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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_771/2023, 8C_826/2023  
 
 
Urteil vom 28. August 2024  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterin Viscione, Bundesrichter Métral, 
Gerichtsschreiberin Kopp Käch. 
 
Verfahrensbeteiligte 
8C_771/2023 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, 
Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Fürsprecher Daniel Küng, 
Beschwerdegegnerin, 
 
und 
 
8C_826/2023 
A.________, 
vertreten durch Fürsprecher Daniel Küng, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, 
Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente, Valideneinkommen, Invalideneinkommen), 
 
Beschwerden gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 7. November 2023 (IV 2023/82). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die 1983 geborene A.________ meldete sich im Februar 2020 unter Hinweis insbesondere auf psychische Störungen sowie Rücken-, Nacken- und Kopfschmerzen bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen klärte die erwerblichen sowie die medizinischen Verhältnisse ab und holte namentlich das polydisziplinäre Gutachten der Ärztliches Begutachtungsinstitut GmbH (ABI) vom 9. Januar 2023 ein. Mit Verfügung vom 18. April 2023 verneinte sie nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren den Anspruch auf eine Invalidenrente. 
 
B.  
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 7. November 2023 teilweise gut und stellte fest, dass A.________ ab 1. September 2020 Anspruch auf eine halbe Rente der Invalidenversicherung habe; es wies die Sache zur Festsetzung der Rentenbeträge an die IV-Stelle zurück. 
 
C.  
 
C.a. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die IV-Stelle, es sei der kantonalgerichtliche Entscheid aufzuheben und die Verfügung vom 18. April 2023 zu bestätigen. Der Beschwerde sei zudem die aufschiebende Wirkung zu erteilen (Verfahren 8C_771/2023).  
A.________ schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Versicherungsgericht lässt sich vernehmen, ohne förmlich einen Antrag zu stellen. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichtet auf eine Stellungnahme. 
 
C.b. A.________ führt ebenfalls Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, Ziffer 1 des kantonalgerichtlichen Entscheids sei aufzuheben und es sei ihr eine ganze Invalidenrente ab September 2020 zuzusprechen. Sie beantragt zudem die Vereinigung mit dem Verfahren 8C_771/2023 (Verfahren 8C_826/ 2023).  
Die IV-Stelle schliesst in ihrer Vernehmlassung auf Abweisung der Beschwerde der A.________ und wiederholt die in ihrer Beschwerde gestellten Anträge (vgl. Sachverhalt C.a hiervor). Das Versicherungsgericht und das BSV verzichten auf eine Stellungnahme. 
 
D.  
Mit Verfügung vom 4. März 2024 erteilt die Instruktionsrichterin der Beschwerde der IV-Stelle im Verfahren 8C_771/2023 die aufschiebende Wirkung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Das Bundesgericht prüft die Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 146 V 331 E. 1).  
 
1.2. Das kantonale Gericht hat die Sache zur Festsetzung der Rentenbeträge an die IV-Stelle zurückgewiesen. Formell handelt es sich demnach um einen Rückweisungsentscheid. Dient die Rückweisung - wie hier - nur noch der Umsetzung des oberinstanzlich Angeordneten und verbleibt der unteren Instanz somit kein Entscheidungsspielraum mehr, handelt es sich materiell nicht, wie bei Rückweisungsentscheiden sonst grundsätzlich der Fall, um einen Zwischenentscheid, der bloss unter den Voraussetzungen der Art. 92 oder 93 BGG beim Bundesgericht anfechtbar wäre, sondern um einen Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG (BGE 140 V 282 E. 4.2; nicht publ. E. 1 des Urteils BGE 148 V 397, veröffentlicht in SVR 2023 IV Nr. 16 S. 53). Auf die beiden Beschwerden ist daher einzutreten.  
 
2.  
Da den Beschwerden der gleiche Sachverhalt zugrunde liegt und sie sich gegen den nämlichen Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 7. November 2023 richten, rechtfertigt es sich, die beiden Verfahren 8C_771/2023 und 8C_826/2023 zu vereinigen und in einem Urteil zu erledigen (Art. 24 BZP i.V.m. Art. 71 BGG). 
 
3.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE 145 V 57 E. 4). 
 
4.  
 
4.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie der Versicherten ab 1. September 2020 eine halbe Invalidenrente zusprach. Während die IV-Stelle auf Aufhebung des kantonalgerichtlichen Entscheids und Bestätigung ihrer rentenabweisenden Verfügung vom 18. April 2023 schliesst, beantragt die Versicherte die Zusprechung einer ganzen Invalidenrente ab September 2020.  
 
4.2. Nicht bestritten ist, dass die Vorinstanz dem Gutachten der ABI vom 9. Januar 2023 vollumfängliche Beweiskraft zuerkennen und gestützt darauf grundsätzlich von einer Einschränkung der Arbeitsfähigkeit der Versicherten in einer adaptierten Tätigkeit von 30 % seit September 2019 ausgehen durfte. Umstritten sind jedoch die Ermittlung des Validen- und des Invalideneinkommens.  
 
5.  
 
5.1. Am 1. Januar 2022 traten im Zuge der Weiterentwicklung der IV revidierte Bestimmungen im IVG sowie im ATSG samt entsprechendem Verordnungsrecht in Kraft (Weiterentwicklung der IV [WEIV]; Änderung vom 19. Juni 2020, AS 2021 705, BBl 2017 2535; Urteil 8C_435/2023 vom 27. Mai 2024 E. 4.1, zur Publikation vorgesehen).  
Die dem angefochtenen Entscheid zugrunde liegende Verfügung erging nach dem 1. Januar 2022. Nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts sind bei einer Rechtsänderung in zeitlicher Hinsicht diejenigen Rechtssätze massgebend, die bei der Verwirklichung des zu Rechtsfolgen führenden Sachverhalts in Geltung standen (MATTHIAS KRADOLFER, in: Basler Kommentar, Allgemeiner Teil des Sozialversicherungsrechts, 2020, N. 8 zu Art. 82 ATSG; vgl. auch BGE 149 II 320 E. 3; 148 V 174 E. 4.1; 144 V 210 E. 4.3.1). In Anwendung dieses intertemporalrechtlichen Hauptsatzes ist bei einem dauerhaften Sachverhalt, der teilweise vor und teilweise nach dem Inkrafttreten der neuen Gesetzgebung eingetreten ist, der Anspruch auf eine Invalidenrente für die erste Periode nach den altrechtlichen Bestimmungen und für die zweite Periode nach den neuen Normen zu prüfen. Besondere übergangsrechtliche Regelungen bleiben vorbehalten (Urteil 8C_435/2023 vom 27. Mai 2024 E. 4.2 mit weiteren Hinweisen, zur Publikation vorgesehen). 
 
5.2. Das kantonale Gericht hat die für den streitigen Rentenanspruch massgeblichen Rechtsgrundlagen (Art. 28 Abs. 1 IVG und Art. 16 ATSG) zutreffend dargelegt. Darauf kann verwiesen werden.  
 
5.3. Zu ergänzen ist, dass bei Versicherten, die wegen der Invalidität keine zureichenden beruflichen Kenntnisse erwerben konnten, nach Art. 26 Abs. 1 IVV (in der bis zum 31. Dezember 2021 geltenden Fassung) das Erwerbseinkommen, das sie als Nichtinvalide erzielen könnten, den in dieser Bestimmung genannten, nach dem Alter abgestuften Prozentsätzen des jährlich aktualisierten Medianwertes gemäss der vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) entspricht.  
Geburts- und Frühinvalide im Sinne von Art. 26 Abs. 1 IVV sind Versicherte, die seit ihrer Geburt oder Kindheit an einem Gesundheitsschaden leiden und deshalb keine zureichenden beruflichen Kenntnisse erwerben konnten. Darunter fallen all jene Personen, die wegen ihrer Invalidität überhaupt keine Berufsausbildung absolvieren können. Ebenso dazu gehören indes Versicherte, die zwar eine Berufsausbildung abschliessen, zu deren Beginn jedoch bereits invalid waren und die absolvierte Ausbildung wegen ihrer Invalidität auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt nicht in gleicher Weise "ummünzen" können wie nicht behinderte Personen mit derselben (ordentlichen) Ausbildung. Steht dagegen fest, dass nicht invaliditätsbedingte Gründe, sondern z.B. solche familiärer oder wirtschaftlicher Art den Erwerb genügender beruflicher Kenntnisse verunmöglichten, liegt keine Geburts- oder Frühinvalidität vor (SVR 2019 IV Nr. 82 S. 272, 9C_233/2018 E. 1 mit Hinweisen; Rz. 3035 f. des vom BSV herausgegebenen Kreisschreibens über Invalidität und Hilflosigkeit in der Invalidenversicherung [KSHI], gültig ab 1. Januar 2015; Urteil 8C_395/2023 vom 22. Februar 2024 E. 2.3 mit Hinweisen). 
 
5.4. Die Feststellung der beiden hypothetischen Vergleichseinkommen betrifft eine für das Bundesgericht grundsätzlich verbindliche Tatfrage, soweit sie auf konkreter Beweiswürdigung beruht. Hingegen handelt es sich um eine vom Bundesgericht frei überprüfbare Rechtsfrage, soweit sich der Entscheid nach der allgemeinen Lebenserfahrung richtet. Das betrifft etwa die Frage, ob Tabellenlöhne anwendbar sind, welches die massgebliche Tabelle ist, sowie die Wahl der zutreffenden Stufe (Kompetenzniveau) und des zu berücksichtigenden Wirtschaftszweigs oder Totalwertes (BGE 148 V 174 E. 6.5). Ebenso stellt eine Rechtsfrage dar, ob der versicherten Person die Verwertung ihrer Restarbeitsfähigkeit auf dem massgebenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt nach allgemeiner Lebenserfahrung noch zumutbar ist (BGE 140 V 267 E. 2.4 und SVR 2022 IV Nr. 57 S. 185, 8C_52/2022 E. 2.2 i.f.; je mit Hinweisen). Betreffend Abzug ist schliesslich eine frei überprüfbare Rechtsfrage, ob ein behinderungsbedingt oder anderweitig begründeter Abzug vom Tabellenlohn vorzunehmen ist. Dagegen ist die Höhe des (im konkreten Fall grundsätzlich angezeigten) Abzugs eine Ermessensfrage und daher letztinstanzlich nur bei Ermessensüberschreitung, -missbrauch oder -unterschreitung korrigierbar (BGE 148 V 174 E. 6.5 mit Hinweisen).  
 
6.  
 
6.1. In Würdigung der Aktenlage ging die Vorinstanz - wie bereits die IV-Stelle - davon aus, dass die Versicherte ohne gesundheitliche Einschränkungen als vollerwerbstätig zu qualifizieren und daher der Invaliditätsgrad in Anwendung der Einkommensvergleichsmethode zu ermitteln sei. Bezüglich Festsetzung des Valideneinkommens erwog das kantonale Gericht, die beiden im ABI-Gutachten vom 9. Januar 2023 diagnostizierten Gesundheitsbeeinträchtigungen - emotional-instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ und ADHS im Erwachsenenalter - hätten überwiegend wahrscheinlich bereits bestanden, als die Versicherte versucht habe, eine berufliche Ausbildung zu absolvieren. Sie hätten die Fähigkeit, die begonnene oder eine andere Ausbildung abzuschliessen, negativ beeinflusst und sich eventuell bereits auf die Wahl der Berufskarriere ausgewirkt. Da mithin völlig offen sei, welchen Berufsweg die Versicherte im hypothetischen "Gesundheitsfall" eingeschlagen hätte, sei das Valideneinkommen - wie für sogenannt frühinvalide Personen - in Anwendung von Art. 26 Abs. 1 IVV in der bis Ende Dezember 2021 geltenden Fassung fiktiv auf Fr. 83'500.- festzusetzen. Für die Bestimmung des Invalideneinkommens ging die Vorinstanz gestützt auf das ABI-Gutachten davon aus, die Versicherte sei seit September 2019 in einer angepassten Tätigkeit zu 30 % in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Die Anforderungen an eine leidensadaptierte Tätigkeit seien, so das kantonale Gericht, nicht so hoch, dass eine solche nur in einem geschützten Rahmen gefunden werden könnte. Vielmehr entspreche der Ausgangswert des zumutbaren Invalideneinkommens dem statistischen Zentralwert der Hilfsarbeiterinnenlöhne. Das Invalideneinkommen sei für ein Pensum von 70 %, reduziert um einen leidensbedingten Abzug von 10 % für den frühestmöglichen Rentenbeginn am 1. September 2020 auf Fr. 35'105 bzw. für den Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens auf Fr. 35'613.- festzusetzen. Dies ergebe in Gegenüberstellung mit dem Valideneinkommen von Fr. 83'500.- einen Invaliditätsgrad von 57,96 % bzw. 57,35 % und begründe Anspruch auf eine halbe Rente.  
 
6.2. Die IV-Stelle rügt die vorinstanzliche Ermittlung des Valideneinkommens (Verfahren 8C_771/2023), die Versicherte diejenige des Invalideneinkommens (Verfahren 8C_826/2023).  
 
7.  
 
7.1. Zur Bestimmung des zunächst streitigen Valideneinkommens ist entscheidend, was die versicherte Person im massgebenden Zeitpunkt auf Grund ihrer beruflichen Fähigkeiten und persönlichen Umstände nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit verdient hätte (BGE 145 V 141 E. 5.2.1). In der Regel ist am zuletzt erzielten, nötigenfalls der Teuerung und der realen Einkommensentwicklung angepassten Lohn anzuknüpfen, da es empirischer Erfahrung entspricht, dass die bisherige Tätigkeit ohne Gesundheitsschaden fortgesetzt worden wäre; Ausnahmen müssen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt sein (BGE 144 I 103 E. 5.3 mit Hinweis).  
 
7.2. Wie die IV-Stelle zu Recht geltend macht, ist gestützt auf das ABI-Gutachten vom 9. Januar 2023, dem die Vorinstanz vollumfänglichen Beweiswert attestierte, davon auszugehen, dass die Arbeitsfähigkeit in angepasster Tätigkeit aufgrund der psychiatrischen Diagnosen (erst) seit Aufnahme der ersten ambulanten fachpsychiatrischen Behandlung im September 2019 eingeschränkt war. Dies entspricht auch der Anmeldung bei der Invalidenversicherung vom 10. Februar 2020, in welcher die Versicherte angab, die gesundheitlichen Beeinträchtigungen - psychische und nervliche Störungen, Angststörung, Burnout, Schwindel, Chemikalienunverträglichkeit, Depression, Stressintoleranz, Rücken-/Nacken-/Kopfschmerzen - bestünden seit September 2019, teils länger. Im Rahmen der psychiatrischen Untersuchung bei der ABI führte die Versicherte zudem aus, eine im Anschluss an die Sekundarschule begonnene Ausbildung als Konditor-Confiseur habe sie nach zwei Jahren infolge eines Snowboardunfalls abgebrochen. Die Annahmen der Vorinstanz zur Validenkarriere der Versicherten, namentlich, dass die Persönlichkeitsstörung und das ADHS überwiegend wahrscheinlich deren Fähigkeit, die begonnene oder eine andere Ausbildung abzuschliessen, negativ beeinflusst hätten, widersprechen mithin, wie die IV-Stelle zu Recht rügt, der Aktenlage. Das kantonale Gericht verletzte daher Bundesrecht, indem es davon ausging, die Versicherte habe die begonnene Ausbildung wegen Invalidität nicht zu Ende führen können, und sie als Frühinvalide im Sinne von Art. 26 Abs. 1 IVV betrachtete.  
 
7.3. Ist die Versicherte nach Gesagtem entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht als Frühinvalide zu qualifizieren, hat die IV-Stelle zur Bestimmung des Valideneinkommens richtigerweise auf das zuletzt vor Einritt der Invalidität tatsächlich erwirtschaftete Erwerbseinkommen gemäss dem Fragebogen für Arbeitgebende vom 28. Februar 2020 abgestellt, dieses auf das Jahr 2023 indexiert und auf ein Pensum von 100 % hochgerechnet. Die konkrete Berechnung wird nicht weiter bestritten. Da auch keine offenkundigen Fehler ersichtlich sind, bleibt es beim von der IV-Stelle ermittelten Valideneinkommen in der Höhe von Fr. 55'076.-.  
 
8.  
 
8.1. In Bezug auf das von der Vorinstanz - anhand des statistischen Zentralwerts der Hilfsarbeiterinnenlöhne, reduziert um einen leidensbedingten Abzug von 10 % für ein 70 %-Pensum - auf Fr. 35'105.- bzw. Fr. 35'613.- festgesetzte Invalideneinkommen (vgl. E. 5.1 hiervor) macht die Versicherte geltend, die ihr attestierte Arbeitsfähigkeit sei auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht verwertbar. Allenfalls könne sie auf dem zweiten Arbeitsmarkt in einem geschützten Rahmen arbeiten, dort aber kein Einkommen erwirtschaften, das einen Anspruch auf eine ganze Invalidenrente ausschliesse.  
 
8.2. Referenzpunkt bei der Invaliditätsbemessung im erwerblichen Bereich bildet der hypothetisch als ausgeglichen unterstellte Arbeitsmarkt, dies im Gegensatz zum effektiven. Die Möglichkeit einer versicherten Person, das verbliebene Leistungsvermögen auf dem allgemeinen ausgeglichenen Arbeitsmarkt zu verwerten, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Beim ausgeglichenen Arbeitsmarkt handelt es sich um eine theoretische Grösse, so dass nicht leichthin angenommen werden kann, die verbliebene Leistungsfähigkeit sei unverwertbar. Er umfasst auch sogenannte Nischenarbeitsplätze, also Stellen- und Arbeitsangebote, bei denen Behinderte mit einem sozialen Entgegenkommen des Arbeitgebers rechnen können. Unverwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die zumutbare Tätigkeit in nur so eingeschränkter Form möglich ist, dass sie der ausgeglichene Arbeitsmarkt praktisch nicht kennt oder sie nur unter nicht realistischem Entgegenkommen eines durchschnittlichen Arbeitgebers möglich wäre und das Finden einer entsprechenden Stelle daher zum Vornherein als ausgeschlossen erscheint. Mit dem Konzept des ausgeglichenen Arbeitsmarktes geht der Gesetzgeber somit grundsätzlich davon aus, dass auch gesundheitlich eingeschränkten Personen ein ihren (verbleibenden) Fähigkeiten entsprechender Arbeitsplatz offen steht (vgl. BGE 148 V 174 E. 9.1 mit Hinweisen).  
 
8.3.  
 
8.3.1. Das kantonale Gericht stellte zunächst in sachverhaltlicher Hinsicht gestützt auf die gutachterlichen Ausführungen fest, dass die verminderte Arbeitsfähigkeit einzig durch die psychiatrischen Einschränkungen begründet sei. Eine den Beschwerden optimal angepasste Tätigkeit sollte es der Versicherten gemäss ABI-Gutachten ermöglichen, bei verstärkt auftretenden Schmerzen einem erhöhten Pausenbedarf nachgehen zu können. Es sollte darüber hinaus das Arbeitsumfeld von einer wohlwollenden Atmosphäre geprägt sein und es der Versicherten ermöglichen, eine akzeptable Flexibilität in der Arbeitszeitgestaltung zu gewähren, wobei eine maximale Präsenz von acht Stunden pro Tag möglich wäre. Dass das kantonale Gericht insoweit offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellungen getroffen haben sollte, wird beschwerdeweise nicht geltend gemacht und ist nicht erkennbar.  
 
8.3.2. Die Vorinstanz ging im Weiteren davon aus, dass die Anforderungen an eine ideal leidensangepasste Tätigkeit nicht so hoch seien, dass eine solche nur in einem geschützten Rahmen gefunden werden könnte. Vielmehr stünden den gutachterlichen Anforderungen entsprechende Tätigkeiten auf dem allgemeinen ausgeglichenen Arbeitsmarkt zur Verfügung und die Versicherte könne die ihr attestierte Arbeitsfähigkeit im Rahmen von Hilfsarbeiterinnentätigkeiten verwerten.  
Was die Versicherte in weitgehender Wiederholung der bereits vor dem kantonalen Gericht vorgetragenen Argumentation gegen die Verwertbarkeit ihrer Restarbeitsfähigkeit auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt vorbringt, ist nicht stichhaltig. Soweit sie sich erneut auf eine 50%ige Einschränkung der Arbeitsfähigkeit beruft, bezieht sich dies, wie sie selber einräumt, auf die angestammte, nicht auf die allein massgebende leidensangepasste Tätigkeit. Im Übrigen bietet der ausgeglichene Arbeitsmarkt durchaus Stellen, an denen die erwerbstätige Person bei ausgewiesenem Bedarf Pausen einlegen kann (vgl. Urteile 8C_192/2022 vom 7. Juli 2022 E. 7.2.4 und 9C_366/2021 vom 3. Januar 2022 E. 4.3; je mit Hinweis). Unter Berücksichtigung des gutachterlich definierten Zumutbarkeitsprofils der Versicherten und mit Blick auf die Rechtsprechung verletzte die Vorinstanz somit kein Bundesrecht, wenn sie von der vollständigen Verwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit der Versicherten auf dem hier einzig massgeblichen ausgeglichenen Arbeitsmarkt (Art. 16 ATSG) ausging (vgl. Urteile 8C_55/2022 vom 19. Mai 2022 E. 4.4.1, 8C_462/2020 vom 27. August 2020 E. 5.1 und 8C_622/2016 vom 21. Dezember 2016 E. 5.2.2). 
 
8.3.3. Dem Umstand, dass die Versicherte ihre Arbeitsfähigkeit wegen des Anforderungsprofils an eine angepasste Tätigkeit nicht mit demselben ökonomischen Erfolg verwerten könne wie eine gesunde, im selben Pensum tätige Person, trug das kantonale Gericht mit einem Abzug von 10 % vom anhand statistischer Werte ermittelten Invalideneinkommen Rechnung. Es führte aus, es liege keine psychische Gesundheitsbeeinträchtigung vor, die eine Beschäftigung in einem besonderen Ausmass erschweren würde. Namentlich sei - anders als bei einer depressiven Person - nicht mit vermehrten krankheitsbedingten Absenzen und einer überdurchschnittlich stark schwankenden Arbeitsleistung zu rechnen; die Versicherte benötige lediglich zusätzliche Pausen und ein wohlwollendes Arbeitsumfeld.  
Inwieweit bei der Festlegung der Höhe des Abzugs durch die Vorinstanz eine Überschreitung, Unterschreitung oder ein Missbrauch des Ermessens vorliegen sollte, wird weder gerügt noch ist ein entsprechender Fehler ersichtlich, weshalb sich Weiterungen dazu erübrigen. 
 
8.4. Zusammenfassend hat es beim durch die Vorinstanz für den Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens auf Fr. 35'613.- festgesetzten Invalideneinkommen sein Bewenden.  
 
9.  
 
9.1. Nach Gesagtem ist das Valideneinkommen von Fr. 55'076.- dem Invalideneinkommen von Fr. 35'613.- gegenüberzustellen. Dies führt zu einem rentenausschliessenden Invaliditätsgrad von 35.34 % und damit zur Gutheissung der Beschwerde der IV-Stelle sowie zur Abweisung der Beschwerde der Versicherten.  
 
9.2. Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist auf die Erwägungen der Vorinstanz, wonach sie der Versicherten trotz des medizinischen Eingliederungspotentials ungeachtet BGE 148 V 397 eine Rente zuspreche, nicht näher einzugehen. Das Versicherungsgericht ist jedoch einmal mehr nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass es nicht im Belieben der kantonalen Gerichte steht, ob die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu befolgen sei oder nicht.  
 
10.  
Die in beiden Beschwerdeverfahren (8C_771/2023 und 8C_826/2023) unterliegende Versicherte hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Sache ist zudem zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen zurückzuweisen. 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
 
1.  
Die Verfahren 8C_771/2023 und 8C_826/2023 werden vereinigt. 
 
2.  
Die Beschwerde der IV-Stelle des Kantons St. Gallen wird gutgeheissen (8C_771/2023). Der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 7. November 2023 wird aufgehoben und die Verfügung der IV-Stelle vom 18. April 2023 bestätigt. 
 
3.  
Die Beschwerde der Versicherten wird abgewiesen (8C_826/2023). 
 
4.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.- werden der Versicherten auferlegt. 
 
5.  
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen zurückgewiesen. 
 
6.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 28. August 2024 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Kopp Käch