Vorliegend steht aber eine vor dem 1. Januar 2022 eingetretene und gemäss Art. 88a IVV zu berücksichtigende Änderung der tatsächlichen Verhältnisse zur Diskussion. Damit beurteilt sich die vorliegende Streitigkeit nach der bis zum 31. Dezember 2021 geltenden Rechtslage. 
 
3.2. Das kantonale Gericht hat die massgebenden Bestimmungen und Grundsätze zur Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG), zur Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 Abs. 1 ATSG) und zum Rentenanspruch (Art. 28 IVG) zutreffend wiedergegeben. Gleiches gilt für die Modalitäten der Revision einer Invalidenrente (Art. 17 Abs. 1 ATSG; BGE 141 V 9 E. 2.3) und, bei gegebenem Revisionsgrund, die in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht umfassende Prüfung des Rentenanspruchs (BGE 141 V 9 E. 2.3). Darauf kann ebenso verwiesen werden wie auf die Darlegungen des kantonalen Gerichts zur Ermittlung des Invaliditätsgrades bei Erwerbstätigen nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG), insbesondere zur Bemessung der hypothetisch erzielbaren Vergleichseinkommen ohne Invalidität (Valideneinkommen: BGE 144 I 103 E. 5.3; 134 V 322 E. 4.1) und mit Invalidität (Invalideneinkommen: BGE 143 V 295 E. 2.2).  
 
3.3. Hervorzuheben bzw. zu ergänzen ist, was folgt:  
 
3.3.1. Das Valideneinkommen von Selbstständigerwerbenden kann grundsätzlich auf der Basis der Einträge im Individuellen Konto (IK) bestimmt werden (SVR 2017 IV Nr. 6 S. 15, 9C_644/2015 E. 4.6.2; Urteil 8C_738/2021 vom 8. Februar 2023 E. 3.4.2.2 mit Hinweisen). Weist das zuletzt erzielte Einkommen starke und verhältnismässig kurzfristig in Erscheinung getretene Schwankungen auf, ist auf den während einer längeren Zeitspanne erzielten Durchschnittsverdienst abzustellen (SVR 2021 UV Nr. 26 S. 123, 8C_581/2020 E. 6.1; Urteil 8C_396/2022 vom 21. April 2023 E. 3.2.2 mit Hinweis). Die bundesgerichtliche Rechtsprechung schliesst jedoch nicht aus, dass auch bei Erwerbstätigen unter Umständen nicht auf das zuletzt erzielte Einkommen abgestellt wird. Dies ist etwa anzunehmen für den Fall, dass die vor der Gesundheitsbeeinträchtigung ausgeübte selbstständige Tätigkeit wegen ihrer kurzen Dauer keine genügende Grundlage für die Bestimmung des Valideneinkommens darstellt, zumal in den ersten Jahren nach Aufnahme der selbstständigen Erwerbstätigkeit üblicherweise aus verschiedenen Gründen (hohe Abschreibungsquote auf Neuinvestitionen etc.) die Betriebsgewinne gering sind (BGE 135 V 58 E. 3.4.6; Urteile 8C_98/2023 vom 10. August 2023 E. 5.2.3; 9C_651/2019 vom 18. Februar 2020 E. 6.2; 9C_771/2017 vom 29. Mai 2018 E. 3.6.1; 9C_413/2017 vom 19. September 2017 E. 3.2.2; je mit Hinweisen).  
 
3.3.2. Für die Festsetzung des Invalideneinkommens ist gemäss Rechtsprechung primär von der beruflich-erwerblichen Situation auszugehen, in der die versicherte Person konkret steht. Übt sie nach Eintritt der Invalidität keine (oder jedenfalls keine ihr an sich zumutbare neue) Erwerbstätigkeit aus, können gemäss Rechtsprechung die Tabellenlöhne der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) des Bundesamts für Statistik (BFS) herangezogen werden. Die Rechtsprechung stellt üblicherweise auf die standardisierten Bruttolöhne gemäss LSE-Tabelle TA1_tirage_skill_level, Privater Sektor, ab. In der Regel wird der Totalwert angewendet (BGE 148 V 174 E. 6.2 mit Hinweisen). Diese Grundsätze gelten jedoch nicht absolut, sondern kennen auch Ausnahmen. So kann bei Personen, die vor der Gesundheitsschädigung lange Zeit im gleichen Bereich tätig waren und bei denen eine Arbeit in anderen Bereichen kaum in Frage kommt, ausnahmsweise statt auf den Totalwert auch auf die Löhne einzelner Branchen abgestellt werden, wenn dies sachgerecht erscheint, um der im Einzelfall zumutbaren erwerblichen Verwertung der verbleibenden Arbeitsfähigkeit Rechnung zu tragen (Urteil 8C_104/2021 vom 27. Juni 2022 E. 6.3.2 mit Hinweisen, nicht publ. in BGE 148 V 321, aber in SVR 2022 IV Nr. 52 S. 165). Bei qualifizierten Berufsleuten mit Fach- und Hochschulabschluss kann es nach der Rechtsprechung beispielsweise aber auch gerechtfertigt sein, anstelle der Tabelle TA1_tirage_skill_level die Tabelle T11 (Monatlicher Bruttolohn [Zentralwert und Quartilbereich] nach Ausbildung, beruflicher Stellung und Geschlecht) anzuwenden, wenn diese eine genauere Bestimmung des Invalideneinkommens erlaubt (Urteile 8C_671/2010 vom 25. Februar 2011 E. 6.4.2; 8C_704/2009 vom 27. Januar 2010 E. 4.2.1.1; 9C_87/2007 vom 25. Juli 2007 E. 3.4).  
 
3.3.3. Die korrekte Anwendung der LSE-Tabellen, namentlich die Wahl der Tabelle wie auch der Beizug der massgeblichen Stufe (Kompetenz- bzw. Anforderungsniveau), ist eine Rechtsfrage, die vom Bundesgericht ohne Einschränkung der Kognition frei überprüft wird. Das für die Wahl einer bestimmten Tabelle der LSE entscheidende Vorhandensein konkret erforderlicher Voraussetzungen wie etwa einer spezifischen Ausbildung und weiterer Qualifikationen fällt hingegen in den Bereich der Sachverhaltserhebung. Ebenfalls Tatfragen beschlägt der darauf basierende Umgang mit den Zahlen in der massgebenden LSE-Tabelle (BGE 148 V 174 E. 6.5 mit Hinweis).  
 
4.  
 
4.1. Unumstritten ist, dass mit der im revisionsrechtlich massgebenden Vergleichszeitraum eingetretenen Verschlechterung des Gesundheitszustands bzw. der Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ein Revisionsgrund im Sinne von Art. 17 Abs. 1 ATSG vorliegt und der Rentenanspruch daher in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht umfassend zu prüfen ist. Einigkeit besteht sodann darüber, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Schulterbeschwerden nicht mehr in der Lage ist, seinem angestammten Beruf als Zahnarzt nachzugehen, in leidensangepassten Tätigkeiten demgegenüber jedoch uneingeschränkt arbeitsfähig ist.  
 
4.2. Strittig sind noch die erwerblichen Auswirkungen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Die Vorinstanz ermittelte für das Jahr 2021 einen Invaliditätsgrad von 41 %. Selbst für den Fall, dass den Rügen des Beschwerdeführers bezüglich des Valideneinkommens gefolgt werden könnte, betrüge er lediglich 46 %. Der Beschwerdeführer stellt sich auf den Standpunkt, vom 1. Januar bis zum 30. September 2021 betrage der Invaliditätsgrad 70 %, weshalb ihm für diesen Zeitraum eine ganze Rente zustehe (vgl. E. 5 hiernach). Ab dem 1. Oktober 2021 habe er Anspruch auf eine Dreiviertelsrente, dies bei einem Invaliditätsgrad von 67 % (vgl. E. 6 und 7 hiernach).  
 
5.  
 
5.1. Im Zusammenhang mit dem vom Beschwerdeführer geltend gemachten Anspruch auf eine ganze Rente für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. September 2021 rügt er zunächst eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV; zur daraus hergeleiteten Begründungspflicht vgl. BGE 148 III 30 E. 3.1 mit Hinweisen). Im vorinstanzlichen Verfahren habe er geltend gemacht, gemäss den Feststellungen der IV-Stelle in der Verfügung vom 19. Juli 2022 als Zahnarzt nach dem Unfall vom 18. Oktober 2020 zunächst noch zu 30 % arbeitsfähig gewesen zu sein. Erst ab dem 1. Juni 2021 sei ihm diese Tätigkeit überhaupt nicht mehr möglich gewesen. Der Invaliditätsgrad habe daher zunächst 70 % betragen, weshalb ihm - auf Grund seines Revisionsgesuchs vom 13. Januar 2021 - ab 1. Januar 2021 eine ganze Rente zustehe. Darauf sei die Vorinstanz jedoch nicht eingegangen.  
 
5.2. Die Argumentation des Beschwerdeführers ist letztlich so zu verstehen, dass das Invalideneinkommen - entgegen der Verfügung der IV-Stelle - nicht durchgehend auf der Basis der LSE-Tabellenlöhne des BFS, sondern für die Zeit zwischen dem Unfall vom 18. Oktober 2020 und dem 1. Juni 2021 anhand des ihm damals noch möglichen Arbeitspensums als Zahnarzt hätte ermittelt werden müssen. Wie er in letzter Instanz zutreffend geltend macht, setzte sich das kantonale Gericht mit diesem Vorbringen nicht auseinander, sondern prüfte lediglich, ob die IV-Stelle bei der Berechnung des Invalideneinkommens auf die richtige LSE-Tabelle abgestellt hatte. Indem es nicht einmal implizit auf die Argumentation des Beschwerdeführers einging, verletzte es dessen Gehörsanspruch, was grundsätzlich zur Gutheissung der Beschwerde und zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids führt (BGE 149 I 91 E. 3.2; 137 I 195 E. 2.2; je mit Hinweis). Eine Rückweisung an die Vorinstanz ohne materielle Prüfung würde jedoch, wie sogleich dargelegt wird, vorliegend zu einem formalistischen Leerlauf und damit zu einer unnötigen Verzögerung des Verfahrens führen, weshalb darauf zu verzichten ist (vgl. BGE 142 II 218 E. 2.8.1 mit Hinweisen).  
 
5.3. Nach der Rechtsprechung muss sich die versicherte Person im Rahmen der Invaliditätsbemessung unter Umständen jene Einkünfte anrechnen lassen, welche sie bei Aufgabe der selbstständigen Tätigkeit und Aufnahme einer leidensangepassten unselbstständigen Erwerbstätigkeit zumutbarerweise verdienen könnte (zum Ganzen vgl. Urteil 8C_738/2021 vom 8. Februar 2023 E. 3.5.2 mit Hinweisen). Nach dem Unfall vom 18. Oktober 2020 war es dem Beschwerdeführer in diesem Sinne ohne Weiteres zumutbar, seine selbstständige Erwerbstätigkeit als Zahnarzt, die er bis Juni 2021 nur noch in einem Pensum von 30 % ausüben konnte, aufzugeben. Dies gilt umso mehr, als er entgegen seiner Argumentation in der vorinstanzlichen Beschwerdeschrift nicht erst ab dem 1. Juni 2021 - es handelt sich dabei um einen offensichtlichen Tippfehler in der Verfügung der IV-Stelle -, sondern bereits seit Juni 2019 in leidensangepassten Tätigkeiten voll arbeitsfähig war, wie sich aus der zweiten Seite der Verfügung bzw. den medizinischen Akten ergibt. Da der Beschwerdeführer nach dem Unfall vom 18. Oktober 2020 in leidensangepassten Tätigkeiten somit zu keinem Zeitpunkt eingeschränkt war, hat er sich entsprechend anrechnen zu lassen, was er in einer solchen Erwerbstätigkeit zumutbarerweise hätte verdienen können. Die Vorinstanz verletzte vor diesem Hintergrund kein Bundesrecht, indem sie für die Berechnung des Invalideneinkommens auf die Tabellenlöhne abstellte (vgl. auch vorne E. 3.3.2).  
 
6.  
Strittig ist im Weiteren die Ermittlung des Valideneinkommens. 
 
6.1. Die Vorinstanz kam zum Schluss, dieses sei auf der Grundlage der Einträge im Individuellen Konto (IK) des Beschwerdeführers zu ermitteln, wobei praxisgemäss auf die IK-Einträge der letzten fünf Jahre vor Eintritt der ersten gesundheitlichen Beeinträchtigungen abzustellen sei. Aus den Einträgen der Jahre 2011 bis 2015 (2011: Fr. 136'175; 2012: Fr. 217'500.-; 2013: Fr. 254'600.-; 2014: Fr. 270'500.-; 2015: Fr. 250'000.-) ergebe sich ein Durchschnittsverdienst von Fr. 225'755.-, was hochgerechnet auf das Jahr 2021 einem Betrag und damit einem Valideneinkommen von Fr. 231'332.95 entspreche.  
 
6.2. Der Beschwerdeführer wendet ein, er habe seine Zahnarztpraxis in V.________ per 31. März 2011 verkauft und seine Tätigkeit in der neu übernommenen und zunächst modernisierten Praxis in U.________ erst am 15. August 2011 wieder aufgenommen. Da dieser Erwerbsunterbruch von 4.5 Monaten einkommensrelevant sei, müsse der IK-Eintrag des Jahres 2011 bei der Bemessung des Durchschnittseinkommens unberücksichtigt bleiben, was hochgerechnet auf das Jahr 2021 ein Valideneinkommen von Fr. 256'788.17 ergebe. Alternativ sei der IK-Eintrag des Jahres 2011 auf ein Jahreseinkommen von Fr. 220'906.- hochzurechnen.  
 
6.3. Den Vorbringen des Beschwerdeführers kann nicht gefolgt werden. Wie er geltend macht, ist nach der Rechtsprechung zu berücksichtigen, dass eine vor der gesundheitlichen Beeinträchtigung nur kurz ausgeübte selbstständige Erwerbstätigkeit allenfalls keine genügende Grundlage für die Bestimmung des Valideneinkommens bildet (vgl. vorne E. 3.3.1). Hingegen legte bereits die Vorinstanz überzeugend dar, dass im Zusammenhang mit der Übernahme der langjährig bestehenden Praxis in U.________ nicht vom Aufbau einer selbstständigen Erwerbstätigkeit in diesem Sinne gesprochen werden kann. Weshalb dieser Umzug bei der Bemessung des Valideneinkommens ausgeklammert werden soll, ist nicht ersichtlich, zumal er mit Blick auf seine regelmässigen Ortswechsel im Rahmen der selbstständigen zahnärztlichen Tätigkeit (1998 bis 2006 in W.________; 2006 bis 2008 auf X.________; 2008 bis Ende März 2011 in V.________) auch kein singuläres Ereignis darstellt. Nicht zuletzt erzielte der Beschwerdeführer, wie die Vorinstanz nicht übersehen hat, auch im Jahr 2010 lediglich Fr. 141'500.- und damit ein ähnliches Einkommen wie im Jahr 2011. Vor diesem Hintergrund erscheint es insgesamt nicht bundesrechtswidrig, dass die Vorinstanz für die Berechnung des Valideneinkommens auf den Durchschnittsverdienst der Jahre 2011 bis 2015 abstellte.  
 
7.  
Zuletzt wendet sich der Beschwerdeführer gegen die vorinstanzliche Ermittlung des Invalideneinkommens. 
 
7.1. Diesbezüglich hielt das kantonale Gericht fest, der Beschwerdeführer habe 1996 an der Universität Y.________ zum Humanmediziner promoviert. In der Folge sei er insgesamt 28 Monate im Krankenhaus Z.________ in wechselnden Abteilungen (Unfallchirurgie, Chirurgie, Orthopädie und Gynäkologie) tätig gewesen, bevor er an der Universität Y.________ die Facharztausbildung zum Zahnmediziner aufgenommen und 2001 mit Diplom abgeschlossen habe. Von 2008 bis 2011 habe er in V.________, von 2011 bis 2021 in U.________ eine eigene Zahnarztpraxis geführt. Zwar sei er nicht mehr in der Lage, seiner früheren Tätigkeit als Zahnarzt nachzugehen. Als ausgebildeter Mediziner verfüge er indes über einen universitären Hochschulabschluss, könne langjährige Berufserfahrung vorweisen und habe langjährig als Selbstständiger eine eigene Zahnarztpraxis geführt. Angesichts der Erwerbsbiographie des Beschwerdeführers sei daher nicht die Tabelle TA1_tirage_skill_level der LSE 2018 heranzuziehen. Da sich das Zumutbarkeitsprofil (leichte, wechselbelastende Tätigkeiten ohne Heben, Tragen und Transportieren von mittelschweren und schweren Lasten, ohne beidseitiges Arbeiten in Armvorhalteposition oder Überkopf, etc.) im Rahmen von Medizinalberufen, bspw. als Versicherungsmediziner oder in der Pharmazie, weiterhin vielfältig verwerten lasse, dränge sich vielmehr die Anwendung der LSE-Tabelle T11 (Monatlicher Bruttolohn [Zentralwert und Quartilbereich] nach Ausbildung, beruflicher Stellung und Geschlecht) auf. Nach jahrelanger Selbstständigkeit mit eigener Praxis lasse sich auch eine gewisse Führungserfahrung im Sinne einer Kaderstellung nicht von der Hand weisen. Es rechtfertige sich daher, auf das Total für Männer mit universitärem Hochschulabschluss als Mittelwert zwischen Kaderposition und Tätigkeiten ohne Kaderposition abzustellen. Ausgehend vom monatlichen Bruttolohn von Fr. 10'831.- ergebe sich ein an die betriebsübliche wöchentliche Arbeitszeit von 41.7 Stunden und die Entwicklung der Nominallöhne bis zum Jahr 2021 angepasstes Invalideneinkommen von Fr. 136'754.90.  
 
7.2. Der Beschwerdeführer wendet ein, gemäss der Rechtsprechung sei üblicherweise auf die Tabelle TA1_tirage_skill_level, Privater Sektor, abzustellen. Dieser Grundsatz kenne zwar Ausnahmen. Die Tabelle T11 erlaube hier jedoch keine genauere Festsetzung des Invalideneinkommens. Sie liste den monatlichen Bruttolohn nach Ausbildung, beruflicher Stellung und Geschlecht auf. Was das Kriterium der Ausbildung betreffe, sei die Einteilung sehr grob. Eine Aufschlüsselung auf die einzelnen Wirtschaftszweige erfolge nicht, wobei die Tabelle TA1 gut aufzeige, dass die Durchschnittslöhne in den einzelnen Wirtschaftszweigen stark voneinander abwichen. Eine Aufschlüsselung nach den einzelnen Wirtschaftszweigen sei dann erforderlich, wenn der Lohn aus einem bestimmten Wirtschaftszweig massgebend sei. Die Vorinstanz habe verbindlich festgestellt, dass er seine Restarbeitsfähigkeit im Rahmen von Medizinalberufen vielfältig verwerten könne. Die Tabelle T11 sei daher nicht repräsentativ, weshalb richtigerweise auf die Tabelle TA1_tirage_skill_level der LSE 2020, Wirtschaftszweig 86-88 (Gesundheits- und Sozialwesen) abgestellt werden müsse. Massgebend sei dort entgegen der IV-Stelle nicht der monatliche Bruttolohn im Kompetenzniveau 4, sondern derjenige des Kompetenzniveaus 3. Gemäss Vorgabe des BFS in der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung 2016 seien lediglich Führungskräfte und akademische Berufe dem Kompetenzniveau 4 zuzuordnen, wovon nicht abgewichen werden dürfe. Im Weiteren sei zwar richtig, dass er während vieler Jahre erfolgreich als Zahnarzt tätig gewesen sei. Sein Erfolg habe er jedoch nicht mit unternehmerischem Denken, sondern mit seiner Arbeitsleistung als Zahnarzt erzielt. Somit fehle ihm die Erfahrung, um als Führungskraft die Verantwortung für die Leitung eines mittleren oder grossen Unternehmens übernehmen zu können. Eine Kaderposition und erst recht eine Führungsposition kämen daher nicht in Frage. Das Invalideneinkommen betrage somit maximal Fr. 6'806.- pro Monat bzw. Fr. 84'547.06 im Jahr 2021.  
 
7.3. Diese Einwände des Beschwerdeführers sind teilweise begründet.  
 
7.3.1. Wie er zutreffend darlegt, hielt die Vorinstanz fest, dass er seine volle Arbeitsfähigkeit in leidensangepassten Tätigkeiten im Rahmen von Medizinalberufen, bspw. als Versicherungsmediziner oder in der Pharmazie, vielfältig verwerten könne. Diese Feststellung ist nicht offensichtlich unrichtig und damit für das Bundesgericht bindend. Es trifft zwar zu, dass die Anwendung der Tabelle T11 für die Berechnung des Invalideneinkommens in den von der Vorinstanz angeführten vergleichbaren Fällen bundesgerichtlich bestätigt wurde (vgl. Urteile 9C_160/2013 vom 28. August 2013 E. 4.1; 8C_548/2007 vom 5. Mai 2008 E. 3.2). Letztlich ist dem Beschwerdeführer jedoch zuzustimmen, dass die Kategorisierung dieser Tabelle, die schwergewichtig die berufliche Stellung und die Ausbildung (Universitäre Hochschule, Fachhochschule, Höhere Berufsausbildung, Matura, abgeschlossene Berufsausbildung etc.) berücksichtigt, im Vergleich zur Tabelle TA1_tirage_skill_level, die unter anderem die spezifischeren Bruttolöhne im Wirtschaftszweig "Gesundheits- und Sozialwesen" ausweist, im vorliegenden Fall eher weniger aussagekräftig erscheint. Mit Blick auf das vorinstanzlich festgelegte Zumutbarkeitsprofil ist es daher insgesamt nicht gerechtfertigt, auf die Tabelle T11 abzustellen.  
 
7.3.2. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann jedoch auch nicht auf die (lediglich den privaten Sektor abbildende) Tabelle TA1_tirage_skill_level zurückgegriffen werden. Aufgrund der möglichen Verwertung der Restarbeitsfähigkeit im Bereich der Versicherungsmedizin steht ihm nicht nur der private, sondern auch der öffentliche Sektor offen. Sachgerechter erscheint daher die Anwendung der Tabelle T1_tirage_skill_level, die die monatlichen Bruttolöhne beider Sektoren abbildet. Massgebend ist die Tabelle der LSE 2018 (vgl. Urteil 8C_350/2022 vom 9. November 2022 E. 6.1.1 mit Hinweisen). Da der Beschwerdeführer seine langjährige Erfahrung im Rahmen von Medizinalberufen, z.B. im Bereich der Versicherungsmedizin, unmittelbar verwerten kann, ist bei der Anwendung dieser Tabelle schliesslich nicht auf das Kompetenzniveau 3, sondern auf das Kompetenzniveau 4 (Tätigkeiten mit komplexer Problemlösung und Entscheidungsfindung, welche ein grosses Fakten- und theoretisches Wissen in einem Spezialgebiet voraussetzen) abzustellen. Wie es sich mit der vom Beschwerdeführer bestrittenen Führungserfahrung verhält, bedarf mangels Entscheidrelevanz keiner weiteren Erörterung; die Anwendung des Kompetenzniveaus 4 setzt angesichts der soeben erwähnten Umschreibung durch das BFS eine solche nicht zwingend voraus. Ausgehend vom Wirtschaftszweig 86-88 (Gesundheits- u. Sozialwesen) ergibt sich ein monatlicher Bruttolohn (Zentralwert) von Fr. 9'000.-, was bei Anpassung an die betriebsübliche Arbeitszeit (41.6 Stunden pro Woche gemäss Tabelle des BFS T 03.02.03.01.04.01, Q, 86-88 [Gesundheits- und Sozialwesen]) und die Nominallohnentwicklung bis ins Jahr 2021 (Index 2018: 101.8; Index 2021: 103.3 gemäss Tabelle T1.1.15 des BFS, Q, 86-88 [Gesundheitswesen, Heime und Sozialwesen]) zu einem Invalideneinkommen von rund Fr. 113'975.- führt. Im Vergleich mit dem Valideneinkommen von rund Fr. 231'333.- resultiert eine Erwerbseinbusse von Fr. 117'358.- und damit ein Invaliditätsgrad von rund 51 %, womit der Beschwerdeführer weiterhin Anspruch auf eine halbe Invalidenrente hat (Art. 28 Abs. 2 IVG). Die Beschwerde ist demnach teilweise gutzuheissen.  
 
8.  
Bei diesem Verfahrensausgang rechtfertigt es sich, die Gerichtskosten hälftig aufzuteilen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführer hat Anspruch auf eine reduzierte Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 1 BGG). Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an die Vorinstanz zurückgewiesen (Art. 67 und 68 Abs. 5 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 5. April 2023 und die Verfügung der IV-Stelle vom 19. Juli 2022 werden insoweit abgeändert, als dem Beschwerdeführer auf der Basis eines Invaliditätsgrades von 51 % weiterhin eine halbe Invalidenrente zusteht. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden zu Fr. 400.- dem Beschwerdeführer und zu Fr. 400.- der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'400.- zu entschädigen. 
 
4.  
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau zurückgewiesen. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 28. Februar 2024 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Der Gerichtsschreiber: Walther