Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
4A_58/2024
Urteil vom 28. März 2024
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Jametti, Präsidentin,
Bundesrichterin Kiss,
Bundesrichter Rüedi,
Gerichtsschreiber Leemann.
Verfahrensbeteiligte
A.________ GmbH,
vertreten durch Rechtsanwalt Peter Ruggle,
Beschwerdeführerin,
gegen
B.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Kevin Eggimann,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Gerichtsstandsklausel,
Beschwerde gegen den Beschluss des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 4. Dezember 2023
(HG230159-O).
Sachverhalt:
A.
Die A.________ GmbH mit Sitz in U.________ (Klägerin, Beschwerdeführerin) und die B.________ AG mit Sitz in Y.________ (Beklagte, Beschwerdegegnerin) schlossen am 20. November 2019 bzw. am 7. Januar 2020 einen Vertrag, laut welchem die Klägerin für die Beklagte einen Event mit Influencern organisieren sollte. Der schriftliche Vertrag enthielt unter Artikel 17 folgende Klausel:
"Governing Law and Forum: This Agreement and any dispute arising under or relating to it directly or indirectly shall be governed and interpreted under Swiss law of Canton Zurich".
Er wurde seitens der Beklagten vorzeitig aufgelöst.
B.
Am 11. August 2023 gelangte die Klägerin an das Handelsgericht Zürich und verlangte von der Beklagten Schadenersatz in der Höhe von Fr. 90'468.00 nebst Zins zu 5% seit 24. Januar 2022.
Das Handelsgericht beschränkte das Verfahren auf die örtliche Zuständigkeit. In Auslegung der strittigen Klausel kam es zum Schluss, dass kein Gerichtsstand der Zürcher Gerichte vereinbart worden sei. Mit Beschluss vom 4. Dezember 2023 trat es daher auf die Klage nicht ein.
C.
Die Klägerin erhebt Beschwerde in Zivilsachen und verlangt die Aufhebung des erwähnten Beschlusses des Handelsgerichts. Dieses sei anzuweisen, die Klage der Beschwerdeführerin an die Hand zu nehmen.
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.
Erwägungen:
1.
Die Beschwerde richtet sich gegen einen Beschluss des Handelsgerichts Zürich als einzige kantonale Instanz in einer zivilrechtlichen Angelegenheit (Art. 72 Abs. 1 und Art. 75 Abs. 2 lit. b BGG ). Die Beschwerdeführerin hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und ist unterlegen (Art. 76 Abs. 1 BGG). Die Beschwerde ist fristgerecht eingereicht worden (Art. 100 Abs. 1 BGG). Vorbehältlich ausreichender Begründung ist darauf einzutreten.
2.
2.1 Mit Beschwerde in Zivilsachen können Rechtsverletzungen nach Art. 95 und Art. 96 BGG gerügt werden. Die Beschwerde ist hinreichend zu begründen, ansonsten darauf nicht eingetreten werden kann (BGE 140 III 115 E. 2; 134 II 244 E. 2.1). In der Beschwerdeschrift ist in gedrängter Form dazulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Unerlässlich ist, dass auf die Begründung des angefochtenen Entscheids eingegangen und im Einzelnen aufgezeigt wird, worin eine vom Bundesgericht überprüfbare Rechtsverletzung liegt. Die beschwerdeführende Partei soll in der Beschwerde an das Bundesgericht nicht bloss die Rechtsstandpunkte, die sie im vorinstanzlichen Verfahren eingenommen hat, erneut bekräftigen, sondern mit ihrer Kritik an den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz ansetzen (BGE 140 III 115 E. 2, 86 E. 2).
2.2 Eine qualifizierte Rügepflicht gilt hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht. Das Bundesgericht prüft eine solche Rüge nur insofern, als sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Macht die beschwerdeführende Partei beispielsweise eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV) geltend, genügt es nicht, wenn sie einfach behauptet, der angefochtene Entscheid sei willkürlich; sie hat vielmehr im Einzelnen zu zeigen, inwiefern der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist (BGE 141 III 564 E. 4.1).
2.3 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Dazu gehören sowohl die Feststellungen über den streitgegenständlichen Lebenssachverhalt als auch jene über den Ablauf des vor- und erst- instanzlichen Verfahrens, also die Feststellungen über den Prozesssachverhalt (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 148 V 366 E. 3.3; 145 V 188 E. 2; 140 III 115 E. 2, 264 E. 2.3). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein können (Art. 97 Abs.1 BGG). Für eine Kritik am festgestellten Sachverhalt gilt das strenge Rügeprinzip von Art. 106 Abs. 2 BGG (BGE 140 III 264 E. 2.3 mit Hinweisen). Die Partei, welche die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz anfechten will, muss klar und substanziiert aufzeigen, inwiefern die genannten Voraussetzungen erfüllt sein sollen (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Wenn sie den Sachverhalt ergänzen will, hat sie zudem mit präzisen Aktenhinweisen darzulegen, dass sie entsprechende rechtsrelevante Tatsachen und taugliche Beweismittel bereits bei den Vorinstanzen prozesskonform eingebracht hat (BGE 140 III 86 E. 2). Genügt die Kritik diesen Anforderungen nicht, können Vorbringen mit Bezug auf einen Sachverhalt, der vom angefochtenen Entscheid abweicht, nicht berücksichtigt werden (BGE 140 III 16 E. 1.3.1).
2.4 Soweit die Beschwerdeführerin die vorinstanzliche Beweiswürdigung kritisiert, ist zu beachten, dass das Bundesgericht in diese nur eingreift, wenn sie willkürlich ist. Die Beweiswürdigung ist mithin nicht schon dann willkürlich, wenn sie nicht mit der Darstellung der beschwerdeführenden Partei übereinstimmt, sondern bloss, wenn sie offensichtlich unhaltbar ist (BGE 144 II 281 E. 3.6.2; 141 III 564 E. 4.1; 140 III 16 E. 2.1; 135 II 356 E. 4.2.1). Dies ist dann der Fall, wenn das Gericht Sinn und Tragweite eines Beweismittels offensichtlich verkannt hat, wenn es ohne sachlichen Grund ein wichtiges und entscheidwesentliches Beweismittel unberücksichtigt gelassen oder wenn es auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen unhaltbare Schlussfolgerungen gezogen hat (BGE 140 III 264 E. 2.3; 137 III 226 E.4.2). Inwiefern die Beweiswürdigung willkürlich sein soll, ist in der Beschwerde klar und detailliert aufzuzeigen (BGE 140 III 264 E. 2.3; 134 II 244 E. 2.2). Namentlich genügt es nicht, einzelne Beweise anzuführen, die anders als im angefochtenen Entscheid gewichtet werden sollen, und dem Bundesgericht in appellatorischer Kritik die eigene Auffassung zu unterbreiten, als ob diesem freie Sachverhaltsprüfung zukäme (vgl. BGE 140 III 264 E. 2.3).
3.
3.1 Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe an die Auslegung der Gerichtsstandsklausel zu hohe Anforderungen gestellt und damit Bundesrecht verletzt. Die Vertragsparteien seien beide geschäftserfahren, die Klausel sei keineswegs in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) oder im Rahmen eines Standardvertrages vorgesehen gewesen, sondern sei von ihnen in einem Individualvertrag ausgehandelt worden. Dadurch, dass die Vorinstanz diesem Umstand keine Beachtung geschenkt habe, habe sie den Sachverhalt offensichtlich falsch bzw. überhaupt nicht festgestellt. Der unstreitige Umstand, dass die Parteien die Vereinbarung intensiv verhandelt hätten, zeige, dass die Beschwerdegegnerin sich einlässlich damit auseinandergesetzt habe. Ebenso sei falsch, dass ein tatsächlich übereinstimmender Wille von den Parteien nicht behauptet worden sei. Die Beschwerdegegnerin habe ihre Bestreitung des Gerichtsstandes nicht rechtsgenüglich substantiiert. Die Vorinstanz habe ferner ausser Acht gelassen, dass die Überschrift von Artikel 17 der Vereinbarung "Governing Law and Forum" laute. Forum bedeute unzweifelhaft Gerichtsstand und damit sei eine Wahl des Gerichtsstandes Zürich auch für die Beschwerdegegnerin klar erkennbar gewesen. Es lägen weder eine Behauptung noch ein Beweis dafür vor, wonach die Parteien in Artikel 17 der Vereinbarung lediglich das anwendbare Recht hätten bestimmen wollen. Darin liege eine Verletzung von Art. 18 OR und von Art. 17 ZPO. Der Verweis von Artikel 17 der Vereinbarung sei ganzheitlich auszulegen. Eine Beschränkung auf das anwendbare Recht des Kantons Zürich mache keinen Sinn, da in diesem Bereich das Recht längst vereinheitlicht sei. Die Vorinstanz sei darauf mit keinem Wort eingegangen und habe damit das rechtliche Gehör verletzt.
3.2 Die Vorinstanz hat die örtliche Zuständigkeit als eine Prozessvoraussetzung von Amtes wegen geprüft. Sie erwog, dieser Umstand enthebe die Prozessparteien nicht davon, aktiv an der Sammlung des Prozessstoffes mitzuwirken. Demnach habe die Klägerin diejenigen Tatsachen vorzutragen und zu belegen, welche die Zulässigkeit ihrer Klage begründeten, und die Beklagte diejenigen, welche sie angreife. Erforderlich für eine Gerichtsstandsvereinbarung sei ein gemeinsamer Wille. Liege ein solcher nicht vor, sei die Vereinbarung nach dem Vertrauensprinzip auszulegen. Ob ein gültiger Verzicht auf den natürlichen Gerichtsstand bejaht werden könne, hänge demnach davon ab, ob der Vertragspartner des Verzichtenden in guten Treuen habe annehmen dürfen, sein Kontrahent habe der Gerichtsstandsvereinbarung zugestimmt. Ein tatsächlich übereinstimmender Wille werde von den Parteien nicht behauptet. Daher habe die Auslegung der fraglichen Klausel nach dem Vertrauensprinzip zu erfolgen.
Zwar umfasse der Titel der streitgegenständlichen Klausel den englischen Begriff
forum, aber der dazugehörige Satz befasse sich ausschliesslich mit dem anwendbaren Recht. Für ein Verständnis der Beschwerdeführerin, dass mit der fraglichen Klausel ein Gerichtsstand der Zürcher Gerichte vereinbart worden sei, bestehe mit Blick auf den tatsächlichen Wortlaut kein Raum. Das gelte umso mehr, als nach der konstanten Rechtsprechung ein Verzicht auf den Richter am eigenen Wohnsitz nicht leichthin angenommen werden könne. Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben könne somit nicht abgeleitet werden, dass der Wille der Beschwerdegegnerin klar und unzweideutig auf den Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung gerichtet gewesen wäre. Nichts anderes ergebe sich aus dem Umstand, dass die Beklagte keine Änderung oder Bemerkungen zu Artikel 17 gehabt habe.
4.
4.1 Vorab ist die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu prüfen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) verlangt, dass die Behörde die Vorbringen der Beteiligten tatsächlich hört, prüft und bei der Entscheidfindung berücksichtigt. Daraus folgt die Verpflichtung der Behörde, ihren Entscheid zu begründen. Sie ist dabei nicht verpflichtet, sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinander zu setzen und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich zu widerlegen. Sie kann sich vielmehr auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Die Begründung muss jedoch so abgefasst sein, dass sich die Betroffenen über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen können. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf die sich ihr Entscheid stützt (BGE 148 III 30 E. 3.1; 142 II 49 E. 9.2; 141 III 28 E. 3.2.4; 141 V 557 E. 3.2.1; je mit Hinweisen).
Die Beschwerdeführerin vermag nicht darzulegen, dass die Vorinstanz ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hätte. Dass diese nicht auf sämtliche Argumente eingegangen ist, wie etwa, dass die streitgegenständliche Klausel nicht in AGB oder in einem standardisierten Vertrag, sondern in einer individuellen Vereinbarung aufgenommen worden sei, vermag keine Verletzung des rechtlichen Gehörs zu begründen. Ihr war es ohne weiteres möglich, den Entscheid der Vorinstanz anhand der darin enthaltenen Begründung anzufechten. Die Rüge geht daher fehl.
4.2 Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, es sei falsch, von einem fehlenden übereinstimmenden Willen der Parteien auszugehen, ficht sie die Beweiswürdigung der Vorinstanz an. Dasselbe gilt für die Rüge, die Vorinstanz habe es unterlassen zu berücksichtigen, dass die Parteien die Vereinbarung intensiv verhandelt hätten oder die Rüge, es lägen keine Beweise dafür vor, dass die Parteien lediglich das anwendbare Recht hätten bestimmen wollen. Mit dieser Kritik wäre die Beschwerdeführerin nur dann zu hören, wenn die Beweiswürdigung der Vorinstanz offensichtlich unhaltbar wäre. Sie legt jedoch nicht dar, dass die Vorinstanz Sinn und Tragweite eines Beweismittels offensichtlich verkannt hätte oder dass sie ohne sachlichen Grund ein wichtiges und entscheidwesentliches Beweismittel unberücksichtigt gelassen oder dass sie auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen unhaltbare Schlussfolgerungen gezogen hätte (vgl. E. 2.4). Sie begnügt sich vielmehr damit, in appellatorischer Weise ihre Einschätzung der Dinge darzulegen. Das reicht nicht: Die Rüge ist unbegründet, soweit überhaupt darauf eingetreten werden kann.
4.3 Die Auslegung von Artikel 17 der Vereinbarung durch die Vorinstanz ist nicht zu beanstanden. Es oblag der Beschwerdeführerin nachzuweisen, dass die Beschwerdegegnerin rechtsgültig auf ihren Wohnsitzgerichtsstand verzichtet hat. Die Rüge, die Beschwerdegegnerin habe die Bestreitung des Gerichtsstands nicht rechtsgenüglich substantiiert, ist daher unbehelflich. Weder hat die Vorinstanz Bundesrecht verletzt, indem sie mit Blick auf die Rechtsprechung einen Verzicht auf den natürlichen Gerichtsstand am Wohnsitz nicht leichthin angenommen hat (vgl. BGE 118 Ia 294 E. 2a; Urteil 4P.258/2002 vom 5. März 2003 E. 2), noch ist ihr eine Verletzung von Bundesrecht vorzuwerfen, wenn sie festhält, dass im vorliegenden Fall nach dem Vertrauensprinzip nicht von einem klaren und unzweideutigen Willen der Beschwerdegegnerin auf Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung ausgegangen werden könne. Die Rüge der Verletzung von Art. 17 ZPO ist unbehelflich.
Die weitere Rüge der Verletzung von Art. 18 OR begründet die Beschwerdeführerin nicht, weshalb darauf nicht einzutreten ist. Auf die Rügen bezüglich Bestimmbarkeit des gewählten Gerichts ist nicht weiter einzugehen, da die Vorinstanz zutreffend erkannt hat, dass Artikel 17 der Vereinbarung keine Gerichtsstandsklausel enthält.
5.
Die Beschwerde ist daher abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdegegnerin steht keine Entschädigung zu, da ihr im bundesgerichtlichen Verfahren kein Aufwand erwachsen ist (Art. 68 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 28. März 2024
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Jametti
Der Gerichtsschreiber: Leemann