Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
6B_498/2021
Urteil vom 30. Mai 2022
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin,
Bundesrichter Denys,
Bundesrichter Muschietti,
Bundesrichterin van de Graaf,
Bundesrichter Hurni,
Gerichtsschreiber Traub.
Verfahrensbeteiligte
A.A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Pius Fryberg,
Beschwerdeführer,
gegen
1. Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden, Erster Staatsanwalt,
Sennhofstrasse 17, 7000 Chur,
2. B.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwältin Noemi Attanasio,
Beschwerdegegnerinnen.
Gegenstand
Strafzumessung (Höhe der Busse); Schadenersatz; Entschädigung,
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden, I. Strafkammer, vom 31. März 2021
(SK1 17 39).
Sachverhalt:
A.
Das Regionalgericht Prättigau/Davos sprach A.________ am 22. Juni 2017 des mehrfachen Betrugs zum Nachteil seiner ehemaligen Arbeitgeberin (B.________ AG, Privatklägerin), der mehrfachen Urkundenfälschung, der Gewaltdarstellung, der Pornografie sowie der groben Verletzung von Verkehrsregeln schuldig. Es belegte ihn mit einer bedingten Geldstrafe von 360 Tagessätzen zu Fr. 120.-- sowie mit einer Verbindungsbusse von Fr. 8'640.--. Im Zivilpunkt sprach das Regionalgericht der Privatklägerin Schadenersatz von Fr. 60'594.35 zuzüglich 5 % Zins seit dem 29. September 2009 sowie eine Entschädigung für notwendige Aufwendungen im Strafverfahren (Art. 433 StPO) von Fr. 34'261.60 zu. Es zog auf einem beschlagnahmten Konto liegende Vermögenswerte in Höhe von Fr. 101'010.40 ein, verwendete sie zur Deckung der Verfahrenskosten und sprach den verbleibenden Betrag der Privatklägerin zu.
B.
A.________ erhob Berufung, die Privatklägerin Anschlussberufung. Das Kantonsgericht von Graubünden fällte für die rechtskräftig gewordenen Schuldsprüche eine bedingte Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu Fr. 40.-- und eine Busse von Fr. 1'080.--. Es verpflichtete A.________, der Privatklägerin Schadenersatz in Höhe von Fr. 60'594.35 zuzüglich 5 % Zins seit dem 29. September 2009 sowie eine Entschädigung für Aufwendungen im Strafverfahren von Fr. 18'696.70 zu bezahlen. Den Betrag vom beschlagnahmten Konto sprach das Kantonsgericht im Umfang des Schadenersatzes der Privatklägerin zu, dies vor Abzug der Verfahrenskosten (einschliesslich Kosten der amtlichen Verteidigung) und der Busse; ein allfälliger Überschuss werde A.________ herausgegeben (Urteil vom 31. März 2021).
C.
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, die Busse sei auf höchstens Fr. 500.-- festzusetzen. Der Schadenersatz sei ohne Zins zuzusprechen. Die Verfahrensentschädigung der Privatklägerin sei auf höchstens Fr. 2'000.-- festzulegen. Ausserdem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege.
Die Privatklägerin beantragt die Abweisung des Rechtsmittels, soweit darauf einzutreten sei. Der Beschwerdeführer repliziert, die Beschwerdegegnerin 2 dupliziert. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden und das Kantonsgericht von Graubünden verzichten auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen:
1.
Soweit der Beschwerdeführer in seiner Replik Anträge stellt, die über diejenigen in der Beschwerde hinausgehen, ist darauf nicht einzutreten. Die Beschwerdegegnerin 2 ist als Privat- resp. Strafklägerin in der Sache nicht legitimiert, was die Höhe der Sanktion betrifft (vgl. Art. 382 Abs. 2 StPO; BGE 139 IV 84 E. 1.2). Diesbezüglich ist auf ihr Rechtsbegehren, das angefochtene Urteil sei zu bestätigen, nicht einzutreten.
2.
Strittig ist zunächst die Höhe der Busse.
2.1. Der Beschwerdeführer rügt die vorinstanzliche Festlegung der Verbindungsbusse (zur bedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen) auf Fr. 1'080.--. Angesichts seiner finanziellen Verhältnisse sei selbst eine Busse in Höhe von Fr. 500.-- noch einschneidend.
2.2. Eine bedingte Strafe kann mit einer Busse (Art. 106 StGB) verbunden werden (Art. 42 Abs. 4 StGB). Die Verbindungsbusse dient dazu, die sog. Schnittstellenproblematik im Verhältnis zwischen unbedingter Busse (für Übertretungen) und bedingter Strafe (für Vergehen) zu entschärfen. Im Interesse einer rechtsgleichen Behandlung und mit Blick auf die Generalprävention soll auch im Fall einer bedingten (Geld-) Strafe eine spürbare Sanktion verhängt werden können (BGE 134 IV 60 E. 7.3.1). Die Obergrenze der akzessorischen Busse liegt in der Regel bei einem Fünftel (20 %) der Hauptsanktion (BGE 135 IV 188 E. 3.4.4).
In diesem Rahmen setzt die Vorinstanz die Busse auf 15 % der bedingten Geldstrafe, d.h. auf Fr. 1'080.--, fest. Zur Begründung merkt sie an, eine tiefere Busse hätte nur mehr symbolischen Charakter (angefochtenes Urteil S. 16 E. 4.2).
2.3. Zur Bestimmung der Hauptsanktion, aus der die Verbindungsbusse abgeleitet wird, steht der Vorinstanz als Sachgericht ein erheblicher Ermessensspielraum zu (BGE 144 IV 313 E. 1.2). Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters (vgl. Art. 106 Abs. 3 StGB) sind eines unter verschiedenen Kriterien (Art. 47 StGB), anhand derer in erster Linie eine dem Verschulden angemessene Sanktion gebildet werden soll (vgl. Urteil 2C_851/2011 vom 15. August 2012 E. 3.3). Die rechtskräftigen Verurteilungen (mehrfacher Betrug und mehrfache Urkundenfälschung, Gewaltdarstellung, Pornografie, grobe Verletzung von Verkehrsregeln) werden mit 180 Tagessätzen Geldstrafe geahndet (angefochtenes Urteil S. 15 f. E. 3.10). Angesichts dessen ist auch unter Berücksichtigung der dargelegten Einkommensverhältnisse nicht erkennbar, inwiefern die akzessorische Busse ermessensmissbräuchlich festgelegt worden sein sollte. Hinzu kommt, dass die Sperrung von zwei auf die Eheleute A.________ lautenden Konti im Umfang von gut 100'000 Franken u.a. auch der Sicherstellung der Busse diente.
Die vorinstanzlich ausgefällte Verbindungsbusse verletzt kein Bundesrecht.
3.
Der Beschwerdeführer rügt den Schadenszins, den die Vorinstanz der Privatklägerin zuspricht, als nicht bundesrechtskonform.
3.1. Die Vorinstanz lässt den Zins auf dem (unbestrittenen) Schadenersatz von Fr. 60'594.35 ab dem 29. September 2009 (Beginn der betreffenden strafbaren Handlung) laufen. Bis zum angefochtenen Urteil wuchs die Zinsforderung auf rund Fr. 34'500.-- an. Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, er habe den Anspruch der Privatklägerin auf Schadenersatz in Höhe von etwa Fr. 60'000.-- von Beginn weg anerkannt. Durch die Kontosperre liege das Geld schon seit dem 30. Oktober 2012 zur Bezahlung bereit. Dass ihm nun für die ganze Zeit seit dem 29. September 2009 5 % Zins belastet werde, sei nicht zu rechtfertigen.
3.2. Die Vorbringen des Beschwerdeführers zeigen, dass er es selbst in der Hand gehabt hätte, das stetige Anwachsen der Zinslast zu verhindern. Selbst nach Eintritt der Kontosperre wäre es ihm möglich gewesen, bei der zuständigen Behörde zu beantragen, diese Vorkehr im Umfang der anerkannten Forderung aufzuheben, was deren Begleichung ermöglicht hätte. Somit kann der Beschwerdeführer aus dem Umstand, dass er die gegenüber der Privatklägerin bestehende Schadenersatzschuld nie bestritten hat, hinsichtlich des Zinsenlaufs nichts ableiten. Die Beschwerde ist in diesem Punkt unbegründet.
4.
Schliesslich verlangt der Beschwerdeführer, die an die Privatklägerin zu bezahlende Entschädigung für deren Aufwendungen im Strafverfahren sei herabzusetzen.
4.1. Nach Art. 433 Abs. 1 lit. a StPO hat die obsiegende Privatklägerschaft gegenüber der beschuldigten Person Anspruch auf angemessene Entschädigung für notwendige Aufwendungen im Verfahren. Die Privatklägerschaft hat ihre Entschädigungsforderung bei der Strafbehörde zu beantragen, zu beziffern und zu belegen. Kommt sie dieser Pflicht nicht nach, so tritt die Strafbehörde auf den Antrag nicht ein (Art. 433 Abs. 2 StPO). Die Aufwendungen im Sinn von Art. 433 Abs. 1 StPO betreffen in erster Linie Anwaltskosten, die für die Wahrung der Interessen der Privatklägerschaft notwendig waren. Die Aufwendungen müssen zudem durch die Beteiligung am Strafverfahren selbst verursacht worden sein (natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang; BGE 139 IV 102 E. 4.1; vgl. auch BGE 143 IV 495 E. 2.2.4). Belegen muss die Privatklägerschaft namentlich den entstandenen Schaden und dessen Umfang sowie den Kausalzusammenhang zwischen den geltend gemachten Aufwendungen und dem Strafverfahren (Urteil 6B_234/2013 vom 8. Juli 2013 E. 5.1).
4.2.
4.2.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, die Staatsanwaltschaft habe insgesamt drei Strafuntersuchungen geführt. Der von der Privatklägerin geltend gemachte Aufwand für die Vertretung bei staatsanwaltschaftlichen Einvernahmen betreffe mehrheitlich die Verfahren gegen das Ehepaar C.________. Zudem sei die Teilnahme des Klägervertreters an den Einvernahmen und an der erstinstanzlichen Hauptverhandlung nicht mehr notwendig gewesen, weil die Deliktssumme bereits festgestanden habe und er, der Beschwerdeführer, geständig gewesen sei. Eine den Betrag von Fr. 2'000.-- übersteigende Entschädigung sei nicht von Art. 433 StPO gedeckt.
4.2.2. Die Vorinstanz erwägt, die Privatklägerin habe mit interner und externer Unterstützung verschiedenartige Unregelmässigkeiten in der Buchführung des Hotels untersucht. Die Verfehlungen seien auch anderen Personen, u.a. dem Ehepaar C.________, zur Last gelegt worden. Den Beschwerdeführer betreffe einzig ein Teil davon (Stornierungen mit Gutschrift auf Kreditkarten). Den ursprünglich geltend gemachten Betrag von Fr. 389'297.40 für den Aufwand eines Wirtschaftsprüfers, des Konzernrevisors und zweier Anwaltskanzleien reduziert die Vorinstanz auf Fr. 18'696.70. Sie zieht allein die Bemühungen von Rechtsanwalt D.________ als Gegenstand einer Entschädigung nach Art. 433 StPO in Betracht. Die Vorinstanz macht Kürzungen der ersten Instanz rückgängig, soweit diese lediglich den Aufwand für Einvernahmen des Beschwerdeführers und von Zeugen - nicht aber von anderen beschuldigten Personen oder von Auskunftspersonen - anerkannte. Nachdem das Verfahren gegen die Eheleute C.________ am 30. Mai 2016 eingestellt worden sei und die Staatsanwaltschaft am 26. September 2016 die Anklage gegen den Beschwerdeführer in Aussicht gestellt habe, habe sich der durch Rechtsanwalt D.________ betriebene Aufwand ausschliesslich auf den Beschwerdeführer bezogen. Für die Zeit davor jedoch lasse sich den Unterlagen grossenteils nicht entnehmen, in welchem Umfang die anwaltlichen Bemühungen das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer beträfen. In diesem Verfahrensabschnitt (bis 26. September 2016) sei lediglich die Teilnahme von Rechtsanwalt D.________ an den Einvernahmen - soweit ausgewiesen und angemessen - zu entschädigen. Im Übrigen sei der Antrag der Privatklägerin auf Entschädigung (im Wesentlichen mangels ausgewiesenem Zusammenhang mit dem Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer) abzuweisen, sofern darauf überhaupt einzutreten sei (vgl. Art. 433 Abs. 2 StPO). Für die anwaltlichen Bemühungen im anschliessenden Hauptverfahren (Zeitraum vom 26. September 2016 bis zur Hauptverhandlung am 22. Juni 2017) sprach die Vorinstanz eine (infolge teilweiser quantitativer Unangemessenheit gekürzte) Entschädigung zu.
4.3. Hinsichtlich der Entschädigung an die Privatklägerschaft macht der Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend, die Vorinstanz habe Vertretungsaufwand der Privatklägerin im Zusammenhang mit der Teilnahme ihres damaligen Rechtsvertreters an staatsanwaltlichen Einvernahmen von Dritten zu Unrecht in die Entschädigung einbezogen. Die Vorinstanz hält die Teilnahme an sämtlichen Einvernahmen, also auch derjenigen von Mitbeschuldigten, für entschädigungsfähig und weist dafür auf die Teilnahme- und Mitwirkungsrechte der Privatklägerschaft als Verfahrenspartei und den damals noch ungewissen Umfang der Deliktssumme hin (S. 22 E. 6.6.1). Der Beschwerdeführer betont, ein wesentlicher Teil des Vertretungsaufwands der Privatklägerschaft sei in anderen Strafuntersuchungen angefallen; dabei handle es sich nicht um notwendigen Aufwand, nachdem er für seinen Teil schon vorher (seit der zweiten Einvernahme) geständig gewesen sei und das Kantonsgericht im Sommer 2015 eine Beschlagnahme im Fr. 100'000.-- übersteigenden Betrag abgelehnt habe. Er setzt sich aber nicht mit den einschlägigen Erwägungen im angefochtenen Urteil auseinander. Insoweit ist auf die Beschwerde nicht einzutreten (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 140 III 86 E. 2 und 115 E. 2). Das gilt auch, soweit der Beschwerdeführer die (vorinstanzlich gekürzten; angefochtenes Urteil S. 24 f. E. 6.6.4) Aufwendungen von Rechtsanwalt D.________ im Zusammenhang mit der Hauptverhandlung infrage stellt.
5.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege ist gutzuheissen ( Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG ). Demnach werden vom grundsätzlich kostenpflichtigen Beschwerdeführer keine Gerichtskosten erhoben. Der unentgeltliche Rechtsvertreter des Beschwerdeführers ist aus der Bundesgerichtskasse angemessen zu entschädigen. Hingegen befreit die unentgeltliche Rechtspflege nicht von der Verpflichtung, der obsiegenden Gegenpartei, hier der Beschwerdegegnerin 2, eine Parteientschädigung ( Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG ) zu bezahlen (Urteil 5A_648/2020 vom 12. Juli 2021 E. 7; vgl. BGE 122 I 322 E. 2c; HANSJÖRG SEILER, in: Handkommentar zum BGG, 2. Aufl. 2015, N 34 zu Art. 64 BGG; THOMAS GEISER, in: Basler Kommentar zum BGG, 3. Aufl. 2018, N 28 zu Art. 64 BGG). Diese ist zu reduzieren, zumal die Privat- resp. Strafklägerin nicht zu Einlassungen über die Höhe der Sanktion legitimiert ist (oben E. 1).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen.
3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
4.
Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Pius Fryberg, wird aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 3'000.-- entschädigt.
5.
Der Beschwerdeführer hat der Beschwerdegegnerin 2 eine reduzierte Parteientschädigung von Fr. 700.-- zu bezahlen.
6.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 30. Mai 2022
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari
Der Gerichtsschreiber: Traub