Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
5A_214/2022
Urteil vom 30. März 2022
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Herrmann, Präsident,
Bundesrichter von Werdt, Bovey,
Gerichtsschreiber Möckli.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
gegen
1. B.________,
2. C.________,
beide vertreten durch Rechtsanwältin Judith Berlinger,
Beschwerdegegnerinnen.
Gegenstand
Aufsichtsbeschwerde gegen den Willensvollstrecker, Zuständigkeit
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Glarus vom 18. Februar 2022 (OG.2021.00067).
Sachverhalt:
A.
D.________ sel. setzte testamentarisch verschiedene Erben ein und bezeichnete Rechtsanwalt A.________ als Willensvollstrecker.
B.
Auf eine entsprechende Aufsichtsbeschwerde der als Erbinnen eingesetzten Nichten (rubrizierte Beschwerdegegnerinnen) hin setzte der Kantonsgerichtspräsident Glarus mit Verfügung vom 15. Juli 2021 den Willensvollstrecker ab.
Die vom Willensvollstrecker erhobene Berufung wies das Obergericht des Kantons Glarus mit Urteil vom 18. Februar 2022 ab.
C.
Mit Beschwerde vom 25. März 2022 verlangt der Willensvollstrecker die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils sowie der Verfügung des Kantonsgerichtspräsidenten. Ferner verlangt er die aufschiebende Wirkung.
Erwägungen:
1.
Angefochten ist der kantonal letztinstanzliche Entscheid betreffend Aufsicht über die Willensvollstrecker; die Beschwerde in Zivilsachen steht grundsätzlich zur Verfügung (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 5 und Art. 75 Abs. 1 BGG). Jedenfalls soweit eine Aufsichtsbeschwerde gegen den Willensvollstrecker durch dessen Handeln in vermögensrechtlichen Angelegenheiten veranlasst ist, was vorliegend zutrifft, kommt der Streitigkeit entgegen den Behauptungen des Beschwerdeführers vermögensrechtliche Natur zu (Urteile 5A_395/2010 vom 22. Oktober 2010 E. 1.2.2; 5A_940/2018 vom 23. August 2019 E. 1.1). Der Streitwert beträgt nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil mehr als Fr. 30'000.-- und der Beschwerdeführer äussert sich nicht dazu. Es ist mithin davon auszugehen, dass der Mindeststreitwert von Fr. 30'000.-- erreicht ist (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). Die Beschwerdefrist ist eingehalten (Art. 100 Abs. 1 BGG).
2.
Die Funktion des Willensvollstreckers wird in Art. 517 f. ZGB umschrieben; ferner wird in Art. 554 Abs. 2 ZGB auf ihn Bezug genommen. Die Beschwerde eines Erben gegen einen Willensvollstrecker beschlägt jedoch keine Zivilsache im Sinne von Art. 1 lit. a ZPO; vielmehr handelt sich um einen Fall staatlicher Aufsicht, welche gegenüber dem Willensvollstrecker ausgeübt wird (Urteil 5A_195/2013 vom 9. Juli 2013 E. 3.1). Dies ist indes insoweit nicht von besonderer Bedeutung, als selbst im Anwendungsbereich der Schweizerischen Zivilprozessordnung (Art. 1 lit. a ZPO) die Behörden- und Gerichtsorganisation grundsätzlich Sache der Kantone ist (Art. 3 ZPO). Sowohl die Glarner Gerichte als auch der Beschwerdeführer gehen denn auch davon aus, dass sich die Zuständigkeit zur Beurteilung der Aufsichtsbeschwerde nach kantonalem Recht bestimmt.
Die Verletzung kantonalen Rechts kann das Bundesgericht nur im Zusammenhang mit einer Verletzung verfassungsmässiger Rechte überprüfen, wobei die Rüge im Vordergrund steht, dass das kantonale Recht willkürlich angewandt worden sei (BGE 139 III 225 E. 2.3; 139 III 252 E. 1.4; 140 III 385 E. 2.3; 142 II 369 E. 2.1).
3.
Das Obergericht hat in Übereinstimmung mit dem Kantonsgerichtspräsidium festgehalten, dass sich dessen Zuständigkeit zur Behandlung von Aufsichtsbeschwerden gegen einen Willensvollstrecker aus einer analogen Anwendung von Art. 7 Abs. 1 lit. b EG ZPO/GL ergebe und einer langjährigen gefestigten Praxis entspreche. Unter Hinweis auf die bestehende Praxis sei im Zuge der Revision des GOG/GL denn auch Art. 7 Abs. 1 EG ZPO/GL mit einer lit. h bezüglich der Aufsicht über die Willensvollstrecker und mit einer lit. i betreffend Aufsicht über den Erbschaftsliquidator ergänzt worden; diese Vorlage sei an der Landsgemeinde vom 5. September 2021 angenommen worden und werde voraussichtlich auf den 1. Juli 2022 in Kraft treten.
Im Anschluss hat das Obergericht auf über drei Seiten die erwähnte bisherige Praxis erläutert bzw. begründet, zusammengefasst wie folgt: Bei Art. 7 Abs. 1 EG ZPO/GL handle es sich aufgrund des Wortes "insbesondere" um eine nicht abschliessende Aufzählung, bei welcher dem Kantonsgerichtspräsidium eine ganze Reihe von Entscheidzuständigkeiten in Erbsachen übertragen werde; diese lex specialis gehe der Generalklausel zugunsten der KESB in Art. 9a Abs. 4 EG ZGB/GL vor. Für die Aufsicht über die Willensvollstrecker bestehe keine Gesetzeslücke, sondern diese sei von Art. 7 Abs. 1 lit. b EG ZPO/GL aufgrund einer systematischen Gesetzesauslegung mitumfasst, weil diese in den Rechten und Pflichten einem Erbschaftsverwalter grundsätzlich gleichgestellt seien. Sodann könne aus Art. 595 Abs. 1 und 3 ZGB gefolgert werden, dass die gleiche Behörde für die Beauftragung und Aufsicht des mit der amtlichen Liquidation beauftragten Erbschaftsverwalters zuständig sei. Nach Art. 7 Abs. 1 lit. b EG ZPO/GL entscheide das Kantonsgerichtspräsidium im summarischen Verfahren über die Anordnung der amtlichen Liquidation einer Erbschaft. Dabei verweise der Gesetzeswortlaut von Art. 7 Abs. 1 lit. b EG ZPO/GL explizit auf die Art. 593 ff. ZGB, womit der Gesetzgeber zum Ausdruck bringe, dass auch die Aufsicht nach Art. 595 Abs. 3 ZGB in die Zuständigkeit des Kantonsgerichtspräsidiums falle. Aufgrund der Verweisung von Art. 518 Abs. 1 ZGB auf Art. 595 Abs. 3 ZGB sei letztere Bestimmung wie erwähnt auch die rechtliche Grundlage für die Aufsicht über die Willensvollstrecker; die Zuständigkeit zur Behandlung der Aufsichtsbeschwerde ergebe sich mithin aus Art. 518 Abs. 1 i.V.m. Art. 595 Abs. 3 ZGB und Art. 7 Abs. 1 lit. b EG ZPO/GL. Eine andere Zuständigkeit lasse sich angesichts der Gesetzessystematik insbesondere auch aus Art. 108 Abs. 2 EG ZGB/GL nicht ableiten.
4.
Die Vorbringen in der Beschwerde bleiben weitestgehend appellatorisch, denn es reicht nicht, auf der letzten Seite der Beschwerdeschrift generalisierend zu erklären, aufgrund der vorausgegangenen Ausführungen liege ein Verstoss gegen das Willkürverbot vor und zugleich werde der Anspruch auf rechtmässiges Handeln des Staates gemäss Art. 19 und Art. 106 Abs. 1 KV/GL verletzt. Auf die angeblich willkürliche Rechtsanwendung wird noch zurückzukommen sein.
Vorab ist im Zusammenhang mit dem Vorwurf, das Obergericht nenne für die von ihm angeführte Praxis keine Präjudizien, festzuhalten, dass damit sinngemäss eine Verletzung der Begründungspflicht als Teilgehalt des rechtlichen Gehörs gerügt wird. Daraus ergibt sich für das Gericht die Pflicht, einen Entscheid so abzufassen, dass der Betroffene ihn gegebenenfalls sachgerecht anfechten kann; hierfür müssen - im Sinn der entscheidwesentlichen Gesichtspunkte - wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich das Gericht hat leiten lassen und auf welche sich sein Entscheid stützt (BGE 139 IV 179 E. 2.2 S. 183; 141 III 28 E. 3.2.4 S. 41; 141 IV 249 E. 1.3.1 S. 253). Dies ist mit der ausführlichen Begründung im angefochtenen Urteil der Fall. Das Obergericht hat nicht nur kurz die zentralen Überlegungen genannt, sondern die Zuständigkeitsfrage ausgiebig erörtert. Eine Gehörsverletzung bzw. eine Verletzung der Begründungspflicht ist nicht ansatzweise erkennbar.
Was die entscheidtragenden Erwägungen anbelangt, erfolgen wie gesagt in erster Linie appellatorische Ausführungen. Diese gehen dahin, dass die Zuständigkeit des Kantonsgerichtspräsidium in Art. 7 Abs. 1 EG ZPO/GL eben gerade nicht explizit erwähnt sei und deshalb die Generalklausel von Art. 9a Abs. 4 EG ZGB/GL greife, nach welcher die KESB entscheidzuständig sei. Eine sachgerichtete Auseinandersetzung mit der rechtlichen Herleitung im angefochtenen Entscheid findet jedoch nur ansatzweise statt; im Übrigen erweist sich diese, soweit von genügend substanziierten Rügen auszugehen wäre, nicht als willkürlich:
Willkür in der Rechtsanwendung liegt vor, wenn ein Entscheid auf einem offensichtlichen Versehen beruht, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft; dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 142 II 369 E. 4.3; 144 I 113 E. 7.1).
Das Obergericht hat sich mit allen relevanten Elementen auseinandergesetzt und dabei nichts übersehen. Seine Überlegungen sind stringent und nachvollziehbar, basieren auf einer gesetzessystematischen Auslegung, entsprechen offenbar einer gefestigten Praxis und deren Positivierung im anwendbaren Einführungsgesetz wurde an der Landsgemeinde vom 5. September 2021 beschlossen, ohne dass dabei die Rede davon gewesen wäre, dass damit Kompetenzen der KESB an das Kantonsgerichtspräsidium übertragen würden. Ob auch eine andere Auslegung möglich wäre, ist vorliegend nicht das Thema, sondern einzig, ob diejenige des Obergerichtes schlechterdings unhaltbar ist. Davon kann nach dem Gesagten keine Rede sein.
Erweist sich die Rechtsanwendung durch das Obergericht nach dem Gesagten als willkürfrei, ist die weitere Rüge, der Anspruch auf einen verfassungsmässigen Richter gemäss Art. 16 Abs. 1 KV/GL und Art. 30 Abs. 1 KV/GL (offensichtlich gemeint: Art. 30 Abs. 1 BV) sei verletzt, hinfällig.
5.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Damit ist der Antrag auf Erteilung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos.
6.
Die Gerichtskosten sind ausgangsgemäss dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Glarus mitgeteilt.
Lausanne, 30. März 2022
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Herrmann
Der Gerichtsschreiber: Möckli