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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_121/2011 
 
Urteil vom 30. Juni 2011 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Niquille, Bundesrichter Maillard, 
Gerichtsschreiberin Kopp Käch. 
 
Verfahrensbeteiligte 
IV-Stelle des Kantons Aargau, 
Kyburgerstrasse 15, 5000 Aarau, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
M.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Jürg Leimbacher, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau 
vom 16. Dezember 2010. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Der 1958 geborene M.________ war zuletzt als gelernter Plattenleger bei der W.________ AG tätig. Am 22. April 2007 meldete er sich unter Hinweis auf eine Fehloperation mit Verletzung des Gesichtsnervs bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach Durchführung der Vorbescheidverfahren verneinte die IV-Stelle des Kantons Aargau mit Verfügung vom 9. November 2009 einen Anspruch des Versicherten auf berufliche Massnahmen und sprach ihm mit Verfügung vom 15. Dezember 2009 aufgrund eines Invaliditätsgrades von 50 % eine vom 1. Juni bis 31. Dezember 2007 befristete halbe Invalidenrente zu. 
 
B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde, mit welcher M.________ die Zusprechung einer halben Invalidenrente ab 1. Juni 2007 bis 31. Mai 2009 sowie einer Viertelsrente ab Juni 2009 beantragen liess, hiess das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 16. Dezember 2010 teilweise gut, hob die Verfügung vom 15. Dezember 2009 auf und wies die Sache zur weiteren Abklärung und zur Neuverfügung im Sinne der Erwägungen an die IV-Stelle zurück. 
 
C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die IV-Stelle die Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheids und die Bestätigung ihrer Verfügung vom 15. Dezember 2009, eventualiter die Rückweisung der Sache zur neuen Beurteilung an das kantonale Gericht. Zudem ersucht sie um Erteilung der aufschiebenden Wirkung. 
M.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde im Hauptpunkt sowie auf deren Gutheissung im Eventualpunkt und Rückweisung der Sache an die Vorinstanz schliessen. Mit der Gewährung der aufschiebenden Wirkung erklärt er sich einverstanden. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
D. 
Mit Verfügung vom 28. März 2011 hat der Instruktionsrichter der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 135 III 1 E. 1.1 S. 3 mit Hinweisen). 
 
2. 
Die Vorinstanz hat die Sache zu weiteren (medizinischen) Abklärungen und neuer Verfügung an die Verwaltung zurückgewiesen. Es liegt somit ein Zwischenentscheid vor, der nicht im Sinne von Art. 92 BGG die Zuständigkeit oder den Ausstand betrifft und daher nur unter den Voraussetzungen des Art. 93 BGG selbstständig anfechtbar ist. Voraussetzung für die selbstständige Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden ist gemäss Art. 93 Abs. 1 BGG zunächst, dass sie selbstständig eröffnet worden sind, was hier zutrifft. Erforderlich ist sodann alternativ, dass der angefochtene Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (lit. a) oder dass die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b). Eine Gutheissung der Beschwerde würde zwar einen sofortigen Endentscheid herbeiführen; durch die Aufhebung kantonaler Rückweisungsentscheide, mit denen einzig eine ergänzende Sachverhaltsabklärung angeordnet wird, kann indessen nach ständiger Rechtsprechung kein bedeutender Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG erspart werden, zumal auch insoweit die selbstständige Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden aus prozessökonomischen Gründen eine Ausnahme darstellt, die restriktiv zu handhaben ist und die Parteien keiner Rechte verlustig gehen, da sie die mit dem Zwischenentscheid zusammenhängenden Fragen mit dem Endentscheid anfechten können (Urteil 8C_985/2010 vom 2. Mai 2011, E. 1, 8C_778/2010 vom 18. Oktober 2010, 8C_593/2008 vom 4. August 2008, E. 4, 8C_742/2007 vom 4. April 2008, E. 3, 8C_222/2007 vom 5. Mai 2008, E. 3, 8C_222/2008 vom 13. Juni 2008, E. 3, und 8C_575/2008 vom 24. Juli 2008, E. 4, je mit Hinweisen). 
 
3. 
Zu prüfen bleibt, ob der angefochtene Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bewirken kann. 
 
3.1 Massgebend dafür ist, ob der Nachteil auch mit einem für die Beschwerdeführerin günstigen Entscheid in Zukunft nicht behoben werden kann. Rechtsprechungsgemäss bewirkt ein Rückweisungsentscheid in der Regel keinen irreversiblen Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG, da der Rechtsuchende ihn später zusammen mit dem neu zu fällenden Endentscheid wird anfechten können (vgl. Art. 93 Abs. 3 BGG). Anders verhält es sich allerdings für die Verwaltung bzw. den Versicherungsträger, wenn diese durch den Rückweisungsentscheid gezwungen werden, eine ihres Erachtens rechtswidrige Verfügung zu treffen. Diesfalls kann bereits dieser Entscheid angefochten und braucht nicht der Endentscheid abgewartet zu werden (BGE 133 V 477 E. 5.2, 5.2.1-5.2.4 S. 483 ff.; Urteile 8C_531/2008 vom 8. April 2009 E. 1.2.1 mit Hinweisen, nicht publ. in: BGE 135 V 279, aber in: SVR 2009 UV Nr. 40 S. 137, und 8C_682/2007 vom 30. Juli 2008 E. 1.2.1, nicht publ. in: BGE 134 V 392, aber in: SVR 2008 UV Nr. 31 S. 115). 
 
3.2 Einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil ortet die IV-Stelle vorliegend zunächst darin, dass die Vorinstanz ihr verbiete, auf die Gutachten des behandelnden Arztes Dr. med. S.________, Co-Chefarzt der Klinik für Hals-, Nasen-, Ohren- und Gesichtschirurgie des Spitals X.________, abzustellen. Sie beruft sich hiezu auf das kürzlich ergangene Urteil des Bundesgerichts 9C_588/2010 vom 3. November 2010, namentlich dessen E. 1.4. 
3.2.1 Im erwähnten Urteil 9C_588/2010 hielt das Bundesgericht die Eintretensvoraussetzung des nicht wieder gutzumachenden Nachteils gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG für gegeben. Das kantonale Gericht hatte in diesem Fall einem MEDAS-Gutachten den Beweiswert zur Beurteilung des Rentenanspruchs abgesprochen, weil zwei der begutachtenden Ärzte zwar das Gutachten mit "Dr. med." unterzeichnet, jedoch gemäss FMH-Ärzteindex nicht über den Doktortitel verfügt hätten. Es verbot der IV-Stelle, entscheidend auf das MEDAS-Gutachten abzustellen, weil dieses an einem rechtlichen Mangel leide, was die IV-Stelle bestritt, und wies die Sache zur Durchführung weiterer Abklärungen und zur Neuverfügung an die IV-Stelle zurück. Das Bundesgericht bejahte den nicht wieder gutzumachenden Nachteil, weil die IV-Stelle damit gezwungen gewesen wäre, entgegen ihrer Rechtsauffassung auf ein von ihr als beweiskräftig erachtetes Gutachten nicht abzustellen (E. 1.4 des genannten Urteils). 
3.2.2 Vorliegend ist das kantonale Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung zum Schluss gekommen, dass die genaue Festlegung der Arbeitsfähigkeit in der angestammten Tätigkeit anhand der Aktenlage nicht möglich sei. Wohl lägen - so die Vorinstanz - an sich überzeugende Facharztmeinungen des Dr. med. S.________ einerseits und des Dr. med. T.________, Facharzt FMH für Ohren-, Nasen-, Halsheilkunde speziell Hals- und Gesichtschirurgie, andrerseits vor, welche jedoch nicht übereinstimmen, weshalb darauf nicht abgestellt werden könne. 
3.2.3 Die Rückweisung zu weiteren Abklärungen und anschliessender Neuverfügung erfolgt im hier zu beurteilenden Fall, anders als in dem von der Beschwerdeführerin angerufenen Urteil 9C_588/2010, weil das kantonale Gericht die Aktenlage als nicht schlüssig betrachtet hat. Es hat dabei keine Sachverhaltsfeststellungen getroffen, welche für die Beschwerdeführerin in dem Sinne verbindlich wären, dass sie nach Vorliegen des einzuholenden Gutachtens von ihr nicht korrigiert werden könnten. Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist damit nicht erfüllt. Dies gilt praxisgemäss selbst wenn die vorinstanzliche Feststellung, der rechtserhebliche Sachverhalt sei ungenügend abgeklärt, offensichtlich unrichtig oder Ergebnis unhaltbarer Beweiswürdigung wäre (Urteile 8C_530/2010 vom 24. Januar 2011, E. 2.2, 8C_778/2010 vom 18. Oktober 2010, 8C_593/2008 vom 4. August 2008, E. 3, 9C_301/2007 vom 28. September 2007, E. 2.2, 8C_78/2008 vom 9. Juli 2008, E. 2, und 8C_575/2008 vom 24. Juli 2008, E. 3). 
 
3.3 Einen weiteren nicht wieder gutzumachenden Nachteil glaubt die IV-Stelle sodann darin zu erkennen, dass das kantonale Gericht für die neue Verfügung festhalte, erst wenn feststehe, dass der Versicherte in seiner angestammten Tätigkeit weniger als 60,51 % arbeitsfähig sei, wäre eine leidensangepasste Tätigkeit für den Entscheid über eine Invalidenrente zu berücksichtigen. Andernfalls sei er gemäss Auffassung der Vorinstanz in der angestammten Tätigkeit optimal eingegliedert. In dieser Erwägung des kantonalen Gerichts ist - entgegen der Auffassung der IV-Stelle - ebenfalls kein nicht wieder gutzumachender Nachteil für sie zu erkennen. Bei einer Arbeitsunfähigkeit in der angestammten Tätigkeit von weniger als 39,49 % resultiert immer ein rentenausschliessendes Einkommen, sodass eine entsprechende Verfügung die IV-Stelle nicht benachteiligt. 
 
3.4 Zusammenfassend kann der angefochtene Rückweisungsentscheid für die Beschwerdeführerin keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bewirken, weshalb auf die Beschwerde nicht einzutreten ist. Die IV-Stelle wird die von der Vorinstanz angeordneten Abklärungen treffen und neu verfügen. Das Bundesgericht wird darüber allenfalls zusammen mit dem Endentscheid befinden können (Art. 93 Abs. 3 BGG). 
 
4. 
Die Gerichtskosten sind bei diesem Verfahrensausgang der unterliegenden Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Diese hat dem Beschwerdegegner überdies eine Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 30. Juni 2011 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Ursprung Kopp Käch