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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess {T 7} 
I 229/06 
 
Urteil vom 29. Juni 2006 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Ursprung, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Frésard; Gerichtsschreiber Jancar 
 
Parteien 
IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Z.________, Rechtsanwalt, Beschwerdegegner 
 
Vorinstanz 
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, Luzern 
 
(Entscheid vom 6. Februar 2006) 
 
Sachverhalt: 
A. 
A.a Mit Verfügung vom 13. Dezember 2004 wies die IV-Stelle Luzern das Rentenbegehren der 1950 geborenen W.________ mangels eines invalidisierenden Gesundheitsschadens ab. Die dagegen erhobene, von Rechtsanwalt Z._________, verfasste Einsprache hiess die IV-Stelle insofern gut, als sie die Verfügung aufhob und anordnete, dass im Sinne der Erwägungen nach Durchführung weiterer Abklärungen über den Rentenanspruch neu verfügt werde; das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung für das Einspracheverfahren wies sie ab (Entscheid vom 31. März 2005). Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern gut und ernannte Rechtsanwalt Z._________ zum unentgeltlichen Rechtsbeistand für das Einspracheverfahren; es wies die Sache an die IV-Stelle zurück, damit sie die Entschädigung an den unentgeltlichen Rechtsbeistand für das Einspracheverfahren festsetze (Entscheid vom 17. Juni 2005). 
A.b Mit Kostennote vom 30. Juni 2005 verlangte Rechtsanwalt Z._________ eine Entschädigung von total Fr. 1635.52 (Honorar Fr. 1500.- [6,81 Std. à Fr. 220.26], Auslagen Fr. 20.- und Mehrwertsteuer Fr. 115.52 [7,6 %]). Mit Verfügung vom 5. Dezember 2005 sprach ihm die IV-Stelle eine Entschädigung von total Fr. 1193.50 zu (Anwaltsgebühr Fr. 1089.60 [6.81 Std. x Fr. 160.-], Auslagen Fr. 20.- und Mehrwertsteuer Fr. 84.35). 
B. 
In Gutheissung der hiegegen erhobenen Beschwerde verpflichtete das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern die IV-Stelle, Rechtsanwalt Z._________ als unentgeltlicher Rechtsbeistand für das Einspracheverfahren eine Parteientschädigung von Fr. 1487.- (Honorar Fr. 1362.- [6,82 (recte 6,81) Std. x Fr. 200.-], Auslagen Fr. 20.- und Mehrwertsteuer Fr. 105.-) zu bezahlen; weiter verpflichtete es die IV-Stelle, ihm für das kantonale Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 600.- (ink. Auslagen und Mehrwertsteuer) zu bezahlen (Entscheid vom 6. Februar 2006). 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die IV-Stelle die Aufhebung des kantonalen Entscheides. 
 
Rechtsanwalt Z._________ schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Streitig ist die Bemessung der dem Beschwerdegegner zugesprochenen Entschädigung als unentgeltlicher Rechtsvertreter im Einspracheverfahren der Invalidenversicherung. 
 
Die bundesrechtliche Verfügungsgrundlage (Art. 5 VwVG in Verbindung mit Art. 97 Abs. 1 und Art. 128 OG) ist gegeben. Im Streit um die Höhe des Armenrechtshonorars kommt dem unentgeltlichen Rechtsbeistand Parteistellung zu. 
 
Zu den prozess- und verfahrensleitenden Verfügungen, gegen welche gemäss Art. 52 Abs. 1 ATSG keine Einsprache erhoben werden kann, gehören auch die Verfügungen betreffend unentgeltliche Verbeiständung. Die Vorinstanz ist daher zu Recht auf die Beschwerde gegen die Verfügung der IV-Stelle vom 5. Dezember 2005 eingetreten (BGE 131 V 155 Erw. 1 mit Hinweisen). 
2. 
Die strittige Verfügung hat nicht die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen zum Gegenstand. Das Eidgenössische Versicherungsgericht prüft daher nur, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzte, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
3. 
3.1 Die Vorinstanz hat die gesetzliche Bestimmung über die unentgeltliche Verbeiständung im Sozialversicherungsverfahren (Art. 37 Abs. 4 ATSG; vgl. auch Art. 29 Abs. 3 BV) sowie Art. 65 Abs. 5 VwVG in Verbindung mit Art. 12a der Verordnung über Kosten und Entschädigungen im Verwaltungsverfahren (VVKV) und Art. 2 Abs. 1 des Tarifs über die Entschädigungen an die Gegenpartei für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht (EVG-Tarif) zutreffend dargelegt. Richtig ist auch, dass sich das Anwaltshonorar im Verwaltungs- und Einspracheverfahren der Invalidenversicherung unter der Herrschaft des ATSG (in Kraft seit 1. Januar 2003) nicht mehr nach kantonalem Recht, sondern unter Anwendung von Art. 2 Abs. 1 EVG-Tarif bestimmt (BGE 131 V 153 ff., 158 Erw. 6.1). Korrekt wiedergegeben hat die Vorinstanz auch Rz. 2058 des BSV-Kreisschreibens über die Rechtspflege in der AHV, der IV, der EO und bei den EL (KSRP; in der seit 1. Oktober 2005 geltenden Fassung). Darauf wird verwiesen. 
3.2 
3.2.1 Zu ergänzen ist, dass die Höhe der Entschädigung nicht im Hinblick auf das früher aus alt Art. 4 Abs. 1 BV abgeleitete, nunmehr in Art. 9 BV verankerte Willkürverbot zu überprüfen (vgl. BGE 125 V 408 Erw. 3a) ist, sondern daraufhin, ob bei der bundesrechtlich geregelten Festsetzung der Höhe der Entschädigung die einschlägigen Vorschriften verletzt wurden oder ob die Verwaltung das ihr durch die Kostenverordnung und den Tarif eingeräumte Ermessen rechtsfehlerhaft, d.h. ermessensüberschreitend oder -missbräuchlich ausgeübt und insofern eine Bundesrechtsverletzung im Sinne von Art. 104 lit. a OG begangen hat. Ein gesamtschweizerischer Stundenansatz, wie ihn das Bundesamt für Sozialversicherung in Rz 2058 des KSRP festgelegt hat, ist grundsätzlich nicht rechtswidrig. Ein einheitlicher Stundenansatz wäre allerdings insofern unkorrekt, als mit einem solchen der Wichtigkeit und Schwierigkeit der Streitsache sowie dem Umfang der Arbeitsleistung und dem Zeitaufwand des Anwalts nicht Rechnung getragen werden könnte (Art. 2 Abs. 1 Ingress EVG-Tarif; BGE 131 V 158 f. Erw. 6.2). 
 
Der vom BSV in Rz. 2058 KSRP in der bis 30. September 2005 gültig gewesenen Fassung auf dem tiefsten Niveaus gewählte Ansatz von generell Fr. 160.- erwies sich unter diesen Umständen nicht als bundesrechtskonform (BGE 131 V 159 Erw. 7). 
3.2.2 Verwaltungsweisungen richten sich an die Durchführungsstellen und sind für das Sozialversicherungsgericht nicht verbindlich. Dieses soll sie bei seiner Entscheidung aber berücksichtigen, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen. Das Gericht weicht also nicht ohne triftigen Grund von Verwaltungsweisungen ab, wenn diese eine überzeugende Konkretisierung der rechtlichen Vorgaben darstellen. Insofern wird dem Bestreben der Verwaltung, durch interne Weisungen eine rechtsgleiche Gesetzesanwendung zu gewährleisten, Rechnung getragen (BGE 131 V 45 Erw. 2.3, 130 V 172 Erw. 4.3.1, 232 Erw. 2.1, 129 V 204 Erw. 3.2, 127 V 61 Erw. 3a, 126 V 68 Erw. 4b, 427 Erw. 5a; nicht publ. Erw. 4 des Urteils BGE 131 V 153). 
4. 
4.1 Der Vorinstanz ist beizupflichten, dass der von der IV-Stelle festgesetzte Stundenansatz von Fr. 160.- angesichts der Wichtigkeit und Schwierigkeit der Streitsache sowie des Zeit- und Arbeitsaufwandes des Anwalts nicht gerechtfertigt ist. Demgegenüber erweist sich das vorinstanzlich zugesprochene Stundenhonorar von Fr. 200.- (zuzüglich Mehrwertsteuer) in casu nicht als rechtsfehlerhafte Ermessensbetätigung und damit nicht als bundesrechtswidrig (vgl. auch BGE 131 V 160). Es wird auf die zutreffenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid verwiesen. 
 
Von einer vorinstanzlichen Verletzung der Begründungspflicht (Art. 29 Abs. 2 BV; BGE 129 I 236 Erw. 3.2, 126 I 102 Erw. 2b, 124 V 181 Erw. 1a; SZS 2001 S. 563 Erw. 3b [Urteil B. vom 26. September 2001, B 61/00]; Urteil S. vom 23. Mai 2006 Erw. 2.2.2, I 646/05) kann entgegen der IV-Stelle nicht gesprochen werden. 
4.2 Die Einwendungen der IV-Stelle - zu denen bereits die Vorinstanz Stellung genommen hat - vermögen an diesem Ergebnis nichts zu ändern. 
4.2.1 Die Verwaltung macht insbesondere geltend, im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern vergüte die Gerichtskasse dem zum unentgeltlichen Rechtsbeistand bestellten Anwalt 85 % des gerichtlich festgesetzten Honorars. Dieses sei vom Verwaltungsgericht im Sinne eines Richtwertes auf Fr. 230.- pro Stunde festgelegt worden. Die Vergütung für den unentgeltlichen Rechtsbeistand belaufe sich daher in der Regel auf Fr. 195.50 pro Stunde (85 % von Fr. 230.-). Gestützt auf Rz. 2058 KSRP (in der seit 1. Oktober 2005 geltenden Fassung) könne es daher nicht angehen, dass dem Beschwerdegegner im Einspracheverfahren ein höherer Stundenansatz ausgerichtet werde als im übergeordneten kantonalen Gerichtsverfahren. Der in Rz. 2058 KSRP festgelegte Stundenansatz werde nicht nur durch den darin statuierten Maximalbetrag von Fr. 200.- pro Stunde (exkl. Mehrwertsteuer) nach oben begrenzt, sondern auch durch den Vorbehalt einer anders lautenden kantonalen Bestimmung, welche einen tieferen Stundenansatz festsetze. Der zu vergütende Stundenansatz könne daher maximal Fr. 195.50 betragen. Dies sei um so eher gerechtfertigt, als das Einspracheverfahren eine dem Gerichtsverfahren untergeordnete Verfahrensstufe sei und der Sozialversicherungsprozess von der Untersuchungsmaxime beherrscht werde, was die Arbeit des Anwalts erleichtere. Allenfalls sei die altrechtliche kantonale Regelung bezüglich der Vergütung der unentgeltlichen Rechtspflege im Verwaltungsverfahren als Hilfe für die Berechnung eines durchschnittlichen Stundenansatzes heranzuziehen. Hienach habe die IV-Stelle 85 % des vom Gericht angesetzten reduzierten Stundenansatzes vergütet, was heute Fr. 166.20 (85 % von Fr. 195.50) wären. Für den vorliegend durchschnittlichen Fall sei eine Entschädigung von Fr. 160.- angebracht. 
 
Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass für die Bemessung der Entschädigung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes im kantonalen Beschwerdeverfahren mangels bundesrechtlicher Grundlage kantonales Recht massgebend ist. Hieran hat der erwähnte BGE 131 V 153 ff. (vgl. Erw. 3.1 und 3.2.1 hievor) nichts geändert. Auch unter der Herrschaft des ATSG bleiben demnach Unterschiede zwischen der bundesrechtlich und der kantonalrechtlich geregelten Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsvertreters zulässig, soweit Kantone für den Armenanwalt eine tiefere, den bundesrechtlichen Mindestansatz für Parteientschädigungen unterschreitende Abgeltung vorsehen dürfen. Diese auf kantonaler Ebene bestehenden Unterschiede beruhen auf der verfassungsmässigen (vgl. Art. 3 BV) Organisations- und Verfahrenshoheit der Kantone (Urteil U. vom 26. Juli 2005 Erw. 3.3 f., U 433/04, mit Hinweisen). In diesem Lichte ist es mithin nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz im vorliegenden Fall den bundesrechtlich geregelten Stundenansatz für das Einspracheverfahren (Fr. 200.- plus Mehrwertsteuer) höher angesetzt hat als das im kantonalen Gerichtsverfahren in der Regel vergütete Stundenhonorar (Fr. 195.50 plus Mehrwertsteuer). 
4.2.2 Die IV-Stelle bringt weiter vor, in anderen Verfahren bezüglich Bemessung der im Einspracheverfahren zugesprochenen Entschädigung für unentgeltliche Verbeiständung habe die Vorinstanz stets den vom Anwalt geltend gemachten Stundenansatz übernommen. So seien einmal Fr. 195.- und ein anderes Mal Fr. 195.50 vergütet worden. Diese Praxis erscheine willkürlich und werde künftig dazu führen, dass die Anwälte bei unentgeltlicher Verbeiständung stets den maximalen Stundenansatz verlangten. 
 
Diesbezüglich ist festzuhalten, dass die IV-Stelle nicht substanziiert dargelegt hat, inwieweit die relevanten Umstände jener beiden Fälle mit den vorliegenden übereinstimmten oder ihnen zumindest ähnlich seien. Eine Verletzung von Bundesrecht (vgl. Erw. 2 und 3.2.1 hievor), insbesondere des Gleichheitsgebots (Art. 8 Abs. 1 BV), ist mithin auch unter diesem Aspekt nicht ersichtlich. 
5. 
Streitigkeiten im Zusammenhang mit der unentgeltlichen Rechtspflege unterliegen nicht der Kostenpflicht, weshalb keine Gerichtskosten zu erheben sind (nicht publ. Erw. 9 des Urteils BGE 131 V 153; SVR 2002 ALV Nr. 3 S. 7 Erw. 5 [Urteil W. vom 11. Juni 2001, C 130/99]). 
 
Der in eigener Sache prozessierende Anwalt hat nur in Ausnahmefällen Anspruch auf eine Parteientschädigung. Die Voraussetzungen, die kumulativ gegeben sein müssen, damit eine solche Ausnahmesituation anzunehmen ist (komplexe Sache mit hohem Streitwert, hoher Arbeitsaufwand, vernünftiges Verhältnis zwischen dem betriebenen Aufwand und dem Ergebnis der Interessenwahrung; vgl. BGE 129 V 116 Erw. 4.1 mit Hinweisen), sind letztinstanzlich im Falle des Beschwerdegegners nicht erfüllt (vgl. auch erwähntes Urteil U 433/04 Erw. 5.1). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 29. Juni 2006 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: