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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1C_701/2020  
 
 
Urteil vom 29. Januar 2021  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Haag, Merz, 
Gerichtsschreiber Forster. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Mark Livschitz, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Schützengasse 1, 9001 St. Gallen. 
 
Gegenstand 
Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an die Republik Österreich; Herausgabe einer Strafentscheidung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid 
des Bundesstrafgerichts, Beschwerdekammer, 
vom 2. Dezember 2020 (RR.2020.59). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Beim Bezirksgericht Kitzbühel ist ein Strafverfahren gegen A.________ wegen Urkundenunterdrückung anhängig. Mit Rechtshilfebegehren vom 11. November 2019 ersuchten die Behörden der Republik Österreich die Schweizer Behörden um Edition eines Strafurteils vom 5. April 2016, in welchem das Kantonsgericht St. Gallen die Verfolgte (separat) wegen Begünstigung und falscher Zeugenaussage verurteilt hatte. 
 
B.   
Am 27. November 2019 trat die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Untersuchungsamt, auf das Rechtshilfeersuchen ein. Mit Schlussverfügung vom 29. Januar 2020 bewilligte sie die rechtshilfeweise Herausgabe des Strafurteils vom 5. April 2016 des Kantonsgerichts an die ersuchende Behörde. Auf eine von der Verfolgten dagegen erhobene Beschwerde trat das Bundesstrafgericht, Beschwerdekammer, am 2. Dezember 2020 (mangels Legitimation) nicht ein. 
 
C.   
Gegen den Entscheid des Bundesstrafgerichtes gelangte die Verfolgte mit Beschwerde vom 14. Dezember 2020 an das Bundesgericht. Sie beantragt neben der Aufhebung des angefochtenen Entscheides die Abweisung des Rechtshilfeersuchens. 
Die Staatsanwaltschaft beantragt mit Vernehmlassung vom 18. Dezember 2020, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen. Das Bundesamt für Justiz schliesst mit Stellungnahme vom 22. Dezember 2020 auf Abweisung der Beschwerde. Gleichentags liess sich auch das Bundesstrafgericht vernehmen. Innert der auf den 5. Januar 2021 (antragsgemäss) erstreckten Frist leistete die Beschwerdeführerin den vom Bundesgericht am 17. Dezember 2020 verlangten Kostenvorschuss. Die auf den 21. Januar 2021 (fakultativ) angesetzte Replikfrist lief ungenutzt ab. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Im vorliegenden Fall geht es um die rechtshilfeweise Herausgabe eines Gegenstandes und damit grundsätzlich um ein Sachgebiet, bei dem die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten - gemäss Artikel 84 Absatz 1 BGG - insoweit zulässig wäre. Es kann offen bleiben, ob die Auffassung der Beschwerdeführerin zuträfe, dass hier (Herausgabe eines Strafurteils) überdies eine Übermittlung von Informationen aus dem Geheimbereich streitig wäre (vgl. BGE 133 IV 125 E. 1.4 S. 128 f.; 132 E. 1.3 S. 133 f.). Zu prüfen bleibt aber zusätzlich noch, ob es sich hier um einen besonders bedeutenden Fall - im Sinne von Artikel 84 Absatz 2 BGG - handelt. 
Ein besonders bedeutender Fall liegt gemäss Artikel 84 Absatz 2 BGG "insbesondere" vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist. Das Gesetz enthält eine nicht abschliessende, nur beispielhafte Aufzählung von möglichen besonders bedeutenden Fällen. Darunter fallen nicht nur Beschwerdesachen, die Rechtsfragen von grundsätzlicher Tragweite aufwerfen, sondern überdies auch solche, die aus anderen Gründen besonders bedeutsam sind (BGE 145 IV 99 E. 1.1 S. 104 mit Hinweisen; vgl. Donatsch/Heimgartner/Meyer/Simonek, Internationale Rechtshilfe, 2. Aufl., Zürich 2015, S. 155-157; Marc Forster, in: Basler Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, 3. Aufl. 2018, Art. 84 N. 29-32d; Seiler/von Werdt/Güngerich/Oberholzer, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl., Bern 2015, Art. 84 N. 14; Spühler/Aemisegger/Dolge/Vock, Praxiskommentar BGG, 2. Aufl., Zürich 2013, Art. 84 N. 9). 
 
1.1. Artikel 84 BGG bezweckt die wirksame Begrenzung des Zugangs zum Bundesgericht im Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen. Bei der Beantwortung der Frage, ob ein besonders bedeutender Fall gegeben ist, steht dem Bundesgericht ein weiter Ermessensspielraum zu (BGE 145 IV 99 E. 1.2 S. 104 mit Hinweisen). Gerade im Bereich der sogenannten "kleinen" (akzessorischen) Rechtshilfe kann ein besonders bedeutender Fall nur ausnahmsweise angenommen werden. In der Regel stellen sich namentlich keine wichtigen bzw. erstmals zu beurteilenden Rechtsfragen, die einer Klärung durch das Bundesgericht bedürften (BGE 136 IV 20 E. 1.2 S. 22; 134 IV 156 E. 1.3.4 S. 161; vgl. Forster, a.a.O., Art. 84 N. 29; Spühler/AemiseggerDolge/Vock, a.a.O., Art. 84 N. 7, 10; Alain Wurzburger, in: Commentaire de la LTF, 2. Aufl., Bern 2014, Art. 84 N. 8). An einem besonders bedeutenden Fall bzw. an einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Tragweite fehlt es insbesondere, wenn sich der Vorwurf, die Vorinstanz sei von einer ständigen Praxis des Bundesgerichtes abgewichen, in appellatorischer Kritik an den materiellen Erwägungen des angefochtenen Entscheides erschöpft (BGE 145 IV 99 E. 1.2 S. 105 mit Hinweisen).  
 
1.2. Nach der Praxis des Bundesgerichtes kann auch die drohende Verletzung elementarer Verfahrensgrundsätze im schweizerischen Rechtshilfeverfahren einen besonders bedeutenden Fall begründen. Diesbezüglich sind die Gesetzeswortlaute von Artikel 84 Absatz 2 BGG auf Deutsch und Italienisch massgeblich (BGE 145 IV 99 E. 1.3 S. 105 f.; vgl. Forster, a.a.O., Art. 84 N. 31; Wurzburger, a.a.O., Art. 84 N. 14). Das blosse pauschale Vorbringen von Rechtsuchenden, die Behörden hätten elementare Verfahrensgrundsätze verletzt, lässt einen Rechtshilfefall indessen noch nicht als besonders bedeutend erscheinen. Vielmehr müssen dafür ernsthafte Anhaltspunkte objektiv vorliegen (BGE 145 IV 99 E. 1.4 S. 106 f.; 133 IV 125 E. 1.4 S. 129; je mit Hinweisen).  
 
2.   
In der Beschwerdeschrift wird das Vorliegen eines besonders bedeutenden Falles - im Wesentlichen zusammengefasst - wie folgt begründet: 
Zwar sei das fragliche Strafurteil in einem öffentlichen Verfahren gefällt worden. Die Privatkläger hätten jedoch keine schriftlich begründete Ausfertigung erhalten. Die öffentliche Verhandlung habe im Frühling 2016 stattgefunden und liege damit schon einige Jahre zurück. Infolge Ablaufs der Probezeit werde das Urteil in privaten Strafregisterauszügen nicht mehr vermerkt. Das Urteil sei auch nicht publiziert worden. Es unterstehe dem Amtsgeheimnis. Vom verfahrensrechtlichen Grundsatz, dass nur direkt von Zwangsmassnahmen Betroffene beschwerdelegitimiert seien, müsse hier eine Ausnahme gemacht werden. Als in dem Strafurteil rechtskräftig verurteilte Person müsse der Verfolgten diesbezüglich die gleiche Beschwerdelegitimation zukommen wie einer Bankkundin im Falle der Herausgabe von Bankunterlagen. Das Urteil enthalte "sensible vertrauliche Informationen" über sie. Das Bundesstrafgericht sei zu Unrecht auf ihre Beschwerde nicht eingetreten und habe dabei elementare Verfahrensgrundsätze (etwa Art. 29 Abs. 1 BV) verletzt. In diesem Zusammenhang seien vom Bundesgericht auch diverse prozessuale Rechtsfragen von grundsätzlicher Tragweite zu prüfen. 
 
3.  
 
3.1. Gegenstand der streitigen Schlussverfügung ist die rechtshilfeweise Herausgabe eines rechtskräftigen schweizerischen Strafurteils an die ersuchende Behörde. Zu prüfen ist zunächst, ob objektive Anhaltspunkte für eine Verletzung elementarer Verfahrensrechte im innerstaatlichen Verfahren bestehen, indem die Vorinstanz - mangels Beschwerdelegitimation der Verfolgten - auf die gegen die Schlussverfügung erhobene Beschwerde nicht eintrat:  
 
3.2. Nach Art. 80h lit. b IRSG ist zur Beschwerde gegen eine Schlussverfügung befugt, wer persönlich und direkt von einer Rechtshilfemassnahme betroffen ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Auch verfolgte Personen, gegen die sich das ausländische Strafverfahren richtet, können Verfügungen nur anfechten, wenn eine Rechtshilfemassnahme sie persönlich und direkt betrifft und sie ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung haben (Art. 21 Abs. 3 IRSG).  
 
3.3. Die Herausgabe von Strafentscheidungen oder Strafakten des ersuchten Staates erfolgt grundsätzlich auf dem Wege der akzessorischen Rechtshilfe und nicht im Rahmen des direkten polizeilichen Verkehrs (Art. 75a Abs. 2 lit. c IRSG; vgl. Susanne Kuster, in: Basler Kommentar Internationales Strafrecht, 2015, Art. 75a IRSG N. 7). Im internationalen Rechtshilfeverkehr können Dritte, die nicht direkt und persönlich von einer Sicherstellung bzw. Edition und Herausgabe von Urkunden betroffen sind, eine solche Massnahme gegenüber einer anderen (direkt betroffenen) Person, Gesellschaft oder Behörde nicht selber anfechten. Dies gilt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung auch für Dritte, die im ersuchenden Staat verfolgt werden, und für Urkunden, die Informationen zu Aktivitäten von indirekt Betroffenen enthalten (BGE 137 IV 134 E. 5.2.1-5.2.3 S. 137-139; 130 II 162 E. 1.2-1.3 S. 164 f.; je mit Hinweisen; vgl. Adrian Bussmann, in: Basler Kommentar Internationales Strafrecht, 2015, Art. 80h IRSG N. 25-29; Forster, a.a.O., Art. 84 N. 36; Robert Zimmermann, La coopération judiciaire internationale en matière pénale, 5. Aufl., Bern 2019, Rz. 524).  
 
3.4. Im vorliegenden Fall wurde das fragliche Gerichtsurteil des Kantonsgerichtes St. Gallen weder von der Beschwerdeführerin ediert, noch wurde es bei ihr rechtshilfeweise beschlagnahmt. Von der direkten Herausgabe durch die St. Galler Strafbehörden (welche faktisch einer amtshilfeähnlichen Übermittlung eines Gerichtsdokumentes gleichkommt) wird die Beschwerdeführerin nur mittelbar betroffen. Damit sind keine objektiven Anhaltspunkte ersichtlich, dass das Bundesstrafgericht elementare Verfahrensrechte der Verfolgten verletzt haben könnte, indem es auf deren Beschwerde gegen die Dokumentenherausgabe nicht eintrat.  
 
3.5. Es besteht hier auch kein Anlass, ausnahmsweise von der oben dargelegten einschlägigen Praxis abzuweichen. Die Beschwerdeführerin wurde nicht unmittelbar von einer strafprozessualen Zwangsmassnahme betroffen, und die streitige Rechtshilfe beschränkt sich auf die Herausgabe eines rechtskräftigen Strafurteils betreffend Begünstigung und falsche Zeugenaussage. Ein besonderes schutzwürdiges Interesse an der Wahrung von "sensiblen vertraulichen" Privatgeheimnissen, die sich aus dem fraglichen Urteil ergäben, wird von der Beschwerdeführerin nicht nachvollziehbar dargetan. Das blosse prozesstaktische Interesse einer verfolgten Person, dass die ersuchende Behörde von einer separaten rechtskräftigen Verurteilung im Ausland möglichst keine Kenntnis erhalten solle, begründet kein besonderes schutzwürdiges Interesse im Sinne von Art. 80h lit. b IRSG. Daran ändern auch die Vorbringen der Beschwerdeführerin nichts, die öffentliche Verhandlung des Urteils liege schon mehr als vier Jahre zurück, und in privaten Strafregisterauszügen werde das Urteil nicht mehr ausgewiesen. Anders zu entscheiden, widerspräche dem Sinn und Zweck des völkerrechtlich verankerten Rechtshilfeverkehrs in Strafsachen.  
 
3.6. In diesem Zusammenhang stellen sich auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Tragweite. Der angefochtene Entscheid stützt sich auf die (oben erörterte) einschlägige Praxis des Bundesgerichtes, auf die zurückzukommen hier kein Anlass besteht.  
 
4.   
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. 
Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 68 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Bundesstrafgericht, Beschwerdekammer, und dem Bundesamt für Justiz, Fachbereich Rechtshilfe, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 29. Januar 2021 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Der Gerichtsschreiber: Forster