Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
[AZA 1/2] 
1P.121/2001/boh 
 
I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG 
********************************** 
 
30. April 2001 
 
Es wirken mit: Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger, 
Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter 
Nay, Bundesrichter Féraud und Gerichtsschreiber Steinmann. 
 
--------- 
 
In Sachen 
Werner Peter, Möhrlistrasse 78, Zürich, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
Evangelisch-reformierte Kirchgemeinde Zürich-Oberstrass, vertreten durch die Kirchenpflege, Bezirksrat Zürich, Regierungsrat des Kantons Zürich, vertreten durch die Direktion der Justiz und des Innern, 
 
betreffend 
politische Rechte anlässlich Kirchgemeindeversammlung, hat sich ergeben: 
 
A.- Die Kirchenpflege der Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Zürich-Oberstrass unterbreitete der Kirchgemeindeversammlung vom 31. Oktober 1999 das Geschäft, die Liegenschaft Blüemlisalpstrasse 6 in Zürich zu verkaufen; der Antrag ging auf einen Beschluss der Kirchgemeindeversammlung vom 11. April 1999 zurück, wonach das Objekt zu verkaufen sei und hierfür Verkaufsverhandlungen aufzunehmen seien. 
 
Mit einem Schreiben vom 29. September 1999 an die Kirchenpflege unterbreitete Werner Peter die Anträge, es sei auf eine Abstimmung über den Verkauf der genannten Liegenschaft zu verzichten, es seien die Alternativen Sanierung und Weitervermietung bzw. Abgabe im Baurecht zu prüfen und es sei hierüber mindestens drei Monate vor einer neuen Kirchgemeindeversammlung zu orientieren. 
 
Anlässlich der Kirchgemeindeversammlung vom 31. Oktober 1999 wurde unter dem Traktandum 4 erläutert, weshalb die Vorschläge von Werner Peter durch die Kirchenpflege abgelehnt werden. Die Versammlung verwarf den Verschiebungsantrag von Werner Peter mit überwiegendem Mehr und stimmte anschliessend mit 50 Ja-Stimmen gegen 4 Nein-Stimmen dem Verkauf der Liegenschaft Blüemlisalpstrasse 6 zu. 
 
B.- Werner Peter gelangte darauf mit Beschwerde an den Bezirksrat Zürich und verlangte im Wesentlichen die Aufhebung des Verkaufsbeschlusses der Kirchgemeindeversammlung. 
Der Bezirksrat wies diese Beschwerde am 30. März 2000 ab. 
 
In der Folge wies auch der Regierungsrat des Kantons Zürich eine Stimmrechtsbeschwerde von Werner Peter am 20. Dezember 2000 ab. Aus seinen Erwägungen ergibt sich, dass die Vorbereitung des Geschäfts zwar als mangelhaft betrachtet werden müsse, dass indessen in Anbetracht der Vorgeschichte, des Abstimmungsverfahrens an der Versammlung sowie des klaren Stimmverhältnisses keine Verletzung der politischen Rechte vorliege. 
 
 
C.- Gegen diesen Entscheid des Regierungsrates hat Werner Peter am 13. Februar 2001 beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der politischen Rechte im Sinne von Art. 85 lit. a OG erhoben. Er beantragt im Wesentlichen die Aufhebung des angefochtenen Regierungsratsentscheides und macht geltend, die Stimmbürger seien nicht hinreichend auf das umstrittene Geschäft und weitere Alternativen aufmerksam gemacht worden und seine eigenen Initiativen seien nicht berücksichtigt worden. 
 
Die Kirchgemeinde Zürich-Oberstrass, der Bezirksrat und die Direktion der Justiz des Kantons Zürich für den Regierungsrat beantragen die Abweisung der Beschwerde. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Es ist nicht bestritten, dass der Beschwerdeführer Mitglied und Stimmbürger der Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Zürich-Oberstrass und daher zur Stimmrechtsbeschwerde nach Art. 85 lit. a OG legitimiert ist. Zu den politischen Rechten im Sinne dieser Bestimmung gehören auch Abstimmungen in Körperschaften, soweit sie dem öffentlichen Recht der Kantone unterstehen. Dies trifft auf Kirchgemeinden zu (vgl. BGE 120 Ia 194 E. 1a S. 196). 
 
Der Beschwerdeführer beruft sich sinngemäss allein auf Art. 34 Abs. 2 BV, welcher im Sinne der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichts für den Bereich der politischen Rechte die freie Willensbildung und unverfälschte Stimmabgabe garantiert (vgl. Urteile in: ZBl 102/2001 S. 148 E. 2b, 102/2001 S. 188 E. 3a). Hingegen macht er keine Verletzung kantonalen Rechts geltend. 
 
2.- Der Beschwerdeführer erhebt sinngemäss zwei unterschiedliche Rügen. Zum einen macht er geltend, die Stimmbürger seien unzureichend informiert worden. Zum andern rügt er, dass seinen Vorschlägen keine Folge gegeben worden sei. 
 
3.- a) Im vorliegenden Fall hat der Regierungsrat im angefochtenen Entscheid festgestellt, dass die Aktenauflage im Vorfeld der Kirchgemeindeversammlung unvollständig und damit fehlerhaft gewesen sei; er beanstandete, dass den Stimmberechtigten innerhalb der Aktenauflage der Kaufvertrag mit dem Preis und den Vertragsparteien nicht bekannt gegeben worden war. Von dieser Feststellung ist im vorliegenden Verfahren auszugehen. Es braucht daher nicht geprüft zu werden, welchen Anforderungen die vorgängige Information nach kantonalem Recht oder nach Art. 34 Abs. 2 BV genügen muss (vgl. 
zur Frage der hinreichenden Information die Urteile in: 
ZBl 102/2001 S. 148 E. 2b, 102/2001 S. 188 E. 3c, 99/1998 S. 89 E. 4b). - Zusätzlich hielt der Regierungsrat fest, dass die Stimmberechtigten an der Versammlung selber über die wesentlichen Vertragspunkte wie Vertragsparteien und Kaufpreis orientiert worden seien und damit über die wesentlichen Informationen für den zu treffenden Entscheid verfügten. 
Der Beschwerdeführer stellt dies nicht in Frage. 
 
b) Der Beschwerdeführer beanstandet indessen, dass die Stimmbürger weder im Rahmen der Aktenauflage noch anlässlich der Kirchgemeindeversammlung über Alternativen und insbesondere die Möglichkeit einer Abgabe der Liegenschaft Blüemlisalpstrasse 6 im Baurecht informiert worden seien. 
Auf seine Intervention habe der Vorsitzende den Stimmbürgern ohne weitere Erklärungen zu verstehen gegeben, dass eine Abgabe im Baurecht nicht möglich sei. 
 
In diesem Punkt übersieht der Beschwerdeführer, dass der Kirchgemeindeversammlung lediglich der konkrete Vertrag über den Verkauf der Liegenschaft zum Beschluss vorlag. 
Die Kirchgemeindeversammlung hatte nämlich bereits am 11. April 1999 den Grundsatzentscheid getroffen, dass die fragliche Liegenschaft zu verkaufen sei und hierfür von der Vorsteherschaft Verkaufsverhandlungen aufzunehmen seien. Bei dieser Sachlage kann den Behörden von vornherein nicht vorgeworfen werden, über nicht zur Diskussion stehende Alternativen nicht informiert zu haben. - Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang geltend macht, dass es an einer hinreichenden Orientierung über die tatsächlichen Gegebenheiten um die Liegenschaft Blüemlisalpstrasse 6 und die rechtlichen Alternativen wie eine Abgabe im Baurecht auch anlässlich der Kirchgemeindeversammlung vom 11. April 1999 gefehlt habe, kann auf die Beschwerde von vornherein nicht eingetreten werden. Er hätte dies im Vorfeld der Versammlung vom 11. April 1999 oder im Anschluss daran mit einer entsprechenden Beschwerde vorbringen müssen. 
 
 
c) Der Regierungsrat hat die Abstimmung trotz der festgestellten Mängel der Aktenauflage als gültig erachtet, weil einerseits die Stimmbürger an der Versammlung über die wesentlichen Elemente des vorgesehenen Verkaufs orientiert worden sind und andererseits das Abstimmungsergebnis klar und eindeutig gewesen ist. Er befindet sich damit im Einklang mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach die Feststellung von Verfahrensmängeln unter anderem dann nicht notwendigerweise zur Aufhebung der Abstimmung führt, wenn die Unregelmässigkeiten nicht erheblich sind und das Ergebnis kaum beeinflusst haben; dabei kommt auch dem Stimmenverhältnis Bedeutung zu (vgl. BGE 121 I 1 E. 5b S. 12, mit Hinweisen). 
 
Der Beschwerdeführer setzt sich mit dieser Argumentation des Regierungsrates nicht auseinander und macht nicht geltend, die Anerkennung der Abstimmung anlässlich der Kirchgemeindeversammlung verletze aus diesen Gründen die politischen Rechte. Es braucht daher auch im vorliegenden Zusammenhang nicht näher darauf eingegangen zu werden. 
 
4.- Schliesslich rügt der Beschwerdeführer als Verletzung seiner politischen Rechte, dass seine verschiedenen Vorstösse nicht als Initiativen behandelt worden seien. 
 
In der Beschwerdeschrift bezeichnet der Beschwerdeführer seine schriftlichen und mündlichen Anträge und Alternativvorschläge zwar als Initiativen, weist indessen zugleich auf den "rücksichtsvollen Unterschied" hin, dass die Kirchenpflege nicht unter Zeitdruck gesetzt werden sollte und dass deswegen keine ausserordentliche Kirchgemeindeversammlung sollte abgehalten werden müssen. Damit gesteht er den informellen Charakter seiner Eingaben ein. Er belegt denn auch in keiner Weise, dass seine Vorschläge den Anforderungen an Initiativen genügen würden. 
 
Soweit diese Eingaben in einem früheren Zeitpunkt eingereicht worden sind und geltend gemacht werden sollte, sie hätte förmlich behandelt werden müssen, kann darauf wegen Ablaufs der Beschwerdefristen und mangels Ausschöpfung des Instanzenzuges von vornherein nicht eingetreten werden. 
Indessen kann der Beschwerde auch in Bezug auf Eingaben, die nach dem 11. April 1999 erfolgten, und insbesondere hinsichtlich jener vom 29. September 1999 kein Erfolg beschieden sein. In Anbetracht des Grundsatzentscheides vom 11. April 1999, die Liegenschaft Blümlisalpstrasse zu verkaufen, wären danach förmliche Eingaben erforderlich gewesen, um an der Kirchgemeindeversammlung die Grundsatzfrage erneut zu stellen. Eingaben informeller Natur konnten hierfür nicht genügen. Die Rüge, über diese Initiativen sei nicht formgerecht abgestimmt worden, erweist sich daher als unbegründet. 
 
 
Schliesslich bleibt anzumerken, dass über den (Ordnungs-)Antrag des Beschwerdeführers, auf eine Abstimmung über das Kaufgeschäft sei zu verzichten bzw. die Abstimmung sei zu verschieben und das Traktandum zu streichen, an der Kirchgemeindeversammlung tatsächlich abgestimmt wurde. Damit ist seinem Antrag Rechnung getragen worden. Eine Verletzung der politischen Rechte ist auch insoweit nicht ersichtlich. 
 
5.- Aufgrund dieser Erwägungen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Praxisgemäss sind keine Kosten zu erheben. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.- Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Zürich-Oberstrass, dem Bezirksrat Zürich und dem Regierungsrat des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt. 
 
______________ 
Lausanne, 30. April 2001 
 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS 
Der Präsident: 
 
Der Gerichtsschreiber: