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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_241/2020  
 
 
Urteil vom 29. Mai 2020  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Abrecht, 
Gerichtsschreiberin Durizzo. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Advokat Dr. Martin Kaiser, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 18. Februar 2020 (VBE.2019.475). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________, geboren 1973, stürzte am 16. September 2018 auf einer Treppe und verletzte sich dabei am rechten Knie. Gemäss den Berichten der behandelnden Ärzte zog sie sich eine Kontusion beziehungsweise eine Distorsion an diesem Knie zu (hausärztliche Erstkonsultation vom 17. September 2018; Abklärung im Spital B._______ vom 10. Oktober 2018). Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), bei der sie über die Arbeitslosenversicherung für die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen sowie Berufskrankheiten versichert war, erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Gestützt auf die ärztlichen Beurteilungen ihrer in der Abteilung Versicherungsmedizin tätigen Kreisärztin Dr. med. C.________, Fachärztin Allgemeinchirurgie und Traumatologie, vom 22. November 2018 und 4. März 2019 schloss sie den Fall per 30. November 2018 ab und stellte ihre Versicherungsleistungen (Taggeld und Heilkosten) ein. Zur Begründung führte sie an, dass die danach noch anhaltenden Beschwerden nicht durch den Unfall vom 16. September 2018 verursacht worden seien. Es sei dadurch lediglich zu einer vorübergehenden Verschlimmerung des am 24. September 2018 bildgebend dokumentierten krankhaften Vorzustandes gekommen. Dieser sei jedoch spätestens sechs bis acht Wochen danach wieder hergestellt gewesen (Verfügung vom 21. März 2019 und Einspracheentscheid vom 5. Juni 2019). 
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 18. Februar 2020 ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides seien ihr auch über den 30. November 2018 hinaus die gesetzlichen Leistungen zuzusprechen. Eventualiter sei die Sache zu weiteren Abklärungen zurückzuweisen. 
 
Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).  
 
1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).  
 
2.   
Streitig ist, ob die vorinstanzlich bestätigte Leistungseinstellung per 30. November 2018 vor Bundesrecht standhält. Zur Frage steht dabei, ob die danach noch anhaltenden Beschwerden in einem natürlich-kausalen Zusammenhang mit der beim Unfall vom 16. September 2018 erlittenen Verletzung am rechten Knie standen. 
 
3.   
Das kantonale Gericht hat die Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers nach Art. 6 Abs. 1 UVG vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang (BGE 142 V 435 E. 1 S. 438; 129 V 177 E. 3.1 S. 181) zutreffend dargelegt. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich der Haftung für die Verschlimmerung beziehungsweise des Entfallens der vom Unfallversicherer einmal anerkannten Leistungspflicht bei Teilursächlichkeit des Unfalls nach Wiederherstellung des Gesundheitszustandes, wie er unmittelbar vor dem Unfall bestanden hat (Status quo ante) oder wie er sich nach dem schicksalsmässigen Verlauf eines krankhaften Vorzustandes auch ohne Unfall früher oder später eingestellt hätte (Status quo sine; SVR 2016 UV Nr. 18 S. 55, 8C_331/2015 E. 2.1.1; SVR 2010 UV Nr. 31 S. 125, 8C_816/2009 E. 4.3; Urteile 8C_669/2019 vom 25. März 2020 E. 2.2; 8C_781/2017 vom 21. September 2018 E. 5.1; 8C_326/2008 vom 24. Juni 2008 E. 3.2 und 4). Anzufügen ist, dass der Beweis des natürlichen Kausalzusammenhangs beziehungsweise dessen Wegfallens in erster Linie mit den Angaben medizinischer Fachpersonen zu führen ist. Dabei ist zu beachten, dass ärztliche Auskünfte, die allein auf der Argumentation beruhen, die gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien erst nach dem Unfall aufgetreten, beweisrechtlich nicht zu verwerten sind (vgl. zur Unzulässigkeit der Beweismaxime "post hoc ergo propter hoc" BGE 119 V 335 E. 2b/bb S. 341 f.; SVR 2016 UV Nr. 18 S. 55, 8C_331/2015 E. 2.2.3.1). Zudem deckt sich der medizinische Begriff des Traumas nicht mit dem Unfallbegriff im Sinne von Art. 4 ATSG (BGE 134 V 72 E. 4.3.2.2 S. 81; in BGE 130 V 380 nicht publ. E. 1 des Urteils U 199/03 vom 10. Mai 2004; RKUV 2003 Nr. U 485 S. 253, U 307/01 E. 5; RKUV 1996 Nr. U 253 S. 199 E. 4b; Urteil 8C_225/2019 vom 20. August 2019 E. 3.4). 
Richtig dargelegt werden im angefochtenen Entscheid die Regeln, die bei der Beurteilung des Beweiswerts eines ärztlichen Berichts oder Gutachtens zu beachten sind (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352), insbesondere bei versicherungsinternen Stellungnahmen (BGE 139 V 225 E. 5.2 S. 229; 135 V 465 E. 4.4   S. 469 f.; 125 V 351 E. 3b/ee S. 353 f.; 122 V 157 E. 1d S. 162). Es wird darauf verwiesen. Zu ergänzen ist, dass auch reine Aktengutachten beweiskräftig sein können, sofern ein lückenloser Befund vorliegt und es im Wesentlichen nur um die fachärztliche Beurteilung eines an sich feststehenden medizinischen Sachverhaltes geht, mithin die direkte ärztliche Befassung mit der versicherten Person in den Hintergrund rückt (SVR 2010 UV Nr. 17 S. 63, 8C_239/2008 E. 7.2; SZS 2008 S. 393, I 1094/06 E. 3.1.1 in fine; Urteil U 10/87 vom 29. April 1988 E. 5b, nicht publ. in: BGE 114 V 109, aber in: RKUV 1988 Nr. U 56 S. 366; Urteil 8C_780/2016 vom 24. März 2017 E. 6.1). 
 
4.   
Nach eingehender Darlegung der medizinischen Berichte stellte die Vorinstanz gestützt auf die versicherungsinternen Stellungnahmen fest, dass die Beschwerdeführerin beim Sturz eine Kontusion oder Distorsion des Kniegelenks erlitten habe. Die bildgebenden Untersuchungen (Röntgenbild anlässlich der ärztlichen Erstkonsultation, MRI vom 24. September 2018) hätten keine frischen Läsionen gezeigt. Hingegen sei eine in Fehlstellung konsolidierte Oberschenkelfraktur zufolge einer im Jugendalter durchgeführten Beinverlängerung mit degenerativen Schädigungen (chronische Ruptur des vorderen Kreuzbands, komplexe Rissbildungen am Innenmeniskus, Knorpelschäden, Ganglion) festgestellt worden. Der stumme krankhafte Vorzustand am rechten Kniegelenk sei durch die am 16. September 2018 erlittene Kontusion beziehungsweise Distorsion nur vorübergehend verschlimmert worden. Das kantonale Gericht bestätigte daher die Leistungseinstellung per 30. November 2018. 
 
5.   
Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass mit den versicherungsinternen Beurteilungen der Nachweis für ein Dahinfallen jeglicher Unfallkausalität am 30. November 2018 nicht erbracht sei, zumal sich die Kreisärztin bei ihrer Einschätzung nicht auf eine eigene Untersuchung, sondern lediglich auf die bildgebenden Befunde des MRI gestützt habe. Gemäss den behandelnden Ärzten der Spitäler B.________ und D.________ sei zumindest die Ruptur des vorderen Kreuzbandes durch den Treppensturz verursacht worden. Diese Auffassung hätten sie nach einer Operation des Knies am 10. September 2019 bestätigt. Die Suva sei daher auch über den 30. November 2018 hinaus leistungspflichtig. 
 
6.  
 
6.1. Die Beschwerdeführerin beruft sich darauf, dass die behandelnden Ärzte von einer traumatisch bedingten Ruptur des vorderen Kreuzbandes ausgingen (Berichte der Spitäler B.________ und D.________ vom 14. Januar 2019 sowie vom 10. und 11. September 2019; der letztinstanzlich eingereichte Bericht des Spitals B.________ vom 25. März 2020 bleibt dabei unbeachtlich, unzulässiges Novum, Art. 99 Abs. 1 BGG). Die medizinische Verwendung des Begriffs "Trauma" lässt jedoch aus rechtlicher Sicht keine Rückschlüsse zu auf einen allfälligen natürlich-kausalen Zusammenhang dieses Defekts mit dem Unfall vom 16. September 2018 (oben E. 3). Nach Auffassung der behandelnden Ärztin fiel die im Alter von 17 Jahren erfolgte Beinverlängerung im Bereich des Oberschenkels mittels Fixateur als Ursache für das Instabilitätsgefühl im Bereich des rechten Kniegelenks nicht in Betracht, weil die damit verbundenen Beschwerden erst nach dem Treppensturz aufgetreten seien (Bericht vom 14. Januar 2019). Aus dem Umstand, dass ein stummer unfallfremder Vorzustand erst nach einem Unfallereignis symptomatisch wird, lässt sich jedoch praxisgemäss nicht auf einen unfallbedingten anspruchsbegründenden Kausalzusammenhang schliessen ("post hoc ergo propter hoc"; oben E. 3). Beim Vorfall vom 16. September 2018 zog sich die Beschwerdeführerin unbestrittenerweise lediglich eine Distorsion oder Kontusion des Kniegelenks zu. Einzig die dadurch ausgelösten Beschwerden vermögen als Teilursache eine Leistungspflicht des Unfallversicherers zu begründen.  
 
6.2. Die Beschwerdeführerin macht weiter geltend, dass MRI-Bilder naturgemäss interpretationsbedürftig seien. Die zur abschliessenden Beurteilung der Kausalität erforderlichen Kenntnisse hätten erst anlässlich der am 10. September 2019 erfolgten Operation gewonnen werden können. Die versicherungsinternen Stellungnahmen könnten von vornherein nicht als hinreichend schlüssig gelten, weil sich die Kreisärztin allein auf die MRI-Bilder abstütze. Auf eine eigene Untersuchung habe sie verzichtet und auch die bei der Operation erhobenen Befunde nicht abgewartet. Inwiefern sich beim Eingriff vom 10. September 2019 indessen gegenüber den MRI-Bildern vom 24. September 2018 neue, gegen die Beurteilung der Suva-Ärztin sprechende Befunde gezeigt hätten, ist nicht erkennbar und wird beschwerdeweise nicht dargelegt. Der Einwand der Versicherten, die behandelnden Ärzte hätten ihre von der Version der Kreisärztin abweichende Auffassung hinsichtlich der traumatischen Verursachung der Kreuzbandverletzung nach der Operation bekräftigt, verfängt daher nicht, zumal dafür erneut keine weitere Begründung geliefert wurde.  
 
6.3. Die Stellungnahmen der behandelnden Ärzte vermögen nach dem Gesagten keine auch nur geringen Zweifel an den versicherungsinternen Aktenbeurteilungen zu begründen. Ohne Bundesrecht zu verletzen, durfte die Vorinstanz gestützt darauf ohne weitere Abklärungen davon ausgehen, die beim Sturz vom 16. September 2018 erlittene Kniedistorsion oder -kontusion sei nicht geeignet gewesen, die Kreuzbandruptur zu verursachen. Soweit der bildgebend dokumentierte Defekt am vorderen Kreuzband (das sich gemäss Beschwerdeführerin um das hintere Kreuzband gelegt habe) auch nach dem 30. November 2018 noch zu Beschwerden führte, fällt die Kniedistorsion beziehungsweise -kontusion daher auch als Teilursache ausser Betracht. Stehen die nach dem 30. November 2018 noch geklagten Beschwerden nicht mehr in einem natürlichen Kausalzusammenhang mit dem am 16. September 2018 erlittenen Unfall, fällt eine weitergehende Leistungspflicht der Suva aus unfallähnlicher Körperschädigung (Art. 6 Abs. 2 UVG) ausser Betracht (BGE 146 V 51 E. 9.1 und 9.2 S. 70 f.).  
 
 
7.   
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 29. Mai 2020 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo