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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5A_188/2010 
 
Urteil vom 30. April 2010 
II. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin, 
Bundesrichter L. Meyer, von Werdt, 
Gerichtsschreiber von Roten. 
 
Verfahrensbeteiligte 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Geiser, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Glarner Kantonalbank, 
vertreten durch Rechtsanwalt Alfred Müller, 
Beschwerdegegnerin, 
 
Betreibungs- und Konkursamt des Kantons Glarus, Zwinglistrasse 8, 8750 Glarus. 
 
Gegenstand 
Pfändungsankündigung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Departements Sicherheit und Justiz, Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, vom 25. Februar 2010. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Im öffentlich beurkundeten Bürgschaftsvertrag vom 17. Dezember 2004 erklärte B.________ Steiger (Beschwerdeführer) gegenüber der Glarner Kantonalbank (Beschwerdegegnerin), bis zum Höchstbetrag von Fr. 2'400'000.-- für die Rückzahlung eines Darlehens der Beschwerdegegnerin an die A.________ AG von Fr. 3'000'000.-- solidarisch einzustehen. Über die A.________ AG wurde am 29. Mai 2006 der Konkurs eröffnet und alsdann mangels Aktiven wieder eingestellt, worauf die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer als Bürgen belangte. In einer ersten Betreibung für eine Forderung von Fr. 2'000'000.-- und Fr. 183'805.55 wurde am 10. September 2007 die provisorische Rechtsöffnung erteilt. Die Aberkennungsklage des Beschwerdeführers ist in zweiter kantonaler Instanz hängig. 
 
B. 
Gestützt auf den Bürgschaftsvertrag mit dem Beschwerdeführer leitete die Beschwerdegegnerin eine zweite Betreibung für eine Forderung von Fr. 30'000.-- ein. Der Beschwerdeführer erhob Rechtsvorschlag. Auf Gesuch der Beschwerdegegnerin hin erteilte das Kantonsgerichtspräsidium Glarus die provisorische Rechtsöffnung für die Betreibungsforderung von Fr. 30'000.--. Es wies die dagegen erhobenen Einwendungen des Beschwerdeführers ab und hielt namentlich die Rüge für unbegründet, eine gestaffelte Betreibung bzw. die Betreibung blosser Teilforderungen sei unzulässig und verschaffe der Beschwerdegegnerin einen unzulässigen Vermögensvorteil. Der Rechtsöffnungsentscheid vom 28. September 2009 wurde dem Beschwerdeführer am 23. Oktober 2009 zugestellt und blieb unangefochten. Mit Vermittlungsbegehren vom 12. November 2009 leitete der Beschwerdeführer den Aberkennungsprozess ein. 
 
C. 
Das Betreibungs- und Konkursamt des Kantons Glarus kündigte am 19. November 2009 die provisorische Pfändung in der zweiten Betreibung (Nr. xxxx) an und lud die Betreibungsparteien auf den 1. Dezember 2009 zum Vollzug der provisorischen Pfändung in der Amtsstelle vor. Der Beschwerdeführer focht die Pfändungsankündigung/ Vorladung beim Departement Sicherheit und Justiz als kantonaler Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs an. Die Aufsichtsbehörde wies die Beschwerde ab (Entscheid vom 25. Februar 2010). 
 
D. 
Dem Bundesgericht beantragt der Beschwerdeführer, den Entscheid vom 25. Februar 2010 und die Pfändungsankündigung/Vorladung vom 19. November 2009 aufzuheben. Er ersucht um aufschiebende Wirkung. Die Beschwerdegegnerin, das Betreibungs- und Konkursamt sowie die Aufsichtsbehörde schliessen auf Abweisung des Gesuchs. Die Präsidentin der II. zivilrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts hat der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt (Verfügung vom 30. März 2010). In der Sache sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Der Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen unterliegt der Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG) unabhängig von einer gesetzlichen Streitwertgrenze (Art. 74 Abs. 2 lit. c BGG). Das Departement Sicherheit und Justiz hat als einzige kantonale Aufsichtsbehörde und damit letztinstanzlich entschieden (Art. 75 Abs. 1 BGG i.V.m. Art. 9 des Gesetzes über die Einführung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs, EG SchKG, GS/GL III D/1). Der Beschwerdeführer ist als im kantonalen Verfahren unterliegende Partei beschwerdeberechtigt (Art. 76 Abs. 1 BGG). Beschwerdeentscheide über Verfügungen des Betreibungs- und Konkursamtes gemäss Art. 17 SchKG sind Endentscheide im Sinne von Art. 90 BGG, zumal diese Verfügungen im laufenden Vollstreckungsverfahren grundsätzlich nicht mehr in Frage gestellt werden können (BGE 133 III 350 E. 1.2 S. 351). Als Endentscheid gilt selbst die angefochtene Pfändungsankündigung (Urteile 5A_692/2008 vom 18. November 2008 E. 1.2 und 5A_487/2009 vom 12. Oktober 2009 E. 1.1). Sie betrifft hier eine provisorische Pfändung (Art. 83 Abs. 1 SchKG) und damit eine vorsorgliche Massnahme im Sinne von Art. 98 BGG (Urteile 5A_194/2008 vom 21. April 2008 E. 2 und 5A_483/2008 vom 29. August 2008 E. 2). Auf die im Weiteren rechtzeitig (Art. 100 Abs. 2 lit. a BGG) erhobene Beschwerde kann eingetreten werden. 
 
2. 
Dass das Betreibungsamt die provisorische Pfändung in formeller Hinsicht ordnungsgemäss angekündigt hat, war im kantonalen Verfahren und ist auch vor Bundesgericht unbestritten. Der Beschwerdeführer hat im kantonalen Verfahren eingewendet, das Gesuch der Beschwerdegegnerin um provisorische Pfändung sei rechtsmissbräuchlich, weil die Beschwerdegegnerin ihre Forderung aus dem Bürgschaftsvertrag zeitlich gestaffelt und in Teilbeträgen in Betreibung setze, um sich unzulässige Vermögensvorteile zu verschaffen, d.h. um für die gleiche Forderung eine weitere Lohnpfändung zu erlangen. Zum Rechtsmissbrauchsvorwurf hat die kantonale Aufsichtsbehörde zum einen festgehalten, das Betreibungsamt habe bei der Ausstellung der Pfändungsankündigung keine weiteren Voraussetzungen zu prüfen als namentlich das Vorliegen eines endgültigen und vollstreckbaren Entscheids über die provisorische Rechtsöffnung und die Einhaltung der Zahlungsfrist. Zum anderen ist die kantonale Aufsichtsbehörde davon ausgegangen, die Einwände des Beschwerdeführers seien für die provisorische Pfändung nicht relevant, zumal die provisorische Pfändung vorliegend allenfalls nur mit einer die Rechtskraft hemmenden Beschwerde gegen den Rechtsöffnungsentscheid selber hätte verhindert werden können. Eine Beschwerde bzw. eine Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Ersuchen um aufschiebende Wirkung habe der Beschwerdeführer indessen nicht ergriffen. Das Einleiten einer Aberkennungsklage genüge nicht (E. 2 S. 3 des angefochtenen Entscheids). Der Beschwerdeführer wendet dagegen ein, der Rechtsmissbrauch sei im Zwangsvollstreckungsrecht in allen verschiedenen Stadien von Amtes wegen zu beachten (S. 5 f. Rz. 14-18). Das Verhalten der Beschwerdegegnerin sei grob rechtsmissbräuchlich (S. 6 ff. Rz. 19-27 der Beschwerdeschrift). 
 
3. 
Im Rechtsöffnungsverfahren ist das Kantonsgerichtspräsidium davon ausgegangen, der Bürgschaftsvertrag berechtige zur beantragten Rechtsöffnung für einen Teilbetrag der Forderung und das Begehren der Beschwerdegegnerin um Rechtsöffnung für einen Teilbetrag der Forderung sei zulässig. Einen unzulässigen Vermögensvorteil erlange die Beschwerdegegnerin dadurch nicht, weil sie nicht in der ersten Betreibung eine erneute (provisorische) Lohnpfändung, sondern in der zweiten Betreibung eine provisorische Pfändung verlange, und weil die erste Betreibung nicht fortgesetzt werden könne, solange das Aberkennungsverfahren noch hängig sei (E. 2.2 und 2.3 S. 4 f. des Entscheids vom 28. September 2009, Beschwerde-Beilage Nr. 7). An die Beurteilung des Rechtsöffnungsgerichts, das Begehren der Beschwerdegegnerin um Rechtsöffnung für einen Teilbetrag der Forderung aus Bürgschaftsvertrag sei nicht rechtsmissbräuchlich und gutzuheissen, sind das Betreibungsamt und die Aufsichtsbehörde gebunden. Sie dürfen nicht gegenteilig entscheiden und haben die provisorische Pfändung anzukündigen und zu vollziehen, soweit die formellen Voraussetzungen erfüllt sind. Der Rechtsöffnungsentscheid kann in diesem Rahmen nicht mehr in Frage gestellt werden (vgl. BGE 115 III 18 E. 3b S. 21; 113 III 2 E. 2b S. 3; Urteil 5A_411/2007 vom 29. November 2007 E. 2, betreffend Pfändungsankündigung). Die kantonale Aufsichtsbehörde hat deshalb zutreffend dargelegt, das Betreibungsamt habe sich auf eine Prüfung in formeller Hinsicht zu beschränken. Der behauptete Rechtsmissbrauch hingegen sei unbeachtlich. 
 
4. 
Soweit der Beschwerdeführer seinen Einwand vor Bundesgericht erneuert, ist darauf nach dem in E. 3 Gesagten nicht einzutreten (vgl. BGE 80 III 149 E. 2b S. 154; 135 III 513 E. 8.3 S. 530). Nichtigkeit liegt nicht vor. Nicht bloss für einen Teil der Forderung aus dem Bürgschaftsvertrag, sondern selbst für die gleiche Forderung wäre eine zweite Betreibung zulässig gewesen. Denn eine zweite Betreibung für die gleiche Forderung ist nur dann unzulässig, wenn der Gläubiger in der ersten Betreibung das Fortsetzungsbegehren bereits gestellt hat oder zu stellen berechtigt ist, was vorliegend auf Grund des hängigen Aberkennungsprozesses nicht zutrifft. Ein Begehren um provisorische Pfändung ist keine eigentliche Massnahme zur Fortsetzung der Betreibung und verhindert die Einleitung einer zweiten Betreibung für die gleiche Forderung nicht (vgl. BGE 128 III 383 E. 1-3 S. 384 ff.). Das Bundesgericht hat in diesem Sinne den vom Beschwerdeführer angerufenen BGE 117 III 26 verdeutlicht und das Vorgehen eines Gläubigers nicht für unzulässig erklärt, im Rahmen der zweiten Betreibung eine provisorische Einkommenspfändung zu verlangen (vgl. BGE 128 III 383 E. 1.2 S. 385 f.). Dass die Betreibungsgläubigerin im beurteilten Fall über die zweite Betreibung eine erneute provisorische Einkommenspfändung erreichen wollte, um ihre Forderung bestmöglich abzusichern, ist ein legitimes Interesse (vgl. die Urteilsbesprechung von DOMINIK GASSER, ZBJV 139/2003 S. 444 ff.). Von Nichtigkeit der Pfändungsankündigung kann nicht ausgegangen werden. 
 
5. 
Aus den dargelegten Gründen muss die Beschwerde abgewiesen werden, soweit darauf einzutreten ist. Der Beschwerdeführer wird damit kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht geschuldet, da in der Sache keine Vernehmlassung eingeholt wurde und die Beschwerdegegnerin mit ihrem Antrag, die aufschiebende Wirkung zu verweigern, unterlegen ist. Im Übrigen werden Parteientschädigungen regelmässig nur anwaltlich vertretenen Parteien zugesprochen, nicht dagegen Parteien, die - wie die Beschwerdegegnerin - von einem angestellten Anwalt ihres Rechtsdienstes vertreten wird. Vorbehalten bleiben hier nicht gegebene besondere Verhältnisse, die es rechtfertigen können, einer Partei eine angemessene Entschädigung für weitere notwendige, durch den Prozess verursachte Umtriebe zuzusprechen (Art. 68 Abs. 1 BGG; Art. 11 des Reglements über die Parteientschädigung und die Entschädigung für die amtliche Vertretung im Verfahren vor dem Bundesgericht vom 31. März 2006, SR 173.110.210; vgl. Urteile 1C_198/2007 vom 21. Dezember 2007 E. 6 und 2C_807/2008 vom 19. Juni 2009 E. 4.3). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Betreibungs- und Konkursamt des Kantons Glarus und dem Departement Sicherheit und Justiz, Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 30. April 2010 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber: 
 
Hohl von Roten