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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
2E_1/2008/ble 
 
Verfügung vom 29. Mai 2008 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Aemisegger, 
Bundesrichterin Yersin, 
Gerichtsschreiber Feller. 
 
Parteien 
X.________, 
Klägerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Lars Dubach, 
 
gegen 
 
Schweizerische Eidgenossenschaft, 
Beklagte, 
handelnd durch den Schweizerischen Bundesrat. 
 
Gegenstand 
Klage auf Schadenersatz und Genugtuung, 
 
Ausstandsbegehren; Revisionsgesuch gegen die Verfügung des Bundesgerichts vom 5. Mai 2008 betreffend unentgeltliche Rechtspflege. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
X.________ reichte am 4. April 2008 beim Bundesgericht eine Klage gegen die Schweizerische Eidgenossenschaft ein, womit sie Schadenersatz und Genugtuung wegen widerrechtlichen Verhaltens von Organen des Bundes im Zusammenhang mit einem Strafverfahren (namentlich Nichteintretensurteil 6S.296/2001 vom 3. Mai 2001 des Kassationshofs des Bundesgerichts) geltend machen will (Klageverfahren 2E_1/2008). Die II. öffentlich-rechtliche Abteilung des Bundesgerichts wies das für das Klageverfahren gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung mit Verfügung vom 22. April 2008 ab. Am 5. Mai 2008 sodann wies das Gericht ein Gesuch um Revision der Verfügung vom 22. April 2008 ab. 
Am 15. Mai 2008 gelangte die Klägerin mit einer weiteren Rechtschrift ans Bundesgericht, die folgende Begehren enthält: "Gesuch um Ausstand, Gesuch um Verzicht auf Erhebung Kostenvorschuss sowie um Verzicht auf Erhebung von Gerichtskosten, Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (Rechtsbeistand) bzw. Wiederwägung/Revision des abgelehnten Entscheids vom 22.4.08, Sistierung der pendenten Klage 2E.1/2008, evtl. Gesuch um Fristerstreckung für Kostenvorschuss". 
 
2. 
2.1 Die Klägerin verlangt den Ausstand der Bundesrichter Merkli, Hungerbühler und Müller im Klageverfahren 2E_1/2008; es wird darum ersucht, sie durch nicht am Bundesgericht arbeitende Ersatz-Richter zu ersetzen, evtl. durch ein Ersatzgericht. 
2.1.1 Gemäss Art. 34 Abs. 1 BGG haben Gerichtspersonen unter anderem dann in den Ausstand zu treten, wenn sie in der Sache ein persönliches Interesse haben (lit. a), in einer anderen Stellung, insbesondere als Mitglied einer Behörde, in der gleiche Sache tätig waren (lit. b) oder aus anderen Gründen, insbesondere wegen besonderer Freundschaft oder persönlicher Feindschaft mit einer Partei oder ihrem Vertreter, befangen sein könnten (lit. e). Dabei bildet die Mitwirkung an einem früheren Verfahren des Bundesgerichts für sich allein keinen Ausstandsgrund (Art. 34 Abs. 2 BGG). 
Will eine Partei den Ausstand von Gerichtspersonen verlangen, so hat sie dem Gericht ein schriftliches Begehren einzureichen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis erhalten hat (Art. 36 Abs. 1 Satz 1 BGG). Wird eine Gerichtsperson nicht sofort abgelehnt, nachdem die Partei vom Ausstandsgrund Kenntnis erhalten hat, so wird angenommen, sie verzichte auf dessen Geltendmachung; ein späteres, etwa nach Ergehen einer für die Partei nachteiligen gerichtlichen Entscheidung gestelltes Ausstandsbegehren, ist nach Treu und Glauben nicht zulässig (BGE 124 I 121 E. 2 S. 123; 119 Ia 221 E. 5a S. 228 f. mit Hinweisen). 
Schliesslich können abgelehnte Gerichtspersonen am Entscheid über das Ausstandsgesuch mitwirken, wenn dieses missbräuchlich ist, offensichtlich einer vernünftigen Grundlage entbehrt oder sonstwie untauglich erscheint (vgl. BGE 129 III E. 4.2.2 S. 464 f.; 122 II 471 E. 3a S. 476; 114 Ia 278; 105 Ib 301 E. 1b und c S. 303 f.). So verhält es sich grundsätzlich, wenn der Ausstand einer Gesamtbehörde verlangt wird. 
2.1.2 Die Klägerin beruft sich auf den Ausstandsgrund von Art. 34 Abs. 1 lit. a BGG; sie nimmt an, dass die drei an den Verfügungen vom 22. April 2008 sowie vom 5. Mai 2008 mitwirkenden Bundesrichter in der Sache ein persönliches Interesse haben, könnten sie doch nicht frei und unbefangen ein allfälliges Fehlverhalten der am Nichteintretensurteil 6S.296/2001 vom 3. Mai 2001 mitwirkenden Bundesrichter beurteilen. Diese Bedenken betreffend die Unvoreingenommenheit der Richterkollegen von Bundesrichter Schneider und Wiprächtiger gründen auf Tatsachen, die schon zum Zeitpunkt der Klageeinreichung bestanden. Die Klägerin hat sich auf S. 12 der Klageschrift zwar dazu geäussert, ohne aber ein förmliches Ausstandsbegehren zu stellen. Auch im ersten gegen die Verfügung vom 22. April 2008 betreffend Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gerichteten Revisionsgesuch vom 29. April 2008 hat sie kein Ausstandsbegehren gestellt. Nach dem vorstehend (E. 2.1) Gesagten erweist sich die Berufung auf den Ausstandsgrund von Art. 34 Abs. 1 lit. a BGG als verspätet. Ohnehin aber erscheint im Verantwortlichkeitsverfahren die Begründung, die richterliche Kollegialität stelle einen Ausstandsgrund dar, angesichts der vom Bundesgesetzgeber gewollten Verfahrensregelung (vgl. Art. 1 Abs. 1 lit. b VG und Art. 120 Abs. 1 lit. c BGG) als untauglich; es kann dazu auf (die von der Klägerin offenbar nicht zur Kenntnis genommene) E. 2 der Verfügung vom 22. April 2008 verwiesen werden, welcher diesbezüglich nichts beizufügen ist. Damit steht auch fest, dass über diesen auf einen Ausschluss des Gesamtgerichts abzielenden Ausstandsgrund die am Bundesgericht tätigen Richter selber entscheiden können. Dass dies erst recht hinsichtlich der übrigen geltend gemachten Ausschlussgründe gilt, versteht sich von selbst. Das Begehren um Bestellung eines Ersatzgerichts im Sinne von Art. 37 Abs. 3 BGG ist mithin abzuweisen. 
2.1.3 Die Klägerin macht sodann den Ausstandsgrund von Art. 34 Abs. 1 lit. b BGG (Vorbefassung in gleicher Angelegenheit) geltend; die an den Verfügungen vom 22. April und 5. Mai 2008 mitwirkenden Bundesrichter könnten über die Klagebegehren nicht mehr befinden, da sie sich im Entscheid über die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege festgelegt hätten; dabei seien sie nicht in einem anderen, früheren Verfahren im Sinne von Art. 34 Abs. 2 BGG, sondern in der gleichen Klagesache tätig geworden. Nach feststehender, kürzlich mit ausführlicher Begründung bestätigter Rechtsprechung erscheint ein Richter nicht schon deswegen als voreingenommen, weil er ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren abgewiesen hat, sofern nicht weitere konkrete für eine Befangenheit sprechende Gesichtspunkte hinzukommen. Es genügt, die Klägerin hierzu auf BGE 131 I 113 E. 3.7 S. 120 ff. zu verweisen. Im Übrigen hätte wohl auch dieser Ausstandsgrund schon in der Eingabe vom 29. April 2008 geltend gemacht werden müssen, ergab doch die Verfügung vom 5. Mai 2008 in dieser Hinsicht nichts Neues im Vergleich zur Verfügung vom 22. April 2008. 
2.1.4 Die Klägerin erachtet schliesslich die drei abgelehnten Richter gestützt auf den allgemeinen Ausstandsgrund von Art. 34 Abs. 1 lit. e BGG "aus anderen Gründen" als befangen; konkrete Anhaltspunkte hierfür sollen sich unmittelbar aus den Verfügungen vom 22. April und 5. Mai 2008 bzw. aus deren Begründungen ergeben. 
Ein Ausstandsgesuch kann grundsätzlich nicht mit dem Ergebnis bzw. dem Inhalt bereits gefällter Entscheidungen begründet werden. Die Klägerin behauptet allerdings, in ihrem Fall sei spezifisch in rechtsungleicher Weise zu ihrem Nachteil verfahren worden, indem, ohne Einschlagung des von Art. 23 BGG vorgesehenen Prozederes, von einer konstanten Praxis abgewichen worden sei. Sie nimmt unter Hinweis auf Einzelfälle an, sämtliche Abteilungen des Bundesgerichts lehnten seit Jahren die unentgeltliche Rechtspflege in jedem Fall erst zum Zeitpunkt der Fällung des Hauptentscheides ab; sie macht geltend, es hätte das für eine Praxisänderung vorgesehene Verfahren gemäss Art. 23 BGG eingeschlagen werden müssen, um (allein) in ihrem Fall anders vorzugehen. Wohl wird in Beschwerdeverfahren häufig auf einen separaten Vorabentscheid über ein Armenrechtsgesuch verzichtet; auf diese Weise wird insbesondere vorgegangen, wenn ohne grösseren Aufwand ein Sachentscheid gefällt werden kann und wenn keine weiteren wesentlichen Prozesshandlungen der um unentgeltliche Rechtspflege ersuchenden Partei bzw. von deren Rechtsvertreter oder von anderen Beteiligten mehr erforderlich sind. Von einer allgemein geübten Praxis, keine separaten Entscheidungen über Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege zu fällen, kann keine Rede sein, erst recht nicht bei Klageverfahren, die regelmässig mit grösserem Aufwand und mithin auch höheren Kosten verbunden sind als Beschwerdeverfahren. Fehlt es aber an der von der Klägerin unbelegt und unzutreffend apodiktisch behaupteten einheitlichen Praxis, erübrigen sich Äusserungen zu Art. 23 BGG
Im Weiteren wird der Ausstandsgrund von Art. 34 Abs. 1 lit. e BGG in unzulässiger Weise mit angeblich unzutreffenden Erwägungen in den Verfügungen vom 22. April und vom 5. Mai 2008 begründet, worauf nicht weiter einzugehen ist. Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass es sich beim von der Klägerin auf S. 3 ihrer Rechtsschrift vom 15. Mai 2008 erwähnten Autor Reto Feller nicht um einen Bundesgerichtsschreiber handelt. Nicht ersichtlich ist schliesslich, warum die drei abgelehnten Richter befangen sein sollten, weil sie nach Ablehnung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege nicht von Amtes wegen auf die Erhebung von Kosten verzichtet haben; diesbezüglich ist im Übrigen auf die nachfolgende E. 2.2 zu verweisen. 
2.1.5 Soweit überhaupt rechtzeitig und in nachvollziehbarer Weise Ausstandsgründe geltend gemacht werden und auf das Ausstandsgesuch eingetreten werden kann, erweist sich dieses als offensichtlich unbegründet. 
 
2.2 Art. 66 Abs. 1 Satz 1 und Art. 62 Abs. 1 Satz 2 BGG erlauben zwar, auf die Erhebung von Kosten bzw. des Kostenvorschusses zu verzichten, wenn besondere Gründe vorliegen. Darauf besteht grundsätzlich kein Anspruch; ein Verzicht auf Kosten- und Vorschusserhebung kommt nur ausnahmsweise in Betracht, etwa wegen der besonderen Natur des Rechtsstreits bzw. der Einzelfallumstände; das von der Klägerin erwähnte Urteil 1B_87/2008 vom 29. April 2008, insbesondere E. 2.3, ist hierfür illustrativ. Gründe dafür, dass das Bundesgericht im vorliegenden Prozess, der Geldforderungen zum Gegenstand hat, auf Kosten verzichten sollte, sind nicht ersichtlich. Das entsprechende Begehren ist daher abzuweisen. 
 
2.3 Die Klägerin ersucht um Wiedererwägung bzw. Revision der Verfügung vom 22. April 2008. Was sie zur Abgrenzung zwischen Wiedererwägung und Revision geltend macht, ist einerseits schwer nachvollziehbar, hat sie doch am 29. April 2008 ausdrücklich ein Revisionsgesuch gestellt; andererseits ist diese Abgrenzung insofern unerheblich, als eine Neuüberprüfung der Verfügung vom 22. April 2008 ohne Vorliegen triftiger Gründe mehr oder weniger revisionsrechtlicher Natur ausser Betracht fällt. Die Klägerin begründet das Wiedererwägungs- bzw. Revisionsbegehren im Wesentlichen mit der behaupteten Befangenheit der an der Verfügung vom 22. April 2008 mitwirkenden Richter und einer angeblich gesetzeswidrig vorgenommenen Praxisänderung. Die vorstehenden Erwägungen zeigen, dass in dieser Hinsicht offensichtlich kein Grund für ein Zurückkommen auf die Verfügung vom 22. April 2008 vorliegt. Dazu besteht auch sonst kein Anlass; insbesondere ist die Ankündigung des Treffens einer Delegation des schweizerischen Anwaltsverbandes mit EMRK-Richtern nicht geeignet, eine andere Einschätzung der Erfolgsaussichten der Verantwortlichkeitsklage nahezulegen. 
 
2.4 Damit bleibt es bei der Kostenvorschusspflicht der Klägerin. Was das erneut gestellte Sistierungsgesuch betrifft, ist sie darauf hinzuweisen, dass eine - allfällige - Verfahrenssistierung die Pflicht zur vorgängigen Leistung eines Kostenvorschusses nicht ausschliesst, wie ihr schon im Schreiben des Präsidenten der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung vom 7. März 2008 erläutert worden ist. Über weitere verfahrensrechtliche Gesuche (wie Sistierungsgesuch) würde erst nach Zahlungseingang durch den Abteilungspräsidenten bzw. Instruktionsrichter entschieden (Art. 32 Abs. 1 BGG). 
 
2.5 Die Klägerin ersucht für den Fall, dass es bei der Kostenvorschusspflicht bleibt, um Erstreckung der Zahlungsfrist. Es ist Sache des Abteilungspräsidenten, dies mit separater Verfügung zu prüfen. Dabei wird es sich um eine Nachfristansetzung im Sinne von Art. 62 Abs. 3 Satz und 3 BGG handeln. Bereits hier ist festzuhalten, dass die Zahlungsfrist auch bei Bedürftigkeit einer Partei nur begrenzt erstreckt werden kann. Dies gilt insbesondere, wenn deren Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit ihrer Rechtsvorkehr abgewiesen worden ist. 
 
2.6 Die Klägerin verlangt für dieses Ausstandsverfahren die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung. Angesichts der Aussichtslosigkeit der prozessualen Vorkehr fällt dies ausser Betracht (vgl. Art. 64 BGG). Indessen wird keine separate Gerichtsgebühr erhoben; die mit der vorliegenden Verfügung verbundenen Kosten werden zur Hauptsache geschlagen. 
 
Demnach verfügt das Bundesgericht: 
 
1. 
Das Ausstandsbegehren wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Das Wiedererwägungs- bzw. Revisionsgesuch wird abgewiesen. 
 
3. 
Das Gesuch um Verzicht auf die Erhebung von Kosten und eines Kostenvorschusses wird abgewiesen. 
 
4. 
Über das Sistierungsgesuch wird vorläufig nicht entschieden. 
 
5. 
Weitere verfahrensleitende Anordnungen werden mit separaten Verfügungen getroffen. 
 
6. 
Diese Verfügung wird den Parteien schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 29. Mai 2008 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber: 
 
Aubry Girardin Feller