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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
C 160/04 
 
Urteil vom 29. Dezember 2004 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiber Hadorn 
 
Parteien 
W.________ AG, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Ausgleichskasse des Kantons Solothurn, Allmendweg 6, 4528 Zuchwil, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn 
 
(Entscheid vom 19. Juli 2004) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Mit Verfügung vom 30. Januar 2004 stellte die Ausgleichskasse des Kantons Solothurn fest, dass die Firma W.________ AG 1999 bis 2003 Arbeitslosenversicherungsbeiträge im Umfang von Fr. 33'596.90 beglichen hatte; eine Rückerstattung lehnte die Kasse sinngemäss ab, wobei sie sich für 1997 und 1998 auf Verjährung berief. Mittels Einsprache verlangte die Firma, die seit 1997 für die Verwaltungsräte M.________ und O.________ entrichteten Beiträge zurückzuerstatten. Mit Entscheid vom 17. März 2004 lehnte die Kasse die Einsprache ab. 
B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn mit Entscheid vom 19. Juli 2004 ebenfalls ab. 
C. 
Die W.________ AG führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, die Ausgleichskasse sei zu verpflichten, die seit dem 1. Januar 1997 für O.________ und M.________ einkassierten AlV-Beiträge zurückzuerstatten, zuzüglich Zins von 5% seit dem 1. Januar 2004. 
 
Die Ausgleichskasse schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Da keine Versicherungsleistungen streitig sind, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob der vorinstanzliche Entscheid Bundesrecht verletzt, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
Ferner ist Art. 114 Abs. 1 OG zu beachten, wonach das Eidgenössische Versicherungsgericht in Abgabestreitigkeiten an die Parteibegehren nicht gebunden ist, wenn es im Prozess um die Verletzung von Bundesrecht oder um die unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts geht. 
2. 
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen zur Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung (Art. 2 Abs. 1 AVIG; Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2 AHVG, Art. 7 lit. h AHVV) und zum Ausschluss arbeitgeberähnlicher Personen vom Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung (Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG) sowie die Rechtsprechung zur analogen Anwendung dieser Vorschrift auf arbeitgeberähnliche Personen, welche Arbeitslosenentschädigung beantragen (BGE 123 V 236 Erw. 7), richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen. Zutreffend ist auch, dass Mitglieder eines Verwaltungsrates von Gesetzes wegen einen massgeblichen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit haben und deshalb als arbeitgeberähnliche Personen unter Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG fallen (BGE 122 V 273 Erw. 3; ARV 2004 Nr. 21 S. 196). 
3. 
3.1 Die Beschwerdeführerin weigert sich, die für O.________ und M.________ verlangten Beiträge an die Arbeitslosenversicherung zu entrichten, und fordert überdies die seit 1997 für die beiden bereits einbezahlten Betreffnisse zurück. Sie begründet dies damit, dass die zwei Genannten als Angestellte operativ in der W.________ AG tätig, zugleich aber als Verwaltungsräte mit Unterschriftsberechtigung im Handelsregister eingetragen seien. Beide gälten demnach als arbeitgeberähnliche Personen und seien gemäss der Rechtsprechung vom Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ausgeschlossen. Es sei daher eine Diskriminierung, von ihnen die Bezahlung von Arbeitslosenversicherungsbeiträgen zu verlangen. Sie seien vielmehr analog den selbstständig Erwerbenden von der Beitragspflicht zu befreien, weshalb die Kasse die bislang entrichteten Arbeitgeberbeiträge an die Firma zurückzuzahlen und auf die mit der streitigen Veranlagungsverfügung eingeforderten Betreffnisse zu verzichten habe. 
3.2 Nach Art. 2 Abs. 1 lit. a AVIG ist in der Arbeitslosenversicherung der Arbeitnehmer (zum Begriff vgl. Art. 10 ATSG) beitragspflichtig, der nach dem Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) obligatorisch versichert und für Einkommen aus unselbstständiger Tätigkeit beitragspflichtig ist. Gemäss lit. b derselben Vorschrift ist zudem der Arbeitgeber (vgl. Art. 11 ATSG) beitragspflichtig, sofern er nach Art. 12 AHVG Beiträge zu entrichten hat. Laut Abs. 1 von Art. 12 AHVG gilt als Arbeitgeber, wer obligatorisch versicherten Personen Arbeitsentgelte gemäss Art. 5 Abs. 2 AHVG ausrichtet. Beitragspflichtig sind alle Arbeitgeber, die in der Schweiz eine Betriebsstätte haben oder in ihrem Haushalt obligatorisch versicherte Personen beschäftigen (Art. 12 Abs. 2 AHVG). Vorbehalten bleiben Beitragsbefreiungen auf Grund zwischenstaatlicher Vereinbarungen oder völkerrechtlicher Übung (Art 12 Abs. 3 AHVG). 
3.3 Hinsichtlich der Beitragspflicht stellt das AVIG somit auf die AHV-Gesetzgebung ab. Es erklärt nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch deren Arbeitgeber als beitragspflichtig, obwohl letztere selber nicht versichert sind und damit keinen Leistungsanspruch haben (Gerhards, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz, N. 20 zu Art. 2). Entscheidend für die Unterstellung unter die AHV- wie die AlV-Beitragspflicht ist, ob massgebender Lohn im Sinne von Art. 5 Abs. 2 AHVG ausgerichtet wird (Gerhards, a.a.O., N. 32 und N. 42 zu Art. 2). In der Arbeitslosenversicherung gilt grundsätzlich ein einheitlicher Arbeitnehmerbegriff, welcher vollumfänglich auf den AHV-rechtlichen Begriff der unselbstständigen Erwerbstätigkeit abstellt (Nussbaumer, in: SBVR, Arbeitslosenversicherung, S. 12 Rz 24). Ob jemand Arbeitnehmer ist, hängt deshalb einzig davon ab, ob er eine AHV-pflichtige unselbstständige Tätigkeit ausübt (BGE 121 V 367 Erw. 2). Darunter fallen nicht nur die im privat- oder öffentlichrechtlichen Arbeitsverhältnis beschäftigten Arbeitnehmer (Nussbaumer, a.a.O. S. 13). Soweit arbeitgeberähnliche Personen, beispielsweise Geschäftsführer einer Firma, einen massgebenden Lohn im Sinne der AHV-Gesetzgebung verdienen, fallen sie unter den Begriff der Arbeitnehmer. Daran ändert sich auch nichts, wenn sie in der gleichen Firma zusätzlich Funktionen ausüben, die wirtschaftlich mit denjenigen eines selbstständig Erwerbenden vergleichbar sind. Sie und ihre Arbeitgeber bleiben beitragspflichtig (Art. 2 Abs. 1 lit. a und b AVIG, BGE 122 V 251 Erw. 2b; Nussbaumer, a.a.O., S. 64 Rz 161). 
3.4 Die Ausnahmen von der Beitragspflicht sind in Art. 2 Abs. 2 AVIG festgehalten. Sie betreffen allesamt nicht den hier relevanten Tatbestand und befreien namentlich arbeitgeberähnliche Personen und die sie beschäftigenden Unternehmungen nicht davon, die paritätischen Beiträge zu entrichten (vgl. auch Gerhards, a.a.O., N. 51 ff. zu Art. 2 und Nussbaumer, a.a.O., S. 15 ff. Rz 29 ff.). An diese gesetzliche Ordnung ist das Eidgenössische Versicherungsgericht gebunden (Art. 191 BV). 
3.5 O.________ und M.________ haben in den hier streitigen Zeitspannen unbestrittenerweise massgebenden Lohn im Sinne der AHV-Gesetzgebung erzielt. Sodann besitzt die Beschwerdeführerin eine Betriebsstätte in der Schweiz und erfüllt damit die Voraussetzungen nach Art. 12 Abs. 1 und 2 AHVG. Sie kann daher nicht von der Beitragspflicht ausgenommen werden, weshalb schon aus diesem Grund eine Befreiung von der Beitragspflicht gesetzlich ausgeschlossen ist. 
4. 
4.1 Die Beschwerdeführerin kritisiert dies unter anderem mit dem Argument, arbeitgeberähnliche Personen müssten Beiträge entrichten, könnten aber nie entsprechende Leistungen beziehen. 
 
Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG schliesst arbeitgeberähnliche Personen vom Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung aus. Analoge Bestimmungen finden sich bei der Schlechtwetterentschädigung (Art. 42 Abs. 3 AVIG) und der Insolvenzentschädigung (Art. 51 Abs. 2 AVIG). Im Bereich der Arbeitslosenentschädigung besteht zwar keine Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG vergleichbare Vorschrift, welche arbeitgeberähnliche Personen von der Leistungsberechtigung ausschliesst. Indessen hat die Rechtsprechung (BGE 123 V 234 und zahlreiche seitherige Urteile) auch in diesem Bereich dieselbe Regelung angewendet. Denn bei arbeitgeberähnlichen Personen besteht auf Grund der ihnen zustehenden Befugnisse (Ausstellung von Gefälligkeitsbescheinigungen, beliebige Variation des eigenen Arbeitspensums und damit einhergehend Unkontrollierbarkeit des eigenen tatsächlichen Arbeitsausfalls, Mitbestimmung bei der eigenen Wiederanstellung usw.) in Bezug auf sämtliche Leistungszweige der Arbeitslosenversicherung dasselbe, im Vergleich zu gewöhnlichen Angestellten erhöhte Missbrauchspotential. Die Rechtsprechung nach BGE 123 V 236 bezweckt entgegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht nur dem ausgewiesenen Missbrauch an sich, sondern bereits dem Risiko eines solchen zu begegnen, welches der Ausrichtung von Arbeitslosenentschädigung an arbeitgeberähnliche Personen inhärent ist (Urteil F. vom 14. April 2003, C 92/02). 
4.2 Im Unterschied zu selbstständig Erwerbenden geniessen arbeitgeberähnliche Personen durchaus Versicherungsschutz in der Arbeitslosenversicherung. Daher sind sie entgegen den Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht Selbstständigen gleichzustellen. Scheiden nämlich arbeitgeberähnliche Personen aus ihrem Betrieb in einer Weise aus, dass sie endgültig alle jene Eigenschaften verlieren, deretwegen sie bei Kurzarbeit auf Grund von Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG vom Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung ausgenommen wären, besteht durchaus Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, soweit die übrigen Voraussetzungen (Art. 8 Abs. 1 AVIG) erfüllt sind. Das Erfordernis, aus der bisherigen Firma definitiv auszuscheiden, ist wegen der Missbrauchsgefahr notwendig, verhindert jedoch nicht generell, dass arbeitgeberähnliche Personen überhaupt jemals Arbeitslosenentschädigung beziehen könnten. Es trifft deshalb nicht zu, dass mit der Rechtsprechung gemäss BGE 123 V 234 eine ganze Gruppe von Personen wohl Beiträge zahlen müsse, aber in diskriminierender Weise vom Anspruch auf die genannte Leistung ausgeschlossen werde. Eine Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit oder der Eigentumsgarantie ist damit nicht verbunden. Zu einer Änderung der Rechtsprechung BGE 123 V 236 besteht kein Anlass. 
5. 
Da es nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen geht, ist das Verfahren kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Die unterliegende Beschwerdeführerin hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtskosten von total Fr. 3000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, dem Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt. 
Luzern, 29. Dezember 2004 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: