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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
9C_222/2010 
 
Urteil vom 30. Juni 2010 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichter Borella, Seiler, 
Gerichtsschreiber Schmutz. 
 
Verfahrensbeteiligte 
K.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Bernard Rambert, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
CSS Versicherung AG, Tribschenstrasse 21, 6005 Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Krankenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Schiedsgerichts in Sozialversicherungsstreitigkeiten des Kantons Zürich vom 1. Februar 2010. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Am 24. Februar und 4. April 2003 erhob K.________, Facharzt FMH für Allgemeine Medizin, beim Schiedsgericht in Sozialversicherungen des Kantons Zürich Klagen gegen die CSS Versicherung, Luzern, in deren Rechtsnachfolge heute die CSS Kranken-Versicherung AG, Luzern, (nachfolgend: CSS) als Krankenkasse die obligatorische Krankenpflegeversicherung (nachfolgend: OKP) betreibt. Die Rechtsbegehren betrafen die Vergütung von Honorarrechnungen, die der Arzt als zugelassener Leistungserbringer für die Behandlung von OKP-Versicherten der CSS in den Jahren 2001 und 2002 stellte. Nach durchgeführten Sühneverhandlungen und Vergleichsgesprächen und anschliessender Vereinigung der Prozesse sowie erhobener Widerklage trat das Schiedsgericht am 26. Juni 2007 auf die Klage und die Widerklage mangels Zuständigkeit nicht ein. K.________ liess Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erheben mit dem Hauptantrag auf Aufhebung des Entscheides vom 26. Juni 2007 und Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Durchführung des Verfahrens. 
 
B. 
Mit Urteil 9C_563/2007 vom 11. Dezember 2007 hiess das Bundesgericht die Beschwerde gut und hob den Entscheid vom 26. Juni 2007 auf. Es wies die Sache an das Schiedsgericht zurück, damit es über die vereinigten Klagen vom 24. Februar und 4. April 2003 sowie die Widerklage materiell entscheide. 
 
C. 
Nach letztinstanzlicher Erledigung mit Nichteintretensentscheid des Ausstandsbegehrens des Klägers vom 5. Juni 2008 gegen das leitende Mitglied und den Gerichtssekretär des Schiedsgerichts (Urteil 9C_87/2009 vom 21. April 2009) teilte das Schiedsgericht den Parteien mit Verfügung vom 6. Mai 2009 die Namen der für die Besetzung des Spruchkörpers vorgesehenen Schiedsrichter/innen mit und setzte dem Kläger gleichzeitig eine Frist von 20 Tagen ab Erhalt der Verfügung zur Leistung einer Prozesskaution von Fr. 8'000.- an. Im Falle von Säumnis wurde Nichteintreten auf die Klage angedroht. Die Verfügung vom 6. Mai 2009 wurde am 12. Mai 2009 vom Rechtsvertreter des Klägers in Empfang genommen. Am 10. Juni 2009 gelangte der Rechtsvertreter mit einem Fristwiederherstellungsgesuch zur Kautionsfrage an das Schiedsgericht und reichte ein der Post nicht rechtzeitig übergebenes Fristerstreckungsgesuch vom 2. Juni 2009 nach. 
 
D. 
Mit Beschluss vom 1. Februar 2010 wies das Schiedsgericht das klägerische Begehren um Wiederherstellung der Frist zur Leistung einer Kaution ab (Dispositiv-Ziff. 1). Auf die Klage und Widerklage trat es nicht ein (Dispositiv-Ziff. 2). Es verpflichtete den Kläger zur Bezahlung einer Prozessentschädigung an die Beklagte (Dispositiv-Ziff. 5). Eine Eingabe des Klägers vom 9. Juni 2009 (Gesuch um Stellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes) wies es aus dem Recht (Dispositiv-Ziff. 4). 
 
E. 
K.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erheben mit dem Antrag auf Aufhebung des Beschlusses des Schiedsgerichts vom 1. Februar 2010; die Frist für die Stellung der Kaution sei wiederherzustellen und das Verfahren zur Fortsetzung an die Vorinstanz zurückzuweisen; eventualiter sei das Verfahren an die Vorinstanz zur Beurteilung des Fristwiederherstellungsgesuchs zur Leistung der Kaution sowie zur Fortsetzung des Verfahrens zurückzuweisen. 
Mit Verfügung vom 22. April 2010 weist das Bundesgericht das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege ab. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Anfechtungsobjekt ist letztinstanzlich der Entscheid des Schiedsgerichts vom 1. Februar 2010, mit welchem das Gesuch der Klägers um Wiederherstellung der Frist zur Leistung der Kaution im vorinstanzlichen Klageverfahren abgewiesen und auf die Klage nicht eingetreten worden ist. Es handelt sich dabei um einen das vorinstanzliche Verfahren abschliessenden Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG, gegen welchen die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offensteht. Da die allgemeinen Prozessvoraussetzungen (Art. 42, Art. 82 ff., Art. 100 Abs. 1 BGG) erfüllt sind, ist auf die Rechtsvorkehr einzutreten. 
 
2. 
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Schiedsgericht mit Recht das mit Eingabe vom 10. Juni 2009 gestellte Gesuch um Wiederherstellung der versäumten Frist zur Leistung der Kaution abgewiesen hat und auf die Klage und die Widerklage nicht eingetreten ist. Der Rechtsvertreter hat das Gesuch im Wesentlichen damit begründet, dass eine sehr erfahrene juristische Mitarbeiterin, die mit allen Abläufen und Weisungen des Anwaltsbüros vertraut und äusserst gewissenhaft sei, jeden Abend sorgfältig und zuverlässig die Schlusskontrolle durchgeführt und geprüft hat, ob alle Fristsachen erledigt, verpackt und im Empfangsbuch der Post eingetragen sind. Aus nicht erklärbaren Gründen habe sie am 2. Juni 2009 übersehen, dass das zur Debatte stehende Fristerstreckungsgesuch nicht vorlag und nicht eingetragen war. Das Kuvert sei einige Tage später im Kanzleisekretariat unter einer Theke gefunden worden. Es ist also nicht bestritten, dass innert Frist keine Kaution geleistet und kein Fristerstreckungsgesuch gestellt worden ist. 
 
3. 
3.1 Das Verfahren vor dem Schiedsgericht richtet sich in den Schranken von Art. 89 Abs. 5 KVG nach kantonalem Recht; das ATSG ist nicht anwendbar (Art. 1 Abs. 2 lit. e KVG). Der angefochtene Entscheid stützt sich deshalb auf kantonales Recht. Das Bundesgericht prüft die Verletzung von kantonalem Recht abgesehen von hier nicht interessierenden Ausnahmen (Art. 95 lit. c und d BGG) nur auf Verletzung von Bundesrecht hin (Art. 95 lit. a BGG), wobei namentlich Verfassungsverletzungen wie das Willkürverbot in Frage kommen. Willkürlich ist ein Entscheid rechtsprechungsgemäss nicht schon dann, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, sondern erst dann, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Willkür liegt nur vor, wenn nicht bloss die Begründung eines Entscheides, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (BGE 133 I 149 E. 3.1 S. 153; 132 I 13 E. 5.1 S. 17 f.; 131 I 467 E. 3.1 S. 473 f., je mit Hinweisen). Verletzungen von Grundrechten und von kantonalem Recht prüft das Bundesgericht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). 
 
3.2 Soweit die Beschwerde überhaupt diesen Rügeanforderungen genügt, vermag sie eine willkürliche Anwendung des kantonalen Rechts nicht darzutun: Nach § 199 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes des Kantons Zürich (GVG) kann das Gericht auf Antrag einer säumigen Partei eine Frist wiederherstellen und eine Verhandlung neu ansetzen, bei grobem Verschulden der Partei oder ihres Vertreters aber nur mit Einwilligung der Gegenpartei. Nach der Gerichtspraxis des Kantons Zürich ist für die Wiederherstellung einer versäumten Frist massgebend, ob der säumigen Partei das Ausbleiben der ihr obliegenden prozessualen Handlung nach den gegebenen Umständen im Licht des objektiven Sorgfaltsmassstabs zum Vorwurf gereicht (Urteil U 435/05 vom 18. April 2006 E. 3.2, mit Hinweisen). Eine Fristwiederherstellung wird gewährt, wenn leichte oder gar keine Nachlässigkeit vorliegt und zwar unabhängig davon, ob die Gegenpartei zustimmt oder nicht; wird eine Sorgfaltspflicht verletzt, deren Beachtung unter den gegebenen Umständen auch dem durchschnittlich Sorgfältigen zuzumuten ist, wird die Wiederherstellung wegen grober Nachlässigkeit verweigert. Grobe Nachlässigkeit wird um so eher angenommen, je höher die Sorgfaltspflicht des Gesuchstellers zu veranschlagen ist, was unter anderem von der Wichtigkeit der vorzunehmenden Handlung abhängig ist (Urteil U 162/96 vom 17. Juli 1997 E. 3b, mit Hinweisen). 
 
3.3 Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass die Frist für die Zahlung der Kaution oder die Einreichung des Fristerstreckungsgesuchs infolge einer Nachlässigkeit bzw. eines Versehens nicht eingehalten wurde. Eine solche Versäumnis kann keinen Fristwiederherstellungsgrund bilden (vgl. Urteil 8C_345/2009 vom 2. Juni 2009 E. 1.2), würde doch sonst jede Fristenregelung illusorisch und könnte in jedem Fall umgangen werden mit dem Hinweis, die rechtzeitige Vornahme der Handlung sei versehentlich unterblieben. Dass nach Angabe des Beschwerdeführers der Fehler einer erfahrenen Kanzleimitarbeiterin unterlief, ändert daran nichts, denn deren Verhalten ist dem Anwalt zuzurechnen (Amstutz/Arnold, Basler Kommentar Bundesgerichtsgesetz, N 8 zu Art. 50, mit Hinweisen). Die Abweisung des Fristwiederherstellungsgesuchs war nicht willkürlich. 
 
4. 
Nicht willkürlich ist schliesslich, wenn die Vorinstanz die vom Beschwerdeführer persönlich verfasste Eingabe vom 9. Juni 2009 wegen Ungebührlichkeit aus den Akten gewiesen hat. Unter diesen Umständen lag kein gültiges Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege vor, nachdem auch der Rechtsvertreter ein solches nicht stellte. Auch diesbezüglich bestand kein Grund, auf die Kaution zu verzichten. 
 
5. 
Anders als in der Beschwerde ausgeführt, kann im Übrigen keine Rede davon sein, dass der vorinstanzliche Nichteintretensentscheid die Geltendmachung der Rechtsansprüche vereitelt. Als Nichteintretensentscheid schafft er keine materielle Rechtskraft und hindert nicht, dass der gleiche Anspruch nochmals eingeklagt werden kann (BGE 124 I 322 E. 4e S. 326, 115 II 187 E. 3a S. 183). 
 
6. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Schiedsgericht in Sozialversicherungsstreitigkeiten des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 30. Juni 2010 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Meyer Schmutz