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[AZA] 
I 9/99 Vr 
 
III. Kammer  
 
Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer; 
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold 
 
Urteil vom 29. März 2000  
 
in Sachen 
 
N.________, 1958, Beschwerdeführer, vertreten durch den 
Rechtsschutz X.________, 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, Zürich, 
Beschwerdegegnerin, 
und 
 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
    A.- N.________ (geboren 1958) ist seit 1979 als Hilfs- 
maurer tätig. Er leidet seit mehreren Jahren an Rücken- und 
Nackenschmerzen. Am 1. April 1991 erlitt er bei einem Ver- 
kehrsunfall ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule, wel- 
ches eine Instabilität C1/2 verursachte. Seit dem 10. De- 
zember 1992 hat N.________ nicht mehr gearbeitet. Die IV- 
Stelle des Kantons Zürich richtete ihm mit Verfügung vom 
2. Mai 1995 auf Grund eines Invaliditätsgrades von 100 % ab 
1. Dezember 1993 eine ganze Invalidenrente aus. Gemäss 
verschiedenen Arztberichten waren die diagnostischen und 
therapeutischen Möglichkeiten bei Erlass dieser Renten- 
verfügung noch nicht ausgeschöpft. Im Rahmen des im Februar 
1996 eingeleiteten Revisionsverfahrens führte Dr. 
S.________, Allgemeinmediziner, in seinem Bericht vom 
25. Februar 1996 aus, dass N.________ eine leichtere Arbeit 
ausüben könnte. Die Berufsberaterin der IV-Stelle hielt in 
ihrem Schreiben vom 30. Juli 1996 fest, dass N.________ auf 
Grund der ärztlich festgestellten Arbeitsfähigkeit von 75 % 
ein Einsatz als Reinigungsmitarbeiter, Hausangestellter in 
einem Spital oder Magazinarbeiter zu 75 % zumutbar sei und 
berechnete den mutmasslichen Verdienst bei einer entspre- 
chenden Tätigkeit im jeweiligen Bereich sowie das hypo- 
thetische Einkommen ohne Invalidität gemäss Auskunft des 
letzten Arbeitgebers. Mit Verfügung vom 14. August 1996 hob 
die IV-Stelle die Invalidenrente auf den 1. Oktober 1996 
auf. 
 
    B.- Hiegegen liess N.________ Beschwerde einreichen 
und die Aufhebung der Verfügung vom 14. August 1996 sowie 
die Ausrichtung einer halben Invalidenrente beantragen. 
    Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) 
sprach N.________ mit Verfügung vom 29. April 1998 für die 
Folgen des Unfalls vom 1. April 1991 mit Wirkung ab 1. Ja- 
nuar 1998 eine Invalidenrente auf der Grundlage einer Er- 
werbsunfähigkeit von 40 % zu. 
    Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies 
die Beschwerde gegen die Verfügung der IV-Stelle mit Ent- 
scheid vom 23. Dezember 1998 ab. 
 
    C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt N.________ 
sein vorinstanzlich gestelltes Rechtsbegehren erneuern. 
    Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherung 
verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
    D.- Die Instruktionsrichterin zog die Akten der SUVA 
bei. 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:  
 
    1.- Nach Art. 28 Abs. 1 IVG hat der Versicherte An- 
spruch auf eine ganze Rente, wenn er mindestens zu 
66 2/3 %, auf eine halbe Rente, wenn er mindestens zu 50 % 
oder auf eine Viertelsrente, wenn er mindestens zu 40 % 
invalid ist; in Härtefällen hat der Versicherte nach 
Art. 28 Abs. 1bis IVG bereits bei einem Invaliditätsgrad 
von mindestens 40 % Anspruch auf eine halbe Rente. 
    Für die Bemessung der Invalidität wird gemäss Art. 28 
Abs. 2 IVG das Erwerbseinkommen, das der Versicherte nach 
Eintritt der Invalidität und nach Durchführung allfälliger 
Eingliederungsmassnahmen durch eine ihm zumutbare Tätigkeit 
bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte, in Be- 
ziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das er erzielen könn- 
te, wenn er nicht invalid geworden wäre. 
    Im Übrigen hat die Vorinstanz im angefochtenen Ent- 
scheid die massgebenden Bestimmungen und Grundsätze über 
die Revision der Rente (Art. 41 IVG) und die hiebei zu 
vergleichenden Sachverhalte (BGE 112 V 390 Erw. 1b mit 
Hinweisen) sowie den für die Beurteilung zeitlich mass- 
gebenden Sachverhalt (BGE 121 V 366 Erw. 1b, 105 V 161 f. 
Erw. 2d, ZAK 1984 S. 349 Erw. 1b) zutreffend dargelegt. 
Darauf kann verwiesen werden. 
 
    2.- a) Streitig ist, ob im Zeitraum zwischen dem 
2. Mai 1995 (Zusprechung einer ganzen Invalidenrente) und 
dem 14. August 1996 (Aufhebung der Invalidenrente) eine 
Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten 
ist, welche die vollständige Aufhebung der Rente recht- 
fertigt. 
 
    b) Der Verfügung vom 2. Mai 1995 war ein Invaliditäts- 
grad von 100 % zu Grunde gelegt worden. In den damaligen 
ärztlichen Berichten wurde darauf hingewiesen, dass die 
therapeutischen und diagnostischen Möglichkeiten noch nicht 
ausgeschöpft seien und dementsprechend eine Prognose hin- 
sichtlich der Arbeitsfähigkeit noch verfrüht sei (Bericht 
des Dr. S.________ vom 31. Januar 1994, Berichte des PD Dr. 
D.________, Chefarzt Neurologie an der Klinik Y.________, 
vom 18. Februar und 14. Dezember 1994). PD Dr. D.________ 
hielt in seinem Bericht vom 12. Dezember 1995 fest, dass 
beim Beschwerdeführer für eine angepasste Tätigkeit in 
einem Büro oder in einer vor Witterungseinflüssen ge- 
schützten Umgebung eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit 
von 20 % bestehe. Auf Grund dieses Berichtes erachtete die 
SUVA den Versicherten als 75 % arbeitsfähig und somit auch 
bei der Arbeitslosenversicherung als voll vermittlungsfähig 
(Schreiben vom 14. Mai 1996). In seinem Bericht vom 25. 
Februar 1996 befand Dr. S.________, dass dem Versicherten 
eine leichtere Arbeit sicherlich zumutbar sei. PD Dr. 
L.________, Facharzt für orthopädische Chirurgie, erachtete 
in seinem Bericht vom 29. Oktober 1996 zu diesem Zeitpunkt 
eine Tätigkeit wie Lagerarbeiten oder Kleinstückmontagen zu 
etwa 6-8 Stunden pro Tag als angemessen; aus diesem Bericht 
geht zudem hervor, dass der Versicherte PD Dr. L.________ 
ein Zeugnis des Dr. S.________ vorgelegt hatte, in welchem 
dieser ihm eine Arbeitsunfähigkeit von 50 % ab 1. Juni 1996 
attestiert hatte. 
    Damit ist erwiesen, dass sich im massgeblichen Zeit- 
raum die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers erheblich 
verbessert hat. 
 
    3.- a) Zu prüfen bleibt, wie sich die ausgewiesene 
Verbesserung der Arbeitsfähigkeit in erwerblicher Hinsicht 
auswirkt. 
 
    b) Bezüglich des hypothetischen Einkommens ohne Inva- 
lidität (Valideneinkommen) kann auf den Lohn abgestellt 
werden, den der Beschwerdeführer an seiner letzten Arbeits- 
stelle, im Baugeschäft W.________, erzielt hat. Gemäss 
Auskunft der früheren Arbeitgeberfirma vom 30. Januar 1994 
belief sich sein Lohn im Jahr 1992 auf Fr. 4450.-; zum 
Zeitpunkt der Auskunft hätte er mit einem Lohn von 
Fr. 4600.- rechnen können. Unter Berücksichtigung des 
13. Monatslohnes und der Nominallohnentwicklung von 1,4 % 
im Jahr 1994 und von 1,8 % im Jahr 1995 (Die Volkswirt- 
schaft, 1998 Heft 1, Anhang S. 28, Tabelle B 10.2) ergibt 
dies ein Valideneinkommen von Fr. 61'728.- für das Jahr 
1996. 
 
