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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1C_575/2020  
 
 
Urteil vom 30. Juli 2021  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Chaix, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Haag, Müller, 
Gerichtsschreiber Gelzer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt 
des Kantons St. Gallen, 
Frongartenstrasse 5, 9001 St. Gallen, 
 
Verwaltungsrekurskommission 
des Kantons St. Gallen, 
Unterstrasse 28, 9001 St. Gallen. 
 
Gegenstand 
Anordnung einer ärztlich begleiteten Kontrollfahrt, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des 
Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen, 
Abteilung III, vom 11. September 2020 (B 2020/73). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________, geboren am "..." 1938, besitzt den Führerausweis der Kategorie B seit 7. Oktober 1995. Er verursachte mit seinem Personenwagen in alkoholisiertem Zustand am 5. März 2019 in Rapperswil um ca. 16 Uhr einen Selbstunfall. Anlässlich der polizeilichen Befragung vom 11. März 2019 gab A.________ als Ursache des Unfalls namentlich an, er habe einen "Blackout" gehabt. 
 
B.  
Mit Verfügung vom 24. April 2019 ordnete das Strassen- und Schifffahrtsamt des Kantons St. Gallen (nachstehend: StVA) eine verkehrsmedizinische Untersuchung der Fahreignung von A.________ an, ohne ihm den Führerausweis zu entziehen. In der Folge wurde er am Institut für Rechtsmedizin des Kantonsspitals St. Gallen am 18. Juni 2019 von Dr. med. B.________ untersucht, die auch das verkehrsmedizinische Gutachten vom 30. September 2019 erstellte. Dieses kam zum Ergebnis, die Fahreignung von A.________ könne nicht abschliessend beurteilt werden, da eine zusätzlich vorgenommene testpsychologische Abklärung leichte bis mittelgradig ausgeprägte kognitive Defizite ergeben habe und daher zum Ausschluss von fahreignungsrelevanten kognitiven Leistungsdefiziten eine ärztlich begleitete Kontrollfahrt erforderlich sei. Entsprechend ordnete das StVA mit Verfügung vom 22. Oktober 2019 eine solche Kontrollfahrt an. Dagegen erhob A.________ Rekurs, den die Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen am 30. März 2020 abwies. Eine dagegen von A.________ eingereichte Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 11. September 2020 ab, soweit es darauf eintrat. 
 
C.  
A.________ erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, mit der er namentlich beantragt, den Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 11. September 2020 aufzuheben und auf die Anordnung einer ärztlich begleiteten Kontrollfahrt zu verzichten. Zudem ersuchte er darum, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Diesem Gesuch entsprach das Bundesgericht mit Präsidialverfügung vom 25. November 2020. 
Die Verwaltungsrekurskommission und das StVA verzichten auf eine Vernehmlassung zur Beschwerde. Das Verwaltungsgericht und das Bundesamt für Strassen (ASTRA) beantragen, diese abzuweisen. Der Beschwerdeführer reichte zu den Vernehmlassungen Bemerkungen ein. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts, gegen den nach Art. 82 ff. BGG die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig ist. Der angefochtene Entscheid ist ein das Verfahren nicht abschliessender Zwischenentscheid, der direkt angefochten werden kann, weil er unter Berücksichtigung des dem Beschwerdeführer gegebenenfalls drohenden sofortigen Führerausweisentzugs einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; vgl. Urteil 1C_458/2019 vom 25. März 2020 E. 1; vgl. ferner: Urteil 1C_319/2020 vom 18. Februar 2021 E. 1.1 mit Hinweis auf die mit einer ärztlichen Untersuchung einhergehenden Belastung, die auch mit einer ärztlich kontrollierten Kontrollfahrt verbunden sein kann). Der Beschwerdeführer ist als zur Kontrollfahrt Verpflichteter zur Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen gegeben sind, ist auf die Beschwerde grundsätzlich einzutreten.  
 
2.  
Streitgegenstand bildet die Anordnung einer ärztlich begleiteten Kontrollfahrt. Auf die Anträge des Beschwerdeführers, die über den Streitgegenstand hinausgehen, ist nicht einzutreten. Dies betrifft namentlich die Anträge, den Strafbefehl des Untersuchungsamts Uznach vom 10. Mai 2019 aufzuheben und gewisse Passagen im verkehrsmedizinischen Gutachten vom 30. September 2019 zu löschen. 
 
3.  
 
3.1. Die Anordnung einer ärztlich begleiteten Kontrollfahrt im Rahmen einer Fahreignungsuntersuchung stellt - gleich wie der vorsorgliche Entzug des Führerausweises - eine vorsorgliche Massnahme dar (vgl. Urteil 1C_319/2020 vom 18. Februar 2021 E. 1.2 mit Hinweisen). In Bezug auf solche Massnahmen kann gemäss Art. 98 BGG im bundesgerichtlichen Verfahren nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden. Bezüglich solcher Rügen gilt eine qualifizierte Rüge- und Begründungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254; 143 I 1 E. 1.4 S. 5; je mit Hinweisen).  
 
3.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht prüft die Rüge der offensichtlich unrichtigen Feststellung des Sachverhalts ebenfalls nur, soweit sie in der Beschwerde vorgebracht und substantiiert begründet worden ist (BGE 147 IV 73 E. 4.2.1 S. 81 mit Hinweisen).  
 
4.  
Das verkehrsmedizinische Gutachten vom 30. September 2019 wurde von Dr. med. B.________ namentlich mit der Titelbezeichnung "Verkehrsmedizinerin SGRM" unterzeichnet. 
Die Vorinstanz gab zusammengefasst an, selbst wenn die Gutachterin diesen Titel unter anderem aufgrund ihrer Untersuchung des Beschwerdeführers erlangt haben sollte, habe sie im Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens über diesen Fähigkeitsausweis verfügt. 
Der Beschwerdeführer wendet sinngemäss ein, da seine Untersuchung durch die Gutachterin am 18. Juni 2019 im Rahmen einer Prüfung zur Erlangung des Titels "Verkehrsmedizinerin SGRM" durchgeführt worden sei, stelle sich die Frage, ob der Prüfungsexperte nur diesen mündlichen Teil der Prüfung oder auch das gestützt darauf am 30. September 2019 erstellte Gutachten beurteilt habe. 
Diese Ausführungen genügen den Anforderungen an eine Willkürrüge bezüglich der vorinstanzlichen Feststellungen zur Qualifikation der Gutachterin nicht. So legt der Beschwerdeführer nicht dar, inwiefern es ausgeschlossen sein soll, dass diese seine Untersuchung vom 18. Juni 2019 im Rahmen des praktischen Teils einer Prüfung zur Erlangung des Titels "Verkehrsmedizinerin SGRM" vornahm, sie später auch den theoretischen Teil der Prüfung bestand und daher das Gutachten vom 30. September 2019 im Besitz dieses Titels verfassen konnte (vgl. SCHWEIZERISCHE GESELLSCHAFT FÜR RECHTSMEDIZIN [SGRM], Titelreglement, Verkehrsmediziner SGRM, Ziff. 5.8 lit. a und b). 
 
5.  
 
5.1. Gemäss der Rechtsprechung darf ein Gericht in Fachfragen nicht ohne triftige Gründe von Gutachten von Sachverständigen abweichen. Eine Abweichung ist zulässig, wenn die Glaubwürdigkeit des Gutachtens durch die Umstände ernsthaft erschüttert ist (BGE 132 II 257 E. 4.4.1 S. 269; Urteil 1C_5/2014 vom 22. Mai 2014 E. 3.3).  
 
5.2. Die Vorinstanz ging davon aus, es sei nachvollziehbar, dass gemäss dem verkehrsmedizinischen Gutachten die Fahreignung des Beschwerdeführers aufgrund der bei ihm festgestellten leicht bis mittelgradig ausgeprägten kognitiven Defizite zweifelhaft sei und zur Klärung der Frage, ob und in welchem Ausmass sich diese Defizite im Strassenverkehr auswirkten, eine ärztlich begleitete Kontrollfahrt angezeigt sei. Da die genannten Zweifel unabhängig vom Unfall bestünden, der die Abklärung der Fahreignung veranlasste, sei unerheblich, ob dieser Unfall gemäss der Annahme des Beschwerdeführers auf eine spontane Airbag-Explosion zurückzuführen sei.  
 
5.3. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, inwiefern die Vorinstanz bei der Bestätigung der angeordneten ärztlich begleiteten Kontrollfahrt seine verfassungsmässigen Rechte, bzw. das Willkürverbot, verletzt haben soll. Er macht zwar geltend, die am 3. September 2019 zusätzlich (durch Dr. med. C.________) vorgenommene testpsychologische Abklärung (2. Rorschachtest) sei "irrtümlich" angeordnet worden und hätte daher im Gutachten nicht berücksichtigt werden dürfen. Er zeigt jedoch nicht bzw. nicht rechtsgenüglich substanziiert auf, aus welchen triftigen Gründen die Vorinstanz in Abweichung vom verkehrsmedizinischen Gutachten bzw. den darin berücksichtigten externen testpsychologischen Abklärungen bei ihm leicht bis mittelgradig ausgeprägte kognitive Defizite hätten verneinen müssen. Der Beschwerdeführer widerlegt auch nicht, dass für die Anordnung der strittigen Kontrollfahrt die Ursache des Unfalls vom 5. März 2019 unerheblich war, weshalb auf seine diesbezüglichen Ausführungen nicht näher einzugehen ist. Gleiches gilt bezüglich seiner Kritik an den im Gutachten enthaltenen Angaben zu seinem Alkoholkonsum, der für die Anordnung der Kontrollfahrt ebenfalls nicht ausschlaggebend war.  
 
6.  
Nach dem Gesagten enthält die Beschwerde keine hinreichend begründeten Rügen der Verletzung verfassungsmässiger Rechte, weshalb auf die Beschwerde nicht einzutreten ist (vgl. Urteil 1C_3/2019 vom 14. März 2019 E. 2.3). Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1, Art. 65 BGG vgl. Urteil 1B_329/2021 vom 23. Juni 2021 E. 3).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons St. Gallen, der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen, dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen, Abteilung III, und dem Bundesamt für Strassen Sekretariat Administrativmassnahmen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 30. Juli 2021 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Chaix 
 
Der Gerichtsschreiber: Gelzer