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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_890/2013  
{T 0/2} 
   
   
 
 
 
Urteil vom 29. April 2014  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kernen, Präsident, 
Bundesrichterin Pfiffner, 
Bundesrichter Parrino, 
Gerichtsschreiber Furrer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
IV-Stelle Zug, 
Baarerstrasse 11, 6300 Zug, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
S.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Jean Baptiste Huber, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung 
(Invalidenrente; Valideneinkommen), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug 
vom 24. Oktober 2013. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1972 geborene S.________ war vom 12. August 1991 bis zum 31. Oktober 2012 bei der Firma X.________ AG in einem 100 %-Pensum (von 1. März 2008 bis 30. April 2009: 70 %-Pensum) im Montagebereich angestellt sowie ab Oktober 2002 nebenberuflich im Reinigungsdienst tätig. Am 23. März 2011 meldete sie sich unter Hinweis u.a. auf eine rheumatoide Arthritis bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach erwerblichen und medizinischen Abklärungen sprach ihr die IV-Stelle des Kantons Zug mit Verfügung vom 2. November 2012 eine halbe Invalidenrente mit Wirkung ab 1. November 2011 zu, wobei sie den Nebenverdienst bei der Bemessung des Invaliditätsgrades nicht berücksichtigte (Invaliditätsgrad von 57%). 
 
B.   
In Gutheissung der hiegegen von S.________ erhobenen Beschwerde hob das Verwaltungsgerichts des Kantons Zug mit Entscheid vom 24. Oktober 2013 die Verfügung vom 2. November 2012 auf und sprach S.________ ab 1. November 2011 eine ganze Invalidenrente zu. 
 
C.   
Die IV-Stelle erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei die Verfügung vom 2. November 2012 zu bestätigen. 
Während das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Stellungnahme verzichtet, trägt die Beschwerdegegnerin auf Abweisung der Beschwerde an. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.   
Streitig ist die Höhe des (hypothetischen) Einkommens im Gesundheitsfall. 
Das kantonale Gericht hat die für den Anspruch auf eine Invalidenrente massgebenden Rechtsgrundlagen zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. Richtig wiedergegeben hat es ferner die Rechtsprechung zur Ermittlung des Valideneinkommens. Danach sind - ohne Rücksicht auf den hiefür erforderlichen zeitlichen oder leistungsmässigen Aufwand - namentlich auch Einkünfte aus einer Nebenbeschäftigung zu berücksichtigen, sofern sie bereits im Gesundheitsfall erzielt wurden und weiterhin erzielt worden wären, wenn die versicherte Person keine gesundheitliche Beeinträchtigung erlitten hätte (Urteil 8C_671/2010 vom 25. Februar 2011 E. 4.5.2 und 4.5.3 mit Hinweisen, in: SVR 2011 IV Nr. 55 S. 163). 
 
3.   
Die Vorinstanz erwog, gestützt auf die Akten, wonach ab Januar 2007 vorübergehende volle bzw. teilweise Arbeitsunfähigkeiten bescheinigt worden seien, sei davon auszugehen, dass die per 1. März 2008 erfolgte Pensumsreduktion im Haupterwerb aufgrund der gesundheitlichen Beschwerden erfolgt sei. Gemäss Auszug aus dem Individuellen Konto (IK-Auszug) vom 7. April 2011 habe die Beschwerdegegnerin seit 2003 (recte: Oktober 2002) durchgehend Nebenerwerbstätigkeiten im Reinigungsdienst ausgeübt. Auch im Zeitraum der Pensumsreduktion bzw. dem Auftreten der gesundheitlichen Probleme habe sie die Nebenbeschäftigungen beibehalten, ungeachtet dessen, ob sie diese selbst ausgeübt oder ob ihre Tochter diese für sie erledigt habe. Dies zeige, dass sie den Nebenerwerb auf keinen Fall habe verlieren wollen, in der Hoffnung, später wieder mehr arbeiten zu können. Dies sei letztlich im Jahr 2009 auch der Fall gewesen, als sie das Pensum wieder auf 100 % erhöht und die Reinigungsarbeiten allenfalls auch (teils) wieder selbst ausgeführt habe. Vor diesem Hintergrund sei überwiegend wahrscheinlich, dass die Beschwerdegegnerin diesen Nebenbeschäftigungen im Gesundheitsfall weiterhin nachgegangen wäre. Daher sei der Nebenverdienst von durchschnittlich Fr. 33'281.- (Durchschnitt der Jahre 2006, 2007 und 2009) bei der Ermittlung des Valideneinkommens zu berücksichtigen. Ausgehend von einem Valideneinkommen von Fr. 90'651.-, einem Invalideneinkommen von Fr. 26'684.- und unter Gewährung eines Abzugs vom Tabellenlohn von 5 % resultiere ein Invaliditätsgrad von 72 % und damit ein Anspruch auf eine ganze Invalidenrente. 
 
4.  
 
4.1. Ob eine versicherte Person im Gesundheitsfall einer bestimmten (Nebenerwerbs-) Tätigkeit nachgehen würde, ist eine Tatfrage, soweit sie im Rahmen einer Würdigung der konkreten Lage beantwortet wird (BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399). Daher wird sie von der Vorinstanz für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich geklärt (E. 1 hievor; Urteil 9C_45/2008 vom 3. Juli 2008 E. 4.1, Zusammenfassung in: SZS 2008 S. 569).  
 
4.2. Die Beschwerdeführerin bringt nichts vor, was das vorinstanzliche Beweisergebnis, welches auf einer Würdigung der konkreten Umstände beruht, als offensichtlich unrichtig oder sonstwie bundesrechtswidrig erscheinen liesse. Insbesondere ist eine Beweiswürdigung nicht bereits dann offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich (BGE 134 V 53 E. 4.3 S. 63), wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, sondern erst dann, wenn der Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht oder auf einem offenkundigen Fehler beruht (BGE 135 V 2 E. 1.3 S. 4 f.). Solches vermag die Beschwerdeführerin nicht darzutun. Soweit sie die Feststellung des kantonalen Gerichts, im Jahr 2009 habe die Beschwerdegegnerin die Reinigungsarbeiten allenfalls (teilweise) wieder selbst ausgeführt, als offensichtlich unrichtig rügt, kann sie nicht gehört werden. Die Vorinstanz liess offen und hielt es explizit für irrelevant, ob die Reinigungsarbeiten ab 2008 von der Beschwerdegegnerin oder deren Tochter ausgeführt worden seien (E. 6.1.4 des angefochtenen Entscheids). Demnach ist dies für den Ausgang des Verfahrens nicht entscheidend (E. 1 hievor). Ferner macht die Beschwerdeführerin geltend, die Aufgabe der (selbst ausgeübten) Nebenerwerbstätigkeit ab 2008 könne nicht auf gesundheitliche Probleme zurückgeführt werden, da sich diese erst im November 2010 IV-relevant ausgewirkt hätten. Dieser Einwand ist unbehelflich. Die Vorinstanz hat zutreffend erkannt, bereits 2007 seien mehrere Phasen teilweiser oder vollständiger Arbeitsunfähigkeit aufgetreten. So wurde die Beschwerdegegnerin von 31. Januar bis voraussichtlich 20. März 2007 zu 50 % (Zeugnisse des Dr. med. O.________, Facharzt für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates FMH, vom 1. Februar und 1. März 2007), von 20. Februar bis 30. Mai 2007 zu 50 %, von 15. bis 18. Juni 2007 zu 100 %, von 19. bis 22. Juni 2007 zu 30 % und von 20. August 2007 bis 25. Januar 2008 zu 30 % arbeitsunfähig geschrieben (Schreiben des Dr. med. P.________, Facharzt für Rheumatologie und Innere Medizin FMH, vom 25. März 2013). Zwar trifft zu, dass die Arbeitsunfähigkeiten nicht durchgehend waren bzw. durch eine Periode voller Arbeitsfähigkeit unterbrochen wurden (Art. 28 Abs. 1 lit. b IVG i.V.m. Art. 29ter IVV) und damit für den Beginn des Rentenanspruchs nicht massgeblich sind. Daraus lässt sich indes nicht ableiten, es sei offensichtlich unhaltbar anzunehmen, die Beschwerdegegnerin habe den Nebenerwerb ab 2008 wegen den gesundheitlichen Beschwerden - welche die Arbeitsfähigkeit immerhin über mehrere Monate reduzierten - nicht mehr selbst ausgeübt. Dies umso weniger, als der behandelnde Rheumatologe damals offenbar eine Reduktion des Arbeitspensums empfohlen hatte (Schreiben des Dr. med. P.________ vom 25. März 2013). Ferner ändert nichts am Ergebnis, dass die Beschwerdegegnerin den Nebenerwerb offenbar auch nach Erhöhung des Pensums im Haupterwerb per 1. Mai 2009 nicht wieder selbst ausgeübt hat, litt sie doch auch in dieser Zeit unter gesundheitlichen Problemen (vgl. die Bemerkungen im Mitarbeitergesprächsbogen ["Entwicklung, Förderung, Anerkennung] 2009 vom 27. Januar 2010 S. 2). Zumindest nicht willkürlich ist schliesslich der vorinstanzliche Schluss, die Aufrechterhaltung des Nebenerwerbs ab 2008 trotz der bereits aufgetretenen gesundheitlichen Probleme (allenfalls) mittels Arbeitsleistung der Tochter zeige, dass die Beschwerdegegnerin diesen in der Hoffnung auf eine gesundheitliche Besserung auf keinen Fall habe verlieren wollen.  
Nach dem Gesagten hält die Berücksichtigung des Nebenerwerbs bei der Ermittlung des Valideneinkommens vor Bundesrecht stand. 
 
4.3. Ob bei der Berechnung des durchschnittlichen Nebeneinkommens (über drei Jahre; gemäss IK-Auszug vom 7. April 2011) der Verdienst des Jahres 2009 - weil dieser allenfalls nicht von der Beschwerdegegnerin erzielt wurde, sondern von ihrer Tochter - berücksichtigt werden darf, erscheint fraglich, kann letztlich jedoch offen bleiben. Denn auch unter Zugrundelegung des Durchschnittseinkommens aus dem Nebenerwerb der Jahre 2005-2007 (von Fr. 27'227.- [2005: Fr. 20'517.-; 2006: Fr. 31'570.-; 2007: 29'594.-]; ohne Aufindexierung pro 2011) resultiert bei einem Invaliditätsgrad von gerundet (BGE 130 V 121) 71 % (Fr. 86'052.- [Fr. 58'825.- + Fr. 27'227.-] ./. Fr. 25'350.- / Fr. 86'052.- x 100) Anspruch auf eine ganze Invalidenrente.  
 
 
5.   
Die unterliegende Beschwerdeführerin hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und der Beschwerdegegnerin eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'000.- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Sozialversicherungsrechtliche Kammer, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 29. April 2014 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kernen 
 
Der Gerichtsschreiber: Furrer