Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
2C_521/2023
Urteil vom 29. September 2023
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin,
Gerichtsschreiberin Ivanov.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Erik Wassmer und/oder
Katharina Bossert, Advokaten,
gegen
Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt,
Spiegelgasse 12, 4051 Basel,
Justiz- und Sicherheitsdepartement
des Kantons Basel-Stadt,
Spiegelgasse 6, 4001 Basel.
Gegenstand
Erlöschen der Niederlassungsbewilligung und
Wegweisung,
Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts
des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht,
Dreiergericht, vom 5. August 2023 (VD.2023.26).
Erwägungen:
1.
1.1. A.________ (geb. 1969), vom Iran, reiste erstmals am 30. September 1997 im Rahmen des Familiennachzugs zu seiner damaligen Schweizer Ehefrau in die Schweiz ein und erhielt darauffolgend eine Aufenthaltsbewilligung. Die Ehe wurde 2004 geschieden. Am 16. September 2010 erhielt er eine Niederlassungsbewilligung.
Am 14. April 2016 stellte A.________ beim Migrationsamt des Bereichs Bevölkerungsdienste und Migration des Kantons Basel-Stadt (nachfolgend: Migrationsamt) ein Gesuch um Aufrechterhaltung seiner Niederlassungsbewilligung, da er sich in seinem Heimatland wiedereingliedern wolle. Am 5. Juli 2016 wurde ihm mitgeteilt, dass das Gesuch nicht bewilligt werde. Am 19. Oktober 2016 meldete sich A.________ beim Einwohneramt des Kantons Basel-Stadt per 1. Februar 2017 in den Iran ab. Die Abmeldung aus der Schweiz erfolgte bereits im Oktober 2016, da er die Rückvergütung der AHV beantragen wollte und dafür eine Abmeldebescheinigung benötigte.
1.2. Am 5. Juni 2020 reiste A.________ erneut in die Schweiz ein und stellte am 10. Juni 2020 ein Asylgesuch, welches am 3. November 2020 als gegenstandslos abgeschrieben wurde, da er seit dem 3. Oktober 2020 als verschwunden galt bzw. untergetaucht war. Am 12. Mai 2021 wurde er im Rahmen des Dublin-Verfahrens, welches nach einem Asylgesuch von A.________ am 9. Oktober 2020 in Deutschland eingeleitet worden war, von Deutschland zurück in die Schweiz überstellt.
Mit Schreiben vom 17. Juni 2021 bat A.________ das Migrationsamt um Ausstellung eines neuen Ausweises für die Niderlassungsbewilligung, da diese nicht erloschen sei.
Mit Verfügung vom 29. Juli 2022 bestätigte das Migrationsamt das Erlöschen seiner Niederlassungsbewilligung, wies sein Gesuch um Wiederzulassung und Erteilung der Niederlassungsbewilligung ab und wies ihn aus der Schweiz und dem Schengenraum weg.
1.3. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel wiesen das Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt mit Entscheid vom 4. Januar 2023 und das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht, Dreiergericht, mit Urteil vom 5. August 2023 ab.
1.4. A.________ gelangt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und subsidiärer Verfassungsbeschwerde vom 20. September 2023 an das Bundesgericht und beantragt, es seien das angefochtene Urteil sowie die vorangegangenen Entscheide aufzuheben und es sei ihm eine entsprechende Aufenthaltsbewilligung auszustellen. Eventualiter sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Prozessual ersucht er um Erteilung der aufschiebenden Wirkung sowie um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
Es wurden keine Instruktionsmassnahmen angeordnet.
2.
2.1. Auf dem Gebiet des Ausländerrechts ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen Entscheide ausgeschlossen, welche Bewilligungen betreffen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumen (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG). Sie ist ebenfalls unzulässig gegen Wegweisungsentscheide (Art. 83 lit. c Ziff. 4 BGG). Für das Eintreten genügt, wenn der Betroffene in vertretbarer Weise dartun kann, dass ein potenzieller Anspruch auf die beantragte Bewilligung besteht; ob die jeweils erforderlichen Voraussetzungen tatsächlich gegeben sind, bildet Gegenstand der inhaltlichen Beurteilung (vgl. BGE 137 I 305 E. 2.5; 136 II 177 E. 1.1). Ist die Zulässigkeit eines Rechtsmittels zweifelhaft, umfasst die Begründungspflicht gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG grundsätzlich auch die Eintretensvoraussetzungen (vgl. BGE 134 II 45 E. 2.2.3; 133 II 249 E. 1.1; Urteil 2C_682/2021 vom 3. November 2021 E. 1.1).
2.2. Gegen einen kantonal letztinstanzlichen Endentscheid betreffend die Feststellung des Erlöschens einer Niederlassungsbewilligung ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig (vgl. BGE 145 II 322, nicht publ. E. 1.2; Urteil 2C_424/2020 vom 18. August 2020 E. 1.1).
Der Beschwerdeführer stellt kein konkretes Rechtsbegehren auf Feststellung des Nichterlöschens seiner Niederlassungsbewilligung. Der Beschwerdebegründung lässt sich jedoch entnehmen, dass er der Auffassung ist, die Vorinstanz habe das Erlöschen der Niederlassungsbewilligung zu Unrecht bestätigt.
Das Verwaltungsgericht hat diesbezüglich erwogen, dass die Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers durch dessen Abmeldung ins Ausland am 1. Februar 2017 erloschen sei (Art. 61 Abs. 1 lit. a AIG [SR 142.20]) und auch wegen eines mehr als sechsmonatigen Auslandsaufenthalts erloschen wäre (Art. 61 Abs. 2 AIG). Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf, dass und inwiefern das angefochtene Urteil diesbezüglich Recht verletzt, wozu er aber gestützt auf seine Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 140 III 86 E. 2) gehalten wäre. Soweit er vorbringt, sein Gesuch vom 14. April 2016 um Aufrechterhaltung seiner Niederlassungsbewilligung sei am 5. Juli 2016 in willkürlicher Weise abgewiesen worden, weshalb er so zu behandeln sei, wie wenn die Niederlassungsbewilligung nie erloschen wäre, ist festzuhalten, dass dieser Entscheid in Rechtskraft erwachsen ist, zumal weder ersichtlich ist, noch geltend gemacht wird, dass der Beschwerdeführer ein Rechtsmittel dagegen ergriffen hätte. Folglich kann dieser Entscheid im vorliegenden Verfahren nicht mehr in Frage gestellt werden.
2.3. Gegenstand des angefochtenen Urteils bildet sodann die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 30 Abs. 1 lit. k (Wiederzulassung von Ausländerinnen und Ausländern) bzw. einer Härtefallbewilligung gemäss Art. 30 Abs. 1 lit. b AIG (SR 142.20). Diese Bestimmungen räumen keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ein, sondern betreffen die Abweichungen von den Zulassungsvoraussetzungen, die unter den Ausnahmetatbestand von Art. 83 lit. c Ziff. 5 BGG fallen (vgl. u.a. Urteile 2C_502/2023 vom 25. September 2023 E. 2.2; 2C_361/2023 vom 4. Juli 2023 E. 2.5; 2C_16/2022 vom 13. Januar 2022 E. 2.3; jeweils mit Hinweisen). Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist somit ausgeschlossen (vgl. E. 2.1 hiervor).
2.4. Ein anderweitiger potenzieller Bewilligungsanspruch ist nicht ersichtlich und wird nicht in vertretbarer Weise geltend gemacht. Insbesondere kann sich der Ausländer, der die Schweiz verlassen hat und dessen ursprüngliche Bewilligung erloschen ist, nicht auf die in BGE 144 I 266 festgelegten Grundsätze berufen, um aus dem Schutz seines Privatlebens gemäss Art. 8 Ziff. 1 EMRK einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung abzuleiten (vgl. BGE 149 I 66 E. 4.5-4.8). Dass im Falle des derzeit arbeitslosen und gemäss dem angefochtenen Urteil verschuldeten Beschwerdeführers eine besonders ausgeprägte Integration vorliege, die ausnahmsweise einen potenziellen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestützt auf den Schutz des Privatlebens begründen könnte (vgl. im Einzelnen Urteil 2C_734/2022 vom 3. Mai 2023 E. 5.3, zur Publ. vorgesehen), macht er nicht in vertretbarer Weise geltend. Seine Ausführungen, wonach er perfekt Deutsch spreche und vor seiner Ausreise für seinen Lebensunterhalt selbst aufgekommen und soziale Kontakte gepflegt habe, reichen dazu nicht aus. Schliesslich verfügt der Beschwerdeführer über keine Kernfamilie in der Schweiz, sodass ein Bewilligungsanspruch gestützt auf den Schutz des Familienlebens gemäss Art. 8 Ziff. 1 EMRK ausser Betracht fällt.
2.5. Im Ergebnis ist auf die offensichtlich unzulässige bzw. unbegründete Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht einzutreten.
3.
Zu prüfen bleibt die Zulässigkeit der gleichzeitig erhobenen subsidiären Verfassungsbeschwerde.
3.1. Mangels Aufenthaltsanspruchs in der Schweiz sind in diesem Rahmen ausschliesslich Rügen bezüglich verfahrensrechtlicher Punkte zulässig, deren Verletzung einer formellen Rechtsverweigerung gleichkommt und die das Gericht von der Prüfung der Sache bzw. der Bewilligungsfrage getrennt beurteilen kann ("Star"-Praxis; vgl. BGE 141 IV 1 E. 1.1; 137 II 305 E. 2; Urteil 2D_24/2022 vom 16. Juni 2022 E. 5.2). Solche formellen Rügen erhebt der Beschwerdeführer nicht.
3.2. Die vom Beschwerdeführer ebenfalls beanstandete Wegweisung lässt sich einzig unter Berufung auf besondere verfassungsmässige Rechte anfechten, die der betroffenen Person unmittelbar ein rechtlich geschütztes Interesse im Sinne von Art. 115 lit. b BGG verschaffen, wie dies für Art. 10 Abs. 3 BV bzw. Art. 2 und 3 EMRK oder Art. 25 Abs. 2 und Abs. 3 BV der Fall ist (vgl. BGE 137 II 305 E. 3.3). Solche Rügen müssen in der Beschwerde vorgebracht und begründet werden (Art. 106 Abs. 2 i.V.m. Art. 117 BGG; sog. qualifizierte Rüge- und Begründungspflicht, vgl. BGE 147 I 73 E. 2.1; 142 II 369 E. 2.1; 141 I 36 E. 1.3)
Der Beschwerdeführer macht Verletzungen zahlreicher Verfassungs- und Konventionsbestimmungen geltend, darunter auch des Rechts auf Leben (Art. 10 Abs. 1 BV/Art. 2 EMRK), des Verbots von Folter bzw. jeder Art grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (Art 10 Abs. 3 BV/Art. 3 EMRK) und des Non-Refoulement-Prinzips ( Art. 25 Abs. 2 und 3 BV ).
Zur Begründung weist er zunächst auf die allgemeine politische Lage und Menschenrechtssituation im Iran sowie auf negative Erfahrungen hin, die er angeblich bei seinem Wiedereingliederungsversuch in seiner Heimat gemacht habe. So sei er von den iranischen Behörden der Spionage verdächtigt worden, sei überwacht worden und habe sich beobachtet gefühlt, was bei ihm zu einer psychischen Belastung geführt habe. Im Falle einer Rückkehr bestünde ein ernsthaftes Risiko von Folter bzw. unmenschlichen Behandlungen bzw. es drohe ihm die Todesstrafe. Diese Behauptungen bleiben indessen weitgehend unsubstanziiert. Der Beschwerdeführer führt im Übrigen selbst aus, er könne keine Belege für die angebliche Verfolgung bzw. Überwachung vorlegen. Folglich gelingt es ihm nicht substanziiert darztun, dass er tatsächlich Gefahr läuft, sich im Iran einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sehen oder dass sein Leben bedroht wäre. Allgemeine Hinweise darauf, dass Menschenrechte im Iran stark eingeschränkt werden, reichen ebenfalls nicht aus, um eine konkrete Gefahr an Leib und Leben hinreichend darzutun.
Ferner behauptet der Beschwerdeführer, sein gesundheitlicher Zustand habe sich in den letzten Monaten verschlechtert, was einer Wegweisung entgegenstehe. So leide er an diversen Suchterkrankungen und sei auf eine adäquate medizinische Versorgung angewiesen, die im Falle einer Wegweisung nicht mehr gewährleistet sei. Dabei beruft er sich insbesondere auf einen ärztlichen Bericht der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel vom 6. September 2023 sowie auf eine E-Mail des Gesundheitsdepartements des Kantons Basel-Stadt, Abteilung Sucht, vom 19. September 2023. Diese ins Recht gelegten Unterlagen sind nach dem angefochtenen Urteil entstanden. Sie stellen echte Noven dar, die im bundesgerichtlichen Verfahren unbeachtlich sind (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 143 V 19 E. 1.2; 139 III 120 E. 3.1.2; BGE 133 IV 342 E. 2.1). Es besteht kein Anlass, wie vom Beschwerdeführer beantragt, von diesem Grundsatz abzuweichen.
3.3. Im Ergebnis gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, eine ernsthafte und konkrete Lebensgefahr oder das Risiko einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland zu substanziieren. Seine Vorbringen genügen den qualifizierten Anforderungen an die Begründung von Verfassungsrügen (Art. 106 Abs. 2 i.V.m. Art. 117 BGG) nicht.
3.4. Folglich ist auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ebenfalls nicht einzutreten.
4.
4.1. Die Eingabe des Beschwerdeführers erweist sich sowohl als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten als auch als subsidiäre Beschwerde als offensichtlich unzulässig bzw. unbegründet (Art. 42 Abs. 2 BGG; Art. 106 Abs. 2 i.V.m. Art. 117 BGG). Es ist darauf mit Entscheid der Abteilungspräsidentin als Einzelrichterin im vereinfachten Verfahren nach Art. 108 (Abs. 1 lit. a und b) nicht einzutreten. Damit wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.
4.2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird zufolge Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels abgewiesen ( Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG ). Mit Blick auf die finanziellen Verhältnisse des Beschwerdeführers wird auf die Erhebung von Gerichtskosten verzichtet (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).
Demnach erkennt die Präsidentin:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
4.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht, Dreiergericht, und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt.
Lausanne, 29. September 2023
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin
Die Gerichtsschreiberin: D. Ivanov