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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_97/2024  
 
 
Urteil vom 29. August 2024  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterinnen Heine, Viscione, 
Gerichtsschreiber Hochuli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Jonas Steiner, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Neuanmeldung), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 19. Dezember 2023 (IV.2023.00518). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Der 1979 geborene A.________ arbeitete bei der B.________ GmbH, als er sich am 23. September 2010 bei einem Verkehrsunfall unter anderem eine Distorsion der Halswirbelsäule zuzog. Am 2. Mai 2011 meldete er sich wegen Nackenschmerzen und thorakalen Schmerzen bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Unter Mitberücksichtigung des psychiatrischen Gutachtens der Dr. med. C.________ vom 22. September 2012 verneinte die IV-Stelle des Kantons Zürich (fortan: IV-Stelle oder Beschwerdegegnerin) mit Verfügung vom 29. Mai 2013 ihre Leistungspflicht. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die hiergegen erhobene Beschwerde ab (Urteil vom 8. September 2014).  
 
A.b. Am 6. Juni 2017 meldete sich A.________ unter Geltendmachung einer Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustandes wiederum zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle trat auf diese Neuanmeldung ein und tätigte medizinische Abklärungen. Unter anderem gestützt auf das polydisziplinäre Gutachten des Zentrums für Medizinische Begutachtung in Basel (ZMB) vom 27. September 2018 (fortan: ZMB-Gutachten) lehnte die IV-Stelle das Leistungsgesuch mit Verfügung vom 8. Juli 2019 ab. Auf die hiergegen erhobenen Beschwerden hin schützten das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich (Urteil vom 29. Dezember 2020) und das Bundesgericht (Urteil 8C_165/2021 vom 2. Juli 2021) die verfügte Verneinung eines Leistungsanspruchs.  
 
A.c. Am 26. April 2023 meldete sich A.________ gestützt auf drei ärztliche Berichte erneut zum Leistungsbezug an. Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens hielt die IV-Stelle am angekündigten Entscheid fest, wonach auf das neue Leistungsgesuch mangels Glaubhaftmachung einer anspruchserheblichen Veränderung der Verhältnisse nicht einzutreten sei (Verfügung vom 12. September 2023).  
 
B.  
Die hiergegen erhobene Beschwerde des A.________ wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ab (Urteil vom 19. Dezember 2023). 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ beantragen, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die IV-Stelle zu verpflichten, auf das Leistungsbegehren vom 26. April 2023 einzutreten. 
Das Bundesgericht zieht die vorinstanzlichen Akten bei. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann ihre Sachverhaltsfeststellungen von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinn von Art. 95 BGG beruhen und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG; zum Ganzen: BGE 145 V 57 E. 4; Urteil 8C_557/2022 vom 4. August 2023 E. 2). 
 
2.  
 
2.1. Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie das Nichteintreten der IV-Stelle auf die Neuanmeldung des Beschwerdeführers vom 26. April 2023 bestätigte. Prozessthema bildet einzig die Frage, ob der Beschwerdeführer im Verfahren der Neuanmeldung gemäss Art. 87 Abs. 2 und 3 IVV der ihm obliegenden Beweisführungslast nachgekommen war, eine anspruchserhebliche Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse seit der am 8. Juli 2019 verfügten und letztinstanzlich mit Urteil 8C_165/2021 vom 2. Juli 2021 bestätigten Verneinung eines Rentenanspruchs glaubhaft zu machen (vgl. SVR 2016 IV Nr. 57 S. 188, 9C_367/2016 E. 2.3 mit Hinweis; Urteil 8C_605/2023 vom 4. April 2024 E. 2.1 mit Hinweis).  
 
2.2. Fest steht, dass hier der Gesundheitszustand, welcher bei der letztmaligen materiellen Prüfung und Verneinung eines Rentenanspruchs anlässlich des Erlasses der Verfügung vom 8. Juli 2019 massgebend war, mit demjenigen bei Nichteintreten auf das Neuanmeldungsgesuch gemäss Verfügung vom 12. September 2023 zu vergleichen ist.  
 
2.3.  
 
2.3.1. Eine Neuanmeldung wird nur materiell geprüft, wenn die versicherte Person glaubhaft macht, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung in einem für den Rentenanspruch erheblichen Mass verändert haben (Art. 87 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 IVV; BGE 130 V 71 E. 2.2 mit Hinweisen; hinsichtlich der für den Vergleich des Sachverhalts massgebenden Zeitpunkte vgl. BGE 133 V 108; in BGE 143 V 77 nicht, jedoch in SVR 2017 IV Nr. 51 S. 152 publ. E. 2.2 des Urteils 9C_297/2016; Urteil 8C_238/2023 vom 22. November 2023 E. 3.2.1). Gelingt ihr dies nicht, so wird auf das Gesuch nicht eingetreten. Mit dieser Regelung soll verhindert werden, dass sich die Verwaltung immer wieder mit gleichlautenden und nicht näher begründeten, d.h. keine Veränderung des Sachverhalts darlegenden Leistungsgesuchen befassen muss (BGE 130 V 64 E. 5.2.3 mit Hinweis). Die Beweisführungslast für das Vorliegen einer glaubhaften Änderung der tatsächlichen Verhältnisse liegt somit bei der versicherten Person (Urteil 8C_619/2022 vom 22. Juni 2023 E. 3.2 am Ende mit Hinweisen). Der Untersuchungsgrundsatz (Art. 43 Abs. 1 bzw. Art. 61 lit. c ATSG) kommt insofern erst zum Tragen, nachdem sie eine massgebliche Änderung ihres Gesundheitszustands seit der letzten rechtskräftigen Leistungsverweigerung glaubhaft gemacht hat (BGE 130 V 64 E. 5.2.5; Urteil 8C_76/2024 vom 8. August 2024 E. 4.2 i.f. mit Hinweisen).  
 
2.3.2. Für das Beweismass des Glaubhaftmachens genügt es, dass für das Vorhandensein des behaupteten rechtserheblichen Sachumstands wenigstens gewisse Anhaltspunkte bestehen, auch wenn durchaus noch mit der Möglichkeit zu rechnen ist, bei eingehender Abklärung werde sich die behauptete Änderung nicht erstellen lassen (Urteile 8C_465/2022 vom 18. April 2023 E. 3.2 mit Hinweisen). Weder eine im Vergleich zu früheren ärztlichen Einschätzungen ungleich attestierte Arbeitsunfähigkeit noch eine unterschiedliche diagnostische Einordnung des geltend gemachten Leidens genügt per se, um auf einen veränderten Gesundheitszustand zu schliessen; notwendig ist vielmehr eine veränderte Befundlage (SVR 2022 IV Nr. 19 S. 60, 9C_212/2021 E. 4.4.1; Urteil 8C_238/2023 vom 22. November 2023 E. 3.2.2 mit Hinweis).  
 
2.3.3. Ob eine anspruchserhebliche Änderung im Sinne von Art. 87 Abs. 2 IVV glaubhaft gemacht ist, ist eine vom Bundesgericht nur unter dem Blickwinkel von Art. 105 Abs. 2 BGG überprüfbare Tatfrage. Frei zu beurteilende Rechtsfrage ist hingegen, welche Anforderungen an das Glaubhaftmachen im Sinne von Art. 87 Abs. 3 IVV zu stellen sind (Urteil 8C_238/2023 vom 22. November 2023 E. 3.2.3 mit Hinweisen).  
 
3.  
 
3.1. Unter Verweis auf seine seit dem 23. September 2010 bestehende Behinderung (vgl. dazu Sachverhalt lit. A.a) liess der Beschwerdeführer im Rahmen der Neuanmeldung vom 26. April 2023 drei Arztberichte einreichen, womit er sinngemäss eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes geltend machte, ohne anhand dieser Berichte aufzuzeigen, welche konkreten Beeinträchtigungen erst nach dem 8. Juli 2019 im Einzelnen neu aufgetreten seien. Im Vorbescheidverfahren liess sich der Beschwerdeführer zu der von der IV-Stelle mangels Glaubhaftmachung einer neu eingetretenen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes in Aussicht gestellten Nichteintretensverfügung nicht vernehmen. Bei den drei neuen Berichten handelt es sich um diejenigen des Medizinischen Zentrums D.________ vom 7. November 2022, des Medizinischen Zentrums E.________ vom 26. Februar 2021 und des Spitals F.________ vom 16. August 2022. Von allen diesen drei Behandlungszentren lagen bereits aus dem Jahre 2019 datierende Berichte vor, welche im Rahmen der Beweiswürdigung anlässlich der Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts bei Erlass der Verfügung vom 8. Juli 2019 berücksichtigt worden waren (vgl. Urteil 8C_165/2021 vom 2. Juli 2021 E. 3 f.).  
 
3.2. Die behandelnden Ärzte dieser drei Zentren vertraten in Bezug auf den Gesundheitszustand und die daraus resultierende Arbeitsunfähigkeit schon 2019 - insbesondere noch vor Erlass der Verfügung vom 8. Juli 2019 - im Vergleich zum ZMB-Gutachten abweichende Einschätzungen (vgl. Urteil 8C_165/2021 vom 2. Juli 2021 E. 3.2). Die Vorinstanz prüfte die mit der Neuanmeldung vom 26. April 2023 geltend gemachte Verschlechterung des Gesundheitszustandes, indem sie die neu eingereichten Berichte der drei Behandlungszentren mit den vom ersten Halbjahr 2019 - also vor dem 8. Juli 2019 - datierenden Einschätzungen derselben Zentren verglich und in der Folge die Glaubhaftmachung einer anspruchserheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes verneinte.  
 
3.3.  
 
3.3.1. Vorweg ist entgegen dem Beschwerdeführer nicht ersichtlich, inwiefern die Vorinstanz den Untersuchungsgrundsatz und die Beweiswürdigungsregeln (Art. 61 lit. c ATSG) verletzt haben soll, indem sie als Vergleichsbasis für die Neuanmeldung vom 26. April 2023 praxisgemäss zutreffend von den im Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung vom 8. Juli 2019 massgebend gewesenen tatsächlichen Verhältnissen ausging. Der Beschwerdeführer machte schon im Beschwerdeverfahren gegen die Verfügung vom 8. Juli 2019 unter Berufung auf die Berichte der drei Behandlungszentren aus dem ersten Halbjahr 2019 geltend, seit Erstellung des ZMB-Gutachtens vom 27. September 2018 habe sich sein Gesundheitszustand weiter verschlechtert (vgl. Urteil 8C_165/2021 vom 2. Juli 2021 E. 3.2). Demgegenüber hatte sich laut Bundesgericht die Vorinstanz schon damals mit diesen Vorbringen einlässlich auseinander gesetzt und zutreffend festgestellt, "die behandelnden Fachpersonen würden bei der ihrer Ansicht nach seit Jahren unverändert bestehenden schweren depressiven Störung keine Verschlechterung des Gesundheitszustandes zwischen dem Zeitpunkt der [ZMB-] Begutachtung und demjenigen des Erlasses der angefochtenen Verfügung" vom 8. Juli 2019 behaupten (vgl. Urteil 8C_165/2021 vom 2. Juli 2021 E. 4.1).  
 
3.3.2. Wie erwähnt (E. 2.3.1) spielt der Untersuchungsgrundsatz - entgegen dem Beschwerdeführer - im Verfahren der Neuanmeldung nach Art. 87 Abs. 2 und 3 IVV insoweit nicht, als die versicherte Person in Bezug auf das Vorliegen einer glaubhaften Änderung der tatsächlichen Verhältnisse seit der letzten rechtskräftigen Leistungsverweigerung eine Beweisführungslast trifft (Urteil 8C_596/2019 vom 15. Januar 2020 E. 4.2.2 mit Hinweisen). Mit dem hier angefochtenem Urteil hat die Vorinstanz unter Bezugnahme auf die drei Berichte der Behandlungszentren aus dem ersten Halbjahr 2019 und die mit der Neuanmeldung eingereichten drei Berichte derselben Behandlungszentren nach bundesrechtskonformer Beweiswürdigung zutreffend erkannt (vgl. auch Urteil 9C_631/2020 vom 22. Februar 2021 E. 3.2), dass sich aus dem Vergleich dieser Berichte insgesamt weder diagnostisch noch befundmässig auf eine glaubhafte anspruchserhebliche Verschlechterung des depressiven Geschehens schliessen lasse. Insbesondere unter Verweis auf den Zentrum D.________-Bericht vom 26. Oktober 2017 zeigte die Vorinstanz auf, dass auch hinsichtlich der mnestischen Funktionen eine Verschlechterung nicht glaubhaft dargetan sei.  
 
3.3.3. Soweit der Beschwerdeführer hiergegen rein appellatorisch behauptet, es spiele keine Rolle, dass die Fachärzte des Spitals F.________ den medizinischen Sachverhalt schon vor Erlass der Verfügung vom 8. Juli 2019 anders beurteilt hätten als die ZMB-Gutachter, legt er nicht dar, inwiefern aus den drei mit der Neuanmeldung eingereichten Berichten - entgegen dem angefochtenen Urteil - auf eine glaubhafte, erst nach dem 8. Juli 2019 eingetretene anspruchserhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu schliessen sei. Letzteres gilt auch in Bezug auf den Einwand, der neue Bericht des Spitals F.________ vom 16. August 2022 sei nicht von denselben behandelnden Fachpersonen unterzeichnet worden, welche den Bericht desselben Spital F.________ vom 21. März 2019 unterschrieben hätten. Entgegen dem Beschwerdeführer hat die Vorinstanz den mit der Neuanmeldung eingereichten Berichten der behandelnden Fachpersonen nicht "jeglichen Beweiswert [...] abgesprochen", sondern im Gegenteil mit Blick darauf die Glaubhaftmachung einer nach dem 8. Juli 2019 eingetretenen anspruchserheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes verneint.  
 
3.3.4. Was der Beschwerdeführer im Übrigen gegen das angefochtene Urteil vorbringt, lässt weder die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung noch die Verneinung der Glaubhaftmachung einer nach dem 8. Juli 2019 eingetretenen anspruchserheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes als willkürlich oder sonstwie bundesrechtswidrig erscheinen.  
 
3.4. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde unbegründet und folglich abzuweisen.  
 
4.  
Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 29. August 2024 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Maillard 
 
Der Gerichtsschreiber: Hochuli