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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 186/01 
 
Urteil vom 30. September 2002 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiberin Riedi Hunold 
 
Parteien 
R.________, 1944, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Vonesch, Sempacherstrasse 6, 6003 Luzern, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern 
 
(Entscheid vom 6. Februar 2001) 
 
Sachverhalt: 
A. 
R.________ (geboren 1944) war seit Jahren als Hilfsarbeiterin tätig, zuletzt als Etagenmitarbeiterin im Hotel X.________ und an zwei Abenden pro Woche als Aushilfe im Restaurant G.________. Die Stelle im Hotel X.________ wurde ihr auf Ende 1996 gekündigt; jene im Restaurant G.________ gab sie auf denselben Zeitpunkt auf. Hernach bezog sie Arbeitslosenentschädigung und war zwischendurch teilzeitlich für die Firma A.________ AG tätig. Mit Anmeldung vom 11. April 1997 ersuchte sie um eine Rente der Invalidenversicherung. Dr. med. S.________, Facharzt für Innere Medizin, attestierte ihr auf Grund einer starken Gonarthrose beidseits eine Arbeitsunfähigkeit im angestammten Beruf von 50 % seit Dezember 1996 und von 100 % seit 21. April 1998; in einer vorwiegend sitzenden Tätigkeit sei sie voll arbeitsfähig, doch sei ihre Vermittelbarkeit wegen der fehlenden Sprachkenntnisse, dem Alter und dem fragilen psychischen Gleichgewicht eingeschränkt (Berichte vom 24. September 1997, 23. Juni 1998 und 9. Oktober 1998). Dr. med. O.________, Facharzt für Augenheilkunde, hielt am 21. April 1999 fest, dass kein Gesundheitsschaden bestehe und eine Tätigkeit als Näherin oder in der Feinmontage voll zumutbar sei. Gestützt auf diese Arztberichte lehnte die IV-Stelle Luzern berufliche Massnahmen sowie eine Invalidenrente ab (Verfügung vom 28. Oktober 1999). 
B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern mit Entscheid vom 6. Februar 2001 ab. 
C. 
R.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, es seien der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und ihr sämtliche möglichen gesetzlichen Leistungen ab dem frühest möglichen Zeitpunkt zuzusprechen, insbesondere eine ganze Rente. Zudem ersucht sie um unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung. 
 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren sind grundsätzlich nur Rechtsverhältnisse zu überprüfen bzw. zu beurteilen, zu denen die zuständige Verwaltungsbehörde vorgängig verbindlich - in Form einer Verfügung - Stellung genommen hat. Insoweit bestimmt die Verfügung den beschwerdeweise weiterziehbaren Anfechtungsgegenstand. Umgekehrt fehlt es an einem Anfechtungsgegenstand und somit an einer Sachurteilsvoraussetzung, wenn und insoweit keine Verfügung ergangen ist (BGE 125 V 414 Erw. 1a mit Hinweisen). 
 
Die IV-Stelle hat lediglich über den Anspruch auf berufliche Massnahmen sowie auf eine Invalidenrente verfügt. Dementsprechend hat die Vorinstanz - zu Recht - ihre Beurteilung darauf beschränkt. Soweit die Beschwerdeführerin weitergehende Rechtsbegehren stellt, ist darauf nicht einzutreten. 
2. 
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über den Begriff der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG) sowie den Anspruch auf berufliche Massnahmen, insbesondere auf Umschulung und Arbeitsvermittlung (Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 15 ff. IVG; BGE 124 V 109 Erw. 2b, 116 V 80, je mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt für den Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 Abs. 1 IVG) und die Ermittlung des Invaliditätsgrades nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 28 Abs. 2 IVG; BGE 126 V 76 Erw. 3, 104 V 136 Erw. 2a und b). Darauf wird verwiesen. 
3. 
Für die Beurteilung der Gesetzmässigkeit einer Verwaltungsverfügung ist der Zeitpunkt ihres Erlasses massgebend (BGE 121 V 366 Erw. 1b mit Hinweisen), hier mithin der 28. Oktober 1999. Sämtliche Tatsachen, die den Gesundheitszustand seither beeinflusst haben, sind nicht zu beurteilen, sondern bleiben allenfalls einer Neuanmeldung vorbehalten (Art. 87 Abs. 3 und 4 IVV). 
4. 
4.1 Dr. med. S.________ und Dr. med. O.________ bescheinigen übereinstimmend, dass der Versicherten eine sitzende Tätigkeit als Näherin oder in der Feinmontage voll zumutbar sei. Sie berücksichtigen dabei die geklagten Beschwerden bezüglich der Knie sowie der Augen. Die von der Versicherten geltend gemachten Rückenbeschwerden finden in den Akten keine Stütze. Auch gab es für die IV-Stelle keinen Anlass, diesbezüglich weitere Abklärungen zu tätigen, nachdem selbst Dr. med. S.________ als ihr langjähriger Hausarzt keine entsprechenden Klagen erwähnte. 
Was den psychischen Gesundheitszustand betrifft, hat Dr. med. S.________ zwar in seinem Bericht vom 9. Oktober 1998 angegeben, dass die Vermittelbarkeit auf Grund des fragilen psychischen Gesundheitszustandes eingeschränkt sei. Allerdings misst er diesem keinen Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit zu. Dies bestätigt er am 11. November 1999, indem er gegenüber der IV-Stelle festhält, als einziges "invalidisierendes" Leiden kämen nur die Kniebeschwerden in Frage. 
4.2 Daran vermag auch der im letztinstanzlichen Verfahren nach Abschluss des Schriftenwechsels eingereichte Bericht der Frau Dr. med. W.________, Fachärztin für physikalische Medizin, vom 6. Oktober 2001 nichts zu ändern. Denn der entsprechende Bericht und die darin festgestellten Rückenbeschwerden beziehen sich auf einen späteren als den vorliegend massgebenden Zeitraum bis zum Verfügungserlass (Erw. 3). 
5. 
5.1 Entgegen der Auffassung der Vorinstanz besteht kein Grund, von der Regel, das Valideneinkommen anhand des zuletzt erzielten Lohnes zu ermitteln, abzuweichen, zumal der Versicherten bereits 1996 eine Arbeitsunfähigkeit von 50 % im angestammten Beruf attestiert wurde und die Aufgabe dieser Tätigkeiten demnach (auch) gesundheitlich motiviert war. Massgebend für den Einkommensvergleich ist somit auf Seiten des Valideneinkommens das indexierte, zuletzt erzielte Gesamteinkommen (d.h. das Einkommen als Etagenmitarbeiterin sowie als Aushilfe im Restaurant; vgl. AHI 2002 S. 157 Erw. 3b mit Hinweis). Jedoch ist entgegen der Berechnung der Verwaltung kein Abzug für unterdurchschnittliche Löhne zu machen; denn beim Vergleich des im Hotel X.________ erzielten Einkommens von Fr. 2600.- zuzüglich eines 13. Monatslohnes bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 42 Stunden mit dem Durchschnittswert für Frauen im Gastgewerbe gemäss Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik (LSE 1996, Tabelle TA1; Fr. 2945.- bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden, wobei der Anteil des 13. Monatslohnes bereits berücksichtigt ist) liegt der erzielte Verdienst nicht deutlich unter den durchschnittlichen Werten, sodass gemäss Rechtsprechung kein Anlass zu einer Korrektur besteht (vgl. nicht publizierte Urteile H. vom 7. Mai 2001, I 314/00, und K. vom 16. März 1998, I 179/97). 
 
Unter Berücksichtigung des auf ein Jahr aufgerechneten Gesamteinkommens für 1996 von Fr. 42'478.- (12 x Fr. 2600.- zuzüglich 13. Monatslohn + Fr. 8678.-) sowie der Nominallohnentwicklung von 0,5 % für 1997 und von 0,7 % für 1998 (Die Volkswirtschaft, 1/2001, Anhang, Tabelle B 10.2, S. 28) ergibt sich ein massgebendes Valideneinkommen von Fr. 42'989.-. 
5.2 Beim Invalideneinkommen hat das kantonale Gericht hingegen zu Recht auf die Tabellenlöhne gemäss LSE abgestellt. Das Invalideneinkommen beträgt somit Fr. 44'058.- (12 x Fr. 3505.- : 40 x 41,9; LSE 1998, Tabelle TA1, Anforderungsniveau 4). Einen leidensbedingten Abzug hat es verweigert. Vorliegend scheint auf Grund der Einschränkung auf rein sitzende Tätigkeiten ein Abzug von 10 % als angemessen. Hingegen sind die geltend gemachten invaliditätsfremden Faktoren (Alter, Sprachschwierigkeiten, mangelnde Ausbildung) nicht zu berücksichtigen (vgl. Urteil S. vom 29. August 2002, I 97/00; AHI 1999 S. 238 Erw. 1, je mit Hinweisen). Demnach resultiert ein massgebendes Invalideneinkommen von Fr. 39'652.-. 
5.3 Ein Vergleich des Validen- mit dem Invalideneinkommen ergibt einen nicht rentenbegründenden Invaliditätsgrad von 7,8 %. Vorinstanz und Verwaltung haben den Anspruch auf eine Rente zu Recht abgelehnt. 
6. 
Den Erwägungen der Vorinstanz zum Anspruch auf erstmalige berufliche Ausbildung (Art. 16 IVG) und Umschulung (Art. 17 IVG) hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nichts beizufügen. Bezüglich der Arbeitsvermittlung (Art. 18 IVG) ist festzuhalten, dass gemäss Rechtsprechung zwar bereits ein geringes Mass an gesundheitlich bedingten Schwierigkeiten genügt, um den Anspruch auf Arbeitsvermittlung zu begründen (BGE 116 V 80; AHI 2000 S. 69, S. 228, je mit Hinweisen). Soweit jedoch wie hier die erschwerte Stellensuche auf andere als gesundheitliche Gründe zurückzuführen ist, wie etwa die konjunkturelle Lage, mangelnde Ausbildung, fehlende Sprachkenntnisse und das Alter der versicherten Person, ist für die Arbeitsvermittlung nicht die IV-Stelle, sondern die Arbeitslosenversicherung zuständig (AHI 2000 S. 68 mit Hinweisen). Die Versicherte kann somit keine Arbeitsvermittlung durch die Invalidenversicherung beanspruchen. 
7. 
Da es um Versicherungsleistungen geht, sind gemäss Art. 134 OG keine Gerichtskosten zu erheben. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im Sinne der Befreiung von den Gerichtskosten erweist sich daher als gegenstandslos. Die unentgeltliche Verbeiständung kann hingegen teilweise gewährt werden (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG), da die Bedürftigkeit aktenkundig ist, die Beschwerde bezüglich der beruflichen Massnahmen und der Rentenberechnung - anders als die darüber hinausgehenden, nicht spezifizierten Rechtsbegehren - nicht als aussichtslos zu bezeichnen und die Vertretung geboten war (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwalt Daniel Vonesch für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1000.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
 
Luzern, 30. September 2002 
 
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Der Präsident der III. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: