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[AZA 7] 
K 43/01 
 
II. Kammer 
 
Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter 
Frésard; Gerichtsschreiberin Kopp Käch 
 
Urteil vom 29. April 2002 
 
in Sachen 
C.________ , 1948, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Benno Lindegger, Marktgasse 20, 9000 St. Gallen, 
 
gegen 
CSS Versicherung, Rösslimattstrasse 40, 6005 Luzern Beschwerdegegnerin, 
 
und 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
A.- Der 1948 geborene C.________ ist bei der CSS Versicherung (nachfolgend CSS) krankenversichert. In der Zeit vom 17. März bis 4. Juli 1997 unterzog er sich einer Behandlung beim Kieferchirurgen Dr. med. et Dr. med. dent. 
G.________, welche mit Fr. 967. 45 in Rechnung gestellt wurde. Nach diverser Korrespondenz und nach Beizug ihres Vertrauenszahnarztes Dr. med. dent. B.________, verneinte die CSS mit Verfügung vom 11. Dezember 1998 eine Leistungspflicht für die durchgeführte zahnärztliche Behandlung. Mit Einspracheentscheid vom 24. Februar 1999 hielt die Krankenkasse fest, an die Rechnung des Dr. med. et Dr. med. dent. 
G.________ vom 22. Juli 1997 im Betrag von Fr. 967. 45 könnten keine Leistungen aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung erbracht werden. Eine Überprüfung der Leistungspflicht sei nicht möglich, solange ihr wesentliche medizinische Entscheidgrundlagen vorenthalten würden. 
 
B.- Mit Beschwerde liess C.________ beantragen, die CSS sei zu verpflichten, die Behandlung durch Dr. med. et Dr. med. dent. G.________ vom 17. März bis 4. Juli 1997 im Betrag von Fr. 967. 45 vollumfänglich zu bezahlen. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die Beschwerde mit Entscheid vom 19. Februar 2001 ab. 
 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde liess C.________ das im vorinstanzlichen Verfahren gestellte Rechtsbegehren erneuern. Gleichzeitig liess er um Sistierung des Verfahrens ersuchen, da das Eidgenössische Versicherungsgericht grundsätzliche Abklärungen über die Abgrenzung der Leistungen nach Art. 25 und Art. 31 KVG vornehme. 
Die CSS schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. 
Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
D.- Mit Verfügung vom 28. Juni 2001 wurde das vorliegende Verfahren sistiert. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Nachdem die grundsätzlichen Abklärungen über die Leistungspflicht der Krankenkassen bei zahnärztlichen Behandlungen abgeschlossen sind, kann die Sistierung des vorliegenden Verfahrens aufgehoben werden. 
 
2.- a) Die Leistungen, deren Kosten von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung bei Krankheit zu übernehmen sind, werden in Art. 25 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) in allgemeiner Weise umschrieben. 
Im Vordergrund stehen die Leistungen der Ärzte und Ärztinnen, dann aber auch der Chiropraktoren und Chiropraktorinnen sowie der Personen, die im Auftrag von Ärzten und Ärztinnen Leistungen erbringen. 
Die zahnärztlichen Leistungen sind in der genannten Bestimmung nicht aufgeführt. Die Kosten dieser Leistungen sollen im Krankheitsfalle der obligatorischen Krankenpflegeversicherung - wie die Vorinstanz zutreffend darlegt - nur in eingeschränktem Masse überbunden werden, nämlich wenn die zahnärztliche Behandlung durch eine schwere, nicht vermeidbare Erkrankung des Kausystems (Art. 31 Abs. 1 lit. a KVG) oder durch eine schwere Allgemeinerkrankung oder ihre Folgen bedingt (Art. 31 Abs. 1 lit. b KVG) oder zur Behandlung einer schweren Allgemeinerkrankung oder ihrer Folgen notwendig ist (Art. 31 Abs. 1 lit. c KVG). 
 
b) Gestützt auf Art. 33 Abs. 2 und 5 KVG in Verbindung mit Art. 33 lit. d der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV) hat das Departement - wie das kantonale Gericht ebenfalls zutreffend darlegt - in der KLV zu jedem der erwähnten Unterabsätze von Art. 31 Abs. 1 KVG einen eigenen Artikel erlassen, nämlich zu lit. a den Art. 17 KLV, zu lit. b den Art. 18 KLV und zu lit. c den Art. 19 KLV. In Art. 17 KLV werden die schweren, nicht vermeidbaren Erkrankungen des Kausystems aufgezählt, bei denen daraus resultierende zahnärztliche Behandlungen von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu übernehmen sind. In Art. 18 KLV werden die schweren Allgemeinerkrankungen und ihre Folgen aufgelistet, die zu zahnärztlicher Behandlung führen können und deren Kosten von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu tragen sind. In Art. 19 KLV schliesslich hat das Departement die schweren Allgemeinerkrankungen aufgezählt, bei denen die zahnärztliche Massnahme notwendiger Bestandteil der Behandlung darstellt. 
 
c) In BGE 124 V 185 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht entschieden, dass die in Art. 17-19 KLV erwähnten Erkrankungen, welche von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu übernehmende zahnärztliche Behandlungen bedingen, abschliessend aufgezählt sind. Daran hat es in ständiger Rechtsprechung festgehalten (BGE 127 V 332 Erw. 3a und 343 Erw. 3b). 
 
3.- Unbestritten und aus den Akten ersichtlich ist, dass sich der Beschwerdeführer in der Zeit vom 17. März bis 
4. Juli 1997 einer Behandlung bei Dr. med. et Dr. med. 
dent. G.________ unterzog. Der Kieferchirurge hatte eine ausgedehnte Zyste UK-Horizontalast re diagnostiziert und u.a. zwei Zähne extrahiert und einen Logenabszess eröffnet. 
Streitig ist, ob die Kosten dieser Behandlung von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu übernehmen sind. 
 
4.- a) Nachdem die Krankenkasse zunächst aufgrund von Panoramaröntgenbildern das Vorliegen einer Pflichtleistung verneint hatte, ersuchte sie vor Verfügungserlass Dr. med. 
et Dr. med. dent. G.________ zwecks Abklärung der Leistungspflicht um die Herausgabe von weiteren Unterlagen und um nähere Angaben. Der Kieferchirurge sowie der Beschwerdeführer stellten sich auf den Standpunkt, die angeforderten und zur Beurteilung der Leistungspflicht notwendigen Unterlagen seien der Beschwerdegegnerin ausgehändigt worden. Mit Verfügung vom 11. Dezember 1998 verneinte die Krankenkasse daraufhin die Erbringung von Leistungen an die durchgeführte zahnärztliche Behandlung. Im Rahmen des Einspracheverfahrens forderte die Beschwerdegegnerin den Versicherten via seinen Rechtsvertreter erneut auf, die fehlenden Unterlagen und Auskünfte beizubringen, namentlich sämtliche präoperativen Röntgenbilder, das Beschwerdebild, den Befund mit Kopie des Histologieberichts sowie eine Stellungnahme zur Art der Zyste. Wiederum wurde entgegnet, die Krankenkasse verfüge über sämtliche zur Abklärung der Leistungspflicht erforderlichen Unterlagen. Im Einspracheentscheid vom 24. Februar 1999 legte die Beschwerdegegnerin dar, nicht jede Zyste begründe eine Leistungspflicht der obligatorischen Krankenpflegeversicherung. Da es ihr - insbesondere zufolge Fehlens der präoperativen Röntgenbilder - nicht möglich sei, ihre Leistungspflicht abzuklären, könne sie derzeit keine Leistungen an die streitige Rechnung erbringen. 
 
b) Der Beschwerdeführer machte demgegenüber im wesentlichen geltend, die Beschwerdegegnerin habe über die entscheidrelevanten Unterlagen verfügt. Sie habe eine Leistungspflicht abgelehnt, da sie den Bestand einer radikulären Zyste vermutet habe. Wie weit eine solche vorgelegen habe, sei indessen irrelevant. Die in Rechnung gestellte Behandlung beinhalte ausschliesslich eine Tumorabklärung und eine Abszessbehandlung (Drainage des Abszesses, Eröffnung der zystoiden Formation durch Entfernung der zwei einwurzligen [in der Rechnung fälschlicherweise als mehrwurzlig bezeichneten] Zähne 43 und 44). Tumorabklärung und Abszesseröffnung seien zahnärztliche Behandlungen gemäss Art. 31 Abs. 1 lit. a KVG in Verbindung mit Art. 17 lit. c KLV und zögen die Leistungspflicht der obligatorischen Krankenpflegeversicherung nach sich. 
 
 
c) Die Vorinstanz legte in ihrem Entscheid dar, dass die durchgeführte zahnärztliche Behandlung zunächst darin bestanden habe, zwei Zähne zu extrahieren und einen Logenabszess zu eröffnen. Dies stelle keine Pflichtleistung im Sinne von Art. 17 KLV dar, wäre das doch nur der Fall, wenn der Abszess gemäss Art. 17 lit. a Ziff. 2 KLV in Zusammenhang mit einer Verlagerung oder Überzahl von Zähnen und Zahnkeimen aufgetreten wäre. Die erwähnten Massnahmen könnten sodann klarerweise nicht unter die Art. 18 und 19 KLV subsumiert werden. Insoweit es sich bei den auf der Rechnung erwähnten Nachbehandlungen um die Weiterführung oder Beendigung einer Nichtpflichtleistung gehandelt habe, seien diese selbstredend auch nicht von der Krankenkasse zu tragen. 
Die geltend gemachte Tumorabklärung schliesslich sei auf der streitigen Rechnung nirgendwo erwähnt und erst in Kenntnis der ablehnenden Haltung der Krankenkasse vorgebracht worden. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass sich die Art. 31 KVG und Art. 17 bis 19a KLV nur auf zahnärztliche Behandlungen der dort explizit genannten Tatbestände bezögen, dies im Gegensatz zu den allgemeinen Leistungen bei Krankheit, welche gemäss Art. 25 KVG auch für die diagnostischen Massnahmen zu erbringen seien. 
 
d) Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz verkenne, wie bereits die Krankenkasse, das Anfechtungsobjekt. Dieses beinhalte nicht die Extraktion der Zähne, sondern vielmehr und ausschliesslich die Frage, ob die Diagnostik einer hoch tumorverdächtigen Struktur eine Pflichtleistung darstelle. 
Tumorabklärung und Abszesseröffnung seien bereits von Art. 31 Abs. 1 lit. a KVG i.V. mit Art. 17 lit. c KLV erfasst. 
Sie könnten nicht als Bestandteil der vorgenommenen Zahnbehandlung bezeichnet werden, sondern seien auch unter Art. 25 KVG als ärztliche Behandlung zu subsumieren. 
 
 
5.- Für die Beurteilung der vorliegend streitigen Leistungspflicht aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung ist klarzustellen, dass zwischen ärztlichen und zahnärztlichen Behandlungen zu unterscheiden ist. 
 
a) Sowohl Art. 31 Abs. 1 KVG wie auch die Art. 17-19 KLV sprechen von "zahnärztlichen Behandlungen", die durch bestimmte Erkrankungen bedingt sind oder die Behandlung bestimmter Erkrankungen unterstützen. Die zahnärztlichen Behandlungen einerseits und die Erkrankungen andererseits stehen in einer Wechselwirkung. Die von der sozialen Krankenversicherung zu übernehmenden zahnärztlichen Behandlungen müssen entweder die Folge ("bedingt") und die bestimmten Erkrankungen die Ursache sein (Art. 17 und 18 KLV) oder die zahnärztlichen Behandlungen müssen die Behandlung bestimmter Erkrankungen unterstützen (Art. 19 KLV). Keineswegs verhält es sich so, dass die Behandlungen aller aufgeführten Erkrankungen zu zahnärztlichen Behandlungen geworden sind. Die Behandlung maligner Tumore im Gesichts-, Kiefer- und Halsbereich (Art. 17 lit. c Ziff. 2 KLV) beispielsweise wird niemand im Ernst als zahnärztliche Behandlung aufgefasst wissen noch deren Behandlung davon abhängig machen wollen, ob das Tumorleiden vermeidbar gewesen sei (zur Publikation in der Amtlichen Sammlung vorgesehenes Urteil M. vom 28. März 2002, K 84/00). Art. 31 Abs. 1 KVG in Verbindung mit Art. 17 - 19 KLV regeln somit nur die Kostenübernahme von zahnärztlichen Behandlungen, nicht diejenige der damit in Zusammenhang stehenden Erkrankungen des Kausystems oder der Allgemeinerkrankungen. 
 
b) Die im Vordergrund stehenden Kriterien für die Abgrenzung zwischen ärztlicher und zahnärztlicher Behandlung sind der Ansatzpunkt und die therapeutische Zielsetzung der Behandlung. Stellt man zunächst auf den Ansatzpunkt ab, sind zahnärztliche Behandlungen - wie bereits gemäss konstanter Rechtsprechung zum KUVG - grundsätzlich therapeutische Vorkehren am Kausystem. Darunter fallen die Behandlung der Zähne, des Zahnhalteapparates sowie die Behandlung an den Organbereichen, die ein künstliches Gebiss aufzunehmen haben (BGE 120 V 195 Erw. 2b). Als weiteres entscheidendes Kriterium dient sodann die therapeutische Zielsetzung, die sich danach bestimmt, welcher Körperteil oder welche Funktion unmittelbar therapiert oder verbessert werden soll (vgl. Gebhard Eugster, Krankenversicherung, in Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht (SBVR), Soziale Sicherheit, Fn 333). Fallen die beiden Kriterien auseinander, wird im Allgemeinen der therapeutischen Zielsetzung das grössere Gewicht beizumessen sein (zur Publikation in der Amtlichen Sammlung vorgesehenes Urteil K. vom 22. April 2002 K 172/00). 
 
6.- a) Für die streitige Behandlung des Beschwerdeführers ist demzufolge zunächst zu prüfen, wieweit eine zahnärztliche und wieweit eine ärztliche Behandlung vorliegt. 
Während die Kosten für eine ärztliche Behandlung vom Krankenversicherer bei gegebenem Krankheitswert nach Massgabe des Art. 25 KVG zu übernehmen sind, richtet sich die Kostenübernahme für zahnärztliche Behandlungen, die aus einer Erkrankung des Kausystems resultieren, nach Art. 31 Abs. 1 lit. a KVG in Verbindung mit Art. 17 KLV. Bei Vorliegen einer zahnärztlichen Behandlung wäre somit des weiteren zu prüfen, ob ihr eine der in Art. 17 KLV aufgezählten Erkrankungen des Kausystems zu Grunde liegt. 
 
b) Aufgrund der zur Verfügung stehenden medizinischen Akten können die sich stellenden Fragen nicht abschliessend beurteilt werden. Während in der Rechnung vom 22. Juli 1997 von Zyste und Logenabszess die Rede ist, vermutet der Vertrauenszahnarzt der Krankenkasse das Vorliegen einer radikulären Zyste und spricht der Beschwerdeführer von Tumorabklärung und Abszesseröffnung. Es sind demzufolge weitere Sachverhaltsabklärungen erforderlich, wozu die Herausgabe der Unterlagen (präoperative Röntgenbilder, Histologiebericht) durch den behandelnden Kieferchirurgen wie auch nähere Angaben von ihm zu Beschwerdebild, Befund, Art einer allfälligen Zyste gehören. Die Sache ist demzufolge an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen, damit sie die zusätzlichen Sachverhaltsabklärungen vornehme und anschliessend über ihre Leistungspflicht neu verfüge. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I.Die Sistierung wird aufgehoben. 
 
II.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 19. Februar 2001 
 
 
und der Einspracheentscheid der CSS Versicherung vom 24. Februar 1999 aufgehoben werden und die Sache an 
die CSS Versicherung zurückgewiesen wird, damit sie, 
 
nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen über 
den Leistungsanspruch neu verfüge. 
III. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
IV.Die CSS Versicherung hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich 
 
 
Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
 
V.Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wird 
über eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren 
entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen 
Prozesses zu befinden haben. 
 
VI.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
 
 
Luzern, 29. April 2002 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: 
 
Die Gerichtsschreiberin: