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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_459/2014  
{  
T 0/2  
}  
   
   
 
 
 
Urteil vom 28. Oktober 2014  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kernen, Präsident, 
Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino, 
Gerichtsschreiber Furrer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Zimmermann, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Aargau,  
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau, 
Beschwerdegegnerin, 
 
Sammelstiftung Vita,  
c/o Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG, 
Postfach, 8085 Zurich. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente; Revision), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau 
vom 21. Mai 2014. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1969 geborene A.________, zuletzt als Verkäuferin und selbstständigerwerbende Fusspflegerin tätig gewesen, meldete sich am 15. Mai 1996 unter Hinweis auf ein am 7. März 1995 erlittenes Schleudertrauma bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach Abklärungen in medizinischer und erwerblicher Hinsicht sprach ihr die IV-Stelle des Kantons Aargau (nachfolgend: IV-Stelle) mit Verfügung vom 16. Dezember 1998 eine halbe Invalidenrente mit Wirkung ab 1. März 1996 zu. 
Im Rahmen eines im Januar 2001 eingeleiteten Revisionsverfahrens erhöhte die IV-Stelle gestützt auf eine vom Unfallversicherer veranlasste rheumatologisch-neurologisch-orthopädische Untersuchung des Spitals B.________ (Gutachten vom 29. November 2002, 5. Februar und 3. April 2003) die halbe Rente per 1. September 2001 auf eine ganze Invalidenrente (Verfügung vom 6. September 2004). Der Anspruch auf eine ganze Invalidenrente wurde mit Mitteilung vom 15. August 2008 bestätigt. 
Aufgrund eines anonymen Hinweises auf ein im November 2010 von den Ehegatten A.________ eröffnetes Blumenatelier leitete die IV-Stelle im Mai 2011 eine weitere Rentenrevision ein. In der Folge liess sie A.________ einen Fragebogen ausfüllen, führte mit ihr am 14. November 2011 eine Befragung durch und veranlasste eine polydisziplinäre Begutachtung durch die MEDAS (Expertise vom 28. September 2012). Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens hob die IV-Stelle mit Verfügung vom 30. April 2013 die Invalidenrente auf das Ende des der Zustellung folgenden Monats auf. 
 
B.   
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 21. Mai 2014 ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids die Weiterausrichtung der ganzen Invalidenrente beantragen. Eventualiter seien weitere Sachverhaltsabklärungen durchzuführen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung des Sachverhalts nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.   
Das kantonale Gericht hat die für die Beurteilung der Streitsache massgeblichen materiell- und beweisrechtlichen Grundlagen gemäss Gesetz und Rechtsprechung zutreffend dargelegt. Dies betrifft namentlich die Bestimmungen und Grundsätze zum Begriff der Invalidität im Allgemeinen (Art. 8 ATSG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 IVG) und bei psychischen Gesundheitsschäden im Besonderen (BGE 136 V 279 E. 3.2.1 S. 280; 131 V 49 E. 1.2. S. 50; 130 V 352 E. 2.1.1 S. 353), zum nach dem Grad der Invalidität abgestuften Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 Abs. 2 IVG), zur Rentenrevision (Art. 17 ATSG; BGE 130 V 71 E. 3.2.3 S. 75 f. und 133 V 108; vgl. auch BGE 130 V 343 E. 3.5 S. 349) sowie zum Beweiswert und zur Beweiswürdigung medizinischer Berichte und Gutachten (BGE 137 V 210 E. 1.3.4 S. 227; 125 V 351 E. 3a S. 352; je mit Hinweis). Darauf wird verwiesen. 
Zu ergänzen ist, dass der Beweiswert eines zwecks Rentenrevision erstellten Gutachtens wesentlich davon abhängt, ob es sich ausreichend auf das Beweisthema - erhebliche Änderung (en) des Sachverhalts - bezieht. Einer für sich allein betrachtet vollständigen, nachvollziehbaren und schlüssigen medizinischen Beurteilung, die im Hinblick auf eine erstmalige Beurteilung der Rentenberechtigung beweisend wäre, mangelt es daher in der Regel am rechtlich erforderlichen Beweiswert, wenn sich die (von einer früheren abweichende) ärztliche Einschätzung nicht hinreichend darüber ausspricht, inwiefern eine effektive Veränderung des Gesundheitszustandes stattgefunden hat. Vorbehalten bleiben Sachlagen, in denen es evident ist, dass die gesundheitlichen Verhältnisse sich verändert haben (Urteil 9C_418/2010 vom 29. August 2011 E. 4.2, in: SVR 2012 IV Nr. 18 S. 81). 
 
3.  
 
3.1. Für die Beurteilung der Frage, ob bis zum Abschluss des aktuellen Verwaltungsverfahrens eine anspruchserhebliche Änderung des Invaliditätsgrades eingetreten ist, hat die Vorinstanz als Vergleichsbasis die Verhältnisse im Zeitpunkt der rentenerhöhenden Verfügung vom 6. September 2004 herangezogen. Dies erweist sich als rechtskonform, da die Mitteilung vom 15. August 2008 lediglich auf einem Fragebogen und einem ärztlichen Verlaufsbericht beruht, mithin nicht auf einer umfassenden Überprüfung der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mit Blick auf die Revisionsvoraussetzungen im Sinne von Art. 17 Abs. 1 ATSG erfolgte und daher als Vergleichsbasis ausser Betracht fällt (zu den Voraussetzungen einer materiellen Prüfung des Rentenanspruchs: BGE 133 V 108; Urteil 8C_441/2012 vom 25. Juli 2013 E. 3.1.2, in: SVR 2013 IV Nr. 44 S. 134).  
 
3.2. Die Vorinstanz erwog, die MEDAS-Gutachter hätten sich nur sehr rudimentär zu eingetretenen Veränderungen des medizinischen Sachverhalts geäussert. Dazu habe insbesondere der rheumatologische Experte Stellung genommen und ausgeführt, es zeigten sich zwar prinzipiell keine neuen Aspekte und Abweichungen der Beurteilung oder Diagnosen, doch habe sich das im Vorgutachten des Spitals B.________ vom 3. April 2003 bescheinigte Besserungspotenzial mittlerweile realisiert. Das kantonale Gericht erachtete diese Einschätzung im Lichte der Rechtsprechung als schlüssig, weshalb es von einer Verbesserung ausging, dies auch mit Blick auf die übrigen Umstände. Unter anderem gab es zahlreiche Aussagen der Beschwerdeführerin wieder, welche für eine günstige Entwicklung der Schmerzproblematik seit der Verfügung vom 6. September 2004 sprächen. Ferner zeige sich die Erhöhung der Leistungsfähigkeit in der Aufnahme und Steigerung der Freizeitbeschäftigung, welche in einer - wenn auch betriebswirtschaftlich nicht erfolgreichen - Geschäftseröffnung (Blumenatelier) gemündet habe. In diesem Sinne habe auch der Hausarzt im Bericht vom 26. Dezember 2011 festgehalten, im Jahr 2009 hätten sich die Folgen des Auffahrunfalls gebessert, diese seien nicht mehr Alltagsthema. Sodann sei bei der Begutachtung festgestellt worden, dass die Beschwerdeführerin nun eine längere Zeit sitzen könne, was im Jahr 2004 nicht möglich gewesen sei. Zusammenfassend hätten sich die Schleudertraumabeschwerden seit der Verfügung vom 6. September 2004 in mehrfacher Hinsicht gebessert. Mithin liege eine relevante Sachverhaltsveränderung und damit ein Revisionsgrund im Sinne von Art. 17 ATSG vor. Ungeachtet der Frage, ob die gutachterlich attestierte Arbeitsunfähigkeit (von 30 % in einer adaptierten Tätigkeit) aus invalidenversicherungsrechtlicher Sicht zu übernehmen sei, resultiere ein rentenausschliessender Invaliditätsgrad.  
 
3.3. Die Beschwerdeführerin rügt im Wesentlichen, die Vorinstanz verletze Bundesrecht (Art. 17 ATSG), indem sie zu Unrecht von einem Revisionsgrund ausgegangen sei. In Tat und Wahrheit sei das Gutachten der MEDAS vom 28. September 2013 (recte: 2012) nichts anderes als eine unterschiedliche Beurteilung eines im Wesentlichen unverändert gebliebenen medizinischen Sachverhalts. Das Gutachten vergleiche in keiner Weise den Gesundheitszustand in den relevanten Zeitpunkten und führe auch nicht aus, weshalb eine Besserung eingetreten sein soll. Dass sich der Gesundheitszustand nicht verändert habe, zeige die Gegenüberstellung der Diagnosen gemäss MEDAS-Gutachten und den im Jahr 2004 (recte: 2002 bzw. 2003) erstellten Gutachten des Spitals B.________.  
Diese Einwände dringen nicht durch. Zunächst einmal schliesst der Umstand, dass sich die Diagnosen seit der Begutachtung im Jahr 2002 bzw. 2003 nicht (wesentlich) verändert haben, eine revisionsrechtlich erhebliche Steigerung des tatsächlichen Leistungsvermögens (Arbeitsfähigkeit) grundsätzlich nicht aus. Dies gilt namentlich dann, wenn der Schweregrad eines Leidens sich verringert hat oder es der versicherten Person gelungen ist, sich besser an das Leiden anzupassen (Urteil 9C_613/2012 vom 7. Dezember 2012 E. 3.2 mit Hinweis; MEYER/REICHMUTH, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung, 3. Aufl. 2014, S. 424 Rn. 22). Vorliegend entscheidend ist jedoch - worauf das kantonale Gericht zu Recht hinwies -, dass die Vorgutachter von einer weiteren ärztlichen Behandlung (u.a. Muskellockerung thorakolumbal, Haltungsaufbau, Ausdauerübungen) "eine namhafte Besserung des Gesundheitszustands" erwarteten (Expertise vom 3. April 2003 S. 6 Ziff. 6). Konkret sollte für adaptierte Tätigkeiten eine Verminderung der Arbeitsunfähigkeit unter 50 % möglich sein (Expertise S. 6 Ziff. 7). Gemäss bundesgerichtlicher Praxis bedarf es in Fällen, in welchen die Ärzte eine Verbesserung des Leidensbildes prognostizieren, zwar weiterer Abklärungen zu deren Bestätigung. Indessen kann von einer wesentlichen Verbesserung des Gesundheitszustandes gegenüber der Situation im Zeitpunkt der Rentenzusprache (bzw. hier: der Rentenerhöhung), welche eine Aufhebung oder Herabsetzung der Rente rechtfertigt, ausgegangen werden, wenn ein beweistaugliches Gutachten mit unmissverständlich attestierter Arbeitsfähigkeit vorliegt (Urteil 8C_959/2012 vom 3. April 2013 E. 2.3 mit Hinweis). Diese Voraussetzung ist mit dem polydisziplinären MEDAS-Gutachten vom 28. September 2012, gemäss welchem eine adaptierte Tätigkeit ganztags zumutbar ist mit einer Einschränkung der Leistungsfähigkeit von 30 %, und dessen (grundsätzlicher) Beweiswert auch von der Beschwerdeführerin nicht in Zweifel gezogen wird, erfüllt. Überdies ist das kantonale Gericht nicht in Willkür verfallen, indem es auch aufgrund der anamnestischen Angaben von einem gebesserten Zustand ausging. Tatsächlich lassen die im angefochtenen Entscheid wiedergegebenen Äusserungen den Schluss auf eine nicht unerhebliche Besserung der Beschwerdeproblematik zu, namentlich jene, sie habe "eigentlich prinzipiell keine bedeutsamen Schmerzprobleme", es gebe "absolut schmerzfreie Tage", Schmerzmedikamente seien "mittlerweile nicht mehr nötig" (rheumatologisches Teilgutachten S. 2) und "sie arbeite zwar 2-3 Tage voll, während ihr Ehemann weg sei, habe dann aber auch wieder Zeit, sich auszuruhen" (psychiatrisches Teilgutachten S. 8). Dasselbe gilt für die weiteren von der Vorinstanz gewürdigten Indizien, namentlich dass der Hausarzt eine Besserung seit 2009 attestierte (Verlaufsbericht vom 26. Dezember 2011) und dass die Beschwerdeführerin zusammen mit ihrem Ehemann im November 2010 ein Blumenatelier eröffnet hatte. 
Zusammenfassend vermag die Beschwerdeführerin nichts vorzubringen, was die vorinstanzliche Feststellung, seit der Verfügung vom 6. September 2004 sei eine invaliditätsrelevante Veränderung in den gesundheitlichen Verhältnissen sowie im funktionellen Leistungsvermögen eingetreten, welche für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich ist (erwähntes Urteil 9C_418/2010 E. 5.1), als offensichtlich unrichtig oder sonstwie bundesrechtswidrig erscheinen liesse. Ebenso wenig hat die Vorinstanz die im Revisionsfall zu beachtenden beweisrechtlichen Vorgaben missachtet. Bei diesem Ergebnis kann offen bleiben, ob mit der Eröffnung bzw. Führung eines Blumenateliers mit zeitweise bis zu drei Angestellten auch in erwerblicher Hinsicht ein Revisionsgrund vorgelegen hätte. 
 
3.4. Nicht im Streit liegen die vorinstanzlichen, auf dem MEDAS-Gutachten basierenden Feststellungen zur Arbeits- und Leistungsfähigkeit. Folglich ist der rechtserhebliche Sachverhalt hinreichend abgeklärt und die Vorinstanz durfte ohne Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 61 lit. c ATSG) auf die Anordnung weiterer Beweismassnahmen in antizipierter Beweiswürdigung verzichten (BGE 124 V 90 E. 4b S. 94; 122 V 157 E. 1d S. 162). Dem Eventualantrag auf weitere Abklärung ist daher nicht stattzugeben.  
 
3.5. Die Invaliditätsbemessung ist ebenfalls nicht bestritten. Es besteht - mangels Anhaltspunkte für eine rechtswidrige Bemessung des Invaliditätsgrades - kein Anlass zu einer näheren Prüfung (vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). Damit hat es bei der revisionsweisen Aufhebung des Rentenanspruchs sein Bewenden.  
 
4.   
Die unterliegende Beschwerdeführerin trägt die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, der Sammelstiftung Vita, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 28. Oktober 2014 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kernen 
 
Der Gerichtsschreiber: Furrer