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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5D_6/2023  
 
 
Urteil vom 31. Januar 2023  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Schöbi, 
Gerichtsschreiber Zingg. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.A.________, 
2. B.A.________, 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thomas A. Müller, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
C.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Claudia Trösch, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Prozessleitende Verfügung (Beseitigung von Immissionen), 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Solothurn, Zivilkammer, vom 24. November 2022 (ZKBES.2022.161). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Zwischen A.A.________ und B.A.________ einerseits und C.________ andererseits ist seit dem 3. Oktober 2016 beim Richteramt Olten-Gösgen ein Prozess betreffend Beseitigung von Immissionen hängig. 
Am 24. Oktober 2022 erliess die Amtsgerichtsstatthalterin eine Verfügung, in der sie den Antrag auf Einholung eines Berichts bei der SVA Aargau abwies (Ziff. 1), den Antrag auf Einholung einer Stellungnahme der Gutachterstelle zu den in der Eingabe vom 31. August 2022 gestellten Fragen abwies (Ziff. 2), den Antrag auf Einholung von Referenzen bezüglich Optimierung der WLAN-Belastungen bei der Gutachterstelle und der D.________ AG abwies (Ziff. 3), den Antrag auf Einholung eines Kurzkonzepts bezüglich WLAN-Optimierung bei der Gutachterstelle und der D.________ AG abwies (Ziff. 4), vier Urkunden (Beleg 73, 74, 77 und 79) aus den Akten wies (Ziff. 5), zwei Urkunden (Beleg 72 und 78) zu den Akten erkannte (Ziff. 6) und A.A.________ und B.A.________ letztmals Frist ansetzte zur Formulierung ihrer Ergänzungsfragen bis 30. November 2022, wobei im Unterlassungsfalle Verzicht angenommen werde (Ziff. 7). 
 
B.  
Dagegen erhoben A.A.________ und B.A.________ am 7. November 2022 Beschwerde an das Obergericht des Kantons Solothurn. Sie verlangten die Aufhebung der angefochtenen Verfügung. Mit Beschluss vom 24. November 2022 trat das Obergericht auf die Beschwerde nicht ein. 
 
C.  
Dagegen haben A.A.________ und B.A.________ (fortan: Beschwerdeführer) am 10. Januar 2023 subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht erhoben. Sie verlangen, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Sache zur materiellen Beurteilung unter Wahrung der Möglichkeit der Beschwerdeergänzung an das Obergericht zurückzuweisen. Eventuell seien der Beschluss des Obergerichts und die Verfügung des Richteramts aufzuheben und die Sache an das Richteramt zurückzuweisen, verbunden mit der Anweisung, das Schreiben der Beschwerdeführer vom 10. Oktober 2022 C.________ (Beschwerdegegner) zur Kenntnis zuzustellen. 
Am 17. Januar 2023 hat der Beschwerdegegner um vordringliche Behandlung ersucht, da die Hauptverhandlung auf den 1. März 2023 angesetzt worden sei. Das Bundesgericht hat die Akten beigezogen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob eine bei ihm eingereichte Beschwerde zulässig ist (BGE 145 I 121 E. 1; 143 III 140 E. 1; 141 III 395 E. 2.1). 
 
1.1. Der Streitwert der vorliegenden Angelegenheit liegt unbestrittenermassen unter Fr. 30'000.-- (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). Die Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 ff. BGG) ist damit unzulässig und die Beschwerde ist - wie verlangt - als subsidiäre Verfassungsbeschwerde (Art. 113 ff. BGG) zu behandeln. Der angefochtene Beschluss beendet das Hauptverfahren nicht, womit es sich um einen Zwischenentscheid, und zwar um einen solchen nach Art. 117 i.V.m. Art. 93 BGG, handelt (vgl. BGE 137 III 380 E. 1.1). Solche Zwischenentscheide können nur unter den in dieser Norm genannten, einschränkenden Voraussetzungen vor Bundesgericht angefochten werden. Die selbständige Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden bildet aus prozessökonomischen Gründen eine Ausnahme vom Grundsatz, dass sich das Bundesgericht mit jeder Angelegenheit nur einmal befassen soll. Die Ausnahme ist restriktiv zu handhaben (BGE 144 III 475 E. 1.2 mit Hinweisen).  
Vorliegend kommt einzig die Variante von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG in Betracht, auf die sich die Beschwerdeführer denn auch berufen. Gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist die Beschwerde zulässig, wenn der angefochtene Zwischenentscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann. Der Nachteil bemisst sich an den Auswirkungen auf das Hauptverfahren, d.h. vorliegend anhand der erstinstanzlichen Verfügung und nicht anhand des Nichteintretensentscheids des Obergerichts (BGE 137 III 380 E. 1.2.2; 141 III 80 E. 12.). Beim nicht wieder gutzumachenden Nachteil muss es sich um einen Nachteil rechtlicher Natur handeln, der auch durch einen für die beschwerdeführende Partei günstigen Entscheid in der Zukunft nicht mehr behoben werden kann. Rein tatsächliche Nachteile wie die Verlängerung oder Verteuerung des Verfahrens reichen nicht aus (BGE 144 III 475 E. 1.2 mit Hinweisen). Wenn die Frage, die Gegenstand des erstinstanzlichen Zwischenentscheids (bzw. in der Terminologie der ZPO: der prozessleitenden Verfügung) bildete, im Rahmen einer Beschwerde gegen den Endentscheid aufgeworfen werden kann (Art. 93 Abs. 3 BGG), liegt kein nicht wieder gutzumachender Nachteil vor. Deshalb besteht grundsätzlich kein nicht wieder gutzumachender Nachteil bei Entscheidungen im Hauptverfahren über die Beweisführung (BGE 141 III 80 E. 1.2 mit Hinweisen). 
 
1.2. Die Beschwerdeführer machen geltend, das Richteramt habe eine schriftliche Eingabe von ihnen vom 10. Oktober 2022 ignoriert, diese weder dem Beschwerdegegner zur Kenntnis gebracht noch in der Verfügung vom 24. Oktober 2022 berücksichtigt. Die Nichtzustellung einer Parteieingabe an die Gegenpartei könne im weiteren Verlauf des Verfahrens nicht geheilt werden. Vorliegend gehe es nicht nur um reine Rechtsfragen, sondern auch um Beweisanträge und eingereichte Beweismittel. Eine derart krasse Verletzung des rechtlichen Gehörs stelle bereits für sich allein einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil dar.  
Die Beschwerdeführer sind durch die Nichtzustellung an den Beschwerdegegner nicht beschwert, weshalb darin von vornherein kein Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG liegen kann. Im Übrigen können sie sich gegen die angebliche Nichtberücksichtigung ihrer Eingabe mit einem Rechtsmittel gegen den Endentscheid wehren. Ihre Berufung auf das rechtliche Gehör ändert nichts daran, dass ein nicht wieder gutzumachender Nachteil nicht ersichtlich ist. 
 
1.3. Die Beschwerdeführer machen ausserdem geltend, sie würden durch den angefochtenen Entscheid wichtiger Beweismittel beraubt. Bis ein rechtskräftiges Urteil vorliege, könne mit Blick auf die Komplexität (Immissions-Gutachten, beantragte Ergänzungsfragen, eventuell neues Gutachten) und die Besonderheit des vorliegenden Falles (WLAN-Pilotprozess im Nachbarrecht) noch geraume Zeit verstreichen. Würde dannzumal festgestellt, dass beantragte entscheidrelevante Beweismittel zu Unrecht nicht bewilligt worden sind, ergäbe sich eine unzumutbare Verzögerung, womit nicht sichergestellt wäre, dass das Verfahren einen wirksamen Rechtsschutz innert angemessener Frist gewährleistet.  
Die Beschwerdeführer berufen sich damit bloss auf eine befürchtete Verfahrensverzögerung, die für einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil nicht ausreicht. Dass es unter dem Aspekt des wirksamen Rechtsschutzes (Art. 29 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK) rechtsstaatlich unzumutbar wäre, sie auf die Anfechtung des Endentscheides zu verweisen (BGE 136 II 165 E. 1.2.1), wird nicht hinreichend geltend gemacht und ist nicht ersichtlich. Ihr Hinweis auf die bisherige Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens von sieben Jahren genügt dazu nicht. Sie machen nicht geltend, die lange Verfahrensdauer sei der Untätigkeit des Gerichts geschuldet, sondern sie erklären diese mit diversen Zwischenverfahren und der Dauer der Ausarbeitung des Gutachtens. Sie machen nicht geltend, dass der Beweis nach einer erfolgreichen Anfechtung des Endentscheides nicht mehr geführt werden könnte, weil etwa Beweismittel nicht mehr zur Verfügung stünden. 
 
1.4. Die Beschwerdeführer machen zudem geltend, der beantragte Kurzbericht der IV-Stelle Aargau und die Anträge betreffend Ergänzung des Gutachtens seien relevant für den Entscheid im Hauptverfahren. Die eingereichten Urkunden 72 bis 78 seien ergänzend ebenfalls von Bedeutung für die zunehmende internationale Anerkennung des EMF-Syndroms (Elektrohypersensibilität). Beleg 79 sei ohne Begründung als verspätet bezeichnet worden. Nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens sei es wegen der Novenschranke grundsätzlich nicht mehr möglich, weitere ergänzende Sachvorbringen einzureichen. In der Eingabe vom 10 Oktober 2022 hätten die Beschwerdeführer unter anderem ausgeführt, dass sämtliche neu eingereichten Urkunden zu den Akten zu nehmen seien. Die Erstinstanz hätte sich damit auseinandersetzen müssen.  
Auch mit diesen Ausführungen lässt sich kein nicht wieder gutzumachender Nachteil dartun. Sie betreffen teilweise gar nicht den Nachteil nach Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG, sondern die Sache, d.h. die Frage, ob das Richteramt zu Recht gewisse Anträge abgelehnt bzw. zu Recht gewisse Aktenstücke aus dem Recht gewiesen hat. Es ist nicht ersichtlich, weshalb Entsprechendes nicht auch noch bei der Anfechtung des Endentscheides vorgebracht werden könnte. Dies gilt insbesondere auch für den Beleg, der vom Richteramt angeblich als verspätet bezeichnet worden ist. Die Beschwerdeführer sind diesbezüglich nicht auf das vor der Rechtsmittelinstanz geltende Novenrecht beschränkt, sondern können in einem Rechtsmittelverfahren gegen den Endentscheid auch vorbringen, dass das Richteramt die Eingabe nicht hätte als verspätet einstufen dürfen. 
 
1.5. Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG liegt damit nicht vor. Auf die Beschwerde kann nicht eingetreten werden.  
 
2.  
Bei diesem Ausgang des Verfahrens tragen die Beschwerdeführer die Gerichtskosten unter solidarischer Haftung (Art. 66 Abs. 1 und Abs. 5 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 1 BGG). 
 
 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftung auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Zivilkammer, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 31. Januar 2023 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Der Gerichtsschreiber: Zingg