    c) Praxisgemäss wird zur Ermittlung des vom Versicher- 
ten trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung zumut- 
barerweise noch erzielbaren Einkommens (Invalideneinkommen) 
die Schweizerische Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für 
Statistik herangezogen (AHI 1999 S. 177 Erw. 3b). Ange- 
sichts der von den Ärzten als angepasste Tätigkeit defi- 
nierten Arbeiten ist der Ermittlung des Invalideneinkommens 
ein durschnittlicher Monatslohn von Fr. 4617.- zu Grunde zu 
legen (Die Schweizerische Lohnstrukturerhebung 1996, Tabel- 
le TA 7, Tätigkeit Ziff. 12, Anforderungsniveau 4). Dies 
ergibt unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Ar- 
beitszeit von 41,9 Stunden pro Woche (Die Volkswirtschaft, 
1998 Heft 1, Anhang S. 27, Tabelle B 9.2) und eines in 
Würdigung der medizinischen Unterlagen als zumutbar zu 
erachtenden Arbeitspensums von 70 % ein Einkommen von 
Fr. 40'620.- für 1996; der Anteil eines 13. Monatslohnes 
ist bei den Tabellenlöhnen der Schweizerischen Lohnstruk- 
turerhebung bereits berücksichtigt (Die Schweizerische 
Lohnstrukturerhebung 1994, S. 43). Angesichts der Tatsache, 
dass Teilerwerbstätige mit niedrigeren Lohnansätzen zu 
rechnen haben (AHI 1998 S. 178 f. Erw. 4b und c) und dass 
gesundheitlich beeinträchtigte Personen, die selbst bei 
leichten Hilfsarbeitertätigkeiten behindert sind, lohn- 
mässig benachteiligt werden und deshalb in der Regel mit 
unterdurchschnittlichen Lohnansätzen zu rechnen haben 
(AHI 1999 S. 181 Erw. 3b mit Hinweisen), rechtfertigt sich 
in Würdigung der gesamten Umstände ein Abzug von 20 %. 
Somit ergibt sich für 1996 ein massgebendes Invalidenein- 
kommen von Fr. 32'496.-. 
    d) Bei einem Vergleich des Valideneinkommens von 
Fr. 61'728.- mit dem Invalideneinkommen von Fr. 32'496.- 
resultiert ein Invaliditätsgrad von rund 47 %. Der Be- 
schwerdeführer hat demnach in Anwendung von Art. 88a Abs. 1 
und 88bis Abs. 2 lit. a IVV ab 1. Oktober 1996 Anspruch auf 
eine Viertelsrente. 
 
    e) Massgebend für die Beurteilung der Gesetzmässigkeit 
einer Verfügung ist in der Regel der Sachverhalt, der zur 
Zeit ihres Erlasses gegeben war (BGE 121 V 366 Erw. 1b). 
Der Beschwerdeführer kann deshalb nichts zu seinen Gunsten 
daraus ableiten, dass ihm die SUVA allein für die unfall- 
bedingte Einschränkung der Erwerbsfähigkeit mit Wirkung ab 
1. Januar 1998 eine Rente auf Grund eines Invaliditäts- 
grades von 40 % zusprach, da für die vorliegend angefochte- 
ne Verfügung der IV-Stelle die Verhältnisse vom 14. August 
1996, also anderthalb Jahre früher, massgebend sind. 
 
    4.- Bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 40 %, 
aber weniger als 50 % hat die Verwaltung von Amtes wegen zu 
prüfen, ob ein Härtefall gemäss Art. 28 Abs. 1bis IVG in 
Verbindung mit Art. 28bis IVV gegeben ist. Sie darf den 
Anspruch auf eine Härtefallrente nicht von einem spezifi- 
schen Antrag des Versicherten abhängig machen. Auf eine 
nähere Abklärung darf sie nur verzichten, wenn die wirt- 
schaftlichen Voraussetzungen des Härtefalles offensichtlich 
fehlen (BGE 116 V 23; ZAK 1991 S. 317 Erw. 4). 
    Im vorliegenden Fall hatte die Verwaltung bisher kei- 
nen Anlass, das Vorliegen eines Härtefalles zu prüfen. Da 
ein wirtschaftlicher Härtefall nicht zum Vornherein ver- 
neint werden kann, ist die Sache an die IV-Stelle zurück- 
zuweisen, damit sie die entsprechenden Abklärungen treffe 
und hernach über den Rentenanspruch neu verfüge. 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:  
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne 
    gutgeheissen, dass der Entscheid des Sozialversiche- 
    rungsgerichts des Kantons Zürich vom 23. Dezember 1998 
    und die Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 
    14. August 1996 aufgehoben werden und die Sache mit 
    der Feststellung, dass der Beschwerdeführer ab 1. Ok- 
    tober 1996 bei einem Invaliditätsgrad von 47 % An- 
    spruch auf eine Rente der Invalidenversicherung hat, 
    zur Prüfung des Härtefalles und zu neuer Verfügung an 
    die IV-Stelle des Kantons Zürich zurückgewiesen wird. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
III.Die IV-Stelle des Kantons Zürich hat dem Beschwerde- 
    führer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen 
    Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von 
    Fr. 1000.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezah- 
    len. 
 
IV.Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wird 
    über eine Parteientschädigung für das kantonale Ver- 
    fahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen 
    Prozesses zu befinden haben. 
 
V.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversiche- 
    rungsgericht des Kantons Zürich, der Ausgleichskasse 
    des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialver- 
    sicherung zugestellt. 
 
 
Luzern, 29. März 2000 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident  Die Gerichts- 
der III. Kammer:  schreiberin: