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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5C.150/2001/dxc 
 
Urteil vom 30. Mai 2002 
II. Zivilabteilung 
 
Bundesrichter Bianchi, Präsident, 
Bundesrichter Raselli, Bundesrichterin Escher, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
X.________, 
Klägerin und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt Renzo Guzzi, Bellerivestrasse 45, Postfach 413, 8008 Zürich, 
 
gegen 
 
Y.________, 
Beklagten und Berufungsbeklagten, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Raymond Bisang, c/o Suhr Würgler Maag Bisang, Pestalozzistrasse 24, Postfach 234, 8028 Zürich, 
Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, 
Postfach, 8023 Zürich. 
 
Haftung des Konkursbeamten 
 
(Berufung gegen den Beschluss und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 12. April 2001) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Y.________ führte als Notar und Konkursbeamter (Vorsteher) des Konkursamtes Zürich-Fluntern den Konkurs über X.________ durch. Das Verfahren wurde am 5. August 1986 zufolge Insolvenzerklärung eröffnet und am 4. August 1995 geschlossen. Aus dem Konkurs resultierte ein Überschuss von Fr. 17'121.--. 
 
Während des Konkursverfahrens wurde am 8. Januar 1987 die vom Konkursamt eingelagerte Wohnungseinrichtung der Konkursitin durch einen Brand vernichtet, und am 18./19. September 1989 wurde aus dem Kassenschrank des Notariats deren Schmuck gestohlen. Für die Wohnungseinrichtung bezahlte die Versicherung Fr. 75'000.-- und für den gestohlenen Schmuck schrieb Y.________ dem Kontokorrentkonto der Konkursmasse zu Lasten seiner Amtsrechnung Fr. 10'000.-- gut. 
B. 
Mit Klage vom 22. November 1996 stellte X.________ das Begehren, Y.________ sei zur Bezahlung von Fr. 715'000.-- zu verurteilen. Sie machte dabei vier Schadenposten geltend: Zwei Ansprüche, die nicht mehr streitig sind, sodann Fr. 225'000.-- als Differenz zwischen der von der Versicherung bezahlten Summe und dem von ihr behaupteten Wert der Wohnungseinrichtung von Fr. 300'000.--, schliesslich Fr. 89'300.-- als Differenz zwischen der gutgeschriebenen Entschädigung und dem von ihr behaupteten Wert des Schmuckes von Fr. 99'300--. Mit Urteil vom 17. November 1999 wies das Bezirksgericht Meilen, II. Abteilung, die Klage ab. 
 
In ihrer kantonalen Berufung beschränkte sich die Klägerin auf den Schaden der verbrannten Wohnungseinrichtung sowie des gestohlenen Schmucks und verlangte die Verurteilung des Beklagten zu Fr. 314'300.--. Das Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, merkte mit Beschluss vom 12. April 2001 vor, dass die Klägerin die Abweisung der Klage im Umfang von Fr. 400'700.-- nicht angefochten habe, und wies die Klage mit Urteil gleichen Datums ab. 
 
In teilweiser Gutheissung der dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde hob das Kassationsgericht des Kantons Zürich am 25. November 2001 das angefochtene Urteil im Kostenpunkt (Ziff. 2-4) auf. In der Sache selbst wies es die Nichtigkeitsbeschwerde ab, soweit es darauf eintrat. 
C. 
Gegen den Beschluss und das Urteil des Obergerichts vom 12. April 2001 hat die Klägerin am 25. Mai 2001 Berufung eingereicht. Sie beantragt, Beschluss und Urteil seien aufzuheben, eventualiter sei der Beklagte zu Fr. 314'300.-- zu verurteilen. 
 
In Gutheissung des entsprechenden Gesuchs des Beklagten vom 28. Dezember 2001 ist die Klägerin mit Präsidialverfügung vom 12. Februar 2002 zu einer Sicherheitsleistung von Fr. 10'000.-- aufgefordert worden. 
 
Mit Berufungsantwort vom 28. März 2002 hat der Beklagte das Begehren gestellt, es seien die Haupt- und Eventualanträge der Berufung abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei, und der angefochtene Beschluss sowie Ziff. 1 des angefochtenen Urteils seien zu bestätigen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Vorliegend geht es um eine Schadenersatzklage gegen den persönlich haftenden Beamten gemäss Art. 5 Abs. 1 aSchKG. Diese Bestimmung gilt als Bundesprivatrecht, weshalb gegen den letztinstanzlichen kantonalen Entscheid die Berufung offen steht (BGE 108 III 71 E. 4 S. 75; siehe auch BGE 126 III 431 E. 1a S. 433). 
1.2 Das Kassationsgericht des Kantons Zürich hat Ziff. 2-4 des Dispositivs des angefochtenen Urteils (Kosten) aufgehoben. Diesbezüglich ist die Berufung gegenstandslos geworden. 
1.3 Gemäss Art. 55 Abs. 1 lit. c OG ist in der Berufung kurz darzulegen, welche Bundesrechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid verletzt sind. Die Begründung muss in der Berufungsschrift selbst enthalten sein; soweit der Kläger auf seine Eingaben im kantonalen Verfahren verweist, kann darauf nicht eingetreten werden (BGE 116 II 92 E. 2 S. 93 f.; 126 III 198 E. 1d S. 201). Mangels Begründung ist auf die Berufung auch nicht einzutreten, soweit der Beschluss des Obergerichts betreffend Teilrechtskraft angefochten wird. 
2. 
Die Klägerin verlangt Fr. 225'000.-- für die verbrannte Wohnungseinrichtung. 
2.1 Das Obergericht hat in tatsächlicher Hinsicht festgehalten, die Klägerin habe vom Schaden erstmals am 29. April 1987 Kenntnis erhalten, und es hat erwogen, damit sei die einjährige relative Verjährungsfrist gemäss Art. 7 Abs. 1 aSchKG ausgelöst worden. Zwar habe die Klägerin mit der Konkurseröffnung die Verfügungsmacht über ihr Vermögen verloren (Art. 197 aSchKG), gemäss Art. 204 Abs. 1 SchKG wären jedoch unzulässige Rechtshandlungen der Schuldnerin nur den Gläubigern gegenüber unwirksam gewesen. Sie sei deshalb an einer Klage gegen den Beklagten nicht gehindert gewesen, noch weniger an einer Betreibung, die zur Unterbrechung der Verjährung genügt hätte (Art. 135 Ziff. 2 OR). Die Klägerin habe den Beklagten denn auch regelmässig betrieben, allerdings erst ab 1991. 
Die Klägerin setzt sich mit diesen Erwägungen nicht auseinander; sie beschränkt sich auf die Behauptung, während des Konkursverfahrens sei ihr die Verfügungsgewalt über das Vermögen entzogen gewesen. Da dieses Vorbringen unsubstanziiert bleibt, ist darauf nicht einzutreten (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). 
2.2 Das Obergericht hat weiter erwogen, die Klägerin habe 1987 wohl nicht vorausgesehen, dass das Verfahren mit einem positiven Saldo abschliessen werde, und die Höhe der Verlustscheinforderungen sei ihr angesichts der eingeschränkten Durchsetzbarkeit möglicherweise gleichgültig gewesen. Diese eher praktischen und taktischen Gesichtspunkte änderten aber nichts daran, dass sie nach Kenntnis des Schadens mehrere Jahre mit der Betreibung zugewartet habe. Allfällige Ansprüche aus dem Verlust des Mobiliars seien deshalb verjährt. 
 
Die Klägerin macht diesbezüglich geltend, die Verjährungsfrist beginne erst zu laufen, wenn der gesamte Schaden überblickt werden könne. Während des Konkursverfahrens sei dies nicht der Fall gewesen, erst nach dessen Abschluss habe der genaue Schaden ermittelt werden können. Bei einem negativen Saldo wäre nämlich gar kein oder jedenfalls nur ein hypothetischer Schaden entstanden, der sich erst materialisiert hätte, wenn sie zu neuem Vermögen gekommen wäre. Dass das Konkursverfahren dereinst mit einem Überschuss abschliessen würde, habe sie nicht voraussehen können. 
 
Die Klägerin übersieht bei ihrer Argumentation, dass sie mit der Konkurseröffnung lediglich in der Verfügungsfähigkeit über ihr Vermögen eingeschränkt worden (Art. 204 Abs. 1 SchKG), aber Rechtsträgerin ihres Vermögens, insbesondere Eigentümerin der Massasachen und Gläubigerin der Massaforderungen geblieben ist (statt vieler: Amonn/Gasser, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6. Auflage, 1997, § 41 N. 5). Durch die Zerstörung der Wohnungseinrichtung ist deshalb niemand anderes als sie selbst geschädigt worden. 
 
Es ist durchaus richtig, dass sich in der Regel der ungedeckt bleibende Teil der Konkursforderungen erhöht, wenn weniger Verwertungssubstrat zur Verfügung steht. Indes erhalten die Gläubiger einen Verlustschein, der nominell ihrem Ausfall entspricht und bei dem es sich um eine Urkunde über die in diesem Umfang unverändert fortbestehende Forderung handelt (Huber, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Band I, 1998, N. 44. zu Art. 149 SchKG). 
 
Das in diesem Zusammenhang vorgebrachte Argument der Klägerin, solche Verlustscheine hätten für sie lediglich einen hypothetischen Schaden bedeutet, weil die entsprechenden Forderungen nur unter den Voraussetzungen von Art. 265a SchKG eingetrieben werden könnten, verfängt nicht: Abgesehen davon, dass der Schuldner entsprechend begründeten Rechtsvorschlag erheben müsste, geht es bei der Frage des neuen Vermögens um eine solche der schuldnerischen Bonität. Diese spielt einzig bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise eine Rolle, während in rechtlicher Hinsicht das Nominalwertprinzip massgeblich ist. Ob eine Forderung vollstreckbar bzw. einbringlich ist, hat auf ihre Höhe begriffsnotwendig keinen Einfluss, und rechnerisch ist es einerlei, ob sich die Aktiven der Klägerin verringert (kleinerer positiver Saldo) oder ob sich ihre Passiven im gleichen Umfang vergrössert haben (grösserer negativer Saldo). Entsprechend beziffert denn die Klägerin ihren angeblichen Schaden auch so, wie sie es bereits unmittelbar nach Kenntnis der bezahlten Versicherungsleistung hätte tun können und müssen, nämlich als Differenz zwischen der geleisteten Versicherungssumme und dem von ihr geschätzten Wert der verbrannten Gegenstände. 
2.3 Die Klägerin stellt sich eventualiter auf den Standpunkt, die Erhebung der Verjährungseinrede durch den Beklagten sei rechtsmissbräuchlich. 
 
Was die Klägerin zur Untermauerung dieses Vorwurfs in tatsächlicher Hinsicht vorbringt, findet in den Sachverhaltsfeststellungen des angefochtenen Urteils keine Stütze und ist daher nicht zu hören (Novenverbot; Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). 
 
Rechtsmissbräuchlich ist die Erhebung der Verjährungseinrede dann, wenn der Haftpflichtige den Geschädigten glauben macht, eine Betreibung oder Klage sei für die Eintreibung der Entschädigung nicht notwendig (BGE 69 II 102 E. 4 S. 103 f.; 89 II 256 E. 4 S. 262 f.), oder wenn er ihn durch Zusicherungen davon abhält, rechtzeitig Klage zu erheben oder Betreibung einzuleiten (BGE 108 II 278 E. 5b S. 287; 112 II 231 E. 3e/bb S. 234). Solche oder ähnliche Handlungen des Beklagten gehen aus den verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen nicht hervor und es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Verjährungseinrede am Rechtsmissbrauchsverbot von Art. 2 Abs. 2 ZGB scheitern sollte. 
2.4 Nach dem Gesagten ist der erhobene Anspruch verjährt. Demnach erübrigt es sich, auf die gegen die materielle Eventualbegründung der Vorinstanz gerichtete Kritik der Klägerin einzugehen. 
3. 
Die Klägerin macht Fr. 89'300.-- für den gestohlenen Schmuck geltend. 
3.1 Der Beklagte liess den Schmuck von einem Zürcher Bijoutier schätzen und schrieb dem Kontokorrent der Masse den Schätzpreis von Fr. 10'000.-- gut. Das Obergericht hat diese Schätzung sinngemäss bestätigt und zu seiner eigenen gemacht, indem es festhielt, dem Beklagten könne keine Pflichtverletzung vorgeworfen werden, wenn er diese Schätzung übernommen habe. Zudem habe die Klägerin das den Schätzpreis enthaltende Inventar visiert und damit anerkannt. Schliesslich hätte sie gegen die von ihr als zu tief erachtete Schätzung Beschwerde führen können; da sie dies unterlassen habe, stehe ihr die subsidiäre Haftungsklage ohnehin nicht offen. 
3.2 Die Klägerin ist mit der Bemessung des Schadens nicht einverstanden und rügt in diesem Zusammenhang, die Vorinstanz habe Art. 8 ZGB und Art. 41 OR verletzt. 
 
Abgesehen davon, dass die Rügen unsubstanziiert bleiben (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG), kann die Schadenbemessung nicht zum Gegenstand der Berufung gemacht werden, weil die Schätzung des Schadens auf dem Tatbestandsermessen des kantonalen Gerichts beruht und damit zur verbindlichen Sachverhaltsfeststellung gehört (Art. 63 Abs. 2 OG; BGE 122 III 219 E. 3b S. 222). Da der Schaden im tatsächlich festgestellten Ausmass von Fr. 10'000.-- vergütet worden ist, kann dahin gestellt bleiben, ob er adäquat kausal und widerrechtlich entstanden ist und ob den Beklagten ein Verschulden trifft. Beim vorliegenden Ergebnis erübrigt es sich auch, auf die vorinstanzliche Alternativbegründung, die Haftungsklage sei subsidiär zur (unterlassenen) Beschwerde gemäss Art. 17 SchKG, und die dagegen erhobene Kritik einzugehen. 
4. 
Zusammenfassend erweist sich die Berufung als unbegründet und ist abzuweisen, soweit auf sie einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Klägerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG). Die dem Beklagten geschuldete Parteientschädigung ist zu Lasten der geleisteten Sicherheit aus der Bundesgerichtskasse zu vergüten. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Berufung wird abgewiesen, soweit sie nicht gegenstandslos geworden und soweit auf sie einzutreten ist. Ziff. 1 des Urteils des Obergerichts Zürich, II. Zivilkammer, vom 12. April 2001 wird bestätigt. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 8'000.-- wird der Klägerin auferlegt. 
3. 
Die Klägerin hat den Beklagten für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 10'000.-- zu entschädigen. Die Parteientschädigung wird zu Lasten der geleisteten Sicherheit aus der Bundesgerichtskasse vergütet. 
4. 
Dieser Entscheid wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 30. Mai 2002 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: