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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1P.708/2005 /gij 
 
Urteil vom 30. November 2005 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Nay, Aeschlimann, 
Gerichtsschreiberin Scherrer 
 
Parteien 
X.________, zzt. in der Strafanstalt, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich, Sonderdienst der Bewährungs- und Vollzugsdienste, Feldstrasse 42, 8090 Zürich, 
Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich, Neumühlequai 10, Postfach, 8090 Zürich. 
 
Gegenstand 
Urlaub, 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen die Verfügung der Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich vom 29. September 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
X.________ verbüsst in der Strafanstalt Pöschwies eine Zuchthausstrafe von 20 Jahren wegen Mordes an seiner Ehefrau. Mit Verfügung des Amtes für Justizvollzug vom 15. März 2005 wurden ihm zwölfstündige Urlaube gewährt, dies unter Auflage der vorgängigen Einreichung und Einhaltung eines Urlaubsprogramms, der Begleitung durch Personal der Strafanstalt sowie des Verfassens eines Urlaubsberichtes. Am 29. März 2005 reichte X.________ bei der Strafanstalt ein Urlaubsgesuch für den 20. April 2005 ein. Gemäss dem dazugehörigen Urlaubsprogramm plante er einen Besuch am Grab seiner Ehefrau. Mit Ergänzung vom 24. Mai 2005 wurde die erste Urlaubsverfügung darum um eine zusätzliche Auflage erweitert, nämlich die "Einhaltung eines Rayonverbotes für die Gemeinde Stettlen, insbesondere für das Grab des Opfers". 
B. 
Dagegen gelangte X.________ an die Direktion der Justiz und des Innern mit dem Antrag auf Aufhebung der Verfügung vom 24. Mai 2005. Gleichzeitig verlangte er, zukünftig auf Rayonverbote zu verzichten. Die Direktion wies den Rekurs mit Verfügung vom 29. September 2005 ab. 
C. 
Mit Eingabe vom 31. Oktober 2005 erhebt X.________ staatsrechtliche Beschwerde gegen die Verfügung der Direktion der Justiz und des Innern. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids. 
 
Die Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich schliesst unter Hinweis auf die angefochtene Verfügung auf Abweisung der Beschwerde, während das Amt für Justizvollzug auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Gegen Anordnungen und Entscheide der Anstaltsleitung steht den Betroffenen der Rekurs an die vorgesetzte Behörde, also an die kantonale Direktion der Justiz und des Innern, offen; solche Entscheide sind im Kanton nicht weiterziehbar (vgl. § 36 des Zürcher Gesetzes vom 30. Juni 1974 über das kantonale Strafrecht und den Vollzug von Strafen und Massnahmen [StVG/ZH] und § 147 der Zürcher Justizvollzugsverordnung vom 24. Oktober 2001 [JVV/ZH] in Verbindung mit § 43 Abs. 1 lit. g und Abs. 2 des Zürcher Gesetzes vom 24. Mai 1959 über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen [VRG/ZH]). Der Beschwerdeführer ist durch die Einschränkung seiner Hafturlaubsgestaltung grundsätzlich in seinen rechtlich geschützten Interessen betroffen. Zwar war ursprünglich ein für den 20. April 2005 geplanter Urlaub Gegenstand des Verfahrens. Wie die Direktion der Justiz und des Innern im angefochtenen Entscheid jedoch zu Recht festhält, kann sich die aufgeworfene Frage jederzeit unter gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen. Die umstrittene Auflage wurde denn auch bei der Bewilligung der Urlaubsgesuche vom 24. Mai 2005, 22. Juli 2005 sowie 24. August 2005 jeweils verfügt (act. 91). Das aktuelle Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers ist demnach zu bejahen (Art. 88 OG). Er macht die Verletzung verfassungsmässig garantierter Rechte geltend (Art. 84 Abs. 1 lit. a OG). Dazu ist er legitimiert. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde unter Vorbehalt von E. 1.2 und 1.3 hiernach einzutreten. 
1.2 Das Bundesgericht prüft auf staatsrechtliche Beschwerde hin nur klar und detailliert erhobene Rügen hinsichtlich konkreter Verletzungen verfassungsmässiger Rechte (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG); auf nicht substantiierte Vorbringen und appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein (BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 261 f.; 129 I 185 E. 1.6 S. 189; 127 I 38 E. 3c und 4 S. 43). Der Beschwerdeführer rügt über weite Teile in allgemeiner Weise das Vorgehen der kantonalen Behörden, ohne darzutun, welche verfassungsmässigen Rechte dadurch inwiefern tangiert sein sollen. Auf diese Vorbringen ist nicht einzutreten. 
1.3 Soweit sich der Beschwerdeführer auf Umstände im Zusammenhang mit dem Geschworenenprozess beruft, in dessen Rahmen er 1998 des Mordes an seiner Ehefrau für schuldig befunden worden war, ist auf seine Ausführungen ebenfalls nicht einzutreten. Gegenstand des anhängigen Verfahrens sind lediglich die verfügten Einschränkungen des Hafturlaubs. 
2. 
2.1 Die Direktion der Justiz und des Innern hat dem Beschwerdeführer verweigert, am Geburtstag seiner verstorbenen Frau deren Grab zu besuchen. Gleichzeitig hat sie das Verbot bestätigt, wonach sich der Beschwerdeführer von der Gemeinde fern zu halten hat, in welcher das Grab liegt und die Eltern der Verstorbenen wohnen. Sie begründet diese Massnahme sinngemäss damit, die Eltern des Opfers hätten Anspruch auf eine Orientierung über geplante Vollzugslockerungen. Sie hätten denn auch ihre Bedenken über ein allfälliges Zusammentreffen mit dem Mörder ihrer Tochter an ihrem Wohnort und insbesondere am Grab geäussert. Die Direktion erachtet diese Ängste als nachvollziehbar. Unter den gegebenen Umständen könne nicht davon ausgegangen werden, der Besuch des Grabes diene der Pflege persönlicher und familiärer Beziehungen, die für die soziale Eingliederung des Beschwerdeführers wertvoll und nötig seien. Hingegen stelle er zweifellos eine Provokation der Opferfamilie oder zumindest eine Demonstration der subjektiven Unschuldsüberzeugung des Beschwerdeführers dar. Dies hänge mit defizitären Seiten seiner Persönlichkeitsstruktur zusammen; er versuche, den Anschein seiner Unschuld zu wahren oder zu erwecken. Das zeige sich unter anderem darin, dass der Besuch ursprünglich am Geburtstag der Verstorbenen hätte stattfinden sollen, einem Tag, an welchem eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für ein Zusammentreffen mit Angehörigen des Opfers am Grab bestehe. Da es im Weiteren sicherlich nicht zum Vollzugsziel gehöre, von der Opferseite her unerwünschte Begegnungen oder gar Auseinandersetzungen mit Angehörigen zuzulassen, sei es gerechtfertigt, die Interessen des Beschwerdeführers an der Gestaltung seines Urlaubs gegenüber den Interessen der Angehörigen des Opfers und den zu erreichenden Vollzugszielen geringer zu gewichten. Der Beschwerdeführer erleide dadurch keine übermässige und unnötige Einschränkung in seinen Rechten. 
2.2 Der Entscheid stützt sich einerseits auf § 49 Abs. 1 JVV/ZH, wonach für Voraussetzungen, Zuständigkeiten und Rahmenbedingungen der Gewährung von Urlaub und Ausgang die als verbindlich erklärten Richtlinien der Ostschweizer Strafvollzugskommission über die Urlaubsgewährung in Strafvollzugsanstalten (nachfolgend Richtlinien) gelten. Gemäss Abs. 4 der zitierten Bestimmung können mit der Urlaubsgewährung Weisungen und Auflagen über Verhalten, Beschäftigung, Aufenthaltsort, Meldepflicht und Begleitung sowie Rahmenbedingungen für die Durchführung weiterer Urlaube verbunden werden. Ziff. 1.2 der zitierten Richtlinien hält fest, dass dem Eingewiesenen kein Rechtsanspruch auf Urlaub zusteht. Weiter bestimmt Ziff. 1.4 Abs. 2 der Richtlinie, dass Urlaube, welche dem Vollzugszweck zuwiderlaufen oder die Wiedereingliederung des Eingewiesenen erschweren, abgelehnt werden. 
2.3 Im Lichte dieser Normen und der Ausführungen im angefochtenen Entscheid erscheint die Einschränkung der Urlaubsgestaltung keineswegs als verfassungswidrig. Die Argumentation der Direktion für Justiz und Inneres ist überzeugend und in sich schlüssig. Daran ändern die Ausführungen des Beschwerdeführers zu seiner Persönlichkeitsstruktur nichts. Es ist offensichtlich, dass sein Besuch am Grab der ermordeten Ehefrau für deren Familie eine Provokation darstellt, die sich nicht mit der "Aufarbeitung seiner Defizite" rechtfertigen lässt. Unbehelflich ist auch der Verweis auf das Gutachten aus dem Jahre 1998, zumal damit nicht dargetan wird, inwiefern der Entscheid der Direktion willkürlich sein soll. Die Interessenabwägung, welche die kantonalen Behörden vorgenommen hat, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Im Übrigen erschöpfen sich die Vorbringen des Beschwerdeführers in appellatorischer Kritik, auf welche nicht einzutreten ist (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). 
3. 
Infolgedessen ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Entsprechend dem Ausgang des bundesgerichtlichen Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Amt für Justizvollzug, Sonderdienst der Bewährungs- und Vollzugsdienste, und der Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 30. November 2005 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: