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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
U 272/02 
 
Urteil vom 28. Mai 2003 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiberin Amstutz 
 
Parteien 
C.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher Marcus Andreas Sartorius, Rudenz 12, 3860 Meiringen, 
 
gegen 
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern 
 
(Entscheid vom 6. August 2002) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Mit Verfügung vom 23. Februar 2000 verneinte die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) den Anspruch der C.________, Witwe des 1939 geborenen, seit 1. Dezember 1995 Bezüger einer Invalidenrente der SUVA gewesenen und am 26. Dezember 1999 verstorbenen Ehegatten, auf eine Hinterlassenenrente mit der Begründung, der Tod ihres Ehegatten sei auf ein Bronchuskarzinom zurückzuführen, für welches die vom Unfallversicherer rechtskräftig als Berufskrankheit anerkannte, schwere chronisch obstruktive Lungenkrankheit (COLK) des Verstorbenen nicht ursächlich gewesen sei. Im Wesentlichen gestützt auf das Gutachten des Prof. Dr. med. R.________, Abteilungsleiter des Departements für Innere Medizin/Pneumologie am Spital X.________, vom 26. September 2000 hielt sie daran mit Einspracheentscheid vom 17. Januar 2001 fest. 
B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde der C.________ wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, mit Entscheid vom 6. August 2002 ab. 
C. 
C.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei ihr rückwirkend ab 1. Dezember 1999 eine angemessene Hinterlassenenrente zuzusprechen. 
 
Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Im vorinstanzlichen Entscheid werden die gesetzlichen Bestimmungen über die Leistungspflicht des Unfallversicherers im Allgemeinen (Art. 6 Abs. 1 UVG) und den Anspruch des überlebenden Ehegatten auf eine Hinterlassenenrente bei Todesfall infolge einer ausgebrochenen Berufskrankheit im Besonderen (Art. 28 und 29 UVG in Verbindung mit Art. 9 Abs. 3 UVG [hier anwendbare, bis zum In-Kraft-Treten des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts, ATSG, am 1. Januar 2003 gültig gewesene Bestimmung; BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b]) sowie die Rechtsprechung zum Beweiswert ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 125 V 352 Erw. 3a, 122 V 160 f. Erw. 1c, je mit Hinweisen) und den im Sozialversicherungsrecht geltenden Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 360 Erw. 5b mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
1.2 Der Anspruch auf eine Hinterlassenenrente gemäss Art. 28 UVG setzt voraus, dass zwischen Unfall oder Berufskrankheit des Verstorbenen und dessen Tod ein natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang besteht. Für die Bejahung der natürlichen Kausalität zwischen Unfall oder Berufskrankheit und schädigendem Ereignis (Krankheit, Invalidität, Tod) reicht praxisgemäss ein bloss teilweise gegebener Ursache-Wirkungszusammenhang aus (vgl. BGE 119 V 337 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b, je mit Hinweisen). Dabei genügt der Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (Erw. 1.1 hievor); ein strikter Beweis im medizinisch-wissenschaftlichen Sinn ist nicht zwingend erforderlich (vgl. BGE 117 V 379 Erw. 3e). Als adäquate Ursache eines Erfolges hat ein Ereignis im Allgemeinen dann zu geltend, wenn es nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach der allgemeinen Lebenserfahrung an sich geeignet ist, einen Erfolg von der Art des eingetretenen herbeizuführen, der Eintritt dieses Erfolges also durch das Ereignis allgemein als begünstigt erscheint (BGE 123 V 103 f. Erw. 3d, 139 Erw. 3c). 
2. 
2.1 In tatsächlicher Hinsicht steht fest, dass der verstorbene Ehegatte der Beschwerdeführerin spätestens seit 1989 an einer chronisch obstruktiven Lungenkrankheit (COLK) litt, welche in überwiegendem Masse auf seine Tätigkeit als Farbspritzer und Schriftenmaler mit jahrzehntelanger Einwirkung der Bestandkomponenten von Farben (insbesondere Isocyanate und verschiedene organische Lösungsmittel) zurückzuführen ist, von der SUVA daher als Berufskrankheit anerkannt wurde und den Versicherten rückwirkend ab 1. Dezember 1995 aufgrund eines Erwerbsunfähigkeitsgrades von 70 % zum Bezug einer Invalidenrente berechtigte (rechtskräftige Verfügung vom 29. Januar 1996). Ebenfalls nicht in Frage steht, dass der Verstorbene langjähriger Raucher war und dieser Umstand für sein Lungenleiden zumindest mitverantwortlich war. Aufgrund der medizinischen Unterlagen ist schliesslich mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit erstellt, dass der Ehegatte am 26. Dezember 1999 unmittelbar an den Folgen eines im April 1999 entdeckten und später trotz operativer Behandlung im Hirn metastasierenden Bronchuskarzinoms (Tumor im Oberlappen der rechten Lunge) starb. Mit Blick auf die Rentenberechtigung der Beschwerdeführerin einzig zu prüfender Streitpunkt ist, ob nebst dem Faktum des Rauchens auch die Berufskrankheit COLK für das Entstehen des tödlichen Krebsleidens zumindest teilweise ursächlich war. 
2.2 Entgegen der Auffassung des kantonalen Gerichts lassen die verfügbaren Akten, namentlich das von der SUVA in Auftrag gegebene und vorinstanzlich als ausschlaggebend erachtete Gutachten des Prof. Dr. med. R.________ vom 26. September 2000 keine abschliessende Beurteilung der Kausalitätsfrage zu. Wohl kommt Dr. med. R.________ zum Schluss, "dass der Tod von Herrn C.________ nicht auf die von der SUVA anerkannte Berufskrankheit zurückgeführt werden kann". Diese ärztliche Beurteilung entbehrt indessen einer hinreichend nachvollziehbaren und überzeugenden Begründung. So räumt der Gutachter zuvor unmissverständlich ein, dass Lungen- bzw. Bronchuskarzinome häufiger bei Patienten mit COLK auftreten und bestimmte berufliche Tätigkeiten erfahrungsgemäss mit einem stark erhöhten Risiko einer derartigen Krebserkrankung behaftet sind; namentlich sei bekannt, dass Maler einem erhöhten Lungenkrebsrisiko ausgesetzt sind, weshalb die "International Agency for Research and Cancer" den Malerberuf definitiv als Berufszweig mit erhöhtem Krebsrisiko eingestuft habe. Allerdings werde auch hier - wie bei den übrigen Risikoberufen - das Inhalieren von Zigaretten als wichtiger "confounding factor" bezeichnet, wobei das Alter bei Beginn des Rauchens, die pro Tag inhalierte Anzahl der Zigaretten, die Anzahl Raucherjahre (Paket/Tag x Jahre), die Tiefe der Inhalationen und die Art der Zigaretten (Filter, Nichtfilter) das Ausmass des Mehrrisikos von zwischen 10 bis 30 % entscheidend bestimmten. Dem Faktum des Rauchens misst Prof. Dr. R.________ in der Folge - ohne auf die Rauchergewohnheiten des seit 1995 nikotinabstinent gewesenen Verstorbenen näher Bezug zu nehmen - für die Entstehung des Lungenkarzinoms bedeutend grösseres Gewicht bei als der im Jahre 1999 bereits in fortgeschrittenem Stadium befindlichen Lungenkrankheit "mit einer deutlich verminderten Lebenserwartung", stellt aber gleichzeitig ausdrücklich fest, dass die berufliche Tätigkeit des Verstorbenen "eine Rolle für die Entstehung dieses Karzinoms" gespielt habe. Vor diesem Hintergrund leuchtet - trotz Anerkennung der nachgewiesenermassen erheblich gesundheitsschädigenden Wirkung des Rauchens - die anschliessend nicht näher begründete kategorische Verneinung des Kausalzusammenhangs zwischen Berufskrankheit und Entstehung des Bronchuskarzinoms mit Todesfolge nicht ein. Auffallend ist zudem, dass die von der SUVA an den Experten gerichtete Frage, ob der Tod des Verstorbenen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit "ganz oder teilweise" auf die anerkannte Berufskrankheit zurückzuführen sei, auf S. 7 des Gutachtens trotz Zitatform nur noch verkürzt wiedergegeben wird, indem die aus rechtlicher Sicht bedeutsamen Worte "ganz oder teilweise" ausgeklammert werden; auch in der zusammenfassenden Schlussbetrachtung auf S. 11 äussert sich der Gutachter in keiner Weise zur Wahrscheinlichkeit einer Teilursächlichkeit (vgl. Erw. 1.2 hievor) der COLK, obwohl seine vorangehenden Ausführungen eine solche keineswegs ausschliessen. 
 
Die in beweisrechtlicher Hinsicht nicht zu vernachlässigenden Ungereimtheiten im Gutachten des Dr. med. R.________ lassen sich auch im Lichte der übrigen medizinischen Akten nicht beheben. Im Kurz-Bericht des Dr. med. T.________, Spezialarzt FMH für Innere Medizin, speziell Lungenkrankheiten, vom 18. Oktober 1999 wurde festgestellt, die Kausalität des metastasierenden Tumorleidens bleibe "offen"; im Bericht vom 13. März 2000 präzisierte der Arzt, nach dessen Auffassung sich die Berufskrankheit "seit mindestens anfangs 1999 in einem terminalen Zustand" befand, seinen Standpunkt dahingehend, dass der Kausalzusammenhang zwischen der Belastung der Atemwege mit inhalierbaren industriellen Schadstoffen und Bronchuskarzinom zwar weit weniger evident sei als die schädigende Wirkung des Zigarettenrauchs, doch könne von einem "mindestens anteilsmässigen Risiko der nicht selbst verschuldeten Belastung" ausgegangen werden. An anderer Stelle des Berichts scheint Dr. med. T.________ es gar für wahrscheinlich zu halten, dass die Berufskrankheit einerseits und das Bronchuskarzinom andererseits je anteilsmässig für den Tod des Ehegatten der Beschwerdeführerin verantwortlich sind. Dr. med. P.________, SUVA Abteilung Arbeitsmedizin, dagegen erachtete es im Bericht vom 29. Dezember 1999 mit knapper Begründung als weder sicher noch überwiegend wahrscheinlich, dass das Bronchuskarzinom beruflicher Genese sei. 
 
Aufgrund dieser zum Teil widersprüchlichen ärztlichen Stellungnahmen sowie der Unstimmigkeiten im Gutachten des Prof. Dr. med. R.________ vom 26. September 2000 sind zusätzliche Abklärungen zur Frage, ob die Berufskrankheit des Verstorbenen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zumindest teilursächlich für seinen Hinschied im Dezember 1999 sind, angezeigt. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kann von der Einholung einer fachärztlichen Gerichtsexpertise eine beweisrechtlich relevante Klärung des Sachverhalts erwartet werden. Ein Zustand der Beweislosigkeit, dessen Folgen die Beschwerdeführerin zu tragen hätte (BGE 117 V 264 Erw. 3b mit Hinweisen), ist mithin für den heutigen Zeitpunkt zu verneinen. 
3. 
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Dem Prozessausgang entsprechend hat die Beschwerdeführerin Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 135 in Verbindung mit Art. 159 OG). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 6. August 2002 aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen wird, damit sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über die Beschwerde neu entscheide. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Die SUVA hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 28. Mai 2003 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Die Präsidentin der IV. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: