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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
7B.100/2005 /blb 
 
Urteil vom 30. August 2005 
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin, 
Bundesrichterin Nordmann, Bundesrichter Marazzi, 
Gerichtsschreiber Gysel. 
 
Parteien 
X.________ AG, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Obergericht (Schuldbetreibungs- und Konkurskommission) des Kantons Luzern als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, Hirschengraben 16, Postfach, 6002 Luzern. 
 
Gegenstand 
Nutzung eines retinierten Automobils, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 9. Juni 2005 (SK 05 64). 
 
Die Kammer zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Auf Begehren der Z.________ AG nahm das Betreibungsamt A.________ in den gemieteten Räumen der Y.________ AG (Zweigniederlassung der X.________ AG) am 9. November 2004 ein Retentionsverzeichnis auf. Unter der Position Nr. 2 vermerkte es das Automobil "Maserati Coupé GT Cambiocorsa". 
In teilweiser Gutheissung einer von der X.________ AG und der Y.________ AG gegen die Aufnahme des Retentionsverzeichnisses eingereichten Beschwerde hob der Amtsgerichtspräsident III von Luzern-Land mit Entscheid vom 11. Januar 2005 den Retentionsbeschlag für eine Reihe von Gegenständen (Positionen Nrn. 3, 4 und 10-41) auf, somit nicht aber für das erwähnte Fahrzeug. 
Diesen Entscheid zog die Z.________ AG an das Obergericht (Schuldbetreibungs- und Konkurskommission) des Kantons Luzern als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde weiter, das am 23. Februar 2005 entschied, die Retention werde (nur) hinsichtlich der unter den Nrn. 15, 20-22 und 33 vermerkten Gegenstände aufgehoben und die übrigen Gegenstände blieben retiniert. 
Mit Urteil vom 12. Juli 2005 wies die erkennende Kammer die von der X.________ AG und der Y.________ AG gegen den obergerichtlichen Entscheid erhobene Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten war (7B.43/2005). 
1.2 Mit Eingabe vom 21. Februar 2005 hatte die X.________ AG ein Gesuch um Herausgabe der Schlüssel und des Fahrzeugausweises für den mit Beschlag belegten "Maserati Coupé GT Cambiocorsa" gestellt, das das Betreibungsamt A.________ am 25. Februar 2005 abwies. 
Gegen diese Verfügung erhob die X.________ AG Beschwerde an den Amtsgerichtspräsidenten III von Luzern-Land als unterer kantonaler Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen, der am 3. Mai 2005 die Verfügung des Betreibungsamtes aufhob und dieses anwies, die Schlüssel zum strittigen Fahrzeug herauszugeben und der X.________ AG den Zugang zu diesem zu gewähren. Das Begehren auf uneingeschränkte Nutzung des Fahrzeugs wies er dagegen ab und erklärte, dass eine Nutzung nur mit Bewilligung des Betreibungsamtes erlaubt sei. 
Den gegen diesen Entscheid eingereichten Beschwerde-Weiterzug der X.________ AG wies das Obergericht (Schuldbetreibungs- und Konkurskommission) des Kantons Luzern als obere kantonale Aufsichtsbehörde am 9. Juni 2005 ab, soweit darauf einzutreten war. 
Die X.________ AG nahm diesen Entscheid am 10. Juni 2005 in Empfang. Mit einer vom 16. Juni 2005 datierten und am 17. Juni 2005 dem Obergericht überbrachten Eingabe führt sie (rechtzeitig) Beschwerde an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts und beantragt, ihr die uneingeschränkte Nutzung des strittigen Fahrzeugs zu gewähren. 
In seinem Aktenüberweisungsschreiben hat sich das Obergericht zur Beschwerde nicht geäussert. 
Andere Vernehmlassungen sind nicht eingeholt worden. 
2. 
Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass die Z.________ AG wohl die Abweisung der von ihr bei der oberen Aufsichtsbehörde gestellten Anträge verlangt habe, in der Begründung der Stellungnahme den Beschwerdevorbringen indessen nicht entgegengetreten sei. Diese hätten deshalb als zugestanden zu gelten. Indem das Obergericht ihre Beschwerde abgewiesen habe, habe es unter diesen Umständen die bei zivilrechtlichen Auseinandersetzungen vor den Luzerner Gerichten geltende Parteimaxime (Verhandlungsmaxime) missachtet und gegen § 60 Abs. 1 und § 70 der Luzerner Zivilprozessordnung verstossen. 
Die erkennende Kammer ist nicht zuständig, die Anwendung kantonalen (Verfahrens-)Rechts zu überprüfen (vgl. Art. 79 Abs. 1 erster Satz OG). Die Rüge hätte mit staatsrechtlicher Beschwerde (Willkürbeschwerde) vorgetragen werden müssen (Art. 43 Abs. 1 zweiter Satz in Verbindung mit Art. 81 OG). Im Übrigen übersieht die Beschwerdeführerin, dass die (obere) kantonale Aufsichtsbehörde auf Grund von Art. 20a Abs. 2 Ziff. 2 SchKG, d.h. von Bundesrechts wegen, den Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen hatte. 
3. 
Die erkennende Kammer hat schon in ihrem Urteil vom 12. Juli 2005 (7B.43/2005, E. 4.2) festgehalten, dass die Beschwerdeführerin den das Retentionsverzeichnis betreffenden Entscheid der unteren kantonalen Aufsichtsbehörde vom 11. Januar 2005 nicht weitergezogen und demnach die Retention hinsichtlich der unter den Positionen Nrn. 1, 2 und 5-9 mit Beschlag belegten Gegenstände (mithin auch des strittigen Autos) anerkannt habe. Wie in der Eingabe vom 15. Juni 2005, die sie im erwähnten bundesgerichtlichen Verfahren nachträglich eingereicht hatte, macht die Beschwerdeführerin allerdings auch in der vorliegenden Beschwerde geltend, das Retentionsverzeichnis sei nichtig. Das zur Begründung Vorgetragene ist im Wesentlichen eine wörtliche Wiederholung dessen, was sie bereits in jener Eingabe ausgeführt hatte. Es ist daher auf das im Urteil vom 12. Juli 2005 (E. 4.3) hierzu Dargelegte zu verweisen. Das Gleiche gilt für den von der Beschwerdeführerin wiederholten Vorwurf, der Betreibungsbeamte habe das Retentionsverzeichnis im Sinne von Art. 317 StGB gefälscht (dazu Urteil vom 12. Juli 2005, E. 6). 
Ist dem letztgenannten Vorwurf angesichts des im Urteil vom 12. Juli 2005 Erklärten die Grundlage entzogen, stösst auch die im gleichen Zusammenhang erhobene Rüge der mangelhaften Begründung des angefochtenen Entscheids ins Leere. Hierzu ist übrigens zu bemerken, dass die Ausführungen der Vorinstanz den auf Grund von Art. 20a Abs. 2 Ziff. 4 SchKG an die Begründung eines Beschwerdeentscheids gestellten Anforderungen genügen. Wie bei der aus dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) abgeleiteten Pflicht einer Behörde, ihre Entscheide zu begründen, geht es auch hier darum, dass sich der vom Entscheid Betroffene über dessen Tragweite ein Bild machen und ihn in voller Kenntnis der Sache gegebenenfalls bei der oberen Instanz anfechten kann (dazu BGE 126 I 97 E. 2b S. 102 f. mit Hinweisen; Flavio Cometta, Kommentar zum SchKG, Basel 1998, N. 40 und 41 zu Art. 20a). 
4. 
4.1 Für den Fall der Gültigkeit des Retentionsbeschlags beanstandet die Beschwerdeführerin die vom Obergericht bestätigte Abweisung ihres Begehrens auf uneingeschränkte Nutzung des strittigen Fahrzeugs. Mit dem hierzu Vorgebrachten verkennt sie indessen die Wirkungen der Aufnahme des Retentionsverzeichnisses: Diese hat wie die Pfändung (vgl. Art. 96 Abs. 1 SchKG) - von Gesetzes wegen - zur Folge, dass der Schuldner über den mit Beschlag belegten Gegenstand nicht mehr verfügen darf, es sei denn, er werde vom Betreibungsbeamten dazu ermächtigt (vgl. Art. 169 StGB; Bénédict Foëx, Kommentar zum SchKG, Basel 1998, N. 6 und 10 zu Art. 96). So wird denn im Retentionsverzeichnis (Form. 40) dem Schuldner unter Hinweis auf die Straffolgen gemäss Art. 169 StGB ausdrücklich verboten, die darin aufgezeichneten Gegenstände aus dem Miet- bzw. Pachtobjekt zu entfernen. Entgegen der Annahme der Beschwerdeführerin bedurfte es zur Untersagung der Benützung des Automobils demnach keines entsprechenden Begehrens der Gläubigerin, so dass das in diesem Zusammenhang Vorgebrachte ins Leere stösst. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie habe das Fahrzeug bis zur Verhaftung des für sie im Beschwerdeverfahren handelnden Organs am 12. Januar 2005 auch nach Aufnahme des Retentionsverzeichnisses uneingeschränkt nutzen können, findet in den für die erkennende Kammer verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz (Art. 63 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 81 OG) keine Stütze. Damit ist dem Vorwurf des widersprüchlichen Verhaltens des Betreibungsamtes (venire contra factum proprium) die Grundlage von vornherein entzogen. Abgesehen davon, macht die Beschwerdeführerin selbst nicht geltend, das Betreibungsamt habe die Benützung des Fahrzeugs ausdrücklich bewilligt. 
4.2 Wenn die Beschwerdeführerin erklärt, es habe angesichts der Verhaftung des im Beschwerdeverfahren für sie handelnden Organs aus der Sicht der Gefahrenabwehr kein Bedarf für einen totalen Nutzungsentzug bestanden, verkennt sie wiederum, dass das Verfügungsverbot von Gesetzes wegen eintrat und es an ihr gelegen hätte, Gründe darzutun, die eine Ausnahmebewilligung zu rechtfertigen vermocht hätten. Dass sie solche vorgetragen hätte und die Vorinstanz darauf nicht eingegangen wäre, macht sie selbst nicht geltend. 
4.3 Die Beschwerdeführerin wirft dem Obergericht vor, es habe sich mit der Rüge, die Verfügung des Betreibungsamtes vom 25. Februar 2005 sei mit dessen Bemerken, es empfinde die Zurückbehaltung der Autoschlüssel und des Fahrzeugs als angemessen, nicht hinreichend begründet gewesen, nicht befasst. Indessen legt sie nicht dar, wo in der Eingabe an die Vorinstanz die Rüge vorgetragen worden sein soll, so dass es an einer den Anforderungen von Art. 79 Abs. 1 OG genügenden Begründung der Beschwerde fehlt. Für die erkennende Kammer fällt es von vornherein ausser Betracht, die betreibungsamtliche Verfügung wegen angeblich mangelhafter Begründung aufzuheben, da Gegenstand der vorliegenden Beschwerde einzig der Entscheid der (oberen) kantonalen Aufsichtsbehörde bildet. 
 
Demnach erkennt die Kammer: 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Beschwerdegegnerin Z.________ AG, dem Betreibungsamt A.________ und dem Obergericht (Schuldbetreibungs- und Konkurskommission) des Kantons Luzern als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 30. August 2005 
Im Namen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber: