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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
9C_508/2008 
 
Urteil vom 28. Oktober 2008 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichter Lustenberger, Seiler, 
Gerichtsschreiberin Keel Baumann. 
 
Parteien 
A.________, Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Walter A. Stöckli, Schmiedgasse 10, 6472 Erstfeld, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Uri, Dätwylerstrasse 11, 6460 Altdorf, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid 
des Obergerichts des Kantons Uri 
vom 9. Mai 2008. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die 1969 geborene A.________ meldete sich im Juli 2004 wegen chronischen Schmerzen am Bewegungsapparat bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Mit Verfügung vom 15. November 2005 verneinte die IV-Stelle Uri den Anspruch auf eine Rente, woran sie auf Einsprache der Versicherten hin festhielt (Entscheid vom 19. Januar 2006). 
Am 20. Februar 2006 liess A.________ Beschwerde erheben und beantragen, der Einspracheentscheid sei aufzuheben. Die Sache sei zur Neubeurteilung an die IV-Stelle zurückzuweisen. Eventualiter sei festzustellen, dass ein Invaliditätsgrad von mindestens 70 % besteht, und ihr eine Rente zuzusprechen. Mit Eingabe vom 23. Februar 2006 ersuchte A.________ zudem um Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Das Obergericht des Kantons Uri wies die gestellten Anträge, einschliesslich den verfahrensrechtlichen, welchen es als verspätet erachtete, mit Entscheid vom 31. Januar 2007 ab. 
Die von A.________ hiegegen mit dem Hauptantrag auf Aufhebung des kantonalen Entscheides und Rückweisung der Sache an die Vorinstanz und dem Eventualantrag auf Zusprechung einer Rente erhobene Beschwerde hiess das Bundesgericht mit Urteil vom 10. Januar 2008 gut, hob den Entscheid des Obergerichts des Kantons Uri vom 31. Januar 2007 auf und wies die Sache an die Vorinstanz zurück, damit sie im Sinne der Erwägungen verfahre (d.h. eine öffentliche Verhandlung durchführe) und über die Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 19. Januar 2006 neu entscheide. 
 
B. 
In Nachachtung des bundesgerichtlichen Urteils vom 10. Januar 2008 führte das Obergericht des Kantons Uri am 9. Mai 2008 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Mit Entscheid vom selben Tag wies es die Beschwerde ab. 
 
C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und es sei ihr eine Rente zuzusprechen. Eventualiter sei die Sache zu weiteren medizinischen Abklärungen und zum Neuentscheid an die Vorinstanz, eventuell die IV-Stelle, zurückzuweisen. 
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Ferner darf das Bundesgericht nicht über die Begehren der Parteien hinausgehen (Art. 107 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen gemäss Art. 99 Abs. 1 BGG nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt. 
 
2. 
Verbindlich angeordnet hat das Bundesgericht im Urteil vom 10. Januar 2008 lediglich die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung. Dieser Auflage ist die Vorinstanz nachgekommen. Die im Urteil aufgeworfene Frage nach der Notwendigkeit weiterer Beweisvorkehren wurde demgegenüber ins pflichtgemässe Ermessen der Vorinstanz gestellt. Dass diese in der Folge von beweismässigen Weiterungen abgesehen hat, ist unter dem Gesichtspunkt der im Urteil vom 10. Januar 2008 erteilten Anweisungen grundsätzlich nicht zu beanstanden (vgl. auch E. 4.3.5). 
 
3. 
Die Beschwerdeführerin macht geltend, das kantonale Gericht habe sich mit der von ihr im kantonalen Verfahren erhobenen Rüge nicht befasst, wonach die IV-Stelle ihre Verfügung nicht begründet und damit den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt habe. 
 
3.1 Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) folgt u.a. die grundsätzliche Pflicht der Behörden, ihren Entscheid zu begründen. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass der Betroffene den Entscheid gegebenenfalls sachgerecht anfechten kann. Sie muss kurz die wesentlichen Überlegungen nennen, von denen sich das Gericht hat leiten lassen und auf die sich sein Entscheid stützt. Nicht erforderlich ist hingegen, dass sich der Entscheid mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt (BGE 133 III 439 E. 3.3 S. 445; 130 II 530 E. 4.3 S. 540). 
 
3.2 Im angefochtenen Entscheid hat sich die Vorinstanz mit dem Einwand der fehlenden Begründung der Verwaltungsverfügung immerhin insofern befasst, als sie ausführte, dieser brauche mangels Rückweisungsantrages in der Beschwerde nicht geprüft zu werden. Zu Recht macht die Beschwerdeführerin geltend, dass dies insofern nicht zutreffe, als sie ein entsprechendes Begehren gestellt habe. Damit macht sie faktisch aber nicht eine fehlende, sondern eine unzutreffende Begründung des angefochtenen Entscheides geltend. Der von ihr erhobenen Rüge wäre indessen auch bei materieller Prüfung kein Erfolg beschieden gewesen, weil die IV-Stelle ihre Begründungspflicht ausreichend erfüllte, indem sie zwar ihre Verfügung vom 15. November 2005 nur rudimentär begründete mit dem Hinweis, die Versicherte könne nach den durchgeführten Abklärungen sowohl die bisherige als auch andere mögliche Tätigkeiten weiterhin uneingeschränkt ausüben und sei damit nicht invalid, im Einspracheentscheid vom 19. Januar 2006 aber ausführlich auf die umfangreichen medizinischen Akten einging (vgl. auch Urteil I 406/06 vom 19. April 2007, E. 4.1). 
 
4. 
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf eine Invalidenrente. 
 
4.1 Im Einspracheentscheid und im vorinstanzlichen Entscheid werden die Rechtsprechung zur Aufgabe des Arztes oder der Ärztin im Rahmen der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 256 E. 4 S. 261), zum Beweiswert und zur Beweiswürdigung medizinischer Berichte und Gutachten (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352) sowie zur auf einen psychischen Gesundheitsschaden zurückzuführenden Erwerbsunfähigkeit (BGE 131 V 49 E. 1.2 S. 50) und zur Beurteilung der invalidisierenden Wirkung einer somatoformen Schmerzstörung (BGE 130 V 396, 352) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
 
4.2 Das kantonale Gericht verneinte einen Rentenanspruch der Versicherten mit der Begründung, nach den medizinischen Akten habe im massgebenden Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Verwaltungsaktes weder ein physischer noch ein psychischer Gesundheitsschaden vorgelegen, welcher die Arbeitsfähigkeit der Versicherten einschränkte; namentlich komme der von verschiedenen Ärzten diagnostizierten Schmerzsymptomatik keine invalidisierende Wirkung zu. 
4.3 
4.3.1 Vorab ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin nichts zu ihren Gunsten abzuleiten vermag aus dem Umstand, dass Dr. med. S.________, Facharzt für Rheumatologie und Innere Medizin FMH, eine Fibromyalgie diagnostizierte (Bericht vom 20. September 2005), weil diese u.a. hinsichtlich ihrer unklaren Pathogenese so weitgehende Gemeinsamkeiten mit der somatoformen Schmerzstörung aufweist, dass die Rechtsprechung beide ätiologisch unklaren syndromalen Zustände gleich behandelt (vgl. BGE 132 V 65 E. 4 S. 70 ff.). 
4.3.2 Der Beschwerdeführerin kann nicht gefolgt werden, soweit sie geltend macht, indem die Vorinstanz die Kritik am Gutachten des Dr. med. T.________, Facharzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, Institut für medizinische Begutachtung (IMB), vom 11. Juli 2005 als berechtigt erklärt und dennoch nicht auf die Stellungnahmen der übrigen Ärzte abgestellt oder ein Obergutachten eingeholt habe, habe sie den Sachverhalt widersprüchlich festgestellt. Denn wie aus den vorinstanzlichen Erwägungen hervorgeht, kritisierte das kantonale Gericht am Gutachten des Dr. med. T.________ allein den Ausschluss einer somatoformen Schmerzstörung aufgrund fehlender Objektivierbarkeit der Beschwerden, was sich nicht beanstanden lässt, zeichnet sich dieses Beschwerdebild doch gerade dadurch aus, dass es aufgrund somatischer Störungen nicht oder nicht gänzlich erklärbar ist (vgl. auch BGE 132 V 65 E. 4.1 S. 70 mit Hinweisen). Dass das Gericht sodann für die Beurteilung der Frage, ob eine psychische Komorbidität oder weitere Umstände gegeben sind, welche die Schmerzbewältigung behindern, u.a. dennoch (auch) auf das Gutachten vom 11. Juli 2005 abgestellt hat, gibt zu keiner Kritik Anlass, weil diese Frage unabhängig vom beanstandeten Punkt beurteilt werden kann. 
4.3.3 Sodann trifft es - wiederum entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde - nicht zu, dass die Vorinstanz einseitig auf das Gutachten des Dr. med. T.________ vom 11. Juli 2005 abgestellt hätte, hat sie doch nicht nur was die Diagnose anbelangt (somatoforme Schmerzstörung oder Fibromyalgie), sondern auch in der Frage nach dem Vorliegen einer psychischen Komorbidität oder weiterer die Schmerzbewältigung behindernder Punkte, die Stellungnahmen der übrigen Ärzte - namentlich des Dr. med. S.________, des Dr. med. G.________, leitender Arzt am Sozialpsychiatrischen Dienst [SPD], und des Dr. med. R.________, FMH für Innere Medizin - sehr wohl berücksichtigt. Dabei brauchte die Vorinstanz, entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung, auf den von der Versicherten nachträglich eingereichten Bericht des Dr. med. R.________ vom 23. Februar 2007 nicht weiter einzugehen, weil den entsprechenden Ausführungen nichts Neues entnommen werden konnte (Bestätigung einer Arbeitsunfähigkeit von auf Dauer 50 % bei multiplem Beschwerdebild). Ebenso verhält es sich mit dem Bericht des Dr. med. G.________ vom 16. Februar 2007; auch die darin attestierte leichte bis mittelgradige depressive Störung kann nicht als psychisch ausgewiesene Komorbidität von erheblicher Schwere, Intensität, Ausprägung und Dauer qualifiziert werden (vgl. Urteil I 805/04 vom 20. April 2006, E. 5.2.1). 
4.3.4 Jeglicher Grundlage entbehrt sodann der Vorwurf, die Vorinstanz habe in aktenwidriger Weise der Berichterstattung durch Dr. med. G.________ entnommen, es liege keine Invalidität vor, nachdem dieser Arzt "genau das Gegenteil" behauptet hätte. Denn die Beschwerdeführerin übersieht, dass es Aufgabe des Richters (und nicht des Arztes) ist, darüber zu befinden, ob die ärztlicherseits festgestellte Leistungseinbusse invalidenversicherungsrechtlich relevant ist (vgl. SVR 2008 IV Nr. 23 S. 71 E. 2.2, I 683/06). Dass die Vorinstanz diese Frage verneint, mithin der diagnostizierten somatoformen Schmerzstörung eine invalidisierende Wirkung abgesprochen hat, ist nicht zu beanstanden, weil die Angaben des Dr. med. G.________ (wie der übrigen Ärzte) darauf schliessen lassen, dass die vorhandenen psychischen Ressourcen der Beschwerdeführerin nicht derart eingeschränkt sind, dass ihr eine adäquate Schmerzbewältigung - zwecks Realisierung der verbleibenden Arbeitsfähigkeit in körperlich angepassten Tätigkeiten - unter entsprechender Willensanstrengung nicht (mehr) möglich und zumutbar wäre (vgl. auch BGE 132 V 65 E. 4.2.2 S. 71, 131 V 49 E. 1.2 S. 50 f., 130 V 352 E. 2.2.3 S. 354 f.). 
4.3.5 Die im angefochtenen Entscheid vorgenommene antizipierte Beweiswürdigung, gemäss welcher keine weiteren medizinischen Abklärungen erforderlich sind, beschlägt Fragen tatsächlicher Natur und ist daher für das Bundesgericht verbindlich (E. 1 hievor), da von einer Rechtsfehlerhaftigkeit im Sinne von Art. 105 Abs. 2 BGG nicht die Rede sein kann. Nach dem Gesagten bleibt auch für die von der Beschwerdeführerin mit Eventualbegehren verlangte Rückweisung an die Vorinstanz bzw. die IV-Stelle zur ergänzenden Abklärung kein Raum. 
 
5. 
Die unterliegende Beschwerdeführerin trägt die Kosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Uri und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 28. Oktober 2008 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Meyer Keel Baumann