Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess {T 7}
I 458/06
Urteil vom 30. Oktober 2006
III. Kammer
Besetzung
Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiberin Heine
Parteien
D.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt lic. oec. Fritz Dahinden, Blumenbergplatz 1, 9000 St. Gallen,
gegen
IV-Stelle des Kantons Appenzell I. Rh., Poststrasse 9, 9050 Appenzell, Beschwerdegegnerin
Vorinstanz
Kantonsgericht Appenzell I.Rh., Appenzell
(Entscheid vom 7. Februar 2006)
Sachverhalt:
A.
Mit Verfügung vom 2. November 1999 sprach die IV-Stelle des Kantons Appenzell I. Rh. der 1973 geborenen D.________ ab 1. November 1998 bei einem Invaliditätsgrad von 61% eine halbe Invalidenrente zu.
Am 17. April 2000 und am 27. August 2002 bestätigte die Verwaltung revisionsweise den Anspruch auf eine halbe Rente (bei einem Invaliditätsgrad von 56%) mangels anspruchsrelevanter Veränderungen (Mitteilungen der IV-Stelle vom 17. April 2000 und vom 27. August 2002).
Am 19. September 2003 liess D.________ eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes geltend machen und um Rentenrevision ersuchen. Die IV-Stelle holte den Bericht der Klinik X.________ vom 8. März 1999, die Verlaufsberichte des Dr. med. G.________, Facharzt FMH für Innere Medizin, vom 14. August 2002, 30. September 2003 und 15. November 2004, die medizinischen Gutachten des Zentrums Y.________ vom 12. Oktober 2001 und 15. April 2002 sowie schriftliche Auskünfte der Arbeitgeber vom 24. März 2000, 14. August 2002 und 22. Dezember 2004 ein. Gestützt darauf sprach sie D.________ mit Verfügung vom 24. August 2004 ab 1. Juli 2004 eine Dreiviertelsrente zu. Mit Verfügung vom 16. September 2004 zog die Verwaltung die Rentenerhöhung in Wiedererwägung und entschied, dass D.________ ab 1. Juli 2004 wie bisher Anspruch auf eine halbe Rente habe. Mit Verfügung vom 23. September 2004 setzte sie die halbe Rente betraglich fest (Fr. 988.- monatlich) und forderte die Rückerstattung zuviel ausgerichteter Leistungen in den Monaten Juli bis September 2004 im Betrag von insgesamt Fr. 1'482.-. Diese Verfügungen wurden mit Einspracheentscheid vom 10. März 2005 bestätigt. Mit Verfügung vom 8. April 2005 verneinte die IV-Stelle den Anspruch auf berufliche Eingliederungsmassnahmen; daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 7. Juni 2005 fest.
B.
Das Kantonsgericht Appenzell I. Rh. vereinigte mit Verfügung vom 10. Juni 2005 die gegen die Einspracheentscheide vom 10. März und 7. Juni 2005 eingereichten Beschwerden und wies die Rechtsvorkehren ab (Entscheid vom 7. Februar 2006 [Dispositivziffer 1]).
C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt D.________ beantragen, es sei ihr, unter Aufhebung des kantonalen Entscheids, ab 1. Juli 2004 eine Dreiviertelsrente zuzusprechen; eventualiter sei die Streitsache zu weiteren Abklärungen und Beweisabnahmen an die Verwaltung zurückzuweisen.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Der angefochtene Entscheid betrifft Leistungen der Invalidenversicherung. Nach Art. 132 Abs. 1 OG in der Fassung gemäss Ziff. III des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Änderung des IVG (in Kraft seit 1. Juli 2006) kann das Eidgenössische Versicherungsgericht in Verfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen in Abweichung von den Art. 104 und 105 OG auch die Unangemessenheit der angefochtenen Verfügung beurteilen und ist an die vorinstanzliche Feststellung des Sachverhalts nicht gebunden. Gemäss Art. 132 Abs. 2 OG gelten diese Abweichungen nicht, wenn der angefochtene Entscheid Leistungen der Invalidenversicherung betrifft. Nach Ziff. II lit. c des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 gilt indessen bisheriges Recht für die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung beim Eidgenössischen Versicherungsgericht hängigen Beschwerden. Da die hier zu beurteilende Beschwerde am 1. Juli 2006 beim Eidgenössischen Versicherungsgericht hängig war, richtet sich dessen Kognition noch nach Art. 132 OG (in der Fassung gültig bis 30. Juni 2006, AS 1969 767 788).
2.
2.1 Auf unangefochtene formelle Verfügungen darf die Verwaltung während der Rechtsmittelfrist zurückkommen, ohne dass die nach Eintritt der Rechtskraft erforderlichen Voraussetzungen der Wiedererwägung oder der prozessualen Revision erfüllt sein müssen (BGE 124 V 247 f. Erw. 2 mit Hinweisen; vgl. BGE 129 V 111 Erw. 1.2.1).
2.2 Nach Art. 17 Abs. 1 ATSG ist die Rente von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft zu erhöhen, herabzusetzen oder aufzuheben, wenn sich der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines Rentenbezügers erheblich ändert. Anlass zur Rentenrevision gibt jede wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen, die geeignet ist, den Invaliditätsgrad und damit den Rentenanspruch zu beeinflussen. Die Invalidenrente ist somit nicht nur bei einer wesentlichen Veränderung des Gesundheitszustandes, sondern auch dann revidierbar, wenn sich die erwerblichen Auswirkungen des an sich gleich gebliebenen Gesundheitsschadens erheblich verändert haben (BGE 130 V 349 Erw. 3.5, 113 V 275 Erw. 1; vgl. auch BGE 112 V 372 Erw. 2b und 390 Erw. 1b). Ein Revisionsgrund ist unter Umständen auch dann gegeben, wenn eine andere Art der Bemessung der Invalidität zur Anwendung gelangt (BGE 130 V 349 Erw. 3.5 mit Hinweis). So hat das Eidgenössische Versicherungsgericht wiederholt entschieden, dass die in einem bestimmten Zeitpunkt massgebende Methode der Invaliditätsschätzung die künftige Rechtsstellung der Versicherten nicht präjudiziert, sondern dass die Kriterien der Erwerbsunfähigkeit einerseits und der Unmöglichkeit der Betätigung im nichterwerblichen Aufgabenbereich anderseits (Art. 16 ATSG und Art. 28 Abs. 2bis IVG) im Einzelfall einander ablösen können (BGE 113 V 275 Erw. 1a mit Hinweisen).
Die Frage der wesentlichen Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen beurteilt sich durch Vergleich des Sachverhalts, wie er im Zeitpunkt der ursprünglichen Rentenverfügung bestanden hat, mit demjenigen zur Zeit der streitigen Revisionsverfügung (BGE 130 V 350 Erw. 3.5.2, 125 V 369 Erw. 2 mit Hinweis; vgl. auch BGE 112 V 372 Erw. 2b und 390 Erw. 1b). Eine Revisionsverfügung gilt - im Hinblick auf eine weitere Revision - ihrerseits nur dann als (neue) Vergleichsbasis, wenn in ihr die ursprüngliche Verfügung nicht bloss bestätigt, sondern der laufende Rentenanspruch aufgrund eines neu festgesetzten Invaliditätsgrades tatsächlich angepasst worden ist (BGE 109 V 265 Erw. 4a; vgl. auch BGE 130 V 75 Erw. 3.2.3).
3.
Streitgegenstand vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht bildet nicht die erstmalige Invaliditätsbemessung, sondern allein noch die beantragte Erhöhung der laufenden halben Rente. Zu prüfen ist daher, ob eine revisionsrechtlich bedeutsame Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten ist, welche eine Rentenanhebung rechtfertigt (BGE 130 V 75 Erw. 3.2.3). Insbesondere ist zu untersuchen, ob eine Veränderung in medizinischer Hinsicht und der sich daraus ergebenden Arbeitsfähigkeit stattgefunden hat.
3.1 Die Verfügung vom 2. November 1999 betreffend halbe Invalidenrente ab 1. November 1998 beruhte in medizinischer Hinsicht im Wesentlichen auf dem Austrittsbericht der Klinik X.________ vom 8. März 1999. Die Ärzte diagnostizierten nach einem dreiwöchigem stationären Aufenthalt vom 27. Januar bis 17. Februar 1999 gestützt auf umfangreiche physio- und ergotherapeutische sowie neuropsychologische Abklärungen ein neurologisches Defizit mit Schädelhirntrauma und Konzentrationsleistungsstörungen. Die Arbeitsfähigkeit wurde auf 50% eingeschätzt.
3.2 Im Revisionsverfahren stellten Verwaltung und Vorinstanz auf Grund der Beurteilung der Klinik X.________ vom 8. März 1999 und des Gutachtens des Zentrums Y.________ vom 15. April 2002 keine Verschlechterung der gesundheitlichen Verhältnisse fest. Im Gutachten des Zentrums Y.________ wiesen die Ärzte ausdrücklich aus, dass verglichen mit den Untersuchungen in X.________ die Befunde sowohl quantitativ wie qualitativ dieselben Resultate zeigten. Sie attestierten der Versicherten eine 55%ige Arbeitsfähigkeit als kaufmännische Angestellte, wobei die Mediziner festhielten, dass sie an der jetzigen Arbeitsstelle optimale Bedingungen antreffe und dennoch wegen der neuropsychologischen Defizite an ihre oberste Leistungsgrenze stosse. Das kantonale Gericht ging deshalb nach Würdigung der gesamten Aktenlage von einer unveränderten Arbeitsfähigkeit von 50% aus.
3.3 Die Beschwerdeführerin bringt an Hand der Arbeitspensen und Arbeitszeugnisse vor, dass eine gesundheitliche Verschlechterung und eine Arbeitsfähigkeit von nur noch 40% bestehe. Dass sie schnell überfordert ist, wie dies von den Arbeitgebern beschrieben wird, entspricht auch den Ausführungen der Ärzte des Zentrums Y.________ (Gutachten vom 15. April 2002): "Jedoch zeigten sich deutliche Leistungsunsicherheiten immer dann, wenn mehrere oder komplexere Informationen zu ordnen oder zu organisieren waren. Es ist anzunehmen, dass diese Minderleistungen auf Vigilanzschwankungen und/oder ein reduziertes Arbeitsgedächtnis zurückzuführen sind." Obwohl auch der Hausarzt, offensichtlich wegen des damaligen Arbeitspensums und der Angaben der Versicherten, in seinem Bericht vom 15. November 2004 ebenfalls von einer 40%igen Arbeitsfähigkeit ausging, schloss er einen höheren Beschäftigungsgrad nicht aus. Ferner hielt Dr. med. G.________ fest, dass der Gesundheitszustand stationär und die Diagnose unverändert sei, was in Anbetracht der Verlaufsberichte vom 14. August 2002 und 30. September 2003, worin er ihr jeweils eine 55%ige Arbeitsfähigkeit attestierte, von besonderer Relevanz ist. Eine mögliche Zeugeneinvernahme des IV-Beraters könnte die medizinische Einschätzung der Arbeitsfähigkeit nicht widerlegen, zumal dieser im Schlussbericht vom 2. Juli 2004 trotz reduziertem Pensum (40%) von einer 50%igen Arbeitsfähigkeit ausging. Die Verminderung des Beschäftigungsgrads und die eingereichten Arbeitszeugnisse vermögen keine Verschlechterung von Gesundheitszustand und Leistungsvermögen zu begründen. Das Befinden der Versicherten ist seit 1999 nachweislich stabil geblieben, so dass, entgegen den Ausführungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, der medizinische Sachverhalt für das Revisionsverfahren hinreichend dokumentiert ist. Von weiteren Abklärungen ist in antizipierter Beweiswürdigung (BGE 122 V 162 Erw. 1d; SVR 2005 MV Nr. 1 S. 2 Erw. 2.3 mit Hinweisen [M 1/02]) abzusehen. Mit der Vorinstanz ist auf unveränderte gesundheitliche Verhältnisse und somit auf eine Arbeitsfähigkeit von 50% zu schliessen.
3.4 Zu prüfen bleibt, ob sich die erwerblichen Verhältnisse in für den Anspruch auf Rente erheblicher Weise geändert haben. Nach Lage der Akten zu Recht nicht strittig ist das jährliche Valideneinkommen in Höhe von Fr. 70'065.-.
Nachdem die Beschwerdeführerin ihre Stelle auf dem Grundbuchamt Z.________ Ende Januar 2002 beendete, wechselte sie zu den Bahnen W.________. Diese Stelle kündigte sie auf 31. Dezember 2003. Ab 1. März 2004 fand sie eine neue Arbeitsstelle in der Firma V.________, wo sie bis zum 31. Mai 2004 in einem 50% Pensum beschäftigt war. Ab 1. Juni 2004 wurde dieses auf 40% reduziert. Seit 1. Dezember 2005 ist die Beschwerdeführerin im Übrigen beim Kanton U.________ als Standesbeamtin in einem 40% Pensum angestellt. Angesichts der wechselnden Einkommen und der jeweils relativ kurzen Anstellungsdauern kann nicht von besonders stabilen Verhältnissen im Sinne der Rechtsprechung ausgegangen werden, sodass, entgegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, für die Ermittlung des Invalideneinkommens auf Tabellenlöhne abzustellen ist (vgl. BGE 126 V 76 Erw. 3b/bb mit Hinweisen).
Gemäss Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik (LSE) 2004 betrug der monatliche Bruttolohn von Frauen im Dienstleistungssektor, Sekretariats- und Kanzleiarbeiten (auf den abzustellen ist, da die Versicherte während Jahren in diesem Bereich tätig war; vgl. RKUV 2000 Nr. U 405 S. 399 f. Erw. 3b [U 66/00]) im Anforderungsniveau 3 (Berufs- und Fachkenntnisse vorausgesetzt) Fr. 5'526.- (Tabelle TA7 S. 63). Daraus ergibt sich (unter Berücksichtigung einer betriebsüblichen wöchentlichen Arbeitszeit von 41,6 Stunden, Die Volkswirtschaft 5/2006, Tabelle B10.2 S. 87) bei einer Arbeitsfähigkeit von 50% und einem leidensbedingten Abzug von 10% ein Invalideneinkommen von Fr. 31'034.-. Verglichen mit dem Valideneinkommen von Fr. 70'065.- resultiert ein Invaliditätsgrad von 56%. Demzufolge ist ein Anspruch auf eine höhere als eine halbe Rente nicht ausgewiesen (Art. 28 Abs. 1 IVG) und der vorinstanzliche Entscheid rechtens.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Appenzell I.Rh., der Ausgleichskasse des Kantons Appenzell I.Rh. und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.
Luzern, 30. Oktober 2006
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der III. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: