Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
7B_1124/2024
Urteil vom 29. November 2024
II. strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Abrecht, Präsident,
Bundesrichterin Koch,
Bundesrichter Hurni, Kölz, Hofmann,
Gerichtsschreiberin Lustenberger.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Atakan Özçelebi,
Beschwerdeführerin,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Untersuchungsamt Gossau,
Sonnenstrasse 4a, 9201 Gossau SG.
Gegenstand
Sicherheitshaft,
Beschwerde gegen den Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen vom 12. September 2024 (AK.2024.402-AK).
Sachverhalt:
A.
A.a. A.________ und B.________ führten in der Zeit vom 4. März bis zum 29. Oktober 2022 eine Beziehung, die von zahlreichen Auseinandersetzungen geprägt war. Dabei soll A.________ - so die Anklage des Untersuchungsamts Gossau vom 20. September 2023 - B.________ zwischen dem 26. September und 30. Oktober 2022 mehrere Sprachnachrichten geschickt haben, in denen sie ihn beleidigt und gedroht habe, ihn mit einem Messer abzustechen. Anlässlich eines Treffens in einem Café Anfang Oktober 2022 habe sie ebenfalls verlauten lassen, dass sie ihn abstechen bzw. ihm in den Bauch stechen würde, wenn sie ein Messer bei sich hätte. Am 29. Oktober 2022 sei es in einem Festzelt an einem Volksfest wiederum zu verbalen Streitigkeiten zwischen A.________ und B.________ gekommen, weil er ihr aus ihrer Sicht zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt habe. Sie sei zunehmend aggressiver geworden, je mehr Alkohol sie getrunken habe. Im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung habe sie gedroht, dass sie ihn umbringen werde. Schliesslich habe sie ihm mit der Faust auf den Hinterkopf geschlagen. Als B.________ daraufhin die Örtlichkeit habe verlassen wollen, sei A.________ ihm nach draussen gefolgt und habe ihm mit einem nicht näher bekannten Klingenwerkzeug, mutmasslich einem kleinen Taschenmesser, in den Bauch gestochen. Dadurch soll B.________ laut Anklage eine ca. 0.6 cm lange, glattrandige Hautläsion mit einer Tiefe von ca. 0.7 cm oberhalb des Bauchnabels, einen etwa 2 cm langen ritzartigen Defekt am linken Unterarm und ferner eine posttraumatische Belastungsstörung erlitten haben.
A.b. A.________ wurde am 29. Oktober 2022 in Untersuchungshaft versetzt. Am 5. April 2023 trat sie den vorzeitigen Strafvollzug an. Ab dem 27. Juni 2023 befand sie sich im vorzeitigen Massnahmenvollzug.
A.c. Das Kreisgericht Wil erklärte A.________ mit Entscheid vom 14. Mai 2024 der versuchten schweren Körperverletzung und der mehrfachen Tätlichkeiten, jeweils begangen am 29. Oktober 2022, der mehrfachen Beschimpfung und der mehrfachen Drohung, begangen vom 26. September bis 29. Oktober 2022, sowie der fahrlässigen Widerhandlung gegen das Waffengesetz vom 20. Juni 1997 (WG; SR 514.54) schuldig. Es verurteilte sie unter anderem zu einer Freiheitsstrafe von 26 Monaten und ordnete eine stationäre Massnahme zur Suchtbehandlung an. Gleichzeitig wies das Kreisgericht das anlässlich der Hauptverhandlung gestellte Gesuch um Entlassung aus dem vorzeitigen Massnahmenvollzug ab und versetzte A.________ vorläufig bis am 14. August 2024 in Sicherheitshaft.
Gegen das erstinstanzliche Urteil meldete A.________ Berufung an.
B.
B.a. Am 22. Juli 2024 beantragte A.________ erneut, aus dem vorzeitigen Massnahmenvollzug bzw. der Sicherheitshaft entlassen zu werden. Mit Entscheid vom 31. Juli 2024 wies das Kreisgericht das Haftentlassungsgesuch ab. A.________ wurde aus dem vorzeitigen Massnahmenvollzug entlassen, die Sicherheitshaft wurde jedoch einstweilen bis am 14. September 2024 verlängert.
B.b. Gegen die Haftverlängerung erhob A.________ Beschwerde bei der Anklagekammer des Kantons St. Gallen. Diese wies die Beschwerde mit Entscheid vom 12. September 2024 ab, soweit sie darauf eintrat.
C.
A.________ wendet sich mit Beschwerde in Strafsachen vom 21. Oktober 2024 an das Bundesgericht. Sie beantragt, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei ihr Haftentlassungsgesuch zu bewilligen und sie sei sofort aus der Sicherheitshaft zu entlassen. Eventuell sei die Freilassung mit Weisungen und Auflagen im Sinne von Ersatzmassnahmen zu verbinden. In prozessualer Hinsicht ersucht sie darum, auf die Erhebung eines Kostenvorschusses zu verzichten.
Die Vorinstanz und das Untersuchungsamt Gossau verzichten ausdrücklich auf Vernehmlassung.
Der beantragte Aktenbeizug ist praxisgemäss erfolgt.
Erwägungen:
1.
1.1. Der angefochtene, kantonal letztinstanzliche Entscheid (Art. 80 BGG) betrifft die Verweigerung der Entlassung aus der Sicherheitshaft. Hiergegen steht die Beschwerde in Strafsachen nach Art. 78 Abs. 1 BGG grundsätzlich offen. Gleichzeitig ist die Beschwerdeführerin nach Art. 81 Abs. 1 lit. a und lit. b Ziff. 1 BGG zur Beschwerde legitimiert, denn nach entsprechenden weiteren Verlängerungen befindet sie sich weiter in Haft. Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist im Grundsatz - unter Vorbehalt rechtsgenüglicher Begründung und der nachfolgenden Erwägung - einzutreten.
1.2. Die Beschwerdeführerin ist, wie bereits von der Vorinstanz, darauf hinzuweisen, dass die Begründung (Art. 42 Abs. 2 BGG) in der Beschwerdeschrift selbst enthalten sein muss. Der blosse Verweis auf Ausführungen in anderen Rechtsschriften oder auf die Akten reicht nach der Rechtsprechung zur Begründung einer Beschwerde in Strafsachen nicht aus (vgl. Urteil 7B_900/2023 vom 26. August 2024 E. 3 mit Hinweisen). Soweit sie einleitend auf ihre Standpunkte aus früheren Eingaben, namentlich auf jene in ihrer Beschwerde an die Vorinstanz verweist, ist auf die Beschwerde somit nicht einzutreten.
2.
Nach Art. 221 Abs. 1 StPO ist Sicherheitshaft namentlich zulässig, wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und ernsthaft zu befürchten ist, dass sie sich durch Flucht dem Strafverfahren oder der zu erwartenden Sanktion entzieht (lit. a; Fluchtgefahr), Personen beeinflusst oder auf Beweismittel einwirkt, um so die Wahrheitsfindung zu beeinträchtigen (lit. b; Verdunkelungsgefahr) oder dass sie durch Verbrechen oder schwere Vergehen die Sicherheit anderer unmittelbar erheblich gefährdet, nachdem sie bereits früher gleichartige Straftaten verübt hat (lit. c; einfache Wiederholungsgsgefahr). Nebst dem muss die Haft verhältnismässig sein (vgl. Art. 36 Abs. 3 BV, Art. 197 Abs. 1 lit. c und d sowie Art. 212 Abs. 2 lit. c und Abs. 3 StPO).
Die Vorinstanz erachtet diese Voraussetzungen als gegeben, wobei sie als besonderen Haftgrund die einfache Wiederholungsgefahr zur Anwendung bringt.
Die Beschwerdeführerin bestreitet den dringenden Tatverdacht nicht, wohl aber die Wiederholungsgefahr und die Verhältnismässigkeit der Haft.
3.
3.1. Für das Vorliegen von einfacher Wiederholungsgefahr im Sinne von Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO sind drei Elemente konstitutiv: Erstens muss das Vortatenerfordernis erfüllt sein und es müssen schwere Vergehen oder Verbrechen drohen. Zweitens muss die Tatwiederholung ernsthaft zu befürchten sein, was anhand einer Rückfallprognose zu beurteilen ist. Hierdurch muss drittens die Sicherheit anderer unmittelbar erheblich gefährdet sein (BGE 146 IV 136 E. 2.2; 143 IV 9 E. 2.5). An diesen drei Grundvoraussetzungen wird im Grundsatz auch nach der per 1. Januar 2024 in Kraft getretenen Revision der präventiven Haftbestimmungen festgehalten (zum Ganzen: Urteil 7B_843/2024 vom 4. September 2024 E. 3.1 mit Hinweisen). Es wird nachfolgend näher darauf einzugehen sein, inwiefern die Revision bei der Prüfung der einzelnen Punkte einen anderen Massstab nahelegt.
3.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde angeführten Argumente, noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde ( Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 mit Hinweisen).
3.3. Die Beschwerdeführerin betont, sie sei Ersttäterin. Sie wurde erstinstanzlich unter anderem der versuchten schweren Körperverletzung und der mehrfachen Drohung schuldig erklärt. Gegen dieses Urteil erhob sie Berufung, womit die Schuldsprüche nicht rechtskräftig sind. Sie ist nicht vorbestraft. Entsprechend fragt sich, ob das Vortatenerfordernis nach Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO erfüllt ist.
3.3.1. Gemäss bisheriger Rechtsprechung wäre dies zu bejahen: Demnach konnten die verübten Straftaten sowohl Gegenstand einer rechtskräftigen Verurteilung, aber auch eines noch hängigen Strafverfahrens bilden, sofern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststand, dass die beschuldigte Person solche Straftaten begangen hat. Der haftrechtliche Nachweis, dass die beschuldigte Person eine Straftat verübt hat, galt bei einem glaubhaften Geständnis oder einer erdrückenden Beweislage als erbracht (BGE 150 IV 149 E. 3.1.3; 143 IV 9 E. 2.3.1; je mit Hinweisen).
3.3.2. Nun hat das Bundesgericht jüngst entschieden, dass diese Praxis im Lichte der per 1. Januar 2024 in Kraft getretenen Revision des Haftrechts und insbesondere von Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO keine Geltung mehr beanspruchen kann (zur Publikation bestimmtes Urteil 7B_1035/2024 vom 19. November 2024). In Würdigung des gesamten Gesetzgebungsprozesses kam das Bundesgericht zum Schluss, dass der Bundesrat und das Parlament die präventiven Haftgründe - trotz hinsichtlich des Vortatenerfordernisses unverändertem Wortlaut der Norm - neu regeln wollten. Zu dieser Neuregelung gehört, dass das Erfordernis von "früher verübten gleichartigen Straftaten" im Sinne von Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO nur als erfüllt angesehen werden kann, wenn mindestens zwei rechtskräftig beurteilte Straftaten vorliegen (a.a.O., E. 2.10).
3.3.3. Die Beschwerdeführerin ist bis anhin nicht rechtskräftig verurteilt, sondern Ersttäterin. Damit sind die Voraussetzungen für die Annahme einfacher Wiederholungsgefahr nach der jüngsten bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht erfüllt. Die Beschwerde erweist sich insofern als begründet.
4.
4.1. Für Konstellationen, in denen es an mindestens zwei rechtskräftigen Verurteilungen fehlt, hat der Gesetzgeber den besonderen Haftgrund der qualifizierten Wiederholungsgefahr (Art. 221 Abs. 1bis StPO) geschaffen. Dieser regelt neu die Voraussetzungen, unter denen erst untersuchte Taten Haft wegen der Gefahr eines Rückfalls rechtfertigen können (vgl. a.a.O., E. 2.9.1; BGE 150 IV 149 E. 3.2). Demnach sind Untersuchungs- und Sicherheitshaft ausnahmsweise zulässig, wenn die beschuldigte Person dringend verdächtig ist, durch ein Verbrechen oder ein schweres Vergehen die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer Person schwer beeinträchtigt zu haben (lit. a) und die ernsthafte und unmittelbare Gefahr besteht, die beschuldigte Person werde ein gleichartiges, schweres Verbrechen verüben (lit. b).
4.2.
4.2.1. Die Vorinstanz prüft den besonderen Haftgrund der qualifizierten Wiederholungsgefahr nicht. In Ausnahmefällen kann das Bundesgericht jedoch selber Haftgründe substituieren. Bei einer Substitution von Haftgründen muss das rechtliche Gehör der inhaftierten Person gewahrt bleiben. Wenn die kantonalen Instanzen nicht rechtzeitig mehrere mögliche Haftgründe dargelegt bzw. geprüft haben, ist die Sache daher in Zweifelsfällen zur Neuprüfung an die Vorinstanz zurückweisen (Urteile 1B_357/2022 vom 22. Juli 2022 E. 5.1; 1B_560/2019 vom 5. Dezember 2019 E. 4.1; je mit Hinweisen).
4.2.2. Vorliegend sind die Voraussetzungen für eine Substitution von Haftgründen durch das Bundesgericht erfüllt. Wie im Folgenden noch näher zu zeigen sein wird, lassen die vorinstanzlichen Ausführungen eine Subsumtion unter die qualifizierte Wiederholungsgefahr zu. Dabei ist von Bedeutung, dass sich die einfache und die qualifizierte Wiederholungsgefahr zwar hinsichtlich des Vortatenerfordernisses und teilweise hinsichtlich Art und Schwere der begangenen bzw. drohenden Delikte unterscheiden, nicht aber hinsichtlich des Prognoseelements. Gleichzeitig bestreitet die Beschwerdeführerin ausdrücklich das Vorliegen qualifizierter Wiederholungsgefahr, wobei sich ihre Beschwerdebegründung und dabei insbesondere der Teil betreffend Legalprognose ohne Weiteres auf diesen Haftgrund übertragen lässt. Ihr rechtliches Gehör bleibt entsprechend gewahrt.
4.3. Bei Beschwerden, die gestützt auf das Recht der persönlichen Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV) erhoben werden, prüft das Bundesgericht im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs die Auslegung und Anwendung der StPO frei. Soweit jedoch reine Sachverhaltsfragen und damit Fragen der Beweiswürdigung zu beurteilen sind, greift das Bundesgericht nur ein, wenn die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art. 97 Abs. 1 BGG in Verbindung mit Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE 150 IV 149 E. 3.3.2 mit Hinweisen).
Hinsichtlich des Vorbringens, der Sachverhalt sei offensichtlich unrichtig festgestellt worden, gilt auch bei der Haftprüfung das strenge Rügeprinzip (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (vgl. BGE 148 IV 356 E. 2.1; 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 114 E. 2.1; je mit Hinweisen).
Von diesen Grundsätzen ist auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der vorinstanzlich festgestellte Sachverhalt hiermit unter einen anderen Haftgrund subsumiert wird, nicht abzuweichen.
4.4. Art. 5 Ziff. 1 lit. c EMRK anerkennt zwar ausdrücklich die Notwendigkeit, Beschuldigte an der Begehung strafbarer Handlungen zu hindern (Spezialprävention als Haftgrund). Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr ist jedoch restriktiv zu handhaben (BGE 146 IV 136 E. 2.2; 143 IV 9 E. 2.2). Auch im Zuge der Revision der präventiven Haftbestimmungen wurde in der Botschaft betont, Präventivhaft sei eine sichernde, polizeiliche Zwangsmassnahme und stelle somit einen Fremdkörper innerhalb des Strafprozessrechts dar. Sie lasse sich nur schwer mit der Unschuldsvermutung (Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 10 Abs. 1 StPO) vereinbaren und habe einen schweren Eingriff in die persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV) der betroffenen Person zur Folge. Bei der Anwendung dieses Haftgrundes sei deshalb Zurückhaltung geboten (Botschaft vom 28. August 2019 zur Änderung der Strafprozessordnung, BBl 2019 6742 zu Art. 221).
4.5. Art. 221 Abs. 1bis lit. a StPO setzt eine qualifizierte untersuchte Anlasstat voraus (BGE 150 IV 149 E. 3.6.2). Die Beschwerdeführerin wird unter anderem dringend verdächtigt, B.________ mit einem Klingenwerkzeug in den Bauch gestochen zu haben. Damit hätte sie, sollte sich der Verdacht bestätigen, seine körperliche Integrität schwer beeinträchtigt. Wenn sie nun versucht, die Tatschwere zu relativieren, kann ihr nicht gefolgt werden. Das Argument, sie sei "durch ein ganz spezielles Verhalten von Herrn B.________ getriggert" worden und das Tatverhalten sei "Ausdruck einer ganz besonderen momentanen negativen Konstellation", vermag die Qualifikation der vorgeworfenen Anlasstat als versuchte schwere Körperverletzung jedenfalls nicht infrage zu stellen. Die Eingangsvoraussetzungen von Art. 221 Abs. 1bis lit. a StPO sind gegeben.
4.6.
4.6.1. Art. 221 Abs. 1bis lit. b StPO verlangt als Prognoseelement die ernsthafte und unmittelbare Gefahr, dass die beschuldigte Person ein gleichartiges, schweres Verbrechen verüben werde. Qualifizierte Wiederholungsgefahr in diesem Sinne kommt nur infrage, wenn das Risiko von neuen Schwerverbrechen als "untragbar hoch" erscheint (BGE 150 IV 149 E. 3.6.2 mit Hinweisen). In zeitlicher Hinsicht müssen diese akut respektive in naher Zukunft drohen, weshalb die Haft mit grosser Dringlichkeit angeordnet werden muss (Urteile 7B_1009/2024 vom 3. Oktober 2024 E. 2.2.2; 7B_583/2024 vom 25. Juni 2024 E. 3.2.3 und 3.4.4, zur Publikation bestimmt; je mit Hinweisen). Bei der Beurteilung dieses Prognoseelements gilt das Prinzip der "umgekehrten Proportionalität". Dies bedeutet: Je schwerer die drohenden Taten sind und je höher die Gefährdung der Sicherheit anderer ist, desto geringere Anforderungen sind an die Rückfallgefahr zu stellen. Liegen die Tatschwere und die Sicherheitsrelevanz am oberen Ende der Skala, so ist die Messlatte zur Annahme einer rechtserheblichen Rückfallgefahr entsprechend tiefer anzusetzen (BGE 150 IV 149 E. 3.1.2; Urteil 7B_843/2024 vom 4. September 2024 E. 4.2.1; je mit Hinweisen).
Massgebende Kriterien bei der Beurteilung der Rückfallprognose sind nach der bisherigen Praxis des Bundesgerichts insbesondere die Häufigkeit und Intensität der fraglichen Delikte. Bei dieser Bewertung sind allfällige Aggravationstendenzen, wie eine zunehmende Eskalation respektive Gewaltintensität oder eine raschere Kadenz der Taten, zu berücksichtigen. Zu würdigen sind des Weiteren die persönlichen Verhältnisse der beschuldigten Person. Liegt bereits ein psychiatrisches Gutachten vor, ist dieses ebenfalls in die Beurteilung miteinzubeziehen BGE 150 IV 149 E. 3.1.2; Urteile 7B_1009/2024 vom 3. Oktober 2024 E. 2.2.2; 7B_843/2024 vom 4. September 2024 E. 4.2.1; je mit Hinweisen).
4.6.2. Die Vorinstanz stützt sich bei der Beurteilung der Prognose vordergründig auf das forensisch-psychiatrische Gutachten von Dr. med. C.________ vom 7. Dezember 2022 und dessen Ergänzung vom 18. März 2023. Die Gutachterin diagnostizierte der Beschwerdeführerin eine längere depressive Reaktion nach dem Verlust ihres langjährigen Ehemannes, dies auf dem Boden einer Persönlichkeitsakzentuierung mit selbstunsicher-dependenten und impulsiven Anteilen, sowie eine Alkoholabhängigkeit (derzeit abstinent in beschützender Umgebung). In Bezug auf beide Problembereiche zeige die Beschwerdeführerin eine bagatellisierende Haltung und keine tiefergehende Einsicht, obwohl sie im Jahr 2022 innert kürzester Zeit erstmals Erfahrungen mit der Akutpsychiatrie, nach einem Suizidversuch, und der Justiz bzw. dem Gefängnis gemacht habe. Ohne Behandlung der Suchterkrankung und der emotionalen Probleme, Verarbeitung der dysfunktionalen Beziehung zu B.________ und der ihr vorgeworfenen Taten unterliege die Beschwerdeführerin einem hohen Risiko, sich wieder von Alkohol und/oder dysfunktionalen Beziehungen abhängig zu machen. In prognostischer Hinsicht hält die Gutachterin unter anderem fest, für den Fall, dass die Beschwerdeführerin in betrunkenem Zustand erneut in einen Streit mit B.________ gerate, sei bei Verfügbarkeit eines gefährlichen Gegenstandes von einer mittleren Wahrscheinlichkeit dafür auszugehen, dass sie ihn schwer bis lebensbedrohlich verletzen könnte.
4.6.3. Die Beschwerdeführerin weist auf das fortgeschrittene Alter der Gutachten hin. In der Tat scheint es nicht unproblematisch, die Unmittelbarkeit einer Gefährdung aus rund zwei- bis eineinhalbjährigen Gutachten abzuleiten. Vorliegend stellen die gutachterlichen Einschätzungen aber ungeachtet dessen eine geeignete Grundlage für die Prognosebeurteilung dar: Wie dem angefochtenen Entscheid zu entnehmen ist, hat die Beschwerdeführerin im Rahmen des vorzeitigen Massnahmenvollzugs (der zwischenzeitlich wieder abgebrochen wurde) mit einer Therapie begonnen. Die fallführende Therapeutin erteilte in ihrem Bericht vom 2. Mai 2024 die Auskunft, die Beschwerdeführerin habe sich an das Alkoholkonsumverbot gehalten, zeige aber insgesamt ein ambivalentes Verhalten. Sie stelle teilweise gänzlich in Abrede, ein Problem zu haben, und sehe keinen Änderungsbedarf. Auch die Tatbearbeitung in Bezug auf die versuchte schwere Körperverletzung gestalte sich schwierig, da sie sich daran nicht erinnern könne. Demnach zeigt sich, was die Aufarbeitung der Problembereiche angeht, auch nach Absolvieren erster Therapiesitzungen ein weitgehend unverändertes Bild wie im Zeitpunkt der Gutachtenserstellung. Die Beschwerdeführerin zeigt zudem nicht auf und es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich die Situation seit Abbruch der Therapie im Mai 2024 zum Positiven verändert hätte. Es ist deshalb insgesamt nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz trotz des Zeitablaufs auf die Gutachten von Dr. med. C.________ abstellt.
4.6.4. Die Vorinstanz würdigt weiter die Aussagen der Beschwerdeführerin anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung, wonach sie nicht krankheitseinsichtig bzw. behandlungsbereit sei. Auch bestehe ihr aktuelles soziales Umfeld gemäss diesen Aussagen nach wie vor in ihrer Stammkneipe, wo sie B.________ kennengelernt habe und welche in engem Zusammenhang mit der Alkoholproblematik stehe. Auffällig sei überdies die zunehmende Eskalation der Gewaltintensität seitens der Beschwerdeführerin gegenüber B.________ - von der Androhung, ihn abzustechen, bis zur Umsetzung dieser Drohung mit dem Stich in die Bauchregion - innert eines kurzen Zeitraums. Zusätzlich sei zu berücksichtigen, dass B.________ und die Beschwerdeführerin in derselben Gemeinde wohnen und teilweise an denselben Orten - nebst dem D.________ Café namentlich im Schachclub - verkehren würden. Es bestehe damit durchaus die Möglichkeit eines zufälligen Aufeinandertreffens in naher Zukunft. Ihre Aussagen anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung würden zudem darauf hinweisen, dass die Beschwerdeführerin entgegen ihren früheren Aussagen noch nicht gänzlich mit der Beziehung zu B.________ abgeschlossen habe. Seinerseits sei es während des vorzeitigen Massnahmenvollzugs zudem auch zu Kontaktversuchen mit der Beschwerdeführerin gekommen.
In der Gesamtbeurteilung kommt die Vorinstanz zum Schluss, dass im jetzigen Zeitpunkt ernsthaft zu befürchten sei, die Beschwerdeführerin könnte in naher Zukunft erneut gleichartige Gewaltstraftaten gegen B.________ begehen. Dadurch sei seine Sicherheit erheblich und unmittelbar gefährdet.
4.6.5. Was die Beschwerdeführerin hiergegen vorbringt, geht grösstenteils an der Sache vorbei.
Sie äussert sich etwa einlässlich zum gutachterlich angenommenen Risiko einer erneuten Abhängigkeit von einer dysfunktionalen Beziehung, anerkennt die Schlussfolgerung der Gutachterin bezüglich der Alkoholproblematik aber ausdrücklich. Da die Gutachterin die beiden Elemente kumulativ und alternativ im Hinblick auf die Legalprognose kritisch sieht - mit anderen Worten ein Rückfall in die Alkoholabhängigkeit allein laut Gutachten mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit fremdaggressiver Handlungen insbesondere gegenüber B.________ einhergeht -, sind die Ausführungen der Beschwerdeführerin betreffend dysfunktionale Beziehungen nicht geeignet, eine positivere Beurteilung der Legalprognose nahezulegen. Ähnliches gilt, soweit die Beschwerdeführerin eine Gefährdung von Drittpersonen in Abrede stellt, geht doch die Vorinstanz vordergründig von einer Gefahr für B.________ aus.
Weiter sind entgegen ihrem Dafürhalten zwischen dem Haupt- und dem Ergänzungsgutachten keine Widersprüche in der Prognosestellung auszumachen. So wird im Ergänzungsgutachten ausdrücklich festgehalten, dass sich die Einschätzung der Rückfallwahrscheinlichkeit im Vergleich zum Gutachten vom 7. Dezember 2022 nicht wesentlich verändert habe. Warum es einen Widerspruch darstellen sollte, wenn die Rückfallwahrscheinlichkeit im Ergänzungsgutachten nicht nochmals ausdrücklich quantifiziert wird, ist mit der Vorinstanz nicht ersichtlich.
Die Beschwerdeführerin führt sodann aus, damit angenommen werden könnte, dass die Sicherheit von B.________ nach wie vor gefährdet sei, müsste sie im Rahmen einer aus ihrer Sicht immer noch bestehenden Beziehung eine Erwartungshaltung ihm gegenüber haben können. Abgesehen davon, dass sich eine solche Prämisse dem angefochtenen Entscheid und insbesondere den dort wiedergegebenen gutachterlichen Ausführungen nicht entnehmen lässt, beschränkt sich die Beschwerdeführerin in der Folge auf appellatorische Kritik, wenn sie behauptet, mit der Beziehung definitiv abgeschlossen zu haben. Zum einen beachtet die Vorinstanz ihre entsprechenden Aussagen gegenüber der Staatsanwaltschaft sehr wohl und sie legt dar, weshalb sie diesbezüglich Zweifel hat. Zum anderen kann sie sich bei ihrer Würdigung auf die gutachterliche Einschätzung stützen, wonach die Beziehung von der Beschwerdeführerin noch nicht hinreichend verarbeitet worden sei. Indem die Beschwerdeführerin einzelne aktenkundige Aspekte in diesem Zusammenhang anders gewürdigt haben möchte, vermag sie nicht aufzuzeigen, dass die vorinstanzliche Würdigung ihrer inneren Einstellung zur beendeten Beziehung schlechterdings unhaltbar wäre. Wenn die Beschwerdeführerin schliesslich mit der gleichen Argumentation die Aktualität und Unmittelbarkeit der drohenden Delikte bestreitet, ist ihr ebenfalls kein Erfolg beschieden.
4.6.6. Soweit anhand der Beschwerdebegründung überprüfbar, hält die vorinstanzliche Prognosestellung im Ergebnis vor Bundesrecht stand. Dabei ist von wesentlicher Bedeutung, dass die Beschwerdeführerin gemäss dringendem Tatverdacht aus ihrer problematischen Situation heraus B.________ bereits einmal körperlich schwer angegriffen und mehrfach massiv bedroht hat und die verschiedenen Problembereiche seither nicht aufgearbeitet worden sind. Die Situation, die wahrscheinlich den Anlass für die der Beschwerdeführerin vorgeworfene Delinquenz gab, zeigt sich somit im Wesentlichen unverändert. Damit ist das ernsthafte Befürchten erneuter akut drohender Straftaten zu bejahen.
4.7. Nach Art. 221 Abs. 1bis lit. b StPO muss darüber hinaus die Verwirklichung eines gleichartigen, schweren Verbrechens drohen. Zur entsprechenden Abgrenzung ist primär die Strafdrohung zu berücksichtigen (Urteil 7B_671/2024 vom 10. Juli 2023 E. 2.2.2 mit Hinweisen). Ohne dass erörtert werden müsste, was dies im Einzelnen bedeutet, ist die nötige Schwere der drohenden Delikte vorliegend zu bejahen. Die schwere Körperverletzung wird mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren bestraft (Art. 122 StGB). Bedroht wird durch die zu erwartenden Gewalthandlungen die körperliche Unversehrtheit von B.________ und damit ein sehr hochwertiges Rechtsgut. Dieses wird denn auch von der Umschreibung in Art. 221 Abs. 1bis lit. a StPO umfasst; das Erfordernis der Gleichartigkeit nach lit. b der Bestimmung ist gegeben (vgl. Urteil 7B_583/2024 vom 25. Juni 2024 E. 3.2.3, zur Publikation bestimmt). Mit ihrem Versuch, ihre bzw. die Gefährlichkeit ihres deliktischen Handelns zu relativieren, kann die Beschwerdeführerin abermals nicht gehört werden.
4.8. Der besondere Haftgrund der qualifizierten Wiederholungsgefahr ist nach dem Gesagten gegeben.
5.
Die Beschwerdeführerin bestreitet die Verhältnismässigkeit der Haft mit dem Hinweis auf Ersatzmassnahmen wie etwa ein Kontaktverbot zu B.________ oder auch ein Rayonverbot. Seitens der Vorinstanz werden solche Ersatzmassnahmen als nicht zielführend erachtet, insbesondere da nach wie vor das konkrete Risiko eines zufälligen Aufeinandertreffens bestehe und auch die Gutachterin darin die Gefahr eines eskalierenden Konflikts ausmache. Die Beschwerdeführerin hält dem wiederum nur appellatorische Einwände entgegen, auf die nicht weiter einzugehen ist.
6.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Die Haft ist wegen qualifizierter Wiederholungsgefahr fortzuführen.
Die Beschwerdeführerin ersucht zwar "zur Vermeidung eines Rechtsverlustes", da sich die Bezahlung ausserordentlicher Rechnungen als schwierig gestalte, um Verzicht auf die Erhebung eines Gerichtskostenvorschusses. Sie stellt jedoch kein eigentliches Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Entsprechend wird sie für das bundesgerichtliche Verfahren kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Untersuchungsamt Gossau, der Anklagekammer des Kantons St. Gallen und dem Kreisgericht Wil, Flawil, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 29. November 2024
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Abrecht
Die Gerichtsschreiberin: Lustenberger