Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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{T 0/2}
6B_1124/2015
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Urteil vom 29. Januar 2016
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Rüedi,
Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiberin Schär.
Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Fürsprecher Ralph George,
Beschwerdeführer,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, 4051 Basel,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Revision (Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit); Willkür, rechtliches Gehör,
Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, vom 17. August 2015.
Sachverhalt:
A.
Mit Urteil des Strafgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 7. September 2011 wurde X.________ der groben Verletzung der Verkehrsregeln durch Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit, begangen am 15. Mai 2009, schuldig gesprochen und mit einer bedingten Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu Fr. 160.-- sowie einer Busse von Fr. 900.-- bestraft.
Auf Berufung von X.________ hin bestätigte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt am 16. Mai 2014 das erstinstanzliche Urteil.
B.
Mit Eingabe vom 20. März 2015 stellte X.________ beim Appellationsgericht ein Revisionsgesuch und machte geltend, es liege ein Schreiben seines Schwagers vom 17. März 2015 vor, worin dieser bestätige, am 15. März 2009 mit seinem Fahrzeug unterwegs gewesen zu sein.
Am 17. August 2015 wies das Appellationsgericht das Revisionsgesuch ab.
C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des Strafgerichts vom 7. September 2011 sowie die Urteile des Appellationsgerichts vom 16. Mai 2014 und vom 17. August 2015 seien aufzuheben und sein Revisionsgesuch sei gutzuheissen.
Erwägungen:
1.
Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen und des Bundesstrafgerichts (Art. 80 Abs. 1 BGG). Anfechtungsobjekt bildet das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 17. August 2015. Soweit der Beschwerdeführer die Aufhebung anderer Urteile verlangt, kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.
2.
Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz vor, sie verweigere die Revision zu Unrecht. Er habe stets geltend gemacht, nicht zu wissen, wer damals seinen Wagen gelenkt habe. Jedenfalls sei ausgeschlossen, dass er gefahren sei. Selbst die kantonalen Gerichte hätten zugestanden, dass aus den Radarfotos keine Rückschlüsse auf die Identität des Fahrers gezogen werden könnten. Dennoch sei er für schuldig befunden worden. Im Frühjahr 2015 habe sich ergeben, dass sein Schwager A.________ am 15. Mai 2009 mit seinem Fahrzeug unterwegs gewesen sei. A.________ habe dies in einem Schreiben, datiert vom 17. März 2015, bestätigt. Gestützt auf das schriftliche Geständnis habe er am 20. März 2015 bei der Vorinstanz ein Revisionsgesuch eingereicht. Die Vorinstanz ziehe die schriftliche Erklärung von A.________ in Zweifel, ohne diesen angehört zu haben. Seine Befragung würde die Situation durchaus in einem anderen Licht erscheinen lassen. Stattdessen stelle die Vorinstanz Mutmassungen an, welche einseitig und willkürlich erschienen. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV), des Willkürverbots (Art. 9 BV) sowie von Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO.
2.1. Wer durch ein rechtskräftiges Strafurteil beschwert ist, kann nach Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO die Revision verlangen, wenn neue, vor dem Entscheid eingetretene Tatsachen oder neue Beweismittel vorliegen, die geeignet sind, einen Freispruch oder eine wesentlich mildere Bestrafung der verurteilten Person herbeizuführen.
Neu sind Tatsachen und Beweismittel, wenn das Gericht im Zeitpunkt der Urteilsfällung keine Kenntnis von ihnen hatte, das heisst, wenn sie ihm nicht in irgendeiner Form unterbreitet worden sind (BGE 137 IV 59 E. 5.1.2 mit Hinweis).
Neue Tatsachen und Beweismittel sind erheblich, wenn sie geeignet sind, die tatsächlichen Feststellungen, auf die sich die Verurteilung stützt, zu erschüttern, und wenn die so veränderten Tatsachen einen deutlich günstigeren Entscheid zugunsten des Verurteilten ermöglichen (BGE 137 IV 59 E. 5.1.4; 130 IV 72 E. 1). Die Revision ist zuzulassen, wenn die Abänderung des früheren Urteils wahrscheinlich ist. Der Nachweis einer solchen Wahrscheinlichkeit darf nicht dadurch verunmöglicht werden, dass für die neue Tatsache ein Beweis verlangt wird, der jeden begründeten Zweifel ausschliesst (BGE 116 IV 353 E. 4e).
2.2. Ob eine Tatsache oder ein Beweismittel geeignet ist, die tatsächlichen Grundlagen des Urteils zu erschüttern, dessen Revision verlangt wird, ist eine Tatfrage. Rechtsfrage ist hingegen, ob die voraussichtliche Veränderung der tatsächlichen Grundlagen rechtlich relevant ist, das heisst zu einem im Schuld- oder Strafpunkt für den Verurteilten günstigeren Urteil führen kann (BGE 130 IV 72 E. 1; 122 IV 66 E. 2a; je mit Hinweisen).
Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 139 II 404 E. 10.1 mit Hinweisen; zum Begriff der Willkür BGE 140 III 264 E. 2.3; 139 III 334 E. 3.2.5; 138 I 49 E. 7.1; je mit Hinweisen). Eine entsprechende Rüge muss klar vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 138 I 225 E. 3.2 mit Hinweis). Auf rein appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 141 IV 249 E. 1.3.1; 139 II 404 E. 10.1; 137 IV 1 E. 4.2.3; je mit Hinweisen).
2.3. A.________ hält im Schreiben vom 17. März 2015 fest, er habe den Beschwerdeführer am 15. Mai 2009 besuchen wollen. Als er diesen nicht angetroffen habe, habe er spontan dessen Wagen ausgeliehen. Die Vorinstanz erwägt, das Schreiben von A.________, welches sechs Jahre nach dem Vorfall eingereicht worden sei, könne nicht unbesehen als neue Tatsache im Sinne von Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO gelten. Inhaltlich halte das Schreiben einer näheren Prüfung nicht stand. Die Version des unangekündigten Besuchs sei nicht plausibel. Zwar sei ein Überraschungsbesuch an sich noch nichts Ungewöhnliches. Allerdings habe A.________, als er den Beschwerdeführer und dessen Ehefrau nicht angetroffen habe, nicht wissen können, wann diese zurückkehren und ihr Fahrzeug benötigen würden. Vor diesem Hintergrund sei zweifelhaft, dass er ohne auch nur zu versuchen, den Beschwerdeführer zu kontaktieren und um Erlaubnis zu bitten, dessen Fahrzeug für einen mehrstündigen Abstecher nach Basel behändigt haben soll. Wäre der Besuch sodann in geschäftlichem und nicht in privatem Zusammenhang erfolgt, wäre er vorher abgesprochen worden, da A.________ zwei Autostunden vom Beschwerdeführer entfernt wohne. Es widerspreche jeglicher Lebenserfahrung, dass sich A.________ knapp sechs Jahre nach dem Vorfall plötzlich daran erinnere, das Fahrzeug des Beschwerdeführers zum inkriminierten Zeitpunkt gefahren zu haben. Der Beschwerdeführer erkläre dies damit, dass ein solches Ereignis (Ausleihen des Fahrzeugs für eine Fahrt nach Basel) eher selten vorkomme. Nach der Vorinstanz erscheine es gerade deshalb als äusserst ungewöhnlich, dass A.________ das Fahrzeug des Beschwerdeführers kurzerhand für eine längere Fahrt benutzt haben soll, da er mit dem Beschwerdeführer in der Regel lediglich zwei bis dreimal pro Jahr Kontakt habe. Hinzu komme, dass A.________ selber ebenfalls motorisiert gewesen sei. Hätte er das Fahrzeug dennoch ausnahmsweise ausgeliehen, hätte er dies dem Beschwerdeführer gegenüber sicherlich erwähnt und zwar nicht erst sechs Jahre später, sondern spätestens beim nächsten Treffen. Auffällig scheine schliesslich, dass das Revisionsgesuch in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem gegen den Beschwerdeführer laufenden Administrativverfahren betreffend Entzug des Führerausweises stehe. Unter Berücksichtigung der erwähnten Umstände bestünden derart offensichtliche Zweifel am Inhalt des Bestätigungsschreibens vom 17. März 2015, dass es sich dabei nicht um eine erhebliche neue Tatsache im Sinne von Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO handle. Schliesslich erwägt die Vorinstanz, das Strafverfahren habe sich über mehrere Jahre hingezogen. Während dieser Zeit habe der Beschwerdeführer ausreichend Gelegenheit gehabt, die Person ausfindig zu machen, welche am 15. Mai 2009 angeblich seinen Wagen benutzt haben soll. Plausible Hinweise auf eine Dritttäterschaft habe er jedoch nicht gemacht. Wäre A.________ tatsächlich Lenker des Fahrzeugs gewesen, hätte dies der Beschwerdeführer gewusst bzw. bei hinreichender Sorgfalt in Erfahrung bringen können und im Rahmen des abgeschlossenen Strafverfahrens geltend machen müssen. Vor diesem Hintergrund erscheine die nachträgliche Einreichung des inhaltlich höchst zweifelhaften Bestätigungsschreibens nicht als zulässiger Revisionsgrund.
2.4. Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, es könne gut sein, dass A.________ anlässlich des Besuchs in der Firma des Beschwerdeführers erfahren habe, dass dieser mit seiner Frau nach Deutschland geflogen sei. A.________ habe aufgrund dessen annehmen dürfen, der Beschwerdeführer würde nicht am selben Tag zurückkehren. Es sei nicht abwegig, dass sich A.________ sechs Jahre nach dem Vorfall aufgrund der Stichworte Deutschlandtrip, Überraschungsbesuch, Benützung des BMW und Basel an das Ereignis erinnere. Selbst wenn der Kontakt lediglich sporadisch sei, schliesse dies ein gutes Verhältnis inklusive der Befugnis zur Benützung des Personenwagens nicht aus. Dass A.________ dem Beschwerdeführer vom Ausleihen des Fahrzeugs nichts erzählt habe, könne auch damit begründet werden, dass er schlicht nicht mehr daran gedacht habe. Schliesslich macht der Beschwerdeführer geltend, er habe sämtliche ihm zumutbaren Nachforschungen bezüglich des Fahrzeuglenkers angestellt.
2.5. Was der Beschwerdeführer vorbringt, stellt lediglich eine Bekräftigung des bereits im kantonalen Verfahren eingenommenen Standpunkts dar. Weiter führt er aus, wie die mutmasslichen Aussagen des seiner Meinung nach einzuvernehmenden A.________ zu interpretieren wären. Dies ist nicht geeignet, Willkür im vorinstanzlichen Entscheid aufzuzeigen. Die Vorinstanz legt in nachvollziehbarer Weise dar, weshalb sie am Inhalt des Schreibens vom 17. März 2015 zweifelt. Dazu geht sie auf die Umstände des angeblichen Überraschungsbesuchs sowie auf die Art und Häufigkeit der üblicherweise zwischen dem Beschwerdeführer und A.________ stattfindenden Kontakte ein. Unter Willkürgesichtspunkten ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz unter den von ihr aufgeführten Umständen davon ausgeht, es sei unglaubhaft, dass A.________ unangemeldet aus dem zwei Autostunden entfernten Überlingen angereist sei und das Fahrzeug des Beschwerdeführers ohne Rücksprache für eine längere Fahrt ausgeliehen habe. Zu Recht weist die Vorinstanz darauf hin, es sei merkwürdig, dass A.________ den Beschwerdeführer auch im Nachhinein nicht über die Benützung des Fahrzeugs informiert habe, sich aber rund sechs Jahre später, während des laufenden Administrativverfahrens, plötzlich wieder daran erinnere. Die vorinstanzliche Würdigung des Schreibens vom 17. März 2015 erweist sich eindeutig als haltbar und ist nicht geradezu willkürlich.
2.6. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem sie A.________ nicht einvernommen habe.
Aus dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV ergibt sich für die Parteien das Recht, Beweisanträge zu stellen, und für die Behörden die Pflicht, rechtzeitig und formgültig angebotene Beweisbegehren entgegenzunehmen und zu berücksichtigen. Indes kann der Richter das Beweisverfahren schliessen, wenn die Anträge nicht erhebliche Tatsachen betreffen. Gleichermassen kann er Beweisanträge ohne Verletzung des rechtlichen Gehörs ablehnen, wenn er aufgrund bereits abgenommener Beweise seine Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür in vorweggenommener antizipierter Beweiswürdigung annehmen kann, dass seine Überzeugung durch weitere Beweiserhebungen nicht geändert würde (BGE 136 I 229 E. 5.3; 134 I 140 E. 5.3; je mit Hinweisen).
Unbehelflich ist in diesem Zusammenhang der Verweis des Beschwerdeführers auf den bundesgerichtlichen Entscheid 6B_288/2015 vom 12. Oktober 2015. In jenem Fall erwog das kantonale Gericht selber, der Sachverhalt könne ohne die Erhebung weiterer Beweise nicht ausreichend geklärt werden und sprach den Beschuldigten in dubio pro reo frei. Das Bundesgericht entschied, der Grundsatz in dubio pro reo könne erst zur Anwendung kommen, wenn alle aus Sicht des urteilenden Gerichts notwendigen Beweise erhoben worden seien. Nur wenn nach einer Gesamtwürdigung derselben nicht zu unterdrückende Zweifel am Anklagevorwurf verblieben, sei die beschuldigte Person freizusprechen. Der Fall wurde zur Erhebung weiterer Beweise an die Vorinstanz zurückgewiesen. Vorliegend erachtet die Vorinstanz weitere Beweismassnahmen, insbesondere die Befragung von A.________, nicht als erforderlich. Sie begründet ihren Entscheid ausführlich und in nachvollziehbarer Weise. Wie bereits ausgeführt, ist die vorinstanzliche Würdigung des Schreibens vom 17. März 2015 unter dem Aspekt der Willkür nicht zu beanstanden. Die Vorinstanz durfte daher in antizipierter Beweiswürdigung auf die Befragung von A.________ verzichten, ohne das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers zu verletzen.
2.7. Die Abweisung des Revisionsgesuchs verletzt kein Bundesrecht.
3.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind ausgangsgemäss dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Dem Beschwerdeführer werden die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 29. Januar 2016
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Denys
Die Gerichtsschreiberin: Schär