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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
 
{T 0/2}  
9C_650/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 30. November 2016  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin, 
Bundesrichter Meyer, Parrino, 
Gerichtsschreiber Fessler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Bettina Surber, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, 
Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente; Überprüfung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen 
vom 16. August 2016. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Mit Verfügung vom 30. April 2003 sprach die IV-Stelle des Kantons St. Gallen der 1959 geborenen A.________ rückwirkend ab 1. September 2002 eine ganze Rente der Invalidenversicherung samt einer Kinderrente zu. Mit Mitteilungen vom 23. Juni 2006 und 28. Juli 2009 bestätigte sie den Rentenanspruch. Im Rahmen eines weiteren im September 2012 eingeleiteten Verfahrens zur Überprüfung der Rente wurde A.________ rheumatologisch und psychiatrisch abgeklärt (Gutachten Dr. med. B.________ [samt Ergänzungsbericht vom 4. Dezember 2014] und med. pract. C.________ vom 12. Juli 2013). Nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren hob die IV-Stelle mit Verfügung vom 26. Mai 2015 die ganze Rente auf den gesetzlich vorgesehenen Zeitpunkt hin auf. 
 
B.   
Die Beschwerde der A.________ wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen nach zweifachem Schriftenwechsel mit Entscheid vom 16. August 2016 ab. 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, der Entscheid vom 16. August 2016 und die Verfügung vom 26. Mai 2015 seien aufzuheben und es sei ihr weiterhin eine ganze Rente auszurichten; eventualiter sei die Sache zur umfassenden Neuabklärung und zum Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die streitige Aufhebung der ganzen Rente der Beschwerdeführerin auf Ende Juni 2015 erfolgte gestützt auf lit. a Abs. 1 der Schlussbestimmungen der Änderung des IVG vom 18. März 2011 (6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket, in Kraft getreten am 1. Januar 2012; im Folgenden: SchlB zur 6. IV-Revision). Nach dieser Bestimmung werden Renten, die bei pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildern ohne nachweisbare organische Grundlage gesprochen wurden, innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten dieser Änderung überprüft (Satz 1). Sind die Voraussetzungen nach Artikel 7 ATSG nicht erfüllt, so wird die Rente herabgesetzt oder aufgehoben, auch wenn die Voraussetzungen von Artikel 17 Abs. 1 ATSG nicht erfüllt sind (Satz 2).  
 
1.2. Das kantonale Versicherungsgericht hat in E. 1.2 und 1.3 des angefochtenen Entscheids unter Hinweis auf das Urteil 8C_773/2013 vom 6. März 2014 E. 4.2 und 4.3 dargelegt, dass die Voraussetzungen für die Überprüfung der ganzen Rente nach lit. a Abs. 1 SchlB zur 6. IV-Revision gegeben sind und kein Raum für eine einzelfallbezogene Zumutbarkeitsbeurteilung besteht. Im Zusammenhang mit dem zweiten Punkt rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 9 BV. Ihre Vorbringen richten sich indessen entweder direkt gegen die gesetzliche Regelung, worauf von vornherein nicht einzugehen ist (Art. 190 BV), oder sie erschöpfen sich in appellatorischer Kritik an den diesbezüglichen Erwägungen der Vorinstanz, was vor Bundesgericht nicht genügt (BGE 138 I 171 E. 1.4 S. 176). Im Übrigen ist auf lit. a Abs. 2 und 3 SchlB zur 6. IV-Revision hinzuweisen, wonach bei entsprechender Bereitschaft erst nach Beendigung des Versuchs der Wiedereingliederung im Rahmen von Art. 8a IVG, während welcher Zeit (längstens zwei Jahre ab dem Zeitpunkt der Aufhebung) die bisherige Rente weiter ausgerichtet wird, abschliessend beurteilbar ist, ob der versicherten Person in Berücksichtigung sämtlicher subjektiven und objektiven Elemente der Schritt zurück in das Erwerbsleben zumutbar ist (Urteil 8C_773/2013 vom 6. März 2014 E. 4.3.2, in: SVR 2014 IV Nr. 17 S. 65).  
 
2.   
Weiter rügt die Beschwerdeführerin, der rechtserhebliche medizinische Sachverhalt sei unvollständig abgeklärt, was Art. 61 lit. c ATSG verletze (BGE 136 V 376 E. 4.1.1 S. 377; und damit auch Bundesrecht [Art. 95 lit. a BGG; Urteil 2C_647/2013 vom 1. Mai 2014 E. 2.4]). Das bidisziplinäre Gutachten vom 12. Juli 2013 sei nicht beweiskräftig und darauf könne nicht abgestellt werden. Die Expertise sei nicht in Kenntnis sämtlicher Vorakten verfasst worden, enthalte einen Widerspruch in Bezug auf die Einschätzung der Arbeitsfähigkeit aus rheumatologischer Sicht, welcher auch durch die ergänzende Stellungnahme des Dr. med. B.________ vom 4. Dezember 2014nicht aufgelöst werden könne, und halte vor den in BGE 141 V 281 entwickelten Grundsätzen nicht Stand. Was sie zur Begründung vorbringt, ist indessen nicht stichhaltig. 
 
 
2.1. Ein Gutachten nach Art. 44 ATSG ist grundsätzlich in Kenntnis der Vorakten zu verfassen (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232). Dies bedeutet indessen nicht, dass jedesmal wenn der sachverständigen Person nicht alle früher erstellten medizinischen Unterlagen zur Verfügung standen, die Expertise ihren Beweiswert verlöre. Es kommt auf die Umstände des Einzelfalles an, insbesondere ob bei Kenntnis der unberücksichtigt gebliebenen ärztlichen Berichte eine andere Beurteilung (hier im Lichte von BGE 141 V 281) erwartet werden konnte, wobei diesbezüglich kein allzu strenger (Beweis-) Massstab anzulegen ist. Die Frage ist mit Bezug auf die med. pract. C.________ nicht bekannt gewesene Gesprächstherapie bei der Hausärztin zu verneinen, wie die Vorinstanz erkannt hat. Die Sitzungen fanden einmal im Monat statt. Die Hausärztin ist nicht Psychiaterin noch Psychotherapeutin. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kann in dieser Gesprächstherapie weder ein Indiz für eine Behandlungsresistenz erblickt werden, noch lässt sich daraus auf einen erhöhten Leidensdruck schliessen (BGE 141 V 281 E. 4.3.1.2 S. 299 und E. 4.4.2 S. 304).  
 
2.2. Im rheumatologischen Teil des Gutachtens vom 12. Juli 2013 wurde die Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit medizinisch-theoretisch auf etwa 50 %, in der bidisziplinären Beurteilung jedoch auf 100 % beziffert. Der rheumatologische Experte äusserte sich in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 4. Dezember 2014 zu diesem Widerspruch, welchen er in dem Sinne auflöste, dass die Einschätzung einer Arbeitsfähigkeit von 100 % nicht ab Datum der Begutachtung galt, sondern ab dem Zeitpunkt, in welchem namentlich das möglich erscheinende Carpaltunnelsyndrom ausgeschlossen oder adäquat behandelt wurde. Entgegen den Vorbringen in der Beschwerde handelt es sich dabei nicht um eine materielle Ergänzung der Expertise, welche deren Beweiswert ernsthaft in Frage zu stellen vermöchte. In zusammenfassender Würdigung der Ergebnisse der klinischen Untersuchung (vgl. zu deren Bedeutung bei die Wirbelsäule betreffenden Diagnosen Urteil 9C_335/2015 vom 1. September E. 4.2.2) und der bildgebenden Verfahren hielt der rheumatologische Gutachter fest: "Die beschriebenen degenerativen Veränderungen per se erreichen, abgesehen von organisch begründbaren Limitierungen der Handkraft wie Belastbarkeit der Hände im Rahmen eines CTS, (...) kein Ausmass, das die Arbeitsfähigkeit in einer adaptierten leichten Tätigkeit (...) namhaft limitieren würde. Weit im Vordergrund stehend findet sich weiterhin ein letztlich organisch nicht hinreichend begründbares generalisiertes Schmerzsyndrom (...) ". Die Beschwerdeführerin bestreitet weder diese Beurteilung noch legt sie dar, inwiefern die Stellungnahme vom 4. Dezember 2014 auf einer neuen nicht bereits in der Expertise enthaltenen Würdigung der Befunde beruht.  
 
2.3. Schliesslich macht die Beschwerdeführerin - zu Recht - nicht geltend, mit BGE 141 V 281 habe das Gutachten vom 12. Juli 2013 per se seinen Beweiswert verloren (BGE, a.a.O., E. 8 S. 309). Das kantonale Versicherungsgericht hat die Expertise einer Prüfung anhand der Standardindikatoren unterzogen und ist zum Ergebnis gelangt, dass auch rechtlich von einer Arbeitsunfähigkeit von 100 % in einer körperlich angepassten Tätigkeit auszugehen ist. Weder die Gesprächstherapie mit der Hausärztin (E. 2.1 hiervor) noch die hohen Begründungsanforderungen an den Nachweis verminderter psychischer Ressourcen, die ihre Ursache in der Persönlichkeit der versicherten Person haben (BGE 141 V 281 E. 4.3.2 S. 302), lassen seine Erwägungen als bundesrechtswidrig erscheinen.  
 
3.   
Die vorinstanzliche Invaliditätsbemessung durch Einkommensvergleich (Art. 16 ATSG i.V.m. Art. 28a Abs. 1 IVG) ist im Übrigen nicht bestritten. Es besteht kein Anlass zu Weiterungen. 
 
4.   
Ausgangsgemäss hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 30. November 2016 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Glanzmann 
 
Der Gerichtsschreiber: Fessler