Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_729/2023  
 
 
Urteil vom 30. August 2024  
 
III. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Beusch, Bundesrichterin Scherrer Reber, 
Gerichtsschreiber Williner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Visar Keraj, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Steuerverwaltung des Kantons Thurgau, Schlossmühlestrasse 9, 8510 Frauenfeld, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Thurgau, Steuerperiode 2019, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 28. Juni 2023 (VG.2022.133). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die A.________ AG, die ihren Sitz seit dem 6. April 2020 in T.________/TG hat (davor in U.________/AR), besass im Steuerjahr 2019 gemäss der Steuerausscheidung des Kantons Appenzell Ausserrhoden nebst Liegenschaften in U.________, V.________ und W.________ auch solche im Kanton Thurgau (in X.________, Y.________ und Z.________) und war daher dort beschränkt steuerpflichtig. Da die A.________ AG ihre Steuererklärung für die Steuerperiode 2019 nicht fristgerecht eingereicht hatte, wurde sie am 12. August 2020 durch die Steuerverwaltung des Kantons Thurgau (nachfolgend: Steuerverwaltung) gemahnt. Ein am 30. September 2021 gestelltes Fristverlängerungsgesuch beantwortete die Steuerverwaltung abschlägig. Gleichzeitig stellte sie klar, dass weder weitere Fristverlängerungen gewährt noch der Entscheid in Wiedererwägung gezogen würden. Am 5. Oktober 2021 mahnte sie die A.________ AG zum zweiten Mal. Sie erinnerte an die Mitwirkungspflichten, bat um Einreichung der vollständigen Unterlagen innert 14 Tagen und stellte für den Fall der Nichtbeachtung der Mahnung eine Steuerveranlagung nach pflichtgemässem Ermessen sowie die Möglichkeit einer Ordnungsbusse in Aussicht. Eine Reaktion seitens der A.________ AG erfolgte nicht.  
 
1.2. Am 15. November 2021 veranlagte die Steuerverwaltung die A.________ AG für die Steuerperiode 2019 wie angedroht nach Ermessen. Sie setzte das im Kanton Thurgau steuerbare Kapital auf Fr. 9'446'900.- und den steuerbaren Reingewinn auf Fr. 2'023'964.- fest und erhob einen Steuerbetrag von Fr. 80'958.55. Auf die am 16. Dezember 2021 gegen die Ermessensveranlagung erhobene Einsprache trat die Steuerverwaltung mit zwei Entscheiden vom 4. Januar 2022 - zum einen betreffend Staats- und Gemeindesteuern 2019 und zum anderen betreffend direkte Bundessteuer 2019 - nicht ein. Gegen diese Nichteintretensentscheide erhob die A.________ AG Rekurs bzw. Beschwerde bei der Steuerrekurskommission des Kantons Thurgau. In einem einzigen Entscheid vom 31. Oktober 2022 wies diese den Rekurs ab und trat auf die Beschwerde (wegen Nichtigkeit des Einspracheentscheids vom 4. Januar 2022 betreffend direkte Bundessteuer 2019) nicht ein. Die dagegen betreffend Staats- und Gemeindesteuern 2019 erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau am 28. Juni 2023 ab, soweit es darauf eintrat.  
 
1.3. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die A.________ AG, es sei der angefochtene Entscheid der Vorinstanz aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung, insbesondere auch im Hinblick auf die Noven, an die Vorinstanz zurückzuweisen; eventualiter sei der angefochtene Entscheid der Vorinstanz aufzuheben und die Steuerverwaltung des Kantons Thurgau anzuweisen, auf die Einsprache einzutreten.  
 
2.  
Nach Art. 132 Abs. 3 DBG (SR 642.11) und Art. 164 Abs. 2 des Steuergesetzes des Kantons Thurgau (StG/TG; RB 640.1; vgl. auch Art. 48 Abs. 2 StHG [SR 642.14]) müssen Einsprachen gegen Ermessensveranlagungen begründet sein und allfällige Beweismittel nennen. Wenn die Einspracheinstanz - wie im vorliegenden Fall - auf eine Einsprache gegen eine Ermessensveranlagung nicht eintritt, weil die Einsprache nicht fristgerecht begründet und mit Beweismittelangeboten versehen war, haben die Rechtsmittelinstanzen nur noch zu beurteilen, ob der Nichteintretensentscheid zu Recht ergangen ist. Daneben kann einzig geltend gemacht werden, dass die Voraussetzungen der Ermessensveranlagung nicht gegeben gewesen seien, da insoweit die Einschränkungen von Art. 132 Abs. 3 DBG und Art. 164 Abs. 2 StG/TG nicht greifen (Urteile 2C_753/2022 vom 16. Dezember 2022 E. 3; 2C_688/2021 vom 27. Januar 2022 E. 3.3; 2C_61/2021 vom 22. Dezember 2021 E. 4.1). Ob hingegen die streitbetroffene Ermessensveranlagung inhaltlich korrekt ist, ist - unter Vorbehalt der Nichtigkeit - im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen. Dementsprechend sind die diesbezüglichen Ausführungen der Beschwerdeführerin von vornherein nicht zu hören und wird darauf nachfolgend nicht näher eingegangen. 
 
3.  
In formeller Hinsicht rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) mit der Begründung, das kantonale Gericht habe eine ernsthafte Prüfung ihrer Vorbringen betreffend Abschreibung des Verfahrens unterlassen. 
 
3.1. Die Beschwerdeführerin hatte im vorinstanzlichen Verfahren ihre beschwerdeweise gestellten Anträge in zwei nachträglichen Eingaben vom 24. Februar und 15. Juni 2023 jeweils geändert. Unter anderem hatte sie neu beantragt, es sei das Verfahren abzuschreiben, weil die Steuerverwaltung am 9. Januar 2023 in Aussicht gestellt habe, aufgrund pendenter Veranlagungen unter anderem bei der Beschwerdeführerin eine Buchprüfung der Geschäftsjahre ab 2018 vorzunehmen. Damit sei der Beschwerdegrund (Nichteintreten) weggefallen und die Beschwerde gegenstandslos geworden.  
 
3.2. Die Vorinstanz äusserte sich umfassend zu den zahlreichen (teilweise unzulässigen) Anträgen, welche die Beschwerdeführerin im vorinstanzlichen Verfahren gestellt hatte. Unter anderem begründete sie, weshalb in der Anfang 2023 von der Steuerverwaltung in Aussicht gestellten Buchprüfung (bei der "A.________ AG und allen anderen Gesellschaften von B.________ mit Steuerpflicht im Thurgau") keine Beschwerdeanerkennung zu erblicken sei. Im Lichte dieser Erwägungen, auf welche verwiesen wird (Art. 109 Abs. 3 BGG), kann keine Rede davon sein, die Vorinstanz habe die Begründungspflicht als Teilgehalt des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV; vgl. BGE 142 III 433 E. 4.3.2) verletzt.  
 
4.  
 
4.1. Die Beschwerdeführerin nimmt Anstoss daran, dass das kantonale Gericht ihren am 24. Februar 2023 nachgereichten Antrag auf Abschreibung des Verfahrens wohl der Steuerverwaltung zur allfälligen Vernehmlassung zugestellt hatte, nach deren Verzicht auf eine solche indessen keine diesbezüglichen Weiterungen unternahm. Die Beschwerdeführerin will zudem im Verzicht der Steuerverwaltung auf Stellungnahme zu diesem Antrag eine Beschwerdeanerkennung erblicken. Mit diesen Einwänden lässt sie ausser Acht, dass es der Steuerverwaltung offen stand, ob sie von der ihr jeweils eingeräumten Möglichkeit zur Vernehmlassung Gebrauch machen will. Insbesondere war ihr freigestellt, in Bezug auf die nachträgliche Eingabe der Beschwerdeführerin vom 24. Februar 2023 inklusive dem dort erstmals gestellten Antrag auf Abschreibung des Verfahrens auf eine Vernehmlassung zu verzichten, was sie denn auch tat. In diesem Verzicht kann offensichtlich keine Beschwerdeanerkennung erblickt werden. Es ist auch nicht ansatzweise ersichtlich, inwiefern das kantonale Gericht diesbezüglich zu Weiterungen gehalten gewesen wäre. Insbesondere lässt sich im vorinstanzlichen Verzicht auf solche weder eine willkürliche (antizipierte) Beweiswürdigung noch überspitzter Formalismus, eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben oder eine Rechtsverweigerung erblicken, wie dies die Beschwerdeführerin - jeweils ohne substanziierte Begründung - geltend macht.  
 
 
4.2. Nicht stichhaltig ist der Vorwurf der Beschwerdeführerin, das kantonale Gericht habe eine willkürliche Beweiswürdigung vorgenommen, weil es ihre Eingabe vom 15. Juni 2023 nicht mehr zur Vernehmlassung an die Steuerrekurskommission und die Steuerverwaltung gereicht und damals neu eingebrachte Noven unberücksichtigt gelassen habe. Die Beschwerdeführerin übersieht, dass die Vorinstanz einzig zu beurteilen hatte, ob die Steuerrekurskommission das Nichteintreten der Steuerverwaltung auf die Einsprache vom 16. Dezember 2021 zu Recht geschützt hatte. Für diesen Streitgegenstand sind Beweismittel, welche die Beschwerdeführerin erst nach Ablauf der Einsprachefrist beibringt und mit denen sie die offensichtliche Unrichtigkeit der Veranlagung belegen will, grundsätzlich nicht erheblich (vgl. Urteil 2C_179/2022 vom 30. September 2022 E. 3 mit Hinweisen). Mit eben dieser Begründung verzichtete das kantonale Gericht darauf, nach der Beschwerdeschrift sowie der Eingabe vom 24. Februar 2023 auch noch die Eingabe vom 15. Juni 2023 zu allfälliger Stellungnahme zuzustellen. Inwiefern dieses Vorgehen willkürlich sein soll, legt die Beschwerdeführerin nicht substanziiert dar und ist auch nicht ersichtlich.  
 
4.3. Zumindest sinngemäss wendet die Beschwerdeführerin ein, die Voraussetzungen für eine Ermessensveranlagung seien nicht gegeben gewesen. Die kantonalen Instanzen hätten diverse Verfassungsbestimmungen verletzt (Grundsatz von Treu und Glauben [Art. 5 Abs. 3 und Art. 9 BV], Anspruch auf rechtliches Gehör [Art. 29 Abs. 2 BV], Grundsatz der Rechtsgleichheit [Art. 8 BV], Verbot des überspitzten Formalismus [Art. 29 Abs. 1 BV], Grundsatz der Verhältnismässigkeit [Art. 5 Abs. 2 BV]), weil sie die konkrete Situation der Beschwerdeführerin weder bei der Ablehnung des Fristverlängerungsgesuchs noch bei der zweiten Mahnung berücksichtigt hätten.  
Dieses Vorbringen ist offensichtlich unbegründet, soweit es mit Blick auf die gerügten Verfassungsverletzungen überhaupt genügend substanziiert ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Es ist unbestritten, dass die Steuerverwaltung die Beschwerdeführerin zweimal gemahnt und die Einreichungsfrist für die Steuererklärung mehrmals erstreckt hatte. Weil sie beinahe zwei Jahre nach Abschluss des Steuerjahres 2019 keine weitere Fristerstreckung zur Einreichung der Steuererklärung gewährte, sondern auf der Einhaltung der zuletzt angesetzten Frist beharrte, ist der Steuerverwaltung jedenfalls weder überspitzter Formalismus noch ein anderweitiger Verfahrensmangel vorzuwerfen. Nichts anderes gilt für den Umstand, dass sie im Rahmen der zweiten Mahnung vom 5. Oktober 2021 lediglich noch eine Frist von 14 Tagen zur Einreichung der benötigten Unterlagen setzte, welche die Beschwerdeführerin erneut ungenutzt verstreichen liess. Unabhängig von der vom kantonalen Gericht verneinten Frage nach der Notwendigkeit dieser zweiten Mahnung wusste die Beschwerdeführerin bereits ab dem 1. Oktober 2021, dass sie mit keiner weiteren Fristerstreckung rechnen durfte und sie die Steuererklärung innerhalb der bereits mehrfach erstreckten Frist einzureichen haben würde. Trotzdem (und obwohl bis zur ermessensweise Einschätzung nochmals über sechs Wochen verstrichen) kam die Beschwerdeführerin ihren Mitwirkungspflichten zu keinem Zeitpunkt nach. Ohnehin ist nicht einzusehen, weshalb es ihr mit Blick auf die lediglich teilweise Arbeitsunfähigkeit ihres Verwaltungsratsmitglieds während eines Zeitraums von fast zwei Jahren nicht zumutbar gewesen sein soll, sich so zu organisieren, dass sie ihren Verfahrenspflichten nachkommen konnte. Auf Entsprechendes wies nicht nur die Vorinstanz im nunmehr angefochtenen Entscheid hin, sondern bereits das Bundesgericht in dem dieselbe Beschwerdeführerin und dasselbe Verwaltungsratsmitglied (indessen die Steuerperiode 2018) betreffenden Urteil 2C_753/2022 vom 16. Dezember 2022 in E. 4 (in diesem Sinne auch die Urteile 9C_307/2023, 9C_308/2023, 9C_309/2023 und 9C_310/2023, je vom 19. Dezember 2023). 
 
4.4. Nichts zu ihren Gunsten abzuleiten vermag die Beschwerdeführerin aus ihrem zumindest implizit geäusserten Einwand, die Steuerverwaltung hätte auf die Einsprache gegen die Ermessensveranlagung eintreten müssen. So haben sowohl die Vorinstanz als auch das Bundesgericht im bereits erwähnten Urteil 2C_753/2022 in aller Deutlichkeit darauf hingewiesen, dass die Einsprache einerseits hinreichend begründet sein und andererseits genügende Beweismittelangebote enthalten muss. Die Einsprache vom 16. Dezember 2021 wurde diesen Anforderungen betreffend Begründung und Beweismittelangebote offensichtlich nicht gerecht. Die Beschwerdeführerin hatte sich damals zum einen darauf beschränkt, eine Mitwirkung in Aussicht zu stellen und um Sistierung zu ersuchen. Zum anderen hatte sie lediglich pauschal auf eine Verdoppelung der Zahlen gegenüber früheren Ermessenseinschätzungen hingewiesen, was klar ungenügend ist. Wie die Vorinstanz richtig erwog, hätte sich die Beschwerdeführerin in der Einsprache detailliert und substanziiert zu den ermessensweise festgesetzten Steuerfaktoren äussern müssen, was sie nicht tat und im Übrigen bis heute nicht tut. Folglich ist nicht zu beanstanden, dass die Steuerverwaltung auf die Einsprache nicht eingetreten ist und die Vorinstanz diesen Entscheid (durch Bestätigung des entsprechenden Entscheids der Unterinstanz) geschützt hat.  
 
5.  
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde in allen Teilen offensichtlich unbegründet. Sie ist im vereinfachten Verfahren abzuweisen, soweit überhaupt darauf einzutreten ist (Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG). 
Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens sind der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es ist keine Parteientschädigung geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde betreffend Staats- und Gemeindesteuern 2019 wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 30. August 2024 
 
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Der Gerichtsschreiber: Williner