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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
U 175/05 
 
Urteil vom 28. September 2005 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Ferrari, Bundesrichter Ursprung und nebenamtlicher Richter Brunner; 
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold 
 
Parteien 
C.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Bruno Bauer, Pestalozzistrasse 2, 
9000 St. Gallen, 
 
gegen 
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen 
 
(Entscheid vom 14. März 2005) 
 
Sachverhalt: 
A. 
C.________ (geboren 1949) war bei der Firma B.________ als Hilfsgipser angestellt und dadurch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (nachfolgend: SUVA) gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 2. Juni 1999 erlitt er beim Tragen von Schaltafeln einen Stolpersturz und verletzte sich am linken Knie, was zu bleibenden Schmerzen führte. In den folgenden Jahren musste er sich mehreren Operationen unterziehen. Die Arbeitgeberin löste das Arbeitsverhältnis per 30. November 2002 auf. In der kreisärztlichen Untersuchung vom 2. Dezember 2002 diagnostizierte Dr. med. S.________, Facharzt für orthopädische Chirurgie, eine schmerzhaft eingeschränkte Belastungsfähigkeit im linken Knie bei medialer Gonarthrose. Mit Verfügung vom 19. Dezember 2002 sprach die SUVA C.________ eine Invalidenrente von 27 % sowie eine Integritätsentschädigung bei einer Integritätseinbusse von 15 % zu, woran sie mit Einspracheentscheid vom 2. Februar 2004 festhielt. 
B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde, mit welcher C.________ beantragen liess, in Aufhebung des Einspracheentscheids sei die SUVA zu verpflichten, ihm eine mindestens 50%-ige Invalidenrente sowie eine Integritätsentschädigung bei einer Integritätseinbusse von mindestens 30 % auszurichten, wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 14. März 2005 ab. 
C. 
C.________ lässt unter Wiederholung der im kantonalen Verfahren gestellten Rechtsbegehren Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen. Ferner ersucht er um unentgeltliche Verbeiständung. Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit, Abteilung Unfallversicherung, verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
D. 
Mit Eingabe vom 12. September 2005 lässt C.________ Unterlagen zu seinem Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung nachreichen. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Die Vorinstanz hat die Voraussetzungen die Bestimmungen und Grundsätze über das anwendbare Recht (BGE 129 V 4 Erw. 1.2 mit Hinweisen) sowie den Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 18 und 19 UVG; Art. 7, 8 und 16 ATSG; BGE 129 V 472, 126 V 75, je mit Hinweisen) und auf eine Integritätsentschädigung (Art. 24 UVG; Art. 36 UVV; BGE 124 V 31 Erw. 1 mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt hinsichtlich der Aufgabe des Arztes bei der Ermittlung des Invaliditätsgrades (BGE 125 V 261 Erw. 4 mit Hinweisen) und des Beweiswertes ärztlicher Stellungnahmen im Allgemeinen (BGE 125 V 352 Erw. 3a mit Hinweis) und der Rechtsprechung zur beweismässigen Auswertung verschiedener medizinischer Berichte im Speziellen (BGE 125 V 352 Erw. 3b mit Hinweisen). Darauf wird verwiesen. 
 
Anzufügen bleibt, dass das Eidgenössische Versicherungsgericht in BGE 130 V 343 entschieden hat, bei den in Art. 6 bis 8 sowie 16 und 17 ATSG enthaltenen Legaldefinitionen handle es sich in aller Regel um eine formellgesetzliche Fassung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu diesen Begriffen vor In-Kraft-Treten des ATSG, sodass sich inhaltlich keine Änderung ergebe, weshalb die zum bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Recht entwickelte Praxis übernommen und weitergeführt werde (vgl. auch RKUV 2004 Nr. U 529 S. 572). 
2. 
Streitig ist die Höhe der Invalidenrente und der Integritätsentschädigung, insbesondere der Grad der Erwerbsunfähigkeit und das Ausmass der Integritätseinbusse. Unbestritten ist der Beginn des Anspruchs auf eine Invalidenrente (1. Januar 2003); nicht Streitgegenstand ist die Einstellung der Heilbehandlungs- und Taggeldleistungen per Ende 2002. 
3. 
Nach der Feststellung des Kreisarztes ist der Beschwerdeführer im Bauhaupt- und Baunebengewerbe nicht einsetzbar. Er kann weder wiederholt Treppen bewältigen noch kniende oder hockende Positionen einnehmen. Hingegen kann er wechselbelastende Tätigkeiten verrichten mit Hauptgewicht auf Sitzen, unterbrochen durch kurzzeitiges Gehen ohne Tragen von Lasten über 8 bis 10 kg (Bericht vom 2. Dezember 2002). Dr. med. H.________, Facharzt für Allgemeine Medizin, führte im Bericht vom 18. September 2002 zuhanden der IV-Stelle aus, der Versicherte sei als Bauarbeiter bleibend arbeitsunfähig; eine theoretische Teilarbeitsfähigkeit mit Berücksichtigung aller Einschränkungen in einer anderen Tätigkeit sei zwar konstruierbar, aber unter Berücksichtigung aller Umstände nicht realistisch. Den weiteren Ausführungen lässt sich entnehmen, dass mit den angesprochenen Umständen vor allem die Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache - der Beschwerdeführer spricht nur italienisch - und dem Lesen und Schreiben gemeint sind. Solche invaliditätsfremden Gründe sind zwar bei der Beurteilung der zumutbaren Arbeit zu berücksichtigen, sie sind aber bei der Invaliditätsbemessung ausser Acht zu lassen. Angesichts der Tatsache, dass eine leidensangepasste Tätigkeit voll zumutbar ist, ist davon auszugehen, dass dem Versicherten auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt Erwerbsmöglichkeiten offen stehen; daran ändern auch die angeführten sprachlichen Unzulänglichkeiten nichts. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn SUVA und Vorinstanz auf die schlüssige Zumutbarkeitsbeurteilung des Kreisarztes abstellen und volle Erwerbsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit annehmen. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte, dass sich der Gesundheitszustand zwischen der kreisärztlichen Untersuchung vom 2. Dezember 2002 und dem Einspracheentscheid vom 2. Februar 2004 wesentlich verändert hätte. Soweit der Versicherte geltend macht, er leide unter einer Herzkrankheit, und die Einholung eines Berichts bei Dr. med. H.________ beantragt, ist darauf hinzuweisen, dass die gesundheitliche Entwicklung nach Erlass des Einspracheentscheids nicht berücksichtigt werden kann (BGE 121 V 366 Erw. 1b mit Hinweisen). Zudem ist davon auszugehen, dass das geltend gemachte Herzleiden nicht unfallkausal ist. Von zusätzlichen medizinischen Abklärungen sind somit keine neuen Erkenntnisse zu erwarten, weshalb darauf verzichtet werden kann (BGE 124 V 94 Erw. 4b, 122 V 162 Erw. 1d; SVR 2001 IV Nr. 10 S. 28 Erw. 4b, je mit Hinweisen). 
4. 
Zu beurteilen sind im Weiteren die erwerblichen Auswirkungen der festgestellten Leistungseinbusse. 
4.1 In BGE 129 V 472 hat des Eidgenössische Versicherungsgericht dargelegt, unter welchen Voraussetzungen bei dem im Rahmen der Invaliditätsbemessung anzustellenden Einkommensvergleich auf die von der SUVA geschaffene Dokumentation von Arbeitsplätzen (DAP) abgestellt werden kann. Zu Recht hat die Vorinstanz festgehalten, diese Voraussetzungen seien hier nicht gegeben, weshalb bei der Ermittlung des Invalideneinkommens auf die statistischen Löhne der LSE abzustellen sei. Massgebend sind dabei die Gegebenheiten im Zeitpunkt des Rentenbeginns. Das kantonale Gericht hat den Einkommensvergleich gestützt auf die Werte für das Jahr 2002 durchgeführt. Für dieses Jahr ist ein Valideneinkommen von Fr. 61'425.- aktenkundig. Das hypothetische Jahreseinkommen als Basis für die Ermittlung des Invalideneinkommens veranschlagt die Vorinstanz zutreffend mit Fr. 57'145.20; dies ist lediglich insofern zu berichtigen, als sie von 41.8 und nicht wie versehentlich angegeben von 41.5 wöchentlichen Arbeitsstunden ausging. 
4.2 Den Vorbringen des Beschwerdeführers, weshalb hier für die Bestimmung des Invalideneinkommens nicht auf die LSE-Tabellenlöhne abgestellt werden dürfe, kann nicht gefolgt werden. Die Tatsache, dass er bereits vor dem Unfall eine Tätigkeit ausübte, die bei der Einstufung der Tabellenlöhne dem Anforderungsniveau 4 zuzuordnen war, ändert nichts daran, dass ihm auch heute eine derartige Tätigkeit zumutbar ist, wenn auch nicht in der Baubranche, so doch im Industrie- oder Dienstleistungsbereich. Es besteht deshalb keine Veranlassung, bei der Festsetzung des Invalideneinkommens des nicht mehr erwerbstätigen Versicherten statt auf die praxisüblichen Tabellenlöhne auf einen konkret geschätzten, nicht weiter begründeten "angemessenen" Lohn von Fr. 2500.- abzustellen. 
4.3 Vom errechneten statistischen Lohn gemäss LSE kann nach der Rechtsprechung ein Abzug vorgenommen werden; dieser hängt von den persönlichen und beruflichen Umständen des konkreten Einzelfalls (leidensbedingte Einschränkung, Alter, Dienstjahre, Nationalität, Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad) ab. Der Einfluss sämtlicher Merkmale ist nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen, wobei der Abzug auf höchstens 25 % zu begrenzen ist (BGE 126 V 80 Erw. 5b/cc). Die Vorinstanz hat den von der SUVA gewährten Abzug von 20 % bestätigt. Dies ist nicht zu beanstanden. Ausgehend von einem Valideneinkommen von Fr. 57'145.20 ergibt sich ein Invalideneinkommen von Fr. 45'716.15, wie die Vorinstanz zutreffend festhält. Daraus resultiert ein Invaliditätsgrad von 26 % (BGE 130 V 121). 
4.4 Die SUVA sprach dem Versicherten eine Invalidenrente auf der Basis eines Invaliditätsgrades von 27 % zu, was von der Vorinstanz im Ergebnis als angemessen bezeichnet wird. Besteht zwischen der Ermittlung des Invaliditätsgrades auf Grund der DAP-Löhne und derjenigen gemäss LSE eine Diskrepanz und erweist sich, dass der Unfallversicherer bei der Invaliditätsbemessung zu Unrecht auf die DAP abgestellt hat, ist der gestützt auf die LSE ermittelte Invaliditätsgrad massgeblich (BGE 129 V 481 Erw. 4.2.2 in fine und 483 Erw. 4.3.2). Die Androhung einer reformatio in peius rechtfertigt sich angesichts der Differenz von lediglich 1 % nicht, setzt eine solche doch unter anderem voraus, dass die Korrektur der Verfügung von erheblicher Bedeutung ist, was hier zu verneinen (BGE 119 V 249 Erw. 5 mit Hinweisen; vgl. auch in RKUV 2004 Nr. U 529 S. 572 nicht publizierte Erw. 3.2.2 mit Hinweisen). Es hat demnach bei der zugesprochenen Invalidenrente sein Bewenden. 
5. 
Die Integritätsentschädigung wurde von der SUVA gestützt auf die kreisärztliche Beurteilung des Integritätsschadens von 15 % festgelegt. Die Vorinstanz hat zutreffend dargelegt, weshalb diese Einschätzung zu bestätigen ist. Der Versicherte macht keine triftigen Gründe geltend, die eine abweichende Ermessensausübung als nahe liegender erscheinen lassen (Art. 132 lit. a OG; vgl. zur Ermessenskontrolle auch BGE 114 V 316 Erw. 5a mit Hinweisen). In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden im Wesentlichen die bereits im kantonalen Verfahren vorgetragenen Einwände wiederholt. Das kantonale Gericht hat dabei zu Recht darauf hingewiesen, dass der Integritätsschaden bei der Gonarthrose einerseits in Belastungs- und Dauerschmerzen und andererseits aus den dadurch bedingten Bewegungseinschränkungen besteht; die vom Versicherten erwähnten Beeinträchtigungen im Alltag rechtfertigen daher keine Erhöhung der Integritätsentschädigung. 
6. 
6.1 Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). 
6.2 Nach Gesetz und Praxis sind in der Regel die Voraussetzungen für die Bewilligung der unentgeltlichen Prozessführung und Verbeiständung erfüllt, wenn der Prozess nicht aussichtslos, die Partei bedürftig und die anwaltliche Verbeiständung notwendig oder doch geboten ist (BGE 103 V 47, 100 V 62, 98 V 117). 
Als aussichtslos sind nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Prozessbegehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können. Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese. Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde; eine Partei soll einen Prozess, den sie auf eigene Rechnung und Gefahr nicht führen würde, nicht deshalb anstrengen können, weil er sie nichts kostet (BGE 129 I 135 Erw. 2.3.1, 128 I 236 Erw. 2.5.3 mit Hinweis). 
Der Versicherte bringt im Wesentlichen dieselben Rügen wie vor dem kantonalen Gericht vor. Auf Grund des ausführlichen und einlässlich begründeten vorinstanzlichen Entscheids muss seine Verwaltungsgerichtsbeschwerde daher als aussichtslos bezeichnet werden, weshalb das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung abzuweisen ist. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird abgewiesen. 
3. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt. 
Luzern, 28. September 2005 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Der Präsident der IV. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